Kapitel 1
Caitlin Nighthawk seufzte, während sie einen Drink nach dem anderen mixte. Sie hasste ihre Arbeit in der Bar „Velvet Dreams", doch sie brauchte das Geld, das sie dort verdiente. Ihre Eltern waren bei einem Autounfall gestorben und hatten sie und ihre kleine Schwester, die dreizehnjährige Fiona, allein zurückgelassen. Caitlin hatte zwar noch einen älteren Bruder, doch Gavin hatte sich mit ihren Eltern zerstritten und sich seit fünf Jahren nicht mehr bei ihr, Caitlin, gemeldet, obwohl sie sonst immer ein sehr gutes und inniges Verhältnis zueinander gehabt hatten. Dabei hätte Caitlin gerade jetzt die Hilfe ihres fünf Jahre älteren Bruders gebrauchen können. Fiona war krank, und die Ärzte konnten die Ursache nicht finden. Fiona lag nun schon seit drei Wochen im Krankenhaus, und Caitlin musste Extraschichten im „Velvet Dreams" einlegen, um die Rechnungen bezahlen zu können.
Die Bar war keine normale Bar, sondern ein Nachtclub mit Tabledance und Stripteasetänzerinnen. Unter normalen Umständen wäre Caitlin lieber gestorben als in so einem Etablissement zu arbeiten. Aber die Umstände waren alles andere als normal: Ihre kleine Schwester war ernsthaft erkrankt, und der Job als Barkeeperin und Kellnerin war der einzige gewesen, den sie innerhalb kurzer Zeit hatte finden können. Hinzu kam, dass sie für ihre kleine Schwester alles tun würde.
Caitlin dachte über ihr bisheriges Leben nach. Sie war jetzt auf den Tag genau 25 Jahre alt, denn heute war ihr Geburtstag. Eigentlich hatte sie diesen Tag mit ihrer Schwester verbringen wollen, doch ihr Boss, Drake MacAllan, hatte ihr das verwehrt. Schlimmer noch, er hatte es ihr verboten.
„Süße, machst du mir noch einen Drink?", drang es plötzlich an ihr Ohr.
Caitlin zuckte ein wenig zusammen und drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Es war einer der Stammgäste, der leider auch einer von der Sorte Männer war, die hin und wieder mal die Regeln missachteten. Die Clubregeln besagten nämlich, dass die weiblichen Angestellten des Clubs von den Gästen nicht angefasst werden durften. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass genau das passierte. Glücklicherweise beschäftige Drake MacAllan mehrere Sicherheitsleute, alles große muskulöse Männer, die die Sicherheit der weiblichen Angestellten sowie die Einhaltung der Regeln sicherstellen sollten.
Caitlin seufzte innerlich.
„Wieder das Gleiche?", fragte sie mit einem Lächeln.
„Natürlich, Süße", sagte der Mann und starrte Caitlin mit einem lüsternen Grinsen an.
Sein Blick wanderte von ihren Augen zu ihren Lippen und blieb schließlich an ihrem tief ausgeschnittenen Dekolleté hängen.
Caitlin war genervt, als sie den Drink für ihn mixte und ihm schließlich vor die Nase stellte.
Fordernd hielt sie die Hand auf. Eine weitere Regel des Clubs besagte, dass die Gäste sofort zu bezahlen hatten, wenn sie ihre Bestellung in den Händen hielten.
Der Mann kramte nach dem Geld und hielt es Caitlin schließlich entgegen.
„Du musst es dir schon holen, Süße", sagte er mit einem anzüglichen Grinsen.
Caitlin griff reflexartig nach dem Geld. Das Spiel kannte sie schon. Fast jeder Mann versuchte es.
Doch dieses Mal hatte sie sich verschätzt. Der Gast packte sie plötzlich mit der anderen Hand am Handgelenk und zog sie ein wenig über die Theke. Caitlin bemerkte erst, was los war, als der Mann ihr seine Zunge in den Mund drängte. Panisch versuchte sie sich zu befreien.
Auf einmal wurde der Mann von ihr weggerissen. Caitlin atmete erleichtert aus und versuchte, sich zu beruhigen.
„Alles in Ordnung, Kleines?", ertönte eine Stimme neben ihr, und eine Hand wurde ihr auf die Schulter gelegt.
Caitlin wandte den Kopf. Vor ihr stand ihr Boss, Drake MacAllan.
„Kleines, ist alles in Ordnung mit dir?", fragte er nochmals und sah sie prüfend an.
Caitlin atmete tief durch und nickte nur.
„Es geht schon wieder", sagte sie schließlich.
Drake nickte zufrieden.
„Dann kannst du ja wieder an die Arbeit gehen", sagte er und wandte sich dann an den Gast, der von einem der Aufpasser festgehalten wurde. „Ich hatte Sie gewarnt. Hiermit erteile ich Ihnen Hausverbot!"
Dann nickte er seinem Angestellten zu.
„Schaff ihn hier raus!", sagte Drake.
Der Rausschmeißer packte den erschrockenen Gast und drängte ihn Richtung Ausgang.
Drake sah ihm kurz nach, bevor er sich wieder Caitlin zuwandte. Er strich ihr über die Wange.
„Trink einen Schluck Whiskey, Kleines. Dann wird es dir wieder besser gehen", sagte er und ließ sie dann stehen.
Caitlin befolgte den Rat – und versteckten Befehl – ihres Bosses und goss sich ein Glas Whiskey ein. Sie leerte das Glas in einem Zug. Sie spürte, wie die goldene Flüssigkeit eine Spur aus Feuer in ihrer Kehle und in ihrem Magen hinterließ. Sie goss sich noch einen ein und stürzte diesen genauso schnell runter wie das erste Glas.
Sie ahnte nicht, dass sie von ihrem Boss aus der Entfernung beobachtet wurde, bis er schließlich vor ihr stand, hinter der Bar.
„Caitlin, Süße, ich möchte dich mal kurz sprechen", sagte er, packte sie am Handgelenk und zog sie hinter der Theke weg.
Caitlin blieb nichts anderes übrig, als Drake zu folgen.
Er zog sie in den Gang zu der Garderobe der Tänzerinnen und blieb dort plötzlich stehen. Er hatte ihr Handgelenk noch immer fest im Griff.
„Ich hatte gesagt, du sollst einen Schluck Whiskey trinken!", sagte Drake erbost. „Nicht gleich zwei Gläser!"
Caitlin schaute zu Boden.
„Tut mir leid", sagte sie betreten.
Drake umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
„Das will ich doch stark hoffen, Schätzchen", sagte er kalt und ließ ihr Kinn los. „Übrigens, Sheila ist ausgefallen. Ich wünsche, dass du für sie einspringst."
Caitlin sah ihn entsetzt an.
„Aber… ich bin keine Tänzerin!", widersprach sie.
„Jetzt schon! Keine Widerrede!", entgegnete Drake. „Du tust, was ich sage, oder du kannst deinen Lohn vergessen!"
Caitlin starrte ihn noch immer entsetzt an.
„Aber… ich brauche das Geld für meine kleine Schwester", stammelte Caitlin.
„Ich weiß", sagte Drake kalt. „Wenn du tust, was ich dir sage, dann bekommst du dein Geld auch."
Er sah Caitlin an.
„Du schaffst das schon, Baby", sagte er schließlich etwas sanfter und strich ihr zärtlich über die Wange. „Ich habe gesehen, wie du dich hinter der Bar bewegst, wenn du denkst, keiner sieht hin. Du hast Rhythmus im Blut. Und nun geh dich umziehen, du bist gleich dran. Cheryl wird so lang deinen Job hinter der Bar übernehmen."
Caitlin nickte. Sie wusste, sie hatte keine andere Wahl.
