Ich liebe meinen Sessel. Meinen bequemen Sessel mit meinem weichen Kissen und allem was so dazu gehört. Wie ich jetzt aber hier VOR meinem Sessel, auf dem Teppich mit einer Vielzahl von bunten Bauklötzen, Bilderbüchern und Kuscheltieren gelandet bin….

Rosie sitzt vor mir zwischen meinen Beinen und stapelt scheinbar willkürlich verschiedene Klötzchen aufeinander. Der Turm ist schon "etwas" nach rechts geneigt, weshalb ich die gesamte Konstruktion behutsam mit der linken Hand, während meine rechte Rosie sanft stützt, wieder etwas zurück in Form bringe.

Heute ist mein freier Tag und ich habe mir vorgenommen, so viel Zeit mit Rosie wie nur möglich zu verbringen. Ich kann es mir nicht leisten, vollzeit zu Hause zu bleiben, aber zum Glück gibt es ja Mrs Hudson, Lestrade (beziehungsweise die Nanny seiner Kinder) und Sherlock… Wo auch immer der sich gerade herumtreibt.

Und als hätte ich es heraufbeschworen, höre ich schon schnelle, stolpernde Schritte die Treppe hoch poltern.

Ich drehe mich gerade rechtzeitig um, um einen aufgeregten und etwas zerzausten Sherlock die Tür herein eilen zu sehe. Auch Rosie ist etwas überrascht und prompt liegt ihr so vorsichtig errichtetes Bauwerk wieder in Einzelteilen auf dem Boden vor uns verteilt.

Doch Turm und Klötzchen sind bereits vergessen, als sie sieht, dass ihr Onkel Sherlock eine große farbige Tüte stolz hochhält.

"Sherlock du solltest doch Milch besorgen.", sage ich stirnrunzelnd, "Wir haben keine mehr und Mrs Hudson weigert sich, schon wieder für uns einkaufen zu gehen."

"Langweilig."

Sherlock wirft achtlos Mantel, Hut und Schal in eine Ecke. Dann schiebt er einen Haufen Klötzchen beiseite und kniet sich zu uns auf den Boden.

"Hast du zumindest den Brief zur Post gebracht, wie-"

Er ignoriert mich und packt stattdessen die Tüte aus: "Schau mal, Rosie, was ich uns mitgebracht habe."

"Es sind definitiv nicht die Windeln, um die ich dich gebeten hatte.", erwidere ich trocken.

Rosies Augen beginnen zu strahlen und sie lacht glucksend auf, als sie nach der leeren Tüte greift.

Sherlock hält mir jetzt drei bunte Bilderbücher unter die Nase.

"Wir haben gestern Abend zum dritten Mal 'die kleine Raupe Nimmersatt' gelesen und mal davon abgesehen, dass eine Raupe, die in dieser kurzen Zeit mehrere Kilogramm Obst verzehrt, gar nicht existieren kann und sollte und sie ein schlechtes Vorbild-"

"Rosie mag es aber sehr gerne und es ist im Moment das einzige Buch bei dem sie gut einschlafen kann. Außerdem war es ein Geschenk von Anthea."

Ich unterdrücke ein Gähnen.

"Der junge Geist ist noch formbar. Sie ist in einem Alter in dem sie immerzu etwas neues lernt und wir sollten-"

Sherlock redet weiter, doch ich blende ihn aus. Nicht dass ich das öfter tun würde, aber heute bin ich einfach zu müde. Rosie fängt inzwischen an, immer öfter durchzuschlafen. Manchmal wache ich aber trotzdem noch nachts auf, weil ich denke, etwas gehört zu haben und dann schaue ich nach ihr.

Und dann beobachte ich sie wie sie schläft und bin so unheimlich stolz.

Ich strecke ein Bein, das mir vom Sitzen auf dem Boden eingeschlafen ist, weil ich demnächst aufstehen möchte, um mir einen Tee zu machen. Doch dann fällt mir ein, dass wir ja keine Milch mehr haben.

Stattdessen greife ich nach den Büchern, mit denen mir Sherlock immer noch aufgeregt vor der Nase herum fuchtelt.

Ich reibe mir die Augen, um die Buchstaben besser lesen zu können.

Dann entziffere ich die Titel.

"Quantenphysik für Babys, Relativitätstheorie für Babys und Thermodynamik für Babys", lese ich ungläubig vor. .

Und während Sherlock zu einer längeren Erklärung ausholt, frage ich mich, ob es wirklich eine so gute Idee wäre, Sherlock babysitten zu lassen.