DOPPELTER FEUERWHISKY
Anmerkung: Diese Fanfiction ist in der Zusammenarbeit von mir (petit[punkt]Indien) mit Windspiel entstanden. Daher findet ihr sie auch unter ihren Geschichten. Es ist übrigens unsere erste Fanfictions, über ein paar mutmachende Reviews würden wir uns sehr freuen :)
Autoren: Windspiel - Tonks; petit[punkt]Indien - Fleur
Soundtrack: Welcome to Heartlight, Kenny Loggins
Beta: unsere wundervolle Mr-Spock1, vielen Dank!
Disclaimer: Charaktere und Co gehören J.K. Rowling. Leider. Wir verdienen mit dieser Geschichte kein Geld, trotzdem gehört der Plot uns :)
Kapitel 1
Kürbissuppe und Kerzen
Der Fuchsbau wirkte wie immer so windschief und wackelig, dass Tonks beim Anklopfen fürchtete, das Haus würde in seine Einzelteile zerfallen. Aber nichts dergleichen geschah, natürlich nicht. Die Tür wurde schwungvoll geöffnet, und bevor Tonks auch nur blinzeln konnte, befand sie sich in einer innigen Umarmung.
„Nymphadora, wie schön, dass du hier bist, komm doch rein, es ist so kalt draußen, kaum zu glauben, dabei ist erst Anfang Oktober, möchtest du eine Tasse Tee oder lieber gleich ein Butterbier? Oh, du siehst sehr hübsch aus heute Abend." Mrs. Weasley hielt kurz inne und schloss die Tür hinter ihrer Besucherin.
„Guten Abend, Molly", murmelte Tonks. „Danke für die Einladung. Tee wäre prima. Und bitte nenn mich nicht Nymphadora."
„Natürlich, Kind", strahlte die Hausherrin und schob Tonks vor sich her in die Küche. Diese ließ es lächelnd zu, dass man sie auf einen Stuhl bugsierte und mit einer großen Tasse Tee und einem Keks versorgte. Wie immer war es warm und gemütlich hier. Die Stimme einer Schnulzensängerin hing in der Luft, ein Kaminfeuer brannte und überall war eine perfekt organisierte Unordnung.
Auf dem Herd dampfte schon eine Suppe, dem Duft nach zu urteilen, Kürbis. Daneben wendeten sich zarte Rinderlenden von selbst und spritzen dabei gefährlich mit Öl. Molly warf einen prüfenden Blick darauf, stupste die Pfanne mit ihrem Zauberstab an und regulierte mit der nächsten Bewegung die Lautstärke des Radios.
„Kann ich etwas helfen?", fragte Tonks der Höflichkeit halber, auch wenn sie die Antwort schon kannte. „Aber nein, meine Liebe, ich habe alles unter Kontrolle, bleib ruhig sitzen und erzähl mir, wie es dir geht."
Ein paar braune Kerzen ordneten sich auf dem Tisch an und entflammten.
„Mir geht es gut." Die junge Frau nippte an ihrem Tee. „Der ist sehr gut, Molly, ist das ein Rooibos?" Sie zog ihren Zauberstab hervor und dekorierte den Tisch mit buntem Herbstlaub.
Molly nickte wohlwollend und ließ einen Stapel Teller herbeischweben. „Allerdings, beste Qualität, versteht sich, Stern von Afrika, wenn es um Tee geht, mache ich keine Kompromisse. Und, was macht die Liebe? – Oh, die Suppe!"
Tonks unterdrückte einen resignierenden Seufzer. Jedes Mal die gleiche Frage. Molly war immer um das Wohl ihrer Schäfchen, zu denen sie die junge Aurorin seit gewisser Zeit auch zählte, besorgt und hielt es wohl für eine unbedingte Notwendigkeit, dass diese einen Mann für ihr Glück fand. Tonks hatte beschlossen, es mit Humor zu nehmen. „Immer noch der gleiche Stand wie vor zwei Wochen. Ich bin zufriedener Single."
Sie schmunzelte beim Anblick der umherwuselnden Frau und kämpfte gegen die Versuchung an, erneut ihre Hilfe anzubieten. Es gehörte zum Stolz der Hausfrau, ihre Speise völlig selbstständig zuzubereiten. Und Molly war ohne Zweifel eine großartige Köchin. Tonks würde vermutlich mehr schaden als helfen. Ihre Kochkünste reichten gerade noch für Nudeln mit einer einfachen Soße.
„Bist du dir sicher, dass es dir gut geht, Kind?" Jetzt traf der prüfende Blick nicht die Suppe, sondern Tonks, die das Gefühl hatte, ihm standhalten zu müssen. Eine Antwort blieb ihr erspart, da in diesem Moment mit einem Knarren die Tür aufschwang und George ins Zimmer platzte.
„Ist Bill schon da, Mum?"
„Siehst du ihn etwa?", erwiderte seine Mutter geschäftig. „Steh da nicht so rum, Junge, mach dich lieber nützlich und füttere die Hühner."
„Klar, mach ich gleich." George ließ sich auf den freien Stuhl neben Tonks fallen. „Hey, es ist mir eine Freude, dein nettes Gesicht in unserer Küche zu entdecken."
Sie grinste. „Gleichfalls. Gefällt dir die Deko?" Sie deutete auf die Blätter.
„Wunderschön." Der Junge hatte sich ebenfalls einen Tee eingegossen und richtete nun wieder das Wort an seine Mutter. „Wann gibt's denn Essen?"
„Wenn dein Bruder da ist."
„Bill kommt also auch, hab ich das richtig verstanden?", erkundigte sich Tonks.
„Ja, und er bringt Fleur mit. Die beiden sind ja so glücklich. Oh, es ist so wunderbar, wenn das Haus so voller Leben ist." Molly nahm den Suppentopf vom Feuer. „So, George, auf zu den Hühnern, und du, Nymphadora, möchtest du noch einen Keks?"
***
„Bill, lass mich los! Ich bin doch nicht aus Zucker!", giftete Fleur ihren Freund an.
„Das sagen sie alle…", murmelte Bill und ließ Fleurs Arm los, den er ergriffen hatte, als Fleur nach dem Apparieren kurz schwankte. „Da will man helfen und erntet nur Gezicke."
Aus Fleurs Augen schossen Blitze auf Bills Hinterkopf. Er ging schon voraus auf die schiefe Eingangstür des Fuchsbaus zu.
Bevor er anklopfte, wendete er sich noch mal Fleur zu und bat: „Fleur, bitte reiß dich heute Abend mal zusammen. Ich habe noch mal mit Mum gesprochen, sie wird versuchen, besser mit dir auszukommen, also solltest du dich auch bemühen. Ach ja, Tonks wird auch da sein." Dann betrat er den Fuchsbau.
Fleur seufzte tief und machte ein Gesicht als beiße sie in einen sauren Apfel. Zusammenreißen sollte sie sich also, zusammenreißen! Und das, obwohl doch diese Frau immer versuchte, sie runter zu machen. Frustriert machte sie sich auf einen langen Abend in Bills Familienhaus gefasst.
Bills Familie an sich war schon schwer genug zu ertragen und dann war da auch noch Tonks. Die junge Aurorin hatte vom ersten Moment an Fleurs Antipathie gewonnen. Doch was soll's, da musste sie durch. Sie atmete noch einmal durch, kniff kurz die Augen zusammen und betrat dann den Fuchsbau.
Essensgeruch und ausgelassenes Gelächter empfing sie und trieb sie zur Küche. Alle waren dort bereits am gedeckten Tisch versammelt, Mr. und Mrs. Weasley, ihre allesamt rothaarigen Kinder, Fred, George, Ron, Ginny und Bill; und natürlich, am Ende des Tisches, mit ebenfalls knallroten leicht abstehenden Haaren: Nymphadora. Oder, wie sie genannt werden wollte: Tonks. Fleur konnte nicht verstehen, wie man sich freiwillig Tonks nennen konnte, doch irgendwie passte der Name auch zu ihr.
Fleur kam sich wie immer fehl am Platz vor in dieser familiären Gemeinschaft, sie stand in der Tür herum und bemerkte den unsicheren Blick, den Mrs. Weasley zuerst Bill zuwarf, bevor sie dann lächelnd auf Fleur zuwieselte.
„Meine liebe Fleur!" Widerstrebend erwiderte Fleur ihre Umarmung.
„Setz dich doch! Wir haben mit dem Essen auf euch gewartet." Damit bugsierte sie Fleur an den einzig freien Platz am Tisch: Neben Tonks.
***
Tonks war gerade in eine anregende Unterhaltung mit Ron und Ginny vertieft und amüsierte sich prächtig. Daher begrüßte sie Fleur nur halbherzig mit einem Lächeln und einem freundlichen „Hallo, schön, dich zu sehen, Fleur" und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Jugendlichen zu.
„Aber was war denn mit dem Hüter, Ron? Das kann doch so gar nicht passiert sein!"
„Ich schwör's dir, Tonks! Das war der beste Bluff, den ich jemals gesehen habe!" Der rothaarige Junge klatschte vor Vergnügen mit der flachen Hand auf den Tisch. Ein breites Grinsen zog sich über sein ganzes Gesicht. Tonks musste auch lachen. Es schien ihr schon Ewigkeiten zurückzuliegen, dass sie selbst mit einer solchen Euphorie vom letzten Quidditch-Spiel geredet hatte, dabei lag ihre eigene Schulzeit auch erst ein paar Jahre zurück.
Wie schnell die Zeit verging… Oft fragte Tonks sich, ob sie jetzt erwachsen geworden war. Damals – und sie kam sich wirklich uralt vor, als sie dieses Wort dachte – damals war ihr Leben eine einzige endlose Party gewesen. Inzwischen war sie vernünftig, hatte einen durchgeplanten Tag, jagte als Aurorin täglich schwarze Magier und konnte sich keine durchgemachten Nächte mehr leisten. Umso mehr genoss sie diesen Abend, den Trubel, den Wirbel, den die Jugendlichen verbreiteten. Fast fühlte sie sich schon in den Gemeinschaftsraum Hufflepuffs zurückversetzt. Auch dort war es niemals langweilig geworden…
Ein leises Seufzen neben ihr riss sie aus ihren Erinnerungen. Sie warf Fleur einen schnellen Blick zu. Die Französin starrte gedankenverloren in die Luft und schien sich ganz und gar nicht wohl zu fühlen. Ihre Finger spielten unruhig mit der Serviette. Sie kniff die Lippen zusammen. In schneller Folge huschten Verbissenheit, Langeweile und Anspannung über ihre Miene und ließen das makellose Gesicht etwas menschlicher wirken.
Tonks schüttelte unmerklich den Kopf. Sie verstand die schöne junge Frau einfach nicht. Sie wurde Teil einer der liebevollsten Familien, die man in der Welt der Zauberer überhaupt finden konnte, würde einen intelligenten und gutaussehenden Mann heiraten, den sie liebte – und trotzdem sah man selten ein glückliches Lächeln ihre Miene schmücken. Außerdem wusste Tonks nicht, warum Fleur ihr gegenüber so misstrauisch und abweisend war. Sie persönlich hatte nichts gegen sie – Fleur jedoch schien eine Abneigung der jungen Aurorin gegenüber zu hegen. Noch nie hatten die beiden mehr als ein paar freundliche Worte gewechselt, aber kühle Blicke waren in Massen gefallen.
Auf diese konnte Tonks an diesem Abend allerdings verzichten. So drehte sie sich wieder von Fleur weg, bevor diese bemerkte, dass sie beobachtet worden war und ihre Krallen ausfuhr. Eines stand außer Frage: Fleur war eine unberechenbare Zicke. Und solche Personen gehörten nicht zu Tonks' liebsten Zeitgenossen.
***
Manchmal hatte Fleur doch tatsächlich das Gefühl, sie sei unsichtbar. Den ganzen Abend hatte nicht einer mehr als ein paar höfliche Worte an sie gerichtet, drei Mal musste sie beteuern, wie schön dieses Land doch war und wie gut es ihr ging! Bei den Tischgesprächen hatte sie schon nach der ersten Stunde aufgegeben zu folgen, denn das war noch ein Grund die Familie Weasley nicht zu mögen: Sie hatten einen furchtbaren Dialekt. Es beschämte Fleur unheimlich, wenn man sie plötzlich aus dem Himmel heraus auf Englisch ansprach und sie erst zwei Mal nachfragen musste, um auch nur ansatzweise zu verstehen, worum es denn ging.
Sie hatte nicht gelogen, sie war nach England zurückgekehrt, um ihr Englisch zu verbessern, nicht um, wovon viele ausgingen, sich einen gut aussehenden Mann zu angeln. Doch nun hatte sie ihn doch gefunden: Bill war herzlich, nett, sah gut aus und ließ sich nicht durch ihre Schönheit einschüchtern. Ja, bei ihm hatte sie wirklich das Gefühl, wenn er sie ansah, dann sah er sie, nicht nur ihr Äußeres. Doch, trotz alledem oder gerade deswegen, war sie nicht mit ihm glücklich, Fleur war nie glücklich.
Und so saß sie jetzt am Tisch der Weasleys und starrte schmollend vor sich her.
Tonks neben ihr war in ein hitziges Gespräch über Quidditch vertieft, halbherzig legte sich Fleur ein paar Worte zurecht, mit denen sie sich ins Gespräch einklinken konnte, gab es aber nach einem Seitenblick auf Tonks schnell wieder auf. Sie beneidete Tonks um ihre ungezwungene Art, ihr lautes Lachen steckte an und Fleur verspürte den Drang sie anzusehen.
Demonstrativ blickte sie noch etwas dunkler in die andere Richtung und stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Sie seufzte kurz auf und blickte gedankenverloren in die Luft. Dann fiel ihr Blick auf Bill, der herzhaft lachend die Schulter von Molly Weasley tätschelte. In Fleurs Hals begann es auffällig zu brennen, sie schluckte schwer und biss die Zähne zusammen. Ihre Familie fehlte ihr, hier war alles so anders als in Frankreich.
Sie hatte Angst, dass ihre Eltern Bill nicht mögen oder seine Familie nicht akzeptieren würden. Doch Bill hatte ihr versprochen, dass nach der Hochzeit alles einfacher werden würde, darauf lebte Fleur hin. Alles würde sich lösen.
In Gedanken war ihr Blick wieder auf die junge Aurorin neben ihr gefallen, sie würde ihr Leben gerne mit ihr tauschen.
Irgendwie sah sie hübsch aus, mit diesem Leuchten in den Augen und dem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Ganz von selbst schlich sich auch auf Fleurs Lippen ein leichtes Lächeln, herzhaft griff sie zur eben aufgetischten Mousse-au-Chocolat, die Mrs. Weasley extra für sie angefertigt hatte.
***
Im selben Moment streckte auch Tonks die Hand nach dem Löffel aus. Zwei schmale Frauenhände stießen kurz zusammen und zuckten beide zurück. Tonks sah Fleur zum ersten Mal an diesem Abend direkt ins Gesicht und schmunzelte amüsiert.
„Entschuldige. Darf ich dir etwas geben?" Sie griff nach Fleurs Schälchen und lud zuerst ihr, dann sich selbst, etwas von der luftigen Schokocreme auf.
„Merci - danke." Fleurs Stimme war leise und zurückhaltend.
Tonks warf der Französin einen schnellen Seitenblick zu. Wie unsicher sie wirkte, sobald die Maske der Schönheit einmal kurz verrutschte!
Beide probierten von der Nachspeise. Fleur nickte beeindruckt.
„Merveilleux! Molly, die Mousse schmeckt wundervoll!"
„Danke, meine Liebe, ich habe mir besonders viel Mühe gegeben!" Mrs. Weasley dankte ihrem Gast mit dem strahlenden Lächeln der stolzen Köchin, nicht einmal ein Hauch von Abneigung war in ihrer Stimme.
Tonks bemerkte den kurzen, prüfenden Blick, den die rundliche Frau ihrem Sohn zuwarf. Molly gab sich wirklich große Mühe. Nur ihm zuliebe war sie so freundlich zu seiner Verlobten. Ob Fleur den Blick auch bemerkt hatte? Schon schien sich das Mädchen wieder in sich zurückzuziehen. Das konnte so doch nicht weitergehen! Die junge Aurorin fuhr sich mit der Hand durchs kurze Haar und kratzte sich am Nacken. Wenn sie den ganzen Abend neben dieser distanziert - schüchternen Frau sitzen musste, würde er vermutlich nicht sonderlich gemütlich werden. Das Schweigen begann jetzt schon, ihr auf die Nerven zu gehen, obwohl es abgesehen von Fleurs Wortkargheit am Tisch laut und lustig zuging. Ron, George und Fred überboten sich gegenseitig mit schlechten Witzen, auf die Bill mit wieherndem Lachen reagierte. Ginny hatte sich in den Arm ihres Vaters geschmiegt und kicherte, weil dieser sie sanft in die Seite stupste.
Die Uhr, auf deren Zeigern sämtliche Familienmitglieder der Weasleys abgebildet waren, schlug mehrmals. Es war neun. Mrs. Weasley begann den Tisch abzuräumen und forderte nur Ginny und Ron auf, ihr dabei zu helfen.
Mr. Weasley erhob sich gemächlich und holte ein paar alkoholische Getränke vom Küchenschrank, um sich und Bill einzuschenken.
„Möchtet ihr auch etwas, Ladies?" Er nickte den beiden jungen Frauen am anderen Ende des Tisches zu und winkte mit der Flasche. Beide schüttelten dankend den Kopf.
„Du bist jetzt schon eine ganze Weile hier in England", begann Tonks schließlich ein Gespräch mit der Absicht, Fleur ein bisschen aus der Reserve zu locken.
„Oui, aber England ist sehr schön." Die Antwort klang fast ein bisschen wie einstudiert, so als würde Fleur mit ihr eine Erwartung erfüllen müssen. Tonks fragte sich, wie die echte Fleur wohl war. Das Mädchen neben ihr war mehr Schauspielerin als Mensch. Was sie wohl gerade dachte? Ob sie sich weit weg wünschte, ob sie die Stunden zählte, bis Bill und sie endlich wieder alleine waren? Kurz fühlte Tonks Neid in sich hochsteigen. Eigentlich wäre es schön, wieder eine Beziehung zu haben. Sie war schon lang genug alleine. Auch wenn sie Molly gegenüber behauptet hatte, keinen Freund zu wollen, sehnte sie sich doch nach Nähe. Das wurde ihr erst jetzt bewusst, als sie sich mit einem glücklichen Paar konfrontiert sah.
Plötzlich fiel ihr auf, dass Fleur auf eine Reaktion von ihr zu warten schien. Sie beeilte sich, eine weitere Frage zu stellen. So schwer konnte es doch nicht sein, ein Gespräch ins Rollen zu bringen.
„Das stimmt, England ist schön. Es ist so vielseitig, es wird nie langweilig. Aber vermisst du deine Familie und Frankreich nicht?"
***
Fleur war überrascht. Fleur war sogar sehr überrascht. Konnte es tatsächlich sein, dass Tonks mit ihr kommunizieren wollte?
"Doch, meine Familie fehlt mir, doch ich bin es gewöhnt, sie nicht zu sehen. Und du? Gehe ich richtig davon aus, dass du nicht bei deiner Familie wohnst?" Schnell hatte Fleur ihr höfliches Lächeln aufgesetzt und naschte noch etwas von der Mousse. Sie hatte gelogen, sie war zu flüssig und auch zu süß.
"Das stimmt", antwortete Tonks vorsichtig und holte sich einen Nachschlag. Ihr schien es zu schmecken. "Seit ich meinen Abschluss auf Hogwarts gemacht habe, wohne ich in einer kleinen Wohnung in London. Ich habe ein schönes Zuhause und besuche meine Eltern regelmäßig, aber ich wollte... einfach mal weg von der gewohnten Umgebung. Vermutlich kannst du das Gefühl ein bisschen nachvollziehen... wie war das für dich, so ein ganz neues Leben in einem fremden Land?"
Tonks löffelte ihre Mousse aus und schob den Teller zufrieden von sich. "Wollen wir vielleicht ins Wohnzimmer gehen?", bemerkte sie, noch bevor Fleur antworten konnte, da sich die Gemeinschaft am Küchentisch langsam auflöste.
Lächelnd erhob sich Fleur und zusammen schlenderten die beiden Frauen ins Wohnzimmer, wo sich bereits die Hälfte der Familie tummelte. Die beiden setzten sich auf ein weiches Sofa und Tonks lehnte sich zufrieden zurück.
"Molly kocht einfach zu gut, findest du nicht?", fragte sie mit geschlossenen Augen.
"Hm, ja…", murmelte Fleur. "Doch mir fehlt die französische Küche. Das Essen ist bei uns nicht so schwer, wir bleiben auch länger am Tisch sitzen und reden mehr während des Essens."
Neugierig blickte Tonks Fleur an, es war das erste Mal, dass sie mehr als nur einen Satz sagte. Dennoch konnte sie eine freche Bemerkung nicht unterdrücken.
"Na ja, ein Gespräch führt sich nicht allein, oder?"
Doch entweder hatte Fleur es nicht verstanden, oder sie ignorierte es gekonnt.
"Du fragtest mich vorhin, wie es ist, in ein fremdes Land zu ziehen. Es ist... anders. Zuerst denkst du, dass du dich erst eingewöhnen musst, doch die Monate vergehen und es wird nie so wie in deinem Land. Du bleibst immer eine Fremde in einer fremden Kultur, in einem fremden Land, in einer", sie stockte kurz, blickte sich etwas unglücklich um und fuhr dann mit leiserer Stimme fort, "fremden Familie. Doch England ist sehr schön."
Wieder hielt ihr Schweigen an, Tonks legte ihren Kopf zur Seite und blickte Fleur nachdenklich an. "Vor allem fehlt mir die Sprache. Englisch ist eine so harte Sprache, mir fehlt die Melodie, mit der man in meinem Land spricht."
Das Gespräch war verstummte kurz. Fleur formulierte im Kopf gerade eine Frage, die sie Tonks stellen konnte, und bemühte sich um möglichst korrektes Englisch, da sprang Bill plötzlich von seinem Platz am Kamin auf und eilte zu den beiden Frauen.
"Fleur, Tonks, was haltet ihr von einem Abstecher zu The Fields?"
The Fields war ein bekanntes und beliebtes Lokal nicht weit vom Fuchsbau und sozusagen die Stammkneipe der Weasleys. Fleur wich Bills Blick aus und versuchte, ihre Missstimmung zu verbergen. Gerade hatte sie sich zum ersten Mal in Tonks Anwesenheit wohl gefühlt, gerade hatte sie begonnen, das Frauengespräch zu genießen, da platzte ihr Bräutigam schon wieder dazwischen.
***
Tonks fing Fleurs Blick auf. Sie selbst mochte The Fields, aber sie vermutete, dass die zarte und vornehme Französin eher das moderne Café ein paar Straßen weiter bevorzugte. Die Kneipe war laut und chaotisch, ein Ort für fröhliche Stammtischrunden und wilde Diskussionen, aber kaum für ein schüchternes Gespräch.
Gerade wollte die junge Aurorin einen Kompromiss vorschlagen, als Fleur das Wort ergriff:
„The Fields? Das ist nicht schön… es ist so unzivilisiert dort. Siehst du nicht, dass wir uns unterhalten wollen, Bill?"
„Ach, störe ich euch?", fragte Bill mit einem Zwinkern.
„Allerdings." Fleur bemühte sich um ein Lächeln. Dennoch war Tonks nicht die Schärfe in den Stimmen der beiden entgangen. Ganz so glücklich, wie sie sich gaben, waren die beiden wohl doch nicht.
„Ich bitte um Verzeihung." Bill nickte Tonks zu und zog sich zurück.
Diese biss sich auf die Lippen. Zu gerne hätte sie Fleur nach dem Stand der Beziehung gefragt, aber sie war sich sicher, dass diese Frage momentan noch unangebracht war.
Fleur schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen. „Manchmal…", begann sie einen Satz, verstummte dann aber und wandte schnell den Blick zu Boden. „Hm?" Tonks sah sie fragend an. „Manchmal wird es mir selbst in so einem hellen und schönen großen Raum zu eng." Unbehagen zeigte sich auf Fleurs Miene.
Tonks verspürte das plötzliche Bedürfnis, dem Mädchen die Sorgen aus dem Gesicht zu streichen und sie tröstend in den Arm zu nehmen. Nicht ganz ohne Anstrengung unterdrückte sie dieses Verlangen. Stattdessen warf sie einen Blick aus dem Fenster.
„Wollen wir ein bisschen raus gehen?"
„Oh ja, es gibt ein schönes Café im Ort!"
Tonks grinste. Wie sie es vorausgesehen hatte. Aber gut. Sie hatte gerade auch nichts gegen ein bisschen frische Luft. Fleur begann, interessant zu werden, die Gesellschaft der Weasleys störte zugegebenermaßen beim Kennenlernen mehr als dass sie half.
Während Tonks ihre Jacken holte, machte Fleur sich auf den Weg, um Bill Bescheid zu geben.
Reviews wären toll! Und wenn euch diese Geschichte gefallen hat, schaut auch mal bei Windspiel vorbei!
