Art der Geschichte: Mehrteiler

Genre: Drama

Autor: Josephine

Betaleserin: Shelley

Titel: Expecto Patronum


Disclaimer: Alle Figuren gehören JKR! Nur die Idee zu dieser Geschichte gehört mir und ich verdiene kein Geld daran! Lediglich Professor Keriann ist meine eigene Erfindung. Sein Name ist irisch und bedeutet so viel wie dunkelhaarig.

Inhalt: Für alle, denen Severus Snapes Patronus in Harry Potter and the Deathly Hollows nicht wirklich gefallen hat und die sich mehr erhofft haben vom letzten Buch…

Diese Geschichte enthält keine wirklichen Spoiler, so wie ich das sehe, aber wem die Gefahr zu groß ist, der sollte bitte warten, bis HP 7 auf Deutsch raus ist. Ich habe keine Informationen aus dem Buch benutzt, das Ganze hier war nur mehr eine Therapie, weil ich mit dem Ende von JKR nicht ganz so zu frieden war und naja, lest selbst lach...

Eine kleine Passage aus dem Schulleben unseres Zaubertränkemeisters, der, zusammen mit James Potter, Sirius Black und den ganzen anderen bekannten Charakteren seines Jahrganges das 3. Schuljahr besucht.


Kalte Luft strich über sein Gesicht, spielte kurz mit einer schwarzen, dünnen Strähne und verschwand dann wieder hinter den schweren, dunkelgrünen Vorhängen, die um das massive Holzbett gezogen waren. Bleiche, dürre Finger kamen unter einer ebenfalls dunkelgrünen Decke zum Vorschein, strichen die widerspenstige Haarsträhne nach hinten und verschwanden dann wieder unter dem wärmenden Stoff. Er wollte nicht aufstehen. Er wollte sie nicht sehen, sich nicht mitten unter ihnen vorkommen wie ein Verlorener, der sein Ziel schon seit langer Zeit aus den Augen verloren hatte.

Ein leises Seufzen war unter der Decke zu hören, ein schwarzer Haarschopf bewegte sich und schließlich kam ein bleiches Gesicht zum Vorschein, dessen pechschwarze Augen der Haarfarbe des Jungen Konkurrenz machten. Die Haut im Gesicht war nicht weniger bleich als die der Finger, die Nase ein wenig zu groß und die Wangen leicht eingefallen. Er aß einfach zu wenig. Aber das interessierte keinen. Ihn selbst genau so wenig wie alle anderen. Ob sie es überhaupt merken würden, wenn er heute wieder einmal nicht zum Frühstück erschien? Wahrscheinlich würde es kaum einem auffallen und wenn, dann nur, weil es weniger Spaß machte sich über jemanden lustig zu machen, der selbst gar nicht da war.

Die bleiche Hand, die eben bereits die Haarsträhne hinter das rechte Ohr gestrichen hatte, ballte sich zur Faust und schlug mit einem dumpfen Laut auf der schweren, dunkelgrünen Decke auf. Keiner würde ihn vermissen, keiner!

Der schwarzhaarige Junge spürte, wie ein verräterisches Brennen seine Augen erfüllte und blinzelte einige Male. Jetzt fing er schon am Morgen an zu heulen, das wurde ja immer besser! Sollten sie doch alle bleiben wo sie waren, er brauchte niemanden! Niemanden!

Mit einem unterdrückten Schluchzen erhob sich der Junge aus dem warmen Bett, merkte nicht, wie sein magerer Körper, der nur von einem dünnen Schlafanzug bedeckt wurde, in der kalten Winterluft zitterte und erhob sich langsam. Irgendjemand musst die Fenster geöffnet haben, denn die schweren Vorhänge um sein Bett tanzten leicht und leises Quietschen war zu hören, wenn der Wind mit den alten Scharnieren der Fenster spielte.

Die winterliche Kälte zog innerhalb von wenigen Sekunden durch seinen ganzen Körper, doch der Junge schenkte dem keinerlei Beachtung. Nachdem er einige Augenblicke regungslos hinter den zugezogenen Vorhängen gestanden und sich vergewissert hatte, dass scheinbar keiner seiner Zimmerkameraden mehr da war, zog er diese zurück, schaute einige Sekunden lang durch das geöffnete Fenster und schloss unbewusst die Augen.

Die ganze Nacht über musste es geschneit haben, denn die Fensterbank war mit den weißen Flocken bedeckt. Im matten Licht der Wintersonne glitzernde Eisblumen bahnten sich ihren Weg nach oben und ließen das dicke Bleiglas seltsam verzerrt aussehen.

Der kalte Wind tat gut und Severus Snape sog die frische, leicht brennende Luft tief ein. Endlich war es Winter, endlich. Auch, wenn er Gefahr lief damit ein weiteres Klischee zu erfüllen, er mochte den Frühling und den Sommer nicht wirklich. Sie waren ihm zu hell, zu bunt und viel zu warm. Er mochte es lieber, wenn es draußen in Strömen regnete, wenn der Wind mit den Bäumen spielte und kalte Winde über die Landschaft dahin zogen. Oder wenn es schneite und die ganze Welt von einem weißen Schleier überzogen war. Dann sah alles so friedlich aus, so ruhig. Irgendwie schienen dann alle Probleme und Sorgen in den Hintergrund zu treten, wenn man seinen Blick über die weißen Berge gleiten ließ und den kalten Wind im Gesicht spürte.

Lautes Rufen und Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. Es wurde Zeit, er musste sich fertig machen. Schon bald würde ein neuer Schultag beginnen und die Tortur, die er seit nunmehr drei Jahren über sich ergehen ließ, würde von neuem beginnen…

oOo

Missmutig betrachtete Severus sein Spiegelbild. Das, was er sah, war mit einem einzigen Wort schnell zu beschreiben: hässlich. Insgesamt wären ihm noch viele Worte eingefallen, etwa abgemagert, fettig oder missgebildet, doch „hässlich" brachte das ganze eigentlich ziemlich gut auf den Punkt. Im Moment fiel sein langes, schwarzes Haar ihm seidig und sauber über die Schultern, doch schon bald würde es ihm wieder wie ein fettiger Vorhang im Gesicht hängen. Er konnte machen, was er wollte, irgendwie schienen seine Haare gegen jede Art von Pflege immun zu sein. Die bleiche, fast weiß zu nennende Haut ließ ihn aussehen wie eine ziemlich daneben geratene Porzellanpuppe, welchen Eindruck die seiner Meinung nach viel zu groß geratene Nase nicht wirklich minderte. Das Einzige, was Severus Snape an seinem Aussehen wirklich mochte, waren die pechschwarzen Augen. Schwärzer als jede Nacht blickten sie eisig und leer in die Welt und nicht selten fragte er sich, wie jemand schwarze Augen haben konnte. Sein Vater hatte braune Augen und seine Mutter ziemlich dunkle, blaue. Wie kamen also seine schwarzen Augen zustande? Eine Frage, über die Severus schon mehr als einmal nachgedacht hatte und nie wirklich zu einer Antwort gekommen war. Es würde wohl ein ewiges Rätsel bleiben…Vielleicht war es ein Gen-Defekt? Oder ein Familienmerkmal, das bei keinem seiner Eltern zum Vorschein gekommen war? Die Variante, dass entweder sein Vater oder seine Mutter nicht ganz so „ehrlich" in ihrer bisherigen Ehe gewesen waren, ließ er lieber ganz außen vor, diese Idee erschien ihm doch etwas zu weit hergeholt.

Ein lauter Gong riss ihn schon zum zweiten Mal an diesem Tag aus seinen Gedanken. Zum Frühstücken war es jetzt zu spät, in fünf Minuten würde der Unterricht beginnen. Severus warf einen letzten Blick in den Spiegel, verzog sein Gesicht zu einer undeutlichen Grimasse aufgrund seines Erscheinungsbildes und wandte sich um. Sein Schulumhang wehte bei dieser schnellen Bewegung wie Wasser um seinen mageren Körper und raschelte leise. Er hob seine Tasche vom Boden auf, blickte sich noch ein letztes Mal im Raum um und machte sich auf den Weg zu seiner ersten Stunde. Verwandlung bei Professor McGonagall zusammen mit den Gryffindors, das konnte ja heiter werden…

oOo

„Hey, seht mal, da kommt Snivellus!", hörte Severus bereits die ersten höhnischen Rufe, als er um die Ecke kam. Er spürte, wie ein brennender Stich durch seinen ganzen Körper zog, doch nach außen hin durfte er den Schmerz nicht zeigen. Niemals. Er wollte sich nicht ausmalen wie sie ihn verspotten würden, wenn sie wüssten, dass es noch immer so wehtat. Dass jedes ihrer Worte, jede ihrer Gesten selbst nach drei Jahren immer noch brannte wie die Klinge eines Schwertes, das man ihm ohne Vorwarnung in die Brust stieß. Jedes Mal, immer wieder…

„Hey, Snivellus, wo warst du heute Morgen beim Frühstück? Hast doch nicht etwa verschlafen? Wir haben dich vermisst!"

Black. Sirius Black. Everybody's Darling seit dem Moment, in dem er durch die Tore der Großen Halle geschritten war an ihrem ersten Tag hier in Hogwarts. Severus blickte nicht auf, als er die Beleidigung hörte, doch er wusste, dass Potter, Lupin und Pettigrew nicht weit entfernt sein konnten. Drei Jahre lang waren sie nun schon auf dieser Schule und drei lange Jahre hatte er sich ihren Spott schon anhören müssen. Wie gerne würde er einmal zurück schlagen, richtig zurück schlagen. Nicht mit irgendwelchen Kinderflüchen oder Verwünschungen, nein, mit wirklicher Magie, richtiger Macht. Er würde ihnen endlich einmal zeigen, wie sich Schmerz anfühlte, wie es war, wenn man alleine im Kreis stand und von allen Seiten ausgelacht wurde. Einsam, alleine, gedemütigt…

Und doch tat er es nicht. Er hätte es gekonnt, aber er tat es nicht.

Fast ständig fühlte er dieses eigenartige Gefühl in sich, das er immer schwerer kontrollieren konnte. Es war wie ein Feuer, das in seinem Inneren brannte und alles unter sich begrub, was ihn davon abhielt sie endlich bezahlen zu lassen für das, was sie ihm antaten. Ein schwarzes, vernichtendes Feuer, vor dem er sich selbst fürchtete. Er wollte diese Gefühle nicht, wollte nicht den Hass, der ihn von innen heraus immer mehr zerfraß und nichts zurück ließ als diese schwarzen Flammen und doch konnte er nichts dagegen tun. Dieses Gefühl wurde immer intensiver und schon oft hätte er dem Feuer beinahe erlaubt die Kontrolle über ihn und sein ganzes Sein zu übernehmen. Sein Denken, sein Handeln, einfach alles. Aber er durfte es nicht! Niemals!

„Snivellus, so still heute? Keine Flüche, keine Verwünschungen?" James Potter, Prinz von Gryffindor und Schwarm aller Mädchen.

Und doch… die Versuchung war groß… sie endlich einmal bezahlen lassen…

„Wirst du mich wohl ansehen, wenn ich mit dir spreche, du widerlicher Slytherin?" Wieder Black.

Erneut spürte Severus dieses Gefühl tief in sich drin, vor dem er sich selbst so fürchtete. „Nicht aufblicken", sprach er in Gedanken zu sich selbst und zwang seine zitternden Hände, die sich zu Fäusten geballt hatten, ansonsten ganz ruhig zu bleiben, „ignoriere sie einfach! Hör' nicht hin! Bleib ganz ruhig!"

Ein plötzlicher Schlag in den Bauch ließ ihn sich keuchend nach vorne krümmen. Einer der vier musste einen Fluch auf ihn losgelassen haben, ohne, dass Severus es bemerkt hatte. Zu sehr war er in Gedanken damit beschäftigt gewesen sich selbst zu beruhigen. Lupin und Pettigrew strich er selbst aus der Liste der möglichen Kaidaten für diese Tat, der eine zu ruhig und der andere zu feige. Oder waren sie beide beides? Also blieben nur Potter oder Black, die ihn mit einem Fluch absichtlich aus der Reserve locken wollten. Um ihn herum waren alle anderen Schüler in lautes Gelächter ausgebrochen und nur wenige, so nahm er aus den Augenwinkeln war, schauten beschämt weg oder taten gar nichts. Sie verteidigten ihn nicht, aber sie lachten ihn auch nicht aus.

‚Wann ist diese Hölle endlich vorbei?', durchzog ein Gedanke nicht das erste Mal den Schmerz, der immer noch in seiner Körpermitte herrschte, doch ein lautes Räuspern ließ ihn langsam aufblicken. Professor McGonagall musste gerade um die Ecke gebogen sein und schlagartig hörte das Gelächter auf.

„Was ist hier los?", durchschnitt die feste Stimme der Verwandlungsprofessorin die Ruhe und keiner wagte es, auch nur den leisesten Ton von sich zu geben. Ihre wachsamen Augen suchten in der Menge nach dem Grund für das Gelächter und schließlich blieb ihr Blick an Severus hängen, der immer noch leicht gekrümmt in der Mitte stand. Für einen Moment sagte sie nichts, blickte ihn einfach nur aus ihren strengen, hinter eckigen Brillengläsern gelegenen Augen an und zog schließlich eine Augenbraue nach oben.

„Mr. Snape, ist hier irgendetwas vorgefallen?", richtete sie das Wort direkt an Severus und dieser warf einen schnellen Seitenblick auf Black und Konsorten. Dieser warf dem Slytherin einen Gesichtsausdruck zu, der deutlich klar machte, was ihm blühen würde wenn er irgendetwas verriet und daher schüttelte Severus nur kaum merklich den Kopf.

„Nein, Professor", antwortete er mit leiser, kaum wahrnehmbarer Stimme und noch immer fühlte er den Blick der Professorin auf sich ruhen. Warum schaute sie nicht weg?

Dann, endlich, nach einer halben Ewigkeit wie es ihm vorkam, nahm sie ihren strengen Blick von ihm, wandte sich um und öffnete mit einem Schlenker ihres Zauberstabes die Klassenzimmertür. Severus wartete, bis alle drinnen waren und betrat schließlich wie gewohnt als Letzter den Raum. Er setzte sich in die letzte Reihe, ganz nach hinten in die Ecke, und wunderte sich nicht wirklich, als der Unterricht begann und er wieder einmal alleine saß…

oOo

Lautes Reden, Lachen und das Klirren von Besteck erfüllte die Große Halle, als alle Schüler beim Mittagessen saßen und sich über den bisherigen Tag unterhielten. Selbst am Lehrertisch hörte man ab und zu ein lautes Lachen, wenn einer der Professoren seinem Kollegen etwas besonders Lustiges erzählt hatte und dieser seiner Belustigung über das eben Gehörte einfach Ausdruck verleihen musste. Severus Snape saß zwar mitten drin in diesem Geschehen, doch er kam sich eher so vor, als säße er weit abseits am Rand und würde das alles nur über eine weite Entfernung hören. Er stocherte in seinem mittlerweile sicherlich kalten Essen herum, versucht zu verstehen, über was sich seine Hauskameraden unterhielten und hielt den Kopf gesenkt.

Er hatte es versucht, doch nach drei Jahren Abweisungen, Spott und Ablehnung hatte er es aufgegeben. Selbst seine eigenen Hauskameraden wollten nicht wirklich etwas mit ihm zu tun haben wenn es nicht gerade darum ging, dass er für sie eine Hausaufgabe in Zaubertränke machen sollte. Er hatte es versucht, immer wieder, und schließlich aufgegeben. Sie wollten ihn nicht, er gehörte einfach nicht dazu. Warum, das wusste er nicht genau, es war einfach so. Es war sein Schicksal und nach drei Jahren hatte er es ohne weiter zu fragen angenommen. Es war einfach so.

Wieder rollte er mit der Gabel eine Kartoffel mindesten zum fünften Mal auf seinem Teller von rechts nach links. In seinem Kopf sprach eine leise Stimme zu ihm die sagte, dass er heute noch nichts gegessen hatte und das es unklug war, die Szene von gestern noch einmal zu wiederholen, doch er ignorierte diese Stimme auch heute wieder gekonnt und nahm einen kleinen Schluck aus dem goldenen Kelch mit Kürbissaft. Er hatte auch gestern den ganzen Tag über nichts gegessen, gegen Abend war ihm schlecht geworden und er hatte die halbe Nacht auf der Toilette verbracht, wo er sich immer hatte übergeben müssen. Natürlich war sein Körper mit der Art, wie er mit ihm umging, nicht einverstanden, doch er hatte einfach keinen Hunger! Das Essen schmeckte nach gar nichts, das Kauen erschien Severus sinnlos und wäre seine Kehle nicht andauernd so verdammt trocken gewesen, hätte er mit Sicherheit auch nichts getrunken. Wofür denn? Er merkte doch sowie so keiner, dass der ohnehin schon dünne Körper unter der schwarz-grünen Slytherinschulrobe immer magerer wurde.

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„Ich mache mir Sorgen um den Jungen, Albus", sprach Minerva McGonagall leise zum Direktor, der zu ihrer Linken saß und gerade dabei gewesen war seinen Blick durch die Große Halle schweifen zu lassen. Er fragte nicht, wen seine Professorin und langjährige Kollegin mit „den Jungen" meinte, denn seine blauen Augen hinter den halbmondförmigen Brillengläsern fanden nur einen Wimpernschlag später direkt den schwarzhaarigen, blassen Jungen, der mit leerem Blick an seinem Platz saß und in seinem Essen herumstocherte.

Der Blick des gütigen Direktors wurde traurig als er sah, dass der Teller des Jungen immer noch genauso so voll bzw. leer wie zu Beginn des Essens war. Es quälte ihn zu sehen, wie Severus Snape immer deutlicher zerbrach und ihm damit immer mehr entglitt. Er verlor den Jungen, das spürte er.

„Albus?", fragte die Verwandlungslehrerin neben ihm, da sie nicht wusste, ob er ihre Worte verstanden hatte.

„Ich auch, Minerva, ich auch", flüsterte er mit leiser Stimme und wandte seinen Blick nicht von Severus ab. Was war es nur, was den Jungen so zum Außenseiter machte? Er war nicht dumm, ganz im Gegenteil und so hässlich, wie alle immer sagten und wie Severus es wahrscheinlich auch selbst glaubte, war er gar nicht. Natürlich entsprach er nicht dem üblichen Schönheitsideal, aber Albus Dumbledore wusste ebenso gut, dass diesen Jungen eine Schönheit umgab, die andere neben ihm wie eine eingegangene Alraune aussehen ließ.

Es war keine gewöhnliche Schönheit und sie war auch nicht offensichtlich, aber auf eine ganz bestimmte Art und Weise war Severus Snape schön. Das mochte ziemlich seltsam und fast schon übertrieben klingen, aber es war so und Albus Dumbledore hoffte inständig, dass das irgendwann ein Mensch endlich erkennen würde. Hoffentlich früher als später, denn wenn er den mageren Jungen so ansah wurde dem Direktor erneut klar, dass er nicht mehr viel Zeit hatte.

Er wusste um die „Streiche", die vor allem James Potter und Sirius Black dem Slytherin immer wieder spielten, doch er konnte nicht handeln. Viel zu oft war Severus selbst in diese Streitereien verwickelt und ein kleiner Teil in ihm hoffte immer noch, dass die Schüler bald Vernunft annehmen würden und den blassen Jungen endlich akzeptierten. Oder ihn wenigstens in Ruhe ließen. Dieser kleine Teil in ihm, so wusste Albus, war mehr eine aussichtslose Hoffnung als alles andere, aber dennoch hielt er daran fest. Die Gefahr zu scheitern wurde dadurch zwar noch größer, aber die Hoffnung starb immer zuletzt.

„Sie haben ihn heute wieder geärgert", fuhr die Lehrerin zu seiner Rechten fort, während sie ihren leeren Teller von sich schob und nach dem goldenen Kelch griff, „aber ich habe sie nicht erwischt. Daher konnte ich sie nicht bestrafen…" Sie nahm einen tiefen Schluck Kürbissaft und schaute den Direktor danach lange an.

„Was sollen wir tun, Albus? Wir können uns nicht einfach auf seine Seite stellen und ihn beschützen, die anderen Schülern würden sich beschweren und das zu Recht. Aber wenn wir nichts tun, dann verlieren wir Severus Snape, das weißt du genau so gut wie ich!"

Sie blickte hinüber zum Slytherintisch und der Direktor bemerkte mit einem leichten Lächeln, dass ihr Blick nicht gerade freundlich zu James Potter und Sirius Black huschte. Natürlich waren beide Schüler ihres Hauses, doch Minerva McGonagall mochte vieles sein, aber ungerecht war sie nicht. Wenn sie etwas nicht leiden konnte dann war es das beispiellose Verhalten ihrer eigenen Schüler, doch ihr waren, genau wie dem Direktor, die Hände gebunden. Sie konnten nur beobachten und hoffen. Würde das genug sein, um den Jungen zu retten?

Sie konnte nicht leugnen, dass Severus Snape nicht wirklich zu einem ihrer Lieblingsschüler gehörte, doch es tat ihr weh zu sehen, wie einsam er war und wie sehr er sich nach Nähe sehnte. Sie hatte Horace schon öfter auf den Jungen angesprochen, doch dieser winkte immer mit der Bemerkung „Das sind Kinder, Minerva, die hören schon irgendwann damit auf!" ab und damit war das Thema für ihn beendet.

„Was sollen wir tun, Albus?", wiederholte sie ihre Frage erneut, da der Direktor ihr immer noch keine Antwort gegeben hatte und als der laute Gong der Glocke das Mittagessen für beendet erklärte wusste sie, dass sie auch keine Antwort mehr erhalten würde. Der Direktor wusste es genau so wenig wie sie selbst.

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„Sie müssen sich auf das glücklichste Erlebnis konzentrieren, das Ihnen einfällt. Sie müssen das Glück spüren, wie es durch Ihren Körper zieht und Ihnen die Kraft gibt gegen die Kälte eines Dementors zu bestehen! Konzentration ist das Wichtigste! Und natürlich eine glückliche Erinnerung!"

Die klare, dunkle Stimme von Professor Keriann hallte durch den Klassenraum und seine große Gestalt am Ende des Raumes zog alle Blicke auf sich. Der Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste hatte langes, schwarzes Haar, tiefblaue Augen und entsprach auch sonst dem Traummann vieler Mädchen. Nicht selten geschah es, dass die weiblichen Schüler ihm mit verträumtem Gesichtsausdruck hinterher schauten oder sehnsuchtsvoll seufzten, wenn er an ihnen vorüber ging oder vorne an seinem Pult stand und den Unterricht abhielt.

Er war gerecht, ein guter Lehrer und stets darum bemüht seinen Schülern etwas beizubringen, was sie nicht nur in der Schule in irgendwelchen Prüfungen gebrauchen konnten, sondern was ihnen auch im späteren Leben weiter helfen würde. Professor Keriann war noch jung, hatte aber bereits viel erlebt in seinem bisherigen Leben. Er war viel herum gekommen, hatte an verschiedenen Schulen unterrichtet und war zeitgleich mit Severus' Jahrgang nach Hogwarts gekommen. Die beiden hatten noch nie wirklich miteinander gesprochen, denn für gewöhnlich sprach Severus Snape mit keinem mehr als nötig, doch der Professor schätze den klugen Verstand des stillen, in sich gekehrten Slytherins und war darum bemüht, Streitereien zwischen ihm und den anderen Schülern in seinem Unterricht bereits im Keim zu ersticken. Er wusste um die schwierige Situation seines besten Schülers und bezweifelte stark, dass Horace Slughorn seine Aufgaben als Hauslehrer wirklich verstand und wahrnahm, aber die Obhut des Jungen lag nun einmal nicht in seiner Hand.

„Sir?", riss ihn eine bekannte Stimme aus seinen Gedanken und Professor Keriann schaute zur Seite.

„Ja, Mr. Lupin?"

„Sir, unser Patronus nimmt keine wirkliche Gestalt an…"

Mit einem leisen Seufzen zwang sich der Professor, seine Gedanken an Severus Snape in den Hintergrund zu drängen und er wandte sich lächelnd der Gruppe Gryffindors zu, die ihn Hilfe suchend ansahen.

„Haben Sie denn alle einen glücklichen Gedanken? Einen, der Ihnen die Kraft gibt gegen Kälte und Eis zu bestehen?"

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Ganz gleich, was Severus auch tat, irgendwie wollte sein Patronus einfach keine Gestalt annehmen. Er variierte den Ton seiner Stimme, schwenkte den Zauberstab immer wieder ein wenig anders doch alles, was aus der Spitze seines schwarzen Stabes kam war silbrig-weißer Rauch, der für einen kurzen Augenblick in der Luft zu schweben schien und schließlich verschwand.

Um ihn herum liefen, schwammen oder flogen die verschiedensten Tiere durch die Luft, einige gaben sogar naturgetreue Laute von sich und nicht selten gelang es einem der Tiere durch die Fenster nach draußen zu flüchten, wo sie im Weiß der fallenden Schneeflocken verschwanden.

Für Severus war es mehr als ungewohnt, dass er eine Aufgabe, die er im Unterricht zugeteilt bekam, nicht erfüllen konnte, noch nicht einmal annährend. Sonst war er es immer, der über das nicht vorhandene Talent der anderen unbemerkt in sich hinein grinste, doch nun waren sie es, die ihn auslachten, wenn der Professor weit genug entfernt war und nicht sehen oder hören konnte.

„Expecto Patronum!", versuchte er es erneut mich leiser Stimme, doch wieder war es nur eigenartiger Rauch, der die Spitze seines Zauberstabes verließ und für einige Sekunden in der Luft schwebte, bevor er verschwand.

Was machte er falsch? War die Betonung nicht richtig? Die Handbewegung? Was war es, das seinen Patronus immer wieder zunichte machte?

Möglichst unauffällig versuchte Severus sich im Raum umzuschauen. Direkt zu seiner Rechten standen zwei Gryffindors, die er nur vom Sehen her kannte, zwei Mädchen. Nichts an ihren Stimmen, ihren Handbewegungen erschien ihm anders, als er es die ganze Zeit über versuchte. Zu seiner Linken standen zwei Jungen aus Slytherin, mit denen Severus auch nicht wirklich viel zu tun hatte. Ihre Arbeit schien sich auch nicht wirklich von der seinen zu unterscheiden? Was, bei Slytherin, machte er dann falsch?

„Und, wie kommst du voran, Severus?", riss ihn die dunkle Stimme seines Professors aus seinen Beobachtungen und unwillkürlich zuckte er zusammen, heftiger als es eigentlich nötig gewesen wäre. Der Professor quittierte diese Reaktion mit einer zusammengezogenen Augenbraue und einem kurzen Flackern in den dunklen Augen, was Severus aber nicht wirklich auffiel.

„Nun ja…", versuchte er mit leiser Stimme zu retten was noch zu retten war, doch Professor Keriann hatte seine kläglichen Versuche mittlerweile garantiert bemerkt. Was half es also jetzt noch zu lügen? Die anderen grinsten sowieso immer noch in seine Richtung und damit in die des Professors, da konnte er genau so gut die Wahrheit sagen.

„Ich… ich… kann es nicht, Professor…"

Professor Keriann blickte seinen besten Schüler erstaunt an, runzelte erneut die Stirn und schaute sich schnell im Raum um. Natürlich bemühten sich alle Schüler, die bis dahin ohne Zweifel in ihre Richtung gesehen hatten, so schnell wie möglich wieder weg zu schauen, doch dem Professor waren die belustigen, ja teilweise sogar gehässigen Blicke nicht entgangen. Severus schaffte es also scheinbar wirklich nicht… was er sich eigentlich nicht vorstellen konnte, denn sogar Leute wie Peter Pettigrew hatten es geschafft, einen mehr oder weniger anständigen Patronus zustande zu bringen und nun krabbelte dann und wann eine zwar noch etwas verschwommene, aber dennoch gut zu erkennende, dickliche Ratte durch den Raum.

„Zeig es mir", verlangte der Professor mit leiser Stimme, damit der Junge nicht noch mehr dem Spott der anderen Schüler preisgegeben wurde. Wenn sie untereinander einen Zauber nicht so gut konnten, lachte kaum einer den anderen aus, doch bei Severus war es etwas anderes, die ganze Situation war deutlich komplizierter… und zugleich gefährlicher.

Der blasse Slytherin warf einen fast schon scheu zu nennenden Blick in die Runde, der dem Professor natürlich nicht entging. Er erwiderte nichts, sondern ließ ihm Zeit, seine Gedanken zu sammeln. Ganz langsam hob Severus seinen Zauberstab, der ein wenig zitterte, sonst immer selbstsicher und ruhig. Ein weiterer Punkt, den der Professor innerlich notierte, jedoch nichts weiter dazu sagte.

Dann, ganz leise, sprach Severus „Expecto Patronum" und aus der Spitze seines Zauberstabes erschien silbrig-weißer Rauch, der die beiden Gestalten für einen kurzen Moment zu umkreisen schien. Dann verschwand er. Ein Zittern zog durch den unter dunklen Roben verborgenen Körper des Verteidigungsprofessors und er blickte seinen Schüler mit großen Augen an.

„Mr. Snape… Severus… was…?", flüsterte er leise, darum bemüht, dass keiner der Umstehende seine Worte verstehen konnte. Wie hatte der Junge…?

Ein Blick in die tiefschwarzen Augen, die ihn verzweifelt, fast schon ängstlich, ansahen bestätigte ihm, dass Severus keine Ahnung davon hatte, was gerade passiert war. Für ihn musste es so aussehen, als würde sein Patronus keine Gestalt annehmen, doch wie sollte er auch wissen…?

Der Junge war seltsam weiß im Gesicht geworden. Ein Weiß, das man selbst von seiner natürlichen Hautfarbe unterscheiden konnte und seine Augen flackerten kurz. Der Professor machte sich keine weiteren Gedanken darum und versuchte, ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen, welches in seinem Kopf herrschte.

„Mr. Snape", versuchte er seiner ein wenig schwankenden Stimme Festigkeit zu geben und seine Überraschung, aber auch seine Besorgnis zu verstecken.

„Was genau haben Sie gemacht?", wollte Professor Keriann wissen, doch in diesem Moment ertönte der dunkle Gong der Schulglocke und erklärte auch diese Unterrichtsstunde für beendet. Verdammt, er musste noch mit dem Jungen über seinen Patronus reden, unbedingt!

Doch bevor der Professor weiter handeln konnte, hatte Severus bereits hastig seine Tasche gepackt, die Bücher achtlos hinein geworfen und war schneller aus dem Raum verschwunden, als Keriann schauen konnte.

„Severus! Warte!", rief er dem Slytherin noch hinterher, doch dieser war schon aus der Tür geeilt und im Trubel der anderen Schüler verschwunden.

oOo

Eine erneute Welle der Übelkeit durchzuckte den dünnen Körper und wieder lehnte er sich würgend über die Toilette. Durch das ziemlich mager ausgefallenes Frühstück und nicht weniger nahrhaftes Mittagessen hatte sein Magen so gut wie nichts, was er hätte verbannen können, doch das würgende Gefühl von Übelkeit und der Schwindel blieben.

Zitternd und schwitzend ließ Severus sich gegen die Wand der Kabine sinken und schloss müde die Augen. Alles schien sich zu drehen und sein Magen schmerzte, doch dies war nichts im Gegensatz zu dem Pochen, welches scheinbar seinen Kopf zum Platzen bringen wollte.

War er etwa krank geworden? Ein Infekt? Oder eine Grippe?

Noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte zwang ihn ein mittlerweile schon zu bekanntes Gefühl dazu, sich schwerfällig zu erheben und den Kopf erneut über die Schüssel zu halten.

Verdammt, das hatte ihm gerade noch gefehlt!

Wieder lehnte Severus sich an die Kabinenwand und schloss erneut die Augen. So müde, er war so entsetzlich müde.

Ohne, dass er es wirklich gewollt hatte, drifteten seine Gedanken ab zu der letzten Unterrichtsstunde. Warum hatte der Professor so erstaunt, ja fast schon schockiert ausgesehen, als der weiße Rauch aus seinem Zauberstab gekommen war? Hatte er ihn so enttäuscht? Hatte er sich mehr von seinem Patronus versprochen?

Natürlich hat er das, du Idiot!", wies ihn sogleich die leise Stimme in seinem Kopf zurecht und Severus konnte eine erneute Welle von Übelkeit nur mit Mühe unterdrücken. Er hatte zwar keine Uhr an, aber sein Gefühl sagte ihm, dass die nächste Stunde schon mindestens halb vorbei war.

Seit einer Ewigkeit, so kam es ihm vor, hing ich nun schon in dieser Kabine und würgte das Bisschen, was er seinem Köper an Nahung in den letzten Tagen gegönnt hatte, wieder hinaus. Sollte er auf die Krankenstation gehen? So oft, wie er dort schon gewesen war, hatte Madame Pomfrey ihm sicher schon ein eigenes Bett zugewiesen und es würde sie bestimmt freuen, wenn sie ihn als Patienten endlich wieder hatte. Wenn er sich richtig erinnerte war es jetzt schon fast über eine Woche her, dass er sie mit meiner Anwesenheit beehrt hatte. Immerhin, fast mehr als eine ganze Woche! Sicherlich vermisste sie ihn schon, wo er doch solch eine willkommene Gesellschaft war…!

OK, dir geht es eindeutig beschissen, du beginnst schon, ironisch über dich selbst zu denken!", kam ein weiterer Kommentar der leisen Stimmen und Severus verzog den Mund zu einem angedeuteten Grinsen. Wenn man sonst niemanden hatte, mit dem man reden konnte, begann man eben Selbstgespräche! Was sollte man auch sonst tun?

Wenn er doch wenigstens eine Uhr gehabt hätte! Sein Gefühl sagte ihm zwar, dass es schon sehr bald klingeln würde, doch wer wusste schon, ob sein Gefühl ihn nicht in die Irre führte. Immerhin hing er hier halb über der Kloschüssel, erbrach sich in Minutenabständen und war kaum in der Lage, einen wirklich klaren Gedanken zu fassen. Ideale Voraussetzungen also für ein absolut vertrauenswürdiges Gefühl…!

Schon wieder Ironie, ihm musste es wirklich schlecht gehen!

In einem verzweifelten, fast schon lächerlich zu nennenden Versuch bemühte Severus sich, seinen zitternden Körper halbwegs unter Kontrolle zu bringen und an der kalten, rauen Kabinenwand nach oben zu kommen, doch nach noch nicht einmal der Hälfte rutschte er wieder hinab, gezwungen, sich erneut nach vorne zu beugen. Seine Augen tränten bereits, solch ein Schmerz zog durch seinen gesamten Körper und irgendwie verschwamm alles vor seinem Gesicht. Die Toilette wurde undeutlich, das Geräusch von vielen Schritten, das deutlich in den Gängen zu hören war, geriet in den Hintergrund und der laute Gong der Klingel war das Letzte, was er hörte, bevor alles in tiefschwarzer Nacht versank…

To be continued…


Kritik, Lob etc. bitte alles zu mir, ich freue mich über jedes noch so kleine Review ;-)! Danke!!!