S4 AU

Schnee von gestern

Die eigentliche Schwierigkeit war es, Schokoriegel und Bleistift gleichzeitig auf der Nase zu balancieren. Ob nebeneinander oder aufeinander gestapelt spielte dabei keine Rolle. Beides wäre ein super Kunststück gewesen, für das Sam Eintrittsgeld hätte verlangen können… würden ihm diese verflixten Dinger nicht dauernd runterfallen.

„Maaann!", beschwerte er sich, als der Bleistift zum ungefähr hundertsten Mal unters Bett rollte. „So wird das ja nie was. Uff." Er ächzte, als er sich auf den Boden legte und nach dem Stift angelte. Hm, hier könnte aber auch mal wieder geputzt werden. Sam würde nachher seiner Ersatz-Mami Bescheid geben.

„Sam? Oder besser gesagt: Sams Füße?"

„Bin gleich da", rief Sam vom unterm Bett hervor. Mist, warum war Blaine schon hier? Sie hatten doch abgemacht, dass er um sechs Uhr kam, damit sie vorher Zeit hatten, die Hausaufgaben zu beenden. Sam hatte seine noch nicht einmal begonnen, also konnte ja nicht gerade viel Zeit vergangen sein.

„Sam, soll das ein Witz sein?"

„Mann ey!" Sam robbte zurück. Immerhin hatte er erfolgreich nach dem Stift fischen können. Als er dann vor seinem besten Freund stand, die Haare voller grauer Fuseln und die Nase voller Schokoflecken, schaute Blaine keineswegs so erfreut drein, wie es eigentlich angebracht gewesen wäre. Stattdessen runzelte er den Bleistift an, den Sam in die Höhe hielt.

„Wie ich sehe hast du einen Stift", kommentierte Blaine. Er nickte zum Schreibtisch. „Also wieso hast du noch keine einzige von deinen Aufgaben erledigt?"

„Ähm, vielleicht, weil du meine Vorbereitungen unterbrochen hast?" Sam schüttelte den Kopf. Blöde Frage, ehrlich mal.

„Sam, es ist halb sieben."

„Oh. Na ja, die Vorbereitungen haben halt etwas gedauert. Hey, hast du Hunger?" Das Ablenkungsmanöver war zu offensichtlich, aber immerhin gab Blaine nach.

„Na gut. Aber nur, weil Freitag ist. Morgen holen wir das nach", drohte Blaine ihm. Sam zuckte mit den Schultern und ging zu seinem Laptop. Ja, ja, das war auch nicht wirklich seiner (so wie die Mami), sondern geborgt. Von Finn. Der wohnte nicht mehr hier, also war der Computer eigentlich Sams legaler Besitz.

„Pizza?", fragte er Blaine. Der Schwarzhaarige war einverstanden. Den Rest des Abends verbrachten sie mit Essen, Trinken und DVD gucken. Als alles vollbracht war und es Zeit für Blaine war, zu gehen, bewegte er sich jedoch nicht. Stattdessen holte er tief Luft und sah Sam an.

„Ich muss dir etwas sagen."

„Schieß los. Ich weiß es wahrscheinlich eh schon", sagte Sam. Denn was konnte Blaine ihm schon eröffnen wollen, außer der Tatsache, dass er in Sam verknallt war? Genau, Sam wusste das schon längst. Er war ja nicht blind. Er spürte homosexuelle Spannungen, wenn es welche gab. Auch wenn das irgendwie schwul klang. Aber wenn der beste Freund vom anderen Ufer war, musste man sich nun mal ein bisschen anpassen.

„Es geht um Kurt…"

Sam nickte. Und zwar ging es darum, dass Blaine Kurt vergessen wollte, indem er sich auf Sam stürzte. Erzähl mir was Neues.

Blaine fummelte ein bisschen mit seinen Händen rum, dann blickte er auf und lächelte.

„Er hat mich darum gebeten, nächstes Wochenende nach New York zu kommen! Ist das nicht klasse? Ich meine, wir werden bestimmt über alles reden und wieder zusammen kommen!"

Sams Mund klappte auf, aber kein Wort entkam ihm. Wie jetzt?

Blaine schüttelte Sam leicht, und diesmal zierte ein regelrechtes Grinsen sein Gesicht.

„Kurt will mit mir reeeeden!"

„Hm, wow, toll", gab Sam von sich. „Und was sonst? Willst du mir noch etwas sagen?"

„Nein, das ist alles."

Sams Kiefer spannte sich an. Eben nicht! Er wusste ganz genau, was Sache war, konnte Blaine es vielleicht mal aussprechen? Es war total unangenehm, wenn es dauernd wie ein fetter unsichtbarer Elefant im Raum stand. Unangenehm, jawohl! Sam fand es total schlimm, wenn Blaines Augen auf seinen Lippen lagen und so ein unbestimmtes Prickeln in ihm auslösten.

„Obwohl, da gibt es wohl noch etwas", sagte Blaine. Na endlich. Sam nickte und machte sich darauf gefasst, überrascht zu wirken. Oh, na so was aber auch! Aber ich akzeptiere es, Blaine, weil ich dich liebe. Platonisch und freundschaftlich.

„Wenn wir heiraten… also, irgendwann einmal", fing Blaine an.

„Oh mein Gott! Ich bin nicht schwul!", sagte Sam schnell. Auf ein Geständnis zu warten kam keiner Liebeserklärung gleich!

„Kurt und ich", meinte Blaine mit kritisch gerunzelter Stirn. „Ich wollte dich fragen, ob du dann mein Trauzeuge sein würdest."

„Also, Blaine, das kann ich jetzt noch nicht sagen, tut mir leid."

Pah, als würde Sam so tief sinken. Trauzeuge bei einer Hochzeit, bei der er eigentlich einer der Bräutigams sein sollte. Platonisch, verstand sich. Hm, das ergab irgendwie keinen Sinn. Na ja, es war Blaines Schuld, wenn Sams Gedanken manchmal ein bisschen schwul waren.

„Wieso nicht?" Nun sah Blaine fast schon enttäuscht aus. Vielleicht sollte Sam einfach zusagen, denn als würde die besagte Hochzeit jemals stattfinden.

„Weil, äh, ich bin noch nicht so weit – so reif, meine ich. Für so eine verantwortungsvolle Aufgabe. Das ist voll… erwachsen." Sam zog die Schultern hoch und probierte sich an einem weisen Lächeln. Glücklicherweise wirkte es, denn nach ein paar Sekunden nickte Blaine und seufzte abgrundtief.

„War eh ein dummer Gedanke. Er will ja nur mit mir reden."

„Genau."

Blaine runzelte wieder die Stirn und Sam merkte zu spät, dass er gerade gesagt hatte, dass Blaine dumm war. Oder seine Gedanken, wie auch immer. Schnell legte er einen Arm um die Schultern seines Freundes und drückte ihn.

„Wir reden darüber, wenn's so weit ist, okay? So, abgesehen von Kurt, gibt es noch etwas zu besprechen? Zum Beispiel, ähm, hast du vielleicht ein Auge auf jemanden geworfen?"

„Was ist das denn für eine Frage?" Blaine schüttelte den Kopf. „Kurt ist mein Ein und Alles."

„Hmhm, aber eigentlich warst du ja damit beschäftigt, über ihn hinweg zu kommen."

„Ich warte erst mal ab, wie unser Gespräch verläuft."

„Blaine, es ist nicht schlimm, wenn du für andere Jungs schwärmst. Absolut nicht schlimm." Sam nickte großzügig. Jetzt, wo er es Blaine erlaubt hatte, konnte der es ja ruhig sagen.

„Mach ich aber nicht!", zischte Blaine. Er wand sich aus Sams Arm und stand auf. „Ich gehe jetzt nach Hause."

Sam schob die Unterlippe vor. Okay, dann halt nicht. Morgen. Oder nächste Woche. Nach dem Gespräch mit Kurt, genau. Sam hoffte bloß, dass das nicht gut ging (oh Gott, was für ein schlechter Freund er war), so dass Blaine seine ganze Arbeit des ‚über jemanden hinweg kommen' nicht wieder von vorne beginnen musste.

Und was, wenn sie wirklich wieder zusammen kamen? Was würde Sam dann tun?

Na ja, nichts. Wieso sollte er überhaupt was tun? Konnte ihm doch schnurzpiepsegal sein. Es war ja nicht so, als wäre er an Blaine interessiert oder so. Quatsch. Sam war hetero und stand demnach nur auf Mädchen. Wie Brittany. Genau.


Am Mittwoch hatte Sam es geschafft: Brittany würde mit ihm ausgehen! So schlug er zwei Fliegen mit einer Klatsche: Erstens, na ja, hatte er ein Date und das war immer toll, und zweitens hatte er so am Wochenende, wenn Blaine weg war, etwas zu tun.

Da Burt Blaine zum Flughafen fuhr, kam Sam natürlich mit. Er hatte vorsorglich Taschentücher eingesteckt, falls Blaine und/oder Burt weinen würden. Ihm würde das natürlich nicht passieren; er war ein Mann aus Stahl. John McClane lässt grüßen.

Während Burt Blaines Koffer aufs Band stellte und Blaine der Frau am Schalter seinen Perso und sein Ticket vorlegte, stand Sam gleich daneben und überlegte, ob es klappen würde, wenn er als Handgepäck einchecken würde. Wahrscheinlich nicht, denn er war größer als diese Box, die einem klarmachte, wie viel Handgepäck man mitnehmen durfte.

„Hör mal, Blaine. Ich weiß, es ist wichtig und so, aber… wieso fliegst du weg? Wieso?"

Sam brachte es nicht übers Herz, Blaines Ärmel loszulassen, damit dieser durch den Sicherheitscheck konnte.

„Es ist doch nur für ein paar Tage", sagte Blaine. „Am Sonntag bin ich wieder da."

„Blaine. Warum?" Sam wischte über seine tränenden Augen (er hatte Heuschnupfen und dahinten war ein Fenster auf).

„Och, Mensch!" Blaine zog eine Schnute und umarmte Sam. „Ich werde dich auch vermissen."

In diesem seltenen rührseligen Augenblick hätte Sam es überhaupt nicht schlimm gefunden, Blaine zu küssen. So als Abschiedsgeschenk für ihn, denn Sam war ja nicht schwul. Eventuell ein bisschen neugierig, gestand er sich ein, als er Blaine hinterher winkte. Neugierig. Das war überhaupt nicht schlimm. Er hätte auch nie so an Blaine gedacht, wenn der nicht angefangen hätte. War also alles Blaines Schuld, immer noch.


Brittany war cool. Sie wusste Sachen, die niemand sonst wusste. Zum Beispiel dass in der Küche von Breadstix Hauselfen (wie die von Harry Potter) arbeiteten. Sam war wirklich beeindruckt von dieser Tatsache. Als er jedoch vorschlug, mal vorbeizschauen, meinte Brittany, die Elfen wären schüchtern und wollten keinen Besuch. Tja, was sollte man da machen.

Später als er sie nach Hause brachte, hatte er irgendwie keine Lust auf den obligatorischen Gute-Nacht-Kuss. Dies hier war ein erstes Date, also bedeutete der Kuss so ziemlich alles. Fand er statt, hieß das, es würde ein zweites Date geben. Fiel er aus, war's das. Keine Chance für dieses Pairing.

„Oh Sam! Du bist so schön!" Brittany hängte sich ihm an den Hals, als sie vor ihrer Tür standen.

Sam nickte, bevor er die Stirn runzelte. Warte mal. ‚Schön' war doch das Wort, das der Junge dem Mädchen zuraunen sollte?

„Nein, du bist schön", versuchte er, sich zu retten.

„Stimmt, ich bin auch schön", kicherte Brittany. Sie lehnte sich näher, eindeutig mit der Absicht, ihn zu küssen. Die Gedanken überschlugen sich in Sams Kopf. Sollte er, sollte er nicht? Er mochte sie ja eigentlich. Und er konnte sie doch nicht enttäuschen. Also beugte er sich vor und schmiegte seine Lippen an ihren Mund. Da. Er war hetero. Würde er Blaine küssen, das wäre schwul. Wären dies Blaines Lippen, die sanft gegen seine drückten, das wäre was ganz anderes. Wäre es Blaines Taille, auf der seine Hände lagen… aber es war ja nicht Blaine.

„Willst du noch mit reinkommen?"

Wie jetzt? Meinte sie das ernst?

Dumme Frage. Dies hier war Brittany.

„Äh… lieber nicht." Sam biss sich auf die Lippe. Er wusste nicht, warum er Nein sagte. So ein hübsches Mädchen. Sie sah ihn auch noch traurig an. Eigentlich alles Gründe für ihn, zuzustimmen. Aber er blieb bei seiner Meinung und ging zurück zum Auto (auch nicht seins, Burt hatte ihm den Transporter geliehen).


Er verbrachte den ganzen Samstag damit, nachzudenken. Samstag war der beste Tag überhaupt, denn es war sein Tag. Sams Tag. Aber diesmal ging es halt nicht anders, Sam musste sich über so einiges klar werden. Zum Beispiel, warum er keine Lust hatte, sich noch einmal mit Brittany zu treffen. Wobei es eigentlich normal war, nicht gleich nach dem ersten Date ein weiteres zu wollen, ne? Morgen würde Blaine zurückkommen, das war im Moment erst mal wichtiger – und aufregender.

Sam fragte sich, was Blaine wohl gerade tat. Bestimmt mit Kurt reden. Hoffentlich nur reden. Der Gedanke, dass sie wieder zusammen sein könnten, war nicht schön. Er legte sich um Sams Brust und schnürte ihm die Luft ab. Es wäre nicht gut für Blaine. Es wäre ein Zurückfallen in alte Muster, oder irgend so was. Er musste vorwärts schreiten. Er musste sich auf neue Jungs konzentrieren. Sam war dazu bereit, dieser Junge zu sein. Also, in Blaines Kopf. Oder… vielleicht auch in echt, nur, damit Blaine wirklich eine Motivation hatte, in die Zukunft zu blicken. Was tat man nicht alles für gute Freunde.

Aber bevor es dazu kommen konnte, musste Blaine ihm erst mal gestehen, wie es so um ihn bestellt war. Sam brauchte einen Plan. Sie hätten längst viel weiter sein können, wenn Blaine es schon gestanden hätte! Stattdessen rief Kurt an, blablabla, reden. Nerv! Wusste er denn nicht, dass er Schnee von gestern war? Das neue Traumpaar des Jahres hieß Blam!


„Du hast ihn doch nur zwei Tage nicht gesehen", schmunzelte Burt am nächsten Tag, als sie in den Transporter stiegen. Sam rieb sich die Hände und gestikulierte seinem Ersatz-Papi, endlich loszufahren.

„Zwei Tage, zwei Jahre. Wo ist der Unterschied?" Es war ihm wirklich vorgekommen wie zwei Jahre. Na ja, fast. Aber viel nachzudenken bekam Sam halt nicht gut. Es war auch ein bisschen langweilig. Fast hätte er freiwillig Hausaufgaben gemacht – so weit würde es noch kommen!

Die Fahrt zum Flughafen dauerte nicht lange, aber Sam hielt es kaum aus. Er musste es wissen. Ja, ja, es gab Handys und so, aber er wollte es von Blaine persönlich hören, deswegen hatte er sein Handy ausgeschaltet (und vielleicht auch, um Brittanys SMS-Frage nach einem zweiten Date zu umgehen). Hätte er das mal lieber sein gelassen.

Schon von weitem sah Sam Blaines rote Augen. Shit. Das bedeutete nichts Gutes. Sein Herz wurde ganz schwer trotz der Tatsache, dass er gehofft hatte, dass es keine Reunion geben würde.

Blaine warf ihm einen wütenden Blick zu und lief an ihm vorbei. Einen Moment lang war Sam zu geschockt, um was zu machen, und schaute Burt an in der Hoffnung, er wüsste, was los war. Er zuckte jedoch nur mit den Schultern.

Sam machte kehrt und rannte, bis er Blaine aufgeholt hatte.

„Was ist los, Blaine, ich meine, ich kann mir schon denken, was los ist, aber wieso bist du sauer auf mich?"

„Oh, ich weiß nicht, vielleicht weil gestern der schlimmste Tag meines Lebens war und mein bester Freund es nicht nötig hatte, ans Telefon zu gehen?", zischte Blaine, während er konstant weiterlief.

„Tut mir leid! Ich hatte es ausgeschaltet wegen Brit… hey, wir können doch jetzt reden? Kommst du noch mit zu mir?"

„Nein. Ich will alleine sein."

Sie erreichten den Transporter und Blaine stellte sich mit verschränkten Armen davor, um auf Burt zu warten.

„Bitte, Blaine. Ich will alles erfahren, ich hätte mein Handy gestern anlassen sollen, ich weiß. Tut mir leid! Wenn du darüber redest, wird es bestimmt besser", flehte Sam.

Blaine schüttelte nur den Kopf, also blieb Sam nichts anderes übrig, als ihn nach Hause gehen zu lassen. Sein Herz war schwer wie Blei als Blaine ausstieg und ohne Verabschiedung wegging.

„Armer Junge", sagte Burt auf dem Weg nach Hause.

„Ich wollte doch nur wissen, was los war", sagte Sam.

„Das wirst du bestimmt noch erfahren, keine Angst."

Sam seufzte. Er wollte es nicht irgendwann erfahren, sondern jetzt.


Blaine ignorierte Sam drei Tage lang in der Schule, und das war echt zu viel. Er hatte nur mal aus Versehen sein Handy ausgehabt! Es war ja nicht so, als wäre es seine Schuld, dass es mit Kurt nicht mehr geklappt hatte! Um Blaine das klar zu machen, lauerte Sam ihm am Mittwoch nach der Schule auf. Er hängte sich an ihn dran und redete so lange auf ihn ein, bis Blaine es nicht mehr aushielt und auf der Stelle herumfuhr.

„Sei still, Sam! Ich weiß, dass es nicht deine Schuld ist. Ich habe trotzdem keine Lust, darüber zu reden. Was bringt das denn alles schon? Reden ist beschissen."

„Dann heule von mir aus! Ich verstehe nur nicht, wieso du mich ignorierst." Sam sah Blaine so treuherzig an wie es ging. Der Schwarzhaarige holte tief Luft und schloss dabei die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er etwas ruhiger aus.

„Es ist eben alles beschissen", sagte er.

„Ich weiß."

Blaine atmete noch einmal tief ein und nickte dann. „Na gut. Kannst du nachher zu mir kommen? Ich will Kurts Eltern nicht über den Weg laufen."

Sam besorgte Chips, Coke (normale, keine zuckerfreie – man gönnte sich ja sonst nichts), Schokolade und Kekse. Ach, und weil an der Kasse im Supermarkt Blumensträuße im Ausverkauf waren, schnappte er sich auch einen davon. Rosen. Man gönnte dem besten Freund ja sonst nichts. Oder so.

Blaine war noch nicht mal misstrauisch. Er freute sich über die Blumen und rannte sofort los, um eine Vase zu suchen, während Sam nach oben ging und die Fressorgie vorbereitete. Natürlich war er niemand, der einen Anbaggerversuch unternahm, während die andere Person noch in Trauer über eine vergangene Beziehung war. Außerdem wollte er eh nur Blaine helfen, sonst nichts. Wenn Blaine keine Hilfe brauchte… was dann? Das wäre schon schade. Von wegen neugierig, alles nur wegen Sams Neugierde. Jap.

„So." Blaine kam in den Raum, eine weiße Vase mit den roten Rosen darin. Er stellte sie auf die Fensterbank und ließ sich dann seufzend auf dem Bett nieder.

„Tut mir leid, dass ich dich ignoriert hab", sagte er schulterzuckend. „Ich war so aufgebracht wegen Kurt…"

„Ja? Was war denn jetzt?"

„Was wohl." Blaine seufzte. Er bewegte sich zum Kopfende des Bettes und lehnte dagegen, während er den Kopf in seinen Händen vergrub. „Er wollte ein klärendes Abschiedsgespräch und dachte, ich sähe alles genauso."

„Hm." Sam setzte sich neben Blaine hin. Er wusste nicht, was er sagen sollte, also blieb er still.

Blaine nahm seine Hände runter und sah Sam an. „Ich dachte, er und ich, das wäre was für die Ewigkeit. Ich meine, wir haben über all die Sachen geredet, die man halt so macht im Leben… Einen Leuchtturm kaufen…"

„Du wirst sicher jemanden finden, mit dem du einen Leuchtturm kaufen kannst", sagte Sam schnell. Er kannte diese Rede schon, aber er verstand immer noch nicht, was so toll an Leuchttürmen war.

„Ich will aber niemand anderen!"

Sam zuckte mit den Schultern, während sein Herz mal wieder ganz schwer wurde. Hatte er sich nur eingebildet, dass Blaine auf ihn stand? Oder selbst wenn es so war, bedeutete es nichts, weil er trotz allem nur Kurt liebte?

Aber das war im Moment egal. Sam war hier, um Blaine zu unterstützen. Er bot ihm Schokolade an und lauschte Blaines Zukunftsfantasien. Es lief darauf hinaus, dass sie ein Monopoly Spiel rauskramten und Blaine ein Dorf mit Leuchtturm bauten und endlich lachte der Schwarzhaarige wieder.

„Du hast Recht, Sam! Ich kann mir auch alleine einen Leuchtturm kaufen! Und ich brauche auch niemanden, mit dem ich mir Gilmore Girls angucken kann."

„Siehste." Sam nickte stolz. Es war viel besser, wenn Blaine lachte, so viel besser.

„Sam, ich muss dir was gestehen."

Sams Puls war sofort auf Hundertachtzig. Jetzt war es soweit. Jetzt würde es kommen. Sam, ich liebe dich. Ja, okay, vielleicht auch nur Sam, du bist verdammt heiß. War doch ein guter Anfang.

„Ja?" Sam stellte ganz gemächlich die Kirche (die eigentlich ein Hotel war) auf die andere Seite des Dorfes und tat, als wäre alles ganz relaxed und cool.

„Ich war gar nicht so überrascht als Kurt es mir gesagt hat. Ich meine… Meine schlimmsten Vermutungen haben sich bestätigt, weißt du? Ich hab's geahnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben."

„Oh. Hm."

Blaine nickte und seufzte, während er seinen Leuchtturm (der eigentlich ein Hotel war) in die Hand nahm. „Anscheinend sind wir doch keine Seelenverwandten, so wie ich es immer gedacht habe."

„Hm… ich weiß das klingt klischeehaft aber…"

„Ich werde bald jemanden finden?", fragte Blaine.

Sam nickte, und Blaine straffte seine Schultern. „Du hast Recht. Ich werde jetzt nicht mehr rumsitzen und Kurt nachweinen. Ich gehe da raus und suche mir jemanden. Hey, ich hab eine Idee!"

Er sah Sam so begeistert an, dass dieser einfach mal lächelte. „Ja?"

„Ja! Ich frage Sebastian! Der kennt doch tausend Typen. Da wird schon einer dabei sein, der was für mich ist. Oder ich gehe mal mit ihm ins Scandals. Da kann ich jemanden kennen lernen!"

„Oh. Denkst du?"

Blaine nickte. „Es wird bestimmt jemanden geben, der mich mag." Er tätschelte Sams Schulter und stand auf. „Danke, Mann. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde."

„Gehst du schon?"

„Ich gehe aufs Klo, wenn ich darf."

„Oh, also, das muss ich mir noch mal überlegen."

„Außerdem sind wir bei mir, Sam."

Sam lachte, und Blaine auch, und dann war er weg. Sam legte sich neben das Dorf und starrte an die Decke. Sein Herz pochte immer noch ganz schnell. Also war es Blaine egal, ob jemals was zwischen ihnen laufen würde? Sam hatte alles falsch gedeutet, alles. Mist. Was jetzt? Irgendwie konnte er nicht mehr zurück und musste ständig daran denken, wie es wäre, wenn er und Blaine ein Paar wären. Man konnte es auch nicht mehr als platonisch bezeichnen. Mist.


Warum hatte Sam sich einverstanden erklärt, mitzukommen? Warum?

„Du bist heiß, hat dir das schon mal jemand gesagt?"

Sam rollte mit den Augen. „Das muss mir niemand sagen."

„Und eingebildet ist er auch", sagte Sebastian mit einem Grinsen. Blaine verdrehte ebenfalls die Augen. Sie waren im Scandals, einem Schwulenclub. Die Musik war zu laut und überall waren, nun ja, Schwule. Es gab sie im mittleren Alter aber auch in ihrem Alter. Sam sah sich ein bisschen um, würde aber garantiert nicht tanzen gehen. Das hatte gerade noch gefehlt. Er war nur mitgekommen, weil Blaine es (wahrscheinlich im Spaß) vorgeschlagen hatte und Sam hatte sich gedacht, dann ging er eben mal die Konkurrenz angucken.

Konkurrenz. So weit war es in seinen Gedanken schon gekommen. Eigentlich konnte er jetzt damit aufhören, Blaine trösten zu wollen. In den letzten Tagen war es ihm besser ergangen, auch ganz ohne Sams Hilfe. Aber es ging schon längst nicht mehr darum, ihm zu helfen. Jetzt ging es darum, ihn anzuschauen und zu bewundern. Blaine war ein netter Kerl, gutaussehend, lieb, perfekt, und Kurt wusste ja gar nicht, was er da verpasste. Aber umso besser, jetzt hatte Sam freie Bahn. Na ja, falls er sich jemals dafür entscheiden sollte, in Aktion zu treten.

Aber das würde wohl eher nicht passieren. Blaine war sein bester Freund. Mit dem machte man nicht mal eben so rum. Das würde alles kaputt machen und Sam wollte diese Freundschaft noch lange bewahren. Sie war zu kostbar, um sie wegen einer Gedankenspielerei zu riskieren.

„Also, was treibt dich hierher? Hast du deine schwule Seite entdeckt?", fragte Sebastian. Sam nippte an seinem Drink und bevorzugte es, nicht zu antworten. Blaine schüttelte für ihn den Kopf.

„Sam ist wegen mir hier."

„Oho." Sebastian zuckte mit den Augenbrauen. „Ich kann nicht sagen, dass ich das kommen sah. Herzlichen Glückwunsch."

„Was?" Blaine runzelte die Stirn. „Doch nicht so."

„Hmhmm." Sebastian wackelte immer noch mit den Augenbrauen, als hätte er unkontrollierte Zuckungen. Sam starrte sie fasziniert an, die Brauen.

„Sam! Sag ihm dass du nicht schwul bist", forderte Blaine ihn auf.

Nun schaute Sam seinen besten Freund an. ‚Schwul' war ein sehr ausdruckstarkes Wort und traf nicht auf Sam zu, das stimmte. Aber so ganz hetero war er ja anscheinend auch nicht.

„Ich will lieber keine voreiligen Schlüsse ziehen", sagte Sam deswegen. Glücklicherweise hämmerte der Bass der Musik so stark in seinen Ohren, durch seinen ganzen Körper, dass er Blaines fassungsloses Gesicht nicht als einziges Geschehen auffassen musste. Obwohl es ziemlich weit oben auf der Liste der gerade geschehenden Dinge stand. Es war fast witzig, aber Sam schaute doch lieber nach ein paar Sekunden zu Sebastian. Irgendwie war ihm schlecht. Das lag am Drink. Er fühlte sich aber auch schuldig. Er hätte Blaine anders damit konfrontieren sollen. Dann aber wiederum hätte er bestimmt nichts gesagt, wenn sie alleine waren. Sebastian mit seinen provozierenden Augenbrauen hatte schon seinen Sinn.

„Wie meinst du das?", fragte Blaine nun.

„Na, wie wohl!" Sebastian verdrehte die Augen, dann wandte er sich an Sam. „Manche Leute sind echt schwer von Begriff. Hey, sollen wir tanzen gehen?"

Sam schüttelte den Kopf. Er wollte noch mehr mit Blaine darüber reden. Er hatte es vermieden, darüber nachzudenken, aber jetzt wo es einmal raus war, musste er darüber reden.

„Ich meine… ich bin jung und nichts ist unmöglich, stimmt's?", sagte er zu Blaine. Der Schwarzhaarige stützte seine Ellbogen auf den Tisch, an dem sie standen, und fuhr sich übers Gesicht.

„Nichts ist unmöglich", murmelte er. Sam hatte eine ziemlich gute Idee. Na ja, eher Vorstellung. Er sah sich zu Blaine treten und ihn küssen. Und in seiner Fantasie war Blaine angenehm überrascht, erwiderte sofort, und sie würden das Lokal Hand in Hand verlassen.

In der Realität stand Sam nur blöd rum und glotzte abwechselnd zur Bar und zu Blaine.

„Okay, ihr Spaßbomben, mich findet ihr auf der Tanzfläche." Sebastian wurde es zu langweilig und er zog ab. Sam stützte sich auch auf den Tisch und sah Blaine an, wagte es aber nicht, ihn zu berühren.

„Warum bist du so geschockt?"

„Weil… weil… keine Ahnung, irgendwie hab ich bei dir nie was anderes in Erwägung gezogen. Das kommt total überraschend", sagte Blaine. Er trank einen Schluck aus seinem Glas, und gleich darauf noch einen.

„Ich weiß ja selber nicht, was abgeht", sagte Sam. „Auf einmal dachte ich so, na ja, vielleicht mag ich einen Jungen."

Ups, waren das zu viele Informationen?

Blaine sah ihn fragend an. „Du magst jemanden?"

Ja, eindeutig zu viele.

Sam zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Keine Ahnung. Manchmal."

Blaine lachte. „Manchmal. Ach, Sam, das ist so… Darauf muss ich was trinken. Du auch?" Blaine hob sein Glas hoch und wackelte damit rum. Sam nickte einfach mal, und Blaine ging zur Bar. Kurz darauf kehrte er mit zwei vollen Gläsern zurück. Eins reichte er Sam.

„Dann mal… auf deine Erkenntnis." Blaine hob sein Glas an, so dass Sam mit ihm anstieß.


Es war die schlechteste Idee überhaupt gewesen, es Blaine zu erzählen. Auf einmal tat er so, als hätte es seine Mission, jemanden für sich zu finden, nie gegeben, und stattdessen wies er Sam auf etliche Jungs hin.

„Ed könnte schwul sein", sagte Blaine. „Oder John. Wen würdest du eher mögen?"

Oder: „Hey, wir könnten einen Drei-Punkte-Plan aufstellen, der dir hilft, deinen Schwarm zu erobern. Wer ist es noch mal?"

Haha, als würde Sam das so einfach sagen. Nein, er zuckte bloß mit den Schultern und nuschelte „Nicht so einfach" vor sich hin. War es nämlich wirklich nicht. Wie gesagt, er wollte Blaine nicht erobern. Oder?

„Blaine, ich hab das Gefühl, du findest das alles viel zu toll. Kann ich nicht einfach in Ruhe vor mich hin schwärmen?", fragte Sam, als sein bester Freund eines Tages versuchte, ihm eine Regenbogenflagge aufs Shirt zu kleben.

„Wie jetzt? Willst du kein Statement abgeben?" Die Flagge klebte nun an Sams Brust, aber Blaine war nicht zufrieden. Er zog den Sticker ab und platzierte ihn an der Schulter.

„Ich meine, was, wenn es nur eine Phase ist?", sagte Sam. Konnte doch sein. Er könnte ja mal mit seiner Ersatz-Mami darüber reden, die kannte sich mit schwulen Söhnen aus. Also, wegen Kurt, nicht wegen Finn.

Blaine klebte den Sticker auf Sams andere Schulter. Sam versuchte eigentlich, sich auf Hausaufgaben zu konzentrieren – ja, wirklich! – aber das war schwer, wenn man dauernd von hübschen Jungs befummelt wurde.

„Quatsch, es ist nie nur ‚eine Phase'", meinte Blaine. „Alles Unfug, den Eltern erfinden. Sag mal, hast du schon mit deinen Eltern darüber gesprochen?"

„Nein."

„Solltest du aber. Hast du Angst, dass sie nicht damit einverstanden sind?"

„Blaine, ich will eigentlich Hausaufgaben machen." Sam zog den Sticker ab und klebte ihn auf Blaines Stirn. Mist, hätte er mal aufs Herz gezielt, dann hätte er unauffällig Blaines Körper betatschen können.

„Okay, okay." Blaine zog den Sticker wieder ab und klebte ihn mit einem Seufzer auf sein Heft. „Ich find das alles nur so aufregend. Jetzt bin ich nicht mehr alleine. Ich meine, du warst natürlich die ganze Zeit für mich da, und so, aber jetzt verstehst du. Jetzt können wir zusammen nach Männern Ausschau halten."

Sam verzog sein Gesicht. „Ich bin übrigens nicht total schwul. Ich mag immer noch Mädchen."

Blaine nickte. „Ja, ja, aber im Moment stehst du auf einen Jungen, ne?"

Sam blieb nichts andere übrig, als zuzustimmen. Nur eine Frage war immer noch nicht geklärt: Wieso kam Blaine nicht auf den Gedanken, dass sie zusammen gehörten?


Ein paar Wochen später hatte Sam genug. Jedes Mal, wenn er Blaine sah, wurde er ganz kribbelig und nervös, es ging einfach nicht weg. Es verstärkte sich sogar noch. So war das aber nicht abgemacht gewesen! Wenn das so weiterging, würde das am Ende doch noch zwischen ihnen stehen und ihre schöne Freundschaft riskieren!

Vielleicht sollte er es Blaine sagen. Nur sagen, damit der nicht dachte, dass irgendwas komisch war.

Oder er setzte den Drei-Punkte-Plan, den Blaine doch aufgestellt hatte, in Bewegung. Oh mein Gott, wie das wohl wäre? Wenn Blaine am Ende ja sagen würde?

Sam zog den Zettel heimlich aus seiner Tasche. Eigentlich müsste er dem Englisch-Lehrer zuhören, aber dies hier war wichtiger.

1) Mach ihm klar, dass er deine Aufmerksamkeit hat

2) Flirte und achte auf seine Reaktion

3) Wenn positiv, frag ihn nach einem Date

Punkt Nummer Eins war schon total schwierig. Er redete jeden Tag mit Blaine, also war doch schon mal klar, dass er Sams Aufmerksamkeit hatte. Außerdem fiel das doch irgendwie zusammen mit Punkt Nummer Zwei, oder?

„Nein, Sam, nein", sagte Blaine, als Sam ihn in der Pause darauf ansprach. „Du kannst nicht einfach den ersten Punkt überspringen. Wenn es keine Vorbereitung gibt und es auf dem Nichts kommt, wird er eher verwirrt sein, als zurück zu flirten."

„Aber wie soll ich das denn machen?"

Blaine schloss seinen Spind und drehte sich zu Sam. In seinem Gesicht: Ein fettes Grinsen.

„Du willst also zum Angriff übergehen?"

„Nun ja…"

„Blickkontakt, Sam. Blickkontakt. Wenn es zum Beispiel John wäre…" Blaine deutete auf einen vorübergehenden Jungen, der ihn keines Blickes würdigte.

„Okay, dann halt nicht John. Ähm, also, wer auch immer, du guckst ihn einfach länger als gewöhnlich an."

Sam lehnte gegen die Spinde und konzentrierte sich darauf, Blaine lange anzugucken. Nach ein paar Momenten wurde es bemerkt und Blaine errötete.

„Ja, genau so. Siehst du, du kannst es doch." Er tätschelte Sams Schulter und wandte sich ab. Sam atmete aus und schloss die Augen. Sein Magen kribbelte wie verrückt. Wie sollte er das beim nächsten Mal aushalten? Wie sollte er es aushalten, wenn Blaine anfing, seinen Blick zu erwidern? Oder, noch schlimmer, ihm eine Abfuhr erteilen würde?

Sam ging also ‚zum Angriff über'. Wenn sie Hausaufgaben machten, oder aßen, oder sonst was unternahmen, achtete er darauf, Blaines Blick wenigstens einmal aufzufangen und so lange zu halten, wie es ging. Es war eine Achterbahnfahrt für seine Nerven, und nachts lag er lange wach und fragte sich, was er eigentlich tat. Und wie sollte er zum zweiten Schritt übergehen? Oh Gott, als würde er es aushalten, mit Blaine zu flirten.

Er legte sich jede Menge Sprüche zurecht.

Hat es sehr wehgetan, als du vom Himmel gefallen bist?'

Deine Eltern sind Diebe! Sie haben Sterne gestohlen und in deinen Augen versteckt.'

Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick, oder soll ich noch mal vorbeikommen?'

Hm, der letzte Spruch passte nicht wirklich zu ihrer Situation. Sie sahen sich ja nicht zum ersten Mal. Aber egal.

Natürlich traute Sam sich nicht, einen von den Sprüchen abzulassen, also machte er einfach weiter mit Schritt Nummer Eins. Irgendwann wurde es normal, Blaine anzustarren und er wusste, wenn er jetzt nicht mal losflirtete, würde gar nichts passieren.

„Was hat den Bürgerkrieg ausgelöst?", fragte Blaine ihm. Sie lernten gerade für Geschichte.

Sam starrte ihn an. „Hat es sehr wehgetan, als…" Mist. Er konnte es nicht sagen.

„Als Leute im Krieg gestorben sind? Ich glaube schon." Blaine notierte etwas in seinem Heft. Als Sam nichts mehr sagte, schaute er auf. Seine Augen waren wunderschön. So braun und gütig. Weil er der liebste Mensch auf der ganzen Welt war.

Blaine räusperte sich. „Wir müssen lernen, Sam."

„Hm? Oh, ja. Dann hör auf, mich abzulenken."

„Ich lenke dich ab?"

Sam nickte. Vielleicht sollte er über die Haare reden. Oder über Blaines Stimme? Nein, nein, seinen Charme!

„Mit deinen… Augen und all das." Mist, das klang nicht sehr schmeichelnd.

Blaine runzelte fragend die Stirn. Na gut. Dann musste Sam es eben noch deutlicher machen.

„Es ist, als hätten deine Eltern Sterne darin versteckt."

„Oh… ja?" Blaine schaute wieder nach unten und verkniff sich ein Grinsen. „Danke."

Yes! Sam verbuchte das einfach mal als Erfolg und machte sich an den Lernstoff.


Es war eigentlich total einfach, Blaine Komplimente zu machen. Sam musste nur seinen Mut zusammennehmen und aussprechen, was ihm auf der Zunge lag.

„Du siehst umwerfend aus" – morgens, wenn sie sich trafen.

„Du bist so schlau" – wenn Blaine ihm bei den Hausaufgaben half.

„Ich vermisse dich jetzt schon" – wann immer sie sich verabschiedeten.

Sam meinte auch, dass es Wirkung zeigte. Blaine hörte auf, ihn über seinen Schwarm auszuhorchen und sah ihn des Öfteren nachdenklich an. Und einmal damit angefangen, konnte Sam gar nicht mehr aufhören. Es machte Spaß, es war seine ehrliche Meinung und es gab ihm einen kräftigen Schub Schmetterlinge im Bauch. Am liebsten würde er Blaine auch küssen. Aber eins nach dem anderen.

Und dann kam der Tag, an dem Sams Geduld belohnt wurde. Er konnte es zuerst gar nicht glauben und dachte, sich verhört zu haben, also hakte er nach.

„Du hast schon richtig gehört", sagte Blaine. Sie saßen auf der Terrasse der Andersons und genossen die spätsommerliche Sonne bei einem Milchshake.

„Sag es trotzdem noch mal. Damit ich mir diesen Moment gut einprägen kann."

Blaine wischte ein paar Tropfen von seinem Glas. „Ich bin über Kurt hinweg. Ich brauche niemanden mehr, um mich abzulenken, und wenn ich jetzt einen Freund finden würde, wäre das wirklich aus Liebe, anstatt zum Trost."

„Wow, Blaine! Ich bin stolz auf dich, super!" Sam hielt seine Hand hoch, und Blaine schlug lachend ein. Sams Herz legte einen doppelten Salto ein. Aus Liebe. Das waren echt große Worte. Aber so war Blaine halt, der machte keine halben Sachen.

„Und, fürs Protokoll, wer auch immer dich abbekommt, ist der glücklichste Junge auf der ganzen Welt."

Blaine lachte und trank von seinem Glas. Dann stellte er es ab und meinte: „Okay, du kannst jetzt damit aufhören. Ich hab's kapiert."

„Was?"

„Du wolltest mir klar machen, dass es noch andere Jungs gibt außer Kurt. Und dafür bin ich dir echt dankbar. Aber ich will nicht deine ganze Zeit beanspruchen. Ich meine, du willst ja sicher auch mal dein eigenes Liebesleben auf Vordermann bringen."

„Was glaubst du, was ich in den letzten Wochen gemacht habe?"

Blaine schüttelte den Kopf. „Schon okay."

Schon okay? Was war schon okay? Sam kapierte gar nichts mehr. Er fragte aber auch nicht nach, denn die Gefahr bestand, dass er die Antworte nicht mögen würde. Als er an diesem Tag nach Hause kam, war er so frustriert wie schon lange nicht mehr. Und jetzt?

Sam konnte nicht einfach damit aufhören. Er konnte nicht. Und er wollte nicht. Blaine sollte kapieren, dass er es wirklich so meinte. Dass er in ihn verknallt war. Da, es war ausgesprochen.


Als sie sich am nächsten Tag in der Schule trafen, hatte Sam die beste Idee überhaupt. Er führte sie sofort aus, damit er sich nicht drum drücken konnte.

„Hey! Morgen. Du siehst wie immer klasse aus." Bevor Blaine etwas tun konnte, drückte Sam ihn an sich. Und dann, als er sich wieder zurückzog, drückte er schnell seine Lippen gegen Blaines warme Wange. Als Sam ihn losließ und anschaute, starrte Blaine ihn überrascht an.

„Was?"

„Was was?" Sam tat ganz ahnungslos. Er öffnete seinen Spind und nahm ein Buch heraus.

„Was war das?"

„Was war was?"

„Sam!"

„Okay, okay." Die Schmetterlinge in Sams Bauch tobten und drückten gegen seine Magenwand, als wären es mittlerweile viel zu viele und sie wollten endlich ausbrechen. Er drehte sich zu Blaine und holte tief Luft.

„Kannst du es mir verübeln, dass ich dich küssen will?"

„Ähm…" Blaine runzelte die Stirn, als würde er ernsthaft darüber nachdenken. Er stand ziemlich lange so da, und Sam begann sich Sorgen zu machen, dass sie zu spät zum Unterricht kommen würden. Wobei das ja eigentlich egal war.

Dann wiederum war es eine super Ausrede, einen weiteren Schritt einzuleiten. Sam schloss seinen Spind und trat zu Blaine, der immer noch verwirrt durch die Gegend schaute.

„Komm", sagte Sam leise. Er nahm Blaines Hand und zog ihn hinter sich her. Wow, es war das geilste Gefühl überhaupt, Blaines warme Finger in seinen zu halten. Und Blaine ließ es sogar zu, zumindest bis sie zum Klassenraum kamen. Sam nahm Platz obwohl er das Gefühl hatte, er könnte jetzt locker drei Runden auf dem Sportplatz laufen und trotzdem nicht außer Atem sein. Er wollte laut schreien wie toll das Leben war. Stattdessen musste er still sitzen und zuhören. Er tat es mit wippenden Füßen und einem blöden Grinsen im Gesicht.


Wenn Blaine es langsam nicht mal mitbekam, würde Sam echt an dem Verstand seines besten Freundes zweifeln. Noch offensichtlicher konnte er nämlich nur sein, indem er ihn mitten auf den Mund küsste. Wobei Blaine wahrscheinlich auch dann noch irgendeinen Grund finden konnte, warum das alles nicht so war, wie es schien. Seufz.

In der Schule so offensichtlich zu sein, war natürlich gefährlich. Überall lauerten Augen von Schülern, die Gerüchte verbreiten würden. Und die Gefahr, einen Slushy ins Gesicht geschleudert zu bekommen, war auch da. Auf der anderen Seite war die Schule ein guter Ort, um ein paar Zuneigungen auszudrücken, ohne zu viel zu riskieren. Vielleicht würde Blaine eher etwas zulassen, während sie von anderen umringt waren und es nicht sofort ganz privat war. Das wäre schon mal ein guter Fortschritt.

Sam ging jetzt in die Offensive. Als sie in der Mittagspause zu ihren Spinden kamen, um Bücher zu verstauen, schielte er rüber. Die meisten Schüler waren schon beim Essen und die, die noch im Gang waren, schenkten ihnen keine Aufmerksamkeit. Sam schloss seinen Spind, lehnte mit einer Schulter dagegen und wartete, bis Blaine fertig war.

„Was gibt es heute zum Essen?", fragte Blaine, als er seinen Spind zumachte. Er sah Sam fragend an. Sam nutzte die Möglichkeit. Jetzt oder nie. Er beugte sich vor, griff nach Blaines Hand und zog ihn ganz nahe zu sich. Sofort beschleunigte sein Puls sich, und sein Atem wurde schneller.

„Sam…?"

„Ich halte das nicht mehr aus, Blaine. Ja oder nein?"

Blaine seufzte und stellte seine Tasche auf den Boden. Dann sah er Sam an.

„Du meintest das also ernst? Die ganze Zeit?"

Sam nickte nur. Blaine so nahe tat seinem Kreislauf nichts Gutes. Alles ging auf und ab und Sam war verwundert, dass er überhaupt noch etwas hören konnte, so wie das Blut durch seine Ohren rauschte.

„Ich hab's dir nie gesagt, aber…" Blaine holte tief Luft. „Ich mag dich schon seit einiger Zeit. Ich dachte nur, ich muss darüber hinweg kommen."

„Musst du nicht. Sollst du nicht", flüsterte Sam. Ha, er hatte es doch gewusst!

„Okay." Blaine lehnte sich vor und drückte seine Lippen gegen Sams Mund. Oh Gott, alles passierte so schnell! Sam nutzte die Zeit, bevor er ohnmächtig wurde (denn das würde bestimmt passieren), um die Liebkosung zu erwidern. Er bewegte seine Lippen leicht gegen Blaines, die ganz wunderbar schmeckten. Da war es gar nicht schlimm, dass sie das Essen verpassten. Blaine war so viel besser.

„Mh." Blaine seufzte leise, und es fuhr durch Sams ganzen Körper. Wow, wow, wow. Er wollte mehr. Doch natürlich zog Blaine sich in diesem Moment zurück. Große braune Augen schauten Sam an.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", flüsterte Blaine.

„Ein Kuss sagt mehr als tausend Worte", sagte Sam. Blaine lächelte.

„Stimmt."

Und Sam bekam tatsächlich noch einen Kuss. Heute war sein Glückstag. Ein ganz warmes Gefühl machte sich in ihm breit und er seufzte wohlig. So ließ es sich doch leben.

Ende


Oh Gott, wie komisch es ist, wieder auf Deutsch zu schreiben und editieren, es hört sich einfach nur merkwürdig an! Ich sollte nicht so viel Zeit in englischen Fandoms verbringen... *lalala*