Lily saß auf dem feuchtkalten Boden und hatte die Arme um die Füße geschlungen und das Kinn auf die Knie gelegt. Sie blickte mit starrem Blick über den See und schien den eisigen, schneidenden Wind nicht zu spüren, der durch ihre Haare fuhr und das Seewasser in kleinen Wellen an das Ufer schwappen ließ.
Lily seufzte. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier saß und es war ihr auch egal. Sie konnte an nichts denken, außer an die rhythmische Bewegung der Wellen. Das rauschen der Bäume im Wind drang an ihre Ohren, doch sie hörte es nicht.
Eine einzelne Träne rann über ihre Wange. Sie schniefte und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Lily spürte einen Regentropfen und Blickte in den Himmel. Das einzige was sie sah war ein tristes, graues Wolkenmeer und einen Schwarm Raben, der krächzend seine Runden über dem See drehte.
Vereinzelte Regentropfen fielen auf ihr Gesicht und sie schloss die Augen und genoss die kühlen Tropfen. Sie mochte es, wenn es regnete. Aber sie hasste sich dafür, dass sie an einem Tag wie diesen etwas genießen konnte, selbst wenn es etwas so banales wie regen war.
Es fing immer stärker an zu schütten, doch Lily kam es nicht in den Sinn zurück ins Schloss zu gehen. Sie verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie vielleicht krank werden würde. Sie ließ sich in den bereits etwas aufgeweichten Boden zurückfallen und nun strömten die Tränen unaufhaltsam aus ihren Augen. Sie versuchte nicht sie zu stoppen, sondern ließ ihrer unendlicher Traurigkeit freien lauf.
Eine kleine Ewigkeit lag sie so da und weinte sich den Kummer von der Seele bis sie plötzlich ein leises platsche neben sich hörte. Sie öffnete die Augen leicht und drehte den Kopf auf die Seite und blickte Sirius entgegen, der auf sie zukam. Er blieb stehen und blickte auf sie herab und lächelte traurig. Dieses Mädchen sah unglaublich schön aus.
Obwohl sie eine tiefe Traurigkeit ausstrahlte, ihre blutroten Haare durch den ganzen Schlamm kaum erkennbar und ihre Augen verweint waren. Sie starrte in seine Augen und schloss sie dann aber, da ihr der Regen schmerzte. Lily reichte Sirius die Hand und er zog sie auf die Füße. Hand in Hand gingen sie Richtung verbotenem Wald.
Sirius ergriff als erster das Wort. „Ist dir nicht kalt," fragte er und legte seine Hand um Lily, die zwar einen Mantel anhatte, aber der war aufgeweicht von Schmutz und Regen. Sie sah ihn nur verständnislos an und schüttelte den Kopf.
„Redest du nicht mehr? Normalerweise bringt dich doch nichts zum schweigen."
Lily seufzte. Sie zuckte mit den Schultern und sagte dann: „Mir war einfach nicht nach reden, deshalb bin ich raus gegangen." Lilys Tränen waren vollständig versiegt und sie hatte sich neben Sirius in den warmen Waldboden gesetzt. Es herrschte ein dämmriges licht und durch das Blätterdach der Bäume war der Boden vollständig trocken. Schulter an Schulter saßen die beiden an einen großen Baumstamm gelehnt.
„Willst du jetzt reden?", fragte Sirius und bohrte seine grauen Augen in Lilys mandelförmige Grüne. Einen Moment hielt sie seinem Blick stand, doch dann musste sie wegschauen.
„Sirius!", seufzte sie und ließ ihren Kipf auf seine Schulter fallen. „Warum hilft mir keiner! Warum hört mir keiner zu! Warum interessiert niemanden wie es mir geht?!"
Sirius streichelte ihr kurz über die Haare und hob ihr Kinn an, sodass sie ihm direkt in die Augen blickte. „Kleines, was du sagst, stimmt nicht im Geringsten. Ich interessiere mich für deine Probleme. Ich bin gekommen um dir zuzuhören, obwohl du weggerannt bist und ich habe auch vor dir zu helfen. Dass du den anderen vorspielst dir ginge es gut, dafür können sie nichts. Woher sollen sie wissen wie es in dir aussieht?"
Lily schwieg. Wieder bahnte sich eine Träne den Weg aus Lilys Auge über ihre Wange und tropfte dann von ihrem Kinn auf den Waldboden. Ihr starrer Blick haftete am Waldrand wo der See, die Ländereine und dahinter das Schloss nur als verschwommene Schemen durch einen grauen Regenvorhang zu sehen waren.
„Du weißt, dass meine Eltern vor drei Tagen ermordet wurden?" begann Lily. Ihre Stimme war heiser und Sirius musste sich anstrengen um sie zu verstehen.
„Ja, von Todessern …," sagte Sirius, „ … es tut mir so Leid."
„Heute hat mir meine große Schwester einen Brief geschrieben. Sie will nichts mehr mit der Art Menschen zu Tun haben, die unsere Eltern getötet haben. Sie will nie wieder einen Zauberer sehen. Sie will … MICH nie wieder sehen. Sie hasst mich – sie hasst was ich bin.
Wäre ich keine Hexe Sirius, würden meine Eltern noch leben. Ich hätte sterben sollen! Ich bin schuld an allem! Ich will sterben. Aber ich bin zu feig, um mich umzubringen. Tötest du mich, Sirius? Bitte!"
Sie sah ihn an, und er wusste sie meinte es ernst. Die unendliche Hilflosigkeit in ihrem Blick brachte ihn fast um den verstand. Er liebte dieses Mädchen, und doch war sie die Freundin seines besten Freundes. Zusemmen waren die beiden los gegangen um Lily zu suchen. Sie hatten sich getrennt um das Maedchen schneller zu finden. James muesste gerade irgendwo im Schloss unterwegs sein um seine Freundin zu finden.
Es waere viel besser, wenn James sie zuerst gefunden haette. Er kam mit solchen Situationen viel besser umgehen. Sirius hatte gewusst, dass es Lily schlecht ging, doch dass es ihr wirklich so beschissen haette er sich nicht vorstellen koennen. Trotzdem konnte er ihr Selbstmitleid nicht verstehen. Und wenn es etwas gab, das er noch mehr hasste als Feigheit, waren es Selbstzweifel.
„Sei nicht blöd", fuhr er sie so scharf an, dass sie zusammenzuckte. „Du weißt, ich bin kein Mörder." „So hab ich das nicht gemeint …," flüsterte sie tonlos. „Das weiß ich, aber pass auf was du sagst. Du bist nicht zu feig, sondern zu MUTIG um dich zu töten. Sieh nach vorn! Was bringt es der Welt wenn du stirbst? Sei nicht so selbstsüchtig! James würde den Verstand verlieren, wenn du sterben würdest! UND ICH AUCH! Verdammt, Lily, ich liebe dich!"
