Liebesgrüße von Dathomir

0. Vorwort

Ich habe diese Geschichte angefangen zu schreiben, weil es einfach nicht in meinen Kopf rein wollte, dass Darth Maul seine Kilindi damals auf Geheiß seines Meisters getötet haben soll. Und dann habe ich mir überlegt, ob Ryder Wyndham in seinem Darth-Maul Roman wirklich alles so genau wissen konnte, denn schließlich gibt es ja keine Zeugen mehr – außer ihm. Und warum soll Maul nicht noch eine Weile seinen Spaß haben, bevor er von Obi-Wan erst einmal in den Schacht befördert wird? Ich finde, er muss doch dort unten auf Lotho Minor noch von etwas anderem zehren als nur vom Hass auf Obi-Wan.

Als er dann endlich wieder von Lotho Minor weggekommen ist, habe ich mich gefragt, wieso es das eigentlich für Maul mit der Liebe gewesen sein soll, bloß, weil er jetzt keinen Unterleib mehr hat? Es gibt ja viele Fanfictions über Darth Mauls amouröse Abenteuer, aber die passieren alle, bevor … Hier ist das anders.

Und da ist ja auch noch sein Bruder Savage Opress, dessen Schülerschaft bei Dooku und später bei Maul bislang so gut wie überhaupt nicht literarisch aufgearbeitet wurde. Auch das soll hier nachgeholt werden. Und auch Savage soll noch jede Menge Spaß haben, bevor ihn Sidious stellt. Aber warum dann eigentlich damit aufhören? Vor allem, wo Asajj Ventress noch lebt. Es gibt ja hier unzählige Geschichten über sie und Obi-Wan. Das ist hier etwas anders, aber nur etwas. Aber Ventress ist eigentlich nicht für Obi-Wan bestimmt …

Außerdem habe ich mir gewünscht, dass der TCW-Comic „Sohn Dathomirs" eine literarische Aufarbeitung erhält. Auch die soll es hier geben. Dann geht es in die Zeit des Imperiums, die weit weniger trist und dunkel ist, als man gemeinhin glauben mag. Irgendwann kommt dann Exar Kun und bringt viel Farbe ins graue Empire. Die Geschichte wird bis ca. 13 Jahre vor der Schlacht von Yavin laufen.

Ich habe keinerlei Rechte an Star Wars, The Clone Wars oder den darin vorkommenden Figuren, wohl aber an dieser Geschichte.

Momentaner Geschichtenavatar von Chyche auf deviantart.

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

1. Das Ende von Orsis

Kilindi Matako hatte Angst. Die junge Nautolanerin versuchte diese Angst zu überspielen, indem sie die Teetasse, die sie in der Hand hielt, so ruhig und gelassen wie möglich auf dem riesigen Schreibtisch abstellte, hinter welchem Meister Trezza saß. Kilindi war dankbar gewesen, dass der kleine, grüne Falleener so spontan Zeit für sie gefunden hatte. Es störte sie auch gar nicht, dass außerdem Meltch Krakko, der mandalorianische Ausbilder, zugegen war, den weder sie noch Maul besonders leiden konnten. Sie wollte auch gar nicht lange stören, aber wer, wenn nicht Akademieleiter Trezza würde wissen, wieso Maul noch nicht von der Gora-Zeremonie zurückgekommen war, während alle anderen Teilnehmer längst wieder in ihren Quartieren waren. Es bereitete ihr Unbehagen, dass selbst Trezza ohne Informationen über Mauls Verbleib war.

Irgendwann hatte der mandalorianische Kampflehrer gemeint, dass es unnatürlich kalt geworden sei. Also hatte sich Krakko aus seinem Sessel erhoben und war zum anderen Ende des Raumes zum Kamin gegangen. Er hatte gerade einen Scheit Feuerholz in der Hand, um ihn in die nach einem bestimmten System aufgeschichteten Kohlen zu schieben, als sich die Tür zu Meister Trezzas Büro erneut öffnete. Krakko wandte sich zur Tür um und fror in seiner Bewegung ein.

Dieses Einfrieren wurde durch eine latente Bedrohung ausgelöst, die der Hereinkommende abstrahlte. Meltch Krakko ließ das nutzlose Holzscheit fallen und tat das, was er als mandalorianischer Elitekämpfer gelernt hatte - ihm im Blut lag. Seine Rechte, die eben noch das Holz gehalten hatte, fuhr in Blitzesschnelle zu seinem Westar-30-Blaster, den er immer am Holster trug. Ein Schuss löste sich – um den Eindringling zu verfehlen, da dieser unnatürlich schnell nach links hin ausgewichen war. Auch zwei weitere Schüsse trafen weder, noch verhinderten sie, dass der Eindringling Krakko erreichte. Die glücklose Hand, die den Blaster benutzte, erschlaffte. Der Grund dafür war eine andere Hand, die seinen Arm festhielt, so dass der Ausbilder nicht mehr schießen konnte. Die andere, ebenso schwarz behandschuhte Hand legte sich um seinen Hals, um ihn ruckartig nach vorn zu knicken. Es knackte laut, als würde ein Ast brechen. Das Ganze ging so schnell, dass der Mandalorianer weder Zeit für einen Todesschrei, geschweige denn für andere Dinge hatte. Seine brechenden Augen wurden von einem schwarz-roten Meer mit zwei flammend-goldenen Inseln darin erfüllt. Dieses Meer des Todes war das Gesicht von Maul, seinem Spezialschüler – dem besten, den die Militärakademie von Orsis auch Meister Trezzas Meinung nach bislang hervorgebracht hatte.

Kilindi versuchte die Situation zu analysieren, so wie man es ihr an der Akademie beigebracht hatte. Maul hatte also soeben Meltch Krakko das Genick gebrochen. Und er trug andere Kleidung, als er sie bislang in der Akademie getragen hatte. Ihr bester Freund hatte sich in einen schwarzen Kapuzen-Umhang gehüllt, den Kilindi noch nie an ihm gesehen hatte. Auch Mauls Blick war anders als sonst. Er von einer Todesentschlossenheit erfüllt, die Kilindi wohl erahnt, aber noch nie offen in dieser Totalität an ihm gesehen hatte. Es sah Maul außerdem überhaupt nicht ähnlich, sich sowohl bei der Rückkehr von der Gora-Zeremonie zu verspäten und dann auch noch die Unverfrorenheit zu besitzen, unangemeldet im Büro des Meisters der renommierten Militärakademie des Planeten Orsis zu erscheinen - zumal zu so später Stunde. Irgendetwas musste während der Gora mit Maul passiert sein – irgendetwas Monströses – Fürchterliches.

Sie sah dabei zu, wie Maul die Leiche von Meltch Krakko angewidert in das züngelnde Kaminfeuer warf. Eine hohe Stichflamme schoss empor. Offenbar hatte der Mandalorianer leicht entzündliche Sachen getragen. Kilindis Blick wanderte zu Meister Trezza hinter dem Schreibtisch, vor welchem sie nach wie vor stand. Maul konnte unmöglich …! Das alarmierte Gesicht des Akademieleiters lehrte sie anderes.

Trezza hatte sich hinter seinem Schreibtisch erhoben. „Maul, wir können über alles reden", versuchte der kleine Falleener etwas Zeit zu schinden.

Kilindi wusste, dass der Akademieleiter genau diese Zeit brauchte, um einen Gegenangriff aufzubauen. Und sie wusste, dass Maul das auch wusste. Und sie wusste ebenso, dass Maul nie redete, wenn er nicht wollte oder musste. Rhetorische Vorgeplänkel mit dem Feind vor einem Kampf waren in seinen Augen reine Eitelkeit und nichts als Zeitverschwendung. Kilindi wusste, dass, sobald er seine Waffe oder seine Hand erhob, um zuzuschlagen, bereits alles gesagt oder nutzlos zu sagen war.

Der bis dahin verborgene Vibrodolch kroch aus Trezzas Ärmel, um auf Maul zuzuschießen. Dieser erhob lediglich seine Hand. Der propellergleich durch die Luft wirbelnde Dolch landete exakt mit dem Griff in Mauls Hand – um sogleich zurückgeworfen zu werden. Trezza keuchte laut auf, als ihn sein eigener Vibrodolch mitten in die Brust traf, dann brach er tot über seinem Schreibtisch zusammen.

Maul schritt auf Kilindi zu. Sie bemühte sich, ein Lächeln zustande zu bekommen, um wenigstens etwas Würde zu bewahren, wenn Maul schon ihre Angst riechen konnte.

Wie damals, als Maul neu an die Akademie gekommen war. Kilindi wusste damals noch nicht, dass an jenem Tag die bislang glücklichste Zeit im Leben des jungen Zabrak angebrochen war. Maul hatte ihr lediglich erzählt, dass er von seinem Meister in die Militär-Akademie von Orsis gebracht worden war, um dort ausgefeilte Kampftechniken zu lernen und vor allem, sich darin mit natürlichen Lebewesen zu messen, anstatt während des Trainings immer nur in einem Raum mit Kampfdroiden eingesperrt zu sein. Sie hatte jenen Meister damals sogar gesehen, einen vermummten, gebrechlich wirkenden Mann mit einer riesigen Sensorenbrille vor dem Gesicht, geradeso, als wolle er nicht nur Fehlsichtigkeit verbergen. Zu jenem Zeitpunkt hatte Kilindi sich gefragt, was für eine Art Meister das wohl sein könnte, der ein so junges Kind wie Maul mit nur ungefähr zehn Jahren an solch eine Akademie schickte, wo es so rau zuging wie eben hier auf Orsis.

Maul schritt auf Kilindi zu und überlegte, wie er es am schnellsten hinter sich bringen konnte. Da war wieder diese Angst in ihren Augen. Er verachtete dieses Gefühl. Es widerte ihn an, auch wenn er gelegentlich Vergnügen daraus zog. Beispielsweise wenn Leute Angst hatten, die er nicht leiden konnte. Dann konnte er sich daran weiden. Nicht so bei Kilindi. Also wollte er es beenden. So wie damals, an seinem allerersten Tag auf Orsis.

Es war Maul relativ leicht gefallen, sich in diese großen Gemeinschaft von Wesen aus allen Teilen der Galaxis einzufügen, besser gesagt, sich derart bei den anderen Schülern Respekt zu verschaffen, dass er in Ruhe gelassen wurde, wenn er das wollte und ansonsten bekam, was er wollte. Und was er wollte, war im Wesentlichen, sich im Kampf zu vervollkommnen und die Zufriedenheit seines Meisters zu erlangen. Maul mauserte sich auf Orsis zum absoluten Primus und nicht nur der Akademieleiter Meister Trezza war stolz auf ihn. Auch Meister Sidious, der sich ansonsten mit Anerkennung sehr zurückhielt, konnte seine Zufriedenheit darüber, dass sein Zögling alle anderen Kadetten der Schule in puncto Kampfkunst, Zähigkeit und List klar ausstach, kaum verhehlen.

Diese Schulidylle für Maul wurde gelegentlich unterbrochen, wenn Sidious seinen Schüler für einige Tage in der Woche von der Akademie nahm, damit Maul auf dem Schloss seines Meisters in der Nähe der Akademie seine Fähigkeiten der Machtbenutzung weiter ausbauen konnte. Denn es gab eine eiserne Regel: Maul durfte auf Orsis nicht die Macht benutzen, bei der Strafe, an die Jedi gemeldet zu werden. Darth Sidious fragte seinen Schüler dann und wann nach Neuigkeiten, die sich an der Militärakademie ereigneten. Manches jedoch musste er Maul nicht erst fragen. So war es Sidious z.B. nicht entgangen, dass Maul eine gewisse Nautolanerin namens Kilindi Matako immer wichtiger geworden war.

Maul überlegte, wann Sidious darauf gekommen sein mochte, bevor er seinen Schüler, Meister Trezza und Kilindi auf sein Schloss eingeladen hatte, um mit Trezza über dies und das zu reden – zum Beispiel über den Überraschungsgast, den sein Meister angekündigt hatte. Er hatte diese Ankündigung verdrängt, als Trezza davon zu reden begann, dass es mit ihnen beiden es ein Problem an der Akademie gäbe. Kilindi war bei dieser Bemerkung sichtlich nervös geworden, was ihm, Maul wiederum peinlich gewesen war. Und er vermeinte zu bemerken, dass sein Meister in der unsichtbaren Dunkelheit hinter ihnen auf einmal in eine witternde Anspannung verfallen war. Maul spürte Kilindis Erleichterung, als Trezza erklärte, dass es lediglich darum ging, den beiden Schul-Besten einen neuen mandalorianischen Kampftrainer vorzustellen, der speziell diese Beiden trainieren sollte. So etwas hatte Maul sich gewünscht, war doch die mandalorianische Kriegskunst galaxisweit bekannt, wenn nicht gar berüchtigt.

Und überhaupt: welche Probleme konnten ein Junge und ein Mädchen wie er und Kilindi auch sonst haben, wo sie doch die Besten der Akademie waren? Außer vielleicht, dass sie gerade beobachtet worden? Von jemand anderem als Sidious und Trezza?

Sidious hatte Trezza zum Kreuzer hinübergeführt, mit dem sie auf Schloss Blackguard angekommen waren.

„Lasst mich wissen, wenn etwas interessantes passiert", hörte er Sidious in gedämpfter Stimme zu Trezza sagen, während er ,Maul, mit Kilindi auf dem Hangargelände des Schlosses zurückblieb … im offenen Schussfeld, wie ihm klar wurde, als der Pfeil angesaust kam.

„Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache", hatte Kilindi noch zu ihm gesagt, dann hatte sie aufgekeucht und war zusammengesackt. Maul fing sie im Fallen an der Hüfte auf, zog sie an sich und machte einen Satz zur Seite. Beide fielen auf den Boden, da sah Maul den Pfeil. Er war wie aus dem Nichts gekommen und hatte sich in Kilindis Schulter gebohrt. Maul begutachtete die Wunde, dann zog er den Fremdkörper vorsichtig aus Kilindis Schulter. Sie blutete etwas, aber er würde sich später darum kümmern. Als er den Pfeil in die Höhe hob, um zu erkunden, von woher er geflogen gekommen war, da hatte er ihn auf einer Balkonbrüstung gesehen – einen Mann mit Helm mit T-Visier, noch den Betäubungsblaster in der Hand, mit dem er soeben Kilindi verletzt hatte, und einem Jetpack auf dem Rücken – ein Mandalorianer – derselbe, der jetzt drüben im Kaminfeuer verbrannte.

Maul machte noch einen Schritt auf Kilindi zu. Ihre schwarzen Augen hielten seinem Blick stand. Möglicherweise würde die Nautolanerin mutiger sterben als die anderen … Wie rührend, dass sie sich um seinen Verbleib gesorgt hatte, als die Gora-Zeremonie schon lange zu Ende gegangen war. Er hatte ihre erregte Stimme selbst durch die geschlossene Tür des Büros gehört.

Die Gora-Zeremonie …

Wer diese sieben Tage im Dschungel und in der Steppe von Orsis überstand und die damit verbundenen Prüfungen meisterte, durfte sich einen echten Orsianer nennen. Kilindi hatte jene Prüfung bereits absolviert. Der ein Jahr jüngere Maul war dieses Mal an der Reihe. Er hatte nicht mehr gezählt, wie viele wilde, ihn angreifende Tiere er getötet, wie viele zerklüftete Schluchten er überwunden, wie viele reißende Flüsse er durchschwommen hatte. Das einzige, was ihn jetzt, am siebten Tag der Gora, interessierte, war die Überraschung, die Kilindi und Daleen ihm versprochen hatten, wenn er zurückgekehrt sein würde. Sechs Stunden, dann würde Trezza an der Ziellinie erscheinen, um sie zu begrüßen und den Sieger zu ehren. Den, der die meisten Tiere erlegt und dabei noch am schnellsten durch die Wildnis gekommen war.

Die rotgekleideten Reiterinnen auf den Llians hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt war er es, der von einem Pfeil, abgeschossen aus ihren Energiebögen, zunächst gelähmt wurde. In die Bewusstlosigkeit danach hatte ihn deren Anführerin Mutter Talzin befördert, nachdem sie mit ihrem langen Zeigefinger an seine Stirn getippt hatte, um auch seinen letzten Widerstand zu brechen. Als Maul aus seiner künstlichen Bewusstlosigkeit erwachte, befand er sich bereits am Raumhafen von Orsis. Die Schwestern der Nacht beabsichtigten, ihn nach Dathomir zu bringen. Mutter Talzin hatte etwas von dem Schicksal geredet, welches Maul als Bruder der Nacht auf seinem Heimatplaneten erwarten würde – für welches er bestimmt sei. Maul sah keinen Sinn darin, der Obersten Schwester der Nacht zu erklären, warum sein von Sidious ermöglichtes Schicksal um so vieles größer war. Das hatte ihm sein Meister strengstens verboten. Und genau deshalb wartete er jetzt auf Sidious, der kommen würde, um ihn zu retten. Sidious, der sich mit jener Entführung durch die Nachtschwestern bestimmt wieder eine seiner hinterlistigen Prüfungen hatte einfallen lassen, um die Loyalität seines jungen Schülers zu testen.

Sidious war gekommen. Maul war davon überzeugt gewesen, dass er die Nöte seines Schülers in der Macht gespürt hatte. Auf dem Raumhafen von Orsis gingen raue Gesellen ein und aus. Es hatte heftige Schießereien und andere Kämpfe zwischen ihnen und den Nachtschwestern gegeben. Dies wurde bedeutungslos, als Sidious den Bereich betrat, wo das Schiff nach Dathomir stand. Sidious hatte Mutter Talzin klargemacht, dass Maul zu ihm und zu niemand anderem gehörte. Die Beiden schienen sich bereits zu kennen, was in Maul ein mulmiges Gefühl hervorgerufen hatte.

Als Sidious mit Maul Schloss Blackguard erreicht hatte, wusste Maul, dass die Gora bereits seit einem knappen Standardtag vorbei war. Hatte er versagt? Oder würde Sidious ihn loben, gegenüber der Dathomir-Hexe standhaft geblieben zu sein? Am meisten jedoch hatte ihn die Überraschung umgetrieben, die Kilindi und Daleen für ihn vorbereitet hatten. Würde er sie trotz alledem noch erhalten?

Er hatte eigentlich erwartet, dass Sidious sich irgendwie zur verpatzten Gora äußern und ihn auf nächstes Jahr vertrösten würde. Stattdessen hatte ihn sein Meister sorgenvoll angeschaut: „Ich befürchte, dass wir den angerichteten Schaden nicht eingrenzen können. Wir dürfen nicht riskieren, dass sich dein Verschwinden von der Gora und die nachfolgenden Ereignisse herumsprechen."

Maul bekam bei Sidious' Worten ein mieses Gefühl in der Magengrube. Wenn etwas nicht eingegrenzt wurde, dann waren drastische Maßnahmen fällig. Würde Sidious ihn von Orsis fortnehmen und wieder einmal irgendwo verstecken, bis Gras über die Sache gewachsen war?"

„Ich werde mich um den Kriegsherrn vom Raumhafen kümmern. Deine Aufgabe wird es sein, für Trezza und die anderen an der Schule Sorge zu tragen!", hatte Sidious die neue Order ausgegeben.

Sorge zu tragen, wie elegant Sidious doch ein Massaker anzukündigen in der Lage war! Maul musste daran denken, wie viel Schönes er auf Orsis erlebt, wie viel Nützliches er an der Akademie gelernt hatte. Er dachte an Trezza, an Kilindi, die ihn immer mit Respekt behandelt hatten. Aber das … war urplötzlich unwichtig geworden. Irgendwann würde es wieder Leute geben … Aber in diesem Moment wurde Mauls Herz zu Stein.

„Ich lebe, um in Euren Diensten zu stehen, Meister", hörte er sich sagen.

„Und solange Du das tust, wirst Du am Leben bleiben", kam es von Sidious zurück.

Als Maul in die Fähre eingestiegen war, die ihn zurück zur Akademie bringen sollte, war er noch überzeugt davon gewesen, dass Sidious recht und er zu gehorchen hatte. Aber mit jeder Standardminute, mit jedem Standardkilometer, den er sich der Militärakademie näherte, fiel der Mantel des Stolzes und der Entschlossenheit nach und nach von ihm ab.

Maul war sich im Klaren darüber, dass sein Meister jede noch so winzige, verdächtige Regung im Gesicht oder in der Körperhaltung seines Schülers blitzschnell als Illoyalität oder Schwäche werten und unnachsichtig bestrafen würde. Maul hatte wohl mit der Zeit auch gelernt, bestimmte Gedankentricks anzuwenden, um bei seinem Meister bei bestimmten Dingen keinen Argwohn zu erregen. Ja, es hatte schon ein paar eher unbedeutende Situationen in Mauls Leben gegeben, wo ihm nur solche Suggestionen geholfen hatten, sich zumindest etwas Freiraum zu schaffen, den sein Meister nicht kontrollieren konnte. Aber da war es um Sachen gegangen, die Sidious wahrscheinlich eh nicht besonders interessiert hätten. Jetzt jedoch hatte er von seinem Meister einen äußerst wichtigen Befehl bekommen, dessen Nichtbefolgung unübersehbare Folgen nach sich ziehen könnte. Andererseits war es so, dass jetzt, wo die Fähre ihn immer weiter von seinem Meister fortbrachte, dessen übernatürliches Gespür für Lügen oder sonstige Widerspenstigkeiten keine Macht mehr über ihn hatte. Es musste einfach so sein! Aber was, wenn nicht?

Es gab so viele Dinge zu beachten, wenn eine Täuschung wie die, an die er gerade dachte, glücken sollte. Diese Täuschung würde absolute Perfektion erfordern, wie sein Meister immer forderte. Nein, das war eine Nummer zu groß für ihn … noch zumindest.

Die Fähre hatte in der Landebucht angelegt. Es war frühe Nacht auf Orsis. In den Wohnquartieren der Kadetten, in den Trainingsräumen brannte noch Licht. Maul war zum Aufwärmen in einen der Trainingsräume gegangen, hatte das Licht gelöscht und sich wie ein wildes Tier durch die Gruppe der Schüler bewegt. Diese Leute bedeuteten ihm nichts. Die anderen Räume waren kleiner, überschaubarer. Es war ihm ein Leichtes gewesen, die Schüler und Lehrkräfte der Akademie zu töten – mit Hilfe der Macht oder mit bloßen Händen, wie es ihm gerade gefiel. Dieses Gefühl der Entspanntheit, endlich die Macht auf Orsis benutzen zu können, was ihm Sidious und Meister Trezza vorher streng untersagt hatten, half ihm, seinen Kopf dafür freizubekommen, was er tun würde, sollte er auf Kilindi stoßen. Die Frage lautete allerdings nicht „ob", sondern lediglich „wann". Er hatte, seit er Sidious' Schloss verlassen hatte, über einen guten, absolut wasserdichten Plan nachgegrübelt, aber noch immer war ihm nichts Brauchbares eingefallen.

Er hatte die Schlafkammer von Fretch und Hubnutz erreicht. Jene beiden Rodianer mit den reptilartigen Schnauzen, die ihn und Kilindi bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Gemeinheiten und Spott bedacht hatten. Er erinnerte sich noch lebhaft an den Tag, an welchem Fretch Kilindi als „Mauls Lieblingssklavin" bezeichnet hatte. Sein Freund Hubnutz hatte daneben gestanden und Maul und Kilindi dreckig und herausfordernd angegrinst.

Kilindi hatte erwidert: „Ich bin keine Sklavin. Und ich bin niemandes Liebling."

Damals hatte Maul Fretch als Strafe die Finger einer Hand gebrochen. Jetzt hatte Maul diese beiden Rodianer im Gegensatz zu allen anderen Schlafenden vorher aufgeweckt. Niemals wieder würde einer dieser Beiden Kilindi die Lieblingssklavin Mauls oder überhaupt Sklavin nennen. Er hatte dem im Würgegriff röchelnden Fretch das Genick gebrochen. Es hatte ihm Vergnügen bereitet, hernach Hubnutz mit dessen eigenen Dolch zu töten, den jener achtlos auf dem Schreibtisch herumliegen hatte lassen. Grünes Blut floss aus der Brustwunde.

Während er eine Weile innehielt, um das grüne Blut des getöteten Rodianers zu betrachten, keimte in Maul eine Idee auf …

Maul hatte alle Trainingsräume und Wohnquartiere von Orsis durchkämmt. Blieb nur noch Trezzas Büro. Er wusste, dass der Akademieleiter gerne bis spät in die Nacht entweder arbeitete oder Schüler oder Gäste empfing. Maul näherte sich der Tür, hörte Kilindis laute Stimme … Zwei Sandflöhe mit einer Klappe! Gleich drei, als er schließlich die Tür aufgetan …

Maul stand jetzt direkt vor Kilindi, sah ihr in die großen, schwarzen Augen. „Ich nehme an, es interessiert dich nicht, was für eine Überraschung Daleen und ich für dich geplant hatten", sagte sie mit einem scheuen Lächeln.

Maul zögerte mit der Antwort. Er musste an den Augenblick denken, als er sie das erste Mal bei seiner Ankunft auf Orsis gesehen hatte. Es war sein erster Tag an der Akademie gewesen und Sidious wollte, dass Maul als Demonstration seiner Fähigkeiten einen Zweikampf mit einem Schüler führte. Der Schüler, den Maul dafür erwählt hatte, war viel größer und älter als Maul gewesen. Die beiden Rodianer Fretch und Hubnutz hatten bereits an diesem ersten Tag abfällige Bemerkungen über ihn gemacht. Dann aber hatte Maul den Schüler ziemlich übel zugerichtet und den Zweikampf gewonnen. Alle Zuschauer um Maul und den besiegten Schüler herum erstarrten. Stille hatte sich auf dem Trainingsgelände ausgebreitet.

Da hatte sie sich zu ihm umgewandt. Maul drehte seinen gehörnten Kopf intuitiv in ihre Richtung und erblickte eine hübsche Nautolanerin mit grüner Haut und langen lockenartigen Tentakeln auf dem Kopf, die ihre schlanke, athletische Gestalt locker umspielten. Maul hatte in ihre Augen geschaut und dort auf einmal sein Spiegelbild erblickt. Er bekam einen Stich ins Herz, so wie er es noch nie in seinem Leben erlebt hatte. Mit einem Mal wünschte er sich mehr als alles in der Galaxis, dass dieses Mädchen keine Angst vor ihm haben möge.

So wie jetzt!

Nach und nach war Kilindi zu dem geworden, was einer Freundin am nächsten kam. Maul hatte Kilindis Gegenwart immer genossen. Er konnte mit ihr gemeinsam lachen und schweigen. Sie war für ihn eine Befreiung von der ständigen Angespanntheit während der Übungen, Lehrstunden und vor allem von dem Zusammensein mit seinem Meister, dessen Gespräche von Maul ein ständiges Auf-der-Hut-Sein vor peinlichen Bloßstellungen erforderten, dessen Prüfungen und Bestrafungen stets drakonisch bis sadistisch ausfielen. Und der mit nichts als der absoluten Perfektion zufrieden war – eine Ehre und gleichzeitig eine Bürde für Maul. Kilindi war für ihn deshalb zu einer unentbehrlichen Oase der Ruhe und des Glücks geworden. Er mochte ihren Geruch, ihre langen Lekkus und ihre großen tiefschwarzen Augen. Auch wenn er bislang nie vorgehabt hatte, ihr dies zu sagen. Und jetzt stand sie vor ihm und hatte nichts als Angst. Maul wusste, dass er ihr diese Angst nehmen musste. Jetzt sofort. Oder sie war verloren.

Maul sah ihr fest in die Augen. „Du tust jetzt entweder, was ich Dir sage, oder aber Du wirst sterben so wie die anderen."

Welche anderen noch?', las Maul ihre stumme Frage. „Was soll ich tun?", fragte Kilindi stattdessen in angespannter Neugier.

Gut so! „Du ziehst jetzt diese Handschuhe an!", sagte Maul, der auch welche trug.

Wortlos nahm Kilindi das Paar Handschuhe und streifte es über ihre grünen Hände. Maul verließ das Büro und bedeutete Kilindi, ihm zu folgen. Sie liefen den Gang entlang. Er brach eine Tür auf, hinter der Reinigungswagen standen. Ein Reinigungswagen war schnell in die Kammer von Hubnutz und Fretch geschoben, die Leichen der beiden Rodianer darauf gewuchtet. Maul und Kilindi fuhren den Wagen durch den Gang bis nach draußen. Kilindi wunderte sich über die Stille, die anstatt entspanntem Abendgeplauder über der Akademie hing, war jedoch viel zu aufgeregt, als dass sie Maul deswegen befragt hätte. Hinter der Biegung des Ganges lag ein Wächter – mit ebensolchem Genickbruch wie der verbrannte Krakko. Kilindi ignorierte den Toten geflissentlich.

Endlich hatten sie das tote Gebäude verlassen. Sie hievten die Leichen auf ein Skycar und banden sie auf dessen Rückbank fest. Maul schloss das Vehikel kurz und vergaß auch nicht, einen Reinigungskittel des Service-Personals über die beiden Leichen zu legen. Wenig später schwebte das Skycar über der Meeresküste in der Nähe der Schule. Maul saß mit Kilindi auf dem Schoß am Steuer und hielt Ausschau nach einem geeigneten Landeplatz. Er erinnerte sich noch daran, wie gerne und oft er hier mit Kilindi zusammen schwimmen gegangen war. Jetzt sollten hier die beiden toten Rodianer das letzte und längste Bad ihres Lebens bekommen.

Die Leichen der Rodianer ins seichte Uferwasser zu werfen, war das eine. Danach nahm Maul mit seiner behandschuhten Hand den bereits von ihm benutzten Vibro-Dolch vom Gürtel von Hubnutz und schnitt Kilindi damit in den Oberarm. Er hieß sie, ihr Oberkleid ausziehen und tränkte es mit ihrem Blut. Anschließend warf er Kilindis Kleidung neben die Leichen. Er vergaß auch nicht, den Vibrodolch in Hubnutz' Hand zurückzulegen, bevor er Kilindi anwies, den Reinigungskittel anzuziehen und mit ihm zurück in das Skycar zu steigen. Wieder flogen sie, dieses Mal unbeschwert von Leichen, durch die Nachtluft von Orsis.

Maul hielt auf den Wald zu, in welchem er Kilindi zu einer Höhle führte, die er noch von seinen Geländeübungen gut kannte. Er hatte dort im Inneren eine Tür eingebaut, zu der er zwei Schlüssel hatte, von denen er einen jetzt Kilindi gab. Er entzündete einen Glühstab und lehnte ihn an die Wand, um für Licht in der Dunkelheit zu sorgen. Jetzt erst, hier in der Höhle, fand er die Ruhe und Muße, Kilindis Arm medizinisch zu versorgen.

„Willst du auch dieses Mal, dass Narben zurückbleiben?", fragte er sie.

Sie schüttelte energisch den Kopf. „Danke, die Narben vom Training mit Meltch Krakko reichen fürs Erste."

Also trug er etwas Bacta auf, damit die Wunde, die er ihr zugefügt hatte, schnell heilen konnte, ohne dass Narben zurückbleiben würden. Dann legte er ihr einen Verband an. Kilindi genoss seine Berührungen. Sie hatten zwar in der Akademie schon oft medizinische Versorgung geübt, aber nach den vorangegangenen Ereignissen fand sie es erleichternd, zu sehen, wie Maul sich jetzt im wahren Leben um sie kümmerte. Sie wünschte, er würde noch etwas zu ihr sagen, um auch die Wunden in ihr zu verbinden, die nicht durch einen Vibrodolch hervorgerufen worden waren. Aber sie merkte, dass Maul dafür weder Zeit noch Nerven hatte.

Maul wusste, dass diese Höhle spätestens seit dem Schul-Massaker von intelligenten Wesen nicht mehr aufgesucht werden würde, dafür aber genügend Wild und Pflanzen in der Nähe vorhanden waren, um ein Überleben einigermaßen zu sichern.

Maul sah Kilindis fragenden Blick. „Ich muss jetzt zu meinem Meister zurückkehren. Bald bin ich wieder zurück und dann wirst Du mehr erfahren."

Wieder nahm er ihre Hände in seine: „Verlass diese Höhle nur zum Jagen oder Wasser holen. Wenn du alles machst, wie ich dir sage, dann wird alles gut werden."

Dann drehte er sich um und verließ die Höhle.

Er brachte das Skycar zur Akademie zurück und ging erneut ins Büro von Meister Trezza. Er suchte Kilindis Akte aus dem Aktenschrank, riss die Seite mit Kilindis Bild heraus, steckte sie in die Falten seines weiten schwarzen Umhangs. Dann warf er den Rest der Akte zusammen mit etwas Holz in den Kamin zur mittlerweile verkohlten Leiche des Mandalorianers. Maul zerfledderte eine weitere Akte, streute deren Blätter gezielt neben den Kamin, wo bereits der Teppich anfing. Dann legte er Feuer.

Während der Rückfahrt mit der Fähre redete er sich solange ein, dass jetzt alle tot seien, bis er sicher war, diese Illusion zumindest solange aufrechterhalten zu können, bis sein Bericht an Sidious erfolgt war.

Als er Schloss Blackguard erreicht hatte, war sich Maul sicher, dass alles nach seinem Plan laufen und Sidious mit ihm zufrieden sein würde. Während er durch die schwach erleuchteten Gänge eilte, suggerierte er sich noch einmal ganz stark, wie das war, als er bei seinem Massaker niemanden verschont und damit jegliche Zeugen vernichtet hatte, dann betrat er ruhig und gefasst seines Meisters Büro.

Sidious stand auf dem Balkon seines Schlosses und schaute hinaus in die besternte Dunkelheit von Orsis, als Maul eintrat und darauf wartete, dass sich sein Meister ihm zuwenden würde. Aber Sidious blieb auf dem Balkon stehen und wandte sich nicht um. Von hinten konnte Maul sein rotes, lockiges Haar sehen, welches im Mondlicht glänzte.

„Wie ist deine Mission verlaufen, mein Schüler?", fragte Sidious in die Dunkelheit hinein.

„Es ist vollbracht, Meister. Ich habe mich um alle gekümmert."

„Gab es irgendeine Herausforderung, die dir dabei zu schaffen gemacht hat?"

„Nein, Meister", erwiderte Maul überzeugt.

„Das hast du gut gemacht, Maul. Du darfst dich entfernen. TI-5 wird dir noch etwas zu Essen bringen, wenn du das möchtest."

„Ich danke Euch, Meister. Ich bin in der Tat ziemlich hungrig. Aber ich hätte da noch eine Frage."

Jetzt wandte Sidious sich um. Maul konnte sein bleiches Gesicht sehen, dessen blaue Augen ihn neugierig anblickten. „Wolltet ihr mich mit dieser Aktion prüfen, Meister? Wer war der Verräter, der Talzin informierte?"

Sidious schenkte seinem Schüler ein dünnes, beinahe entschuldigendes Lächeln. „Ich habe damit nichts zu tun, Meltch Krakko war der Verräter."

Nachdem Maul sein Büro verlassen hatte, lächelte Sidious ein echtes, befreites Lächeln. Die Zeit auf Orsis für Maul war zu Ende. Sein Schüler hatte alles gelernt, was er über konventionelle Kampftechniken wissen musste. Weitere Lehrzeit hätte ihn nur auf abwegige Pfade wie den geführt, auf welchem er seinen Schüler beim letzten Besuch von Meister Trezza auf Schloss Blackguard ertappt hatte.

Maul ging in seine Kammer und wartete auf das Abendmahl. Er feixte in sich hinein. Er hatte Sidious also überschätzt. Talzins Erscheinen auf Orsis war keine von seinem Meister eingefädelte Intrige, sondern eine eigenständige Aktion der Nachtschwester gewesen! Und seine Präsentation des Massakers in der Akademie war viel einfacher gewesen, als Maul ursprünglich gedacht hatte: Sidious war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Auftrag erledigt wurde. Er hatte auch keine weiteren Fragen gestellt, um bei Einzelheiten der Mission nachzuhaken, wie er es sonst gerne tat.

Natürlich hatte Maul gemerkt, dass sein Meister es nie dulden würde, dass es jemand anderen in seines Schülers Leben geben würde, der auch nur halb so wichtig für ihn sein könnte wie sein Meister. Maul dachte über Sidious' Beschuldigung des Mandalorianers nach. Eigentlich hätte Meltch Krakko überhaupt kein Motiv für so einen Verrat gehabt, es sei denn, Mutter Talzin hätte ihn dafür bezahlt. Aber Krakko war von Sidious nach Orsis geholt und von diesem bezahlt worden. Oder hatte Krakko gar von beiden Credits erhalten? Maul fand, dass das nach dessen verdientem Tod unwesentlich geworden war. Wichtiger war, dass Maul mit diesem Massaker nicht nur Kilindi aus dem Weg räumen, sondern auch sich selbst für die Illoyalität bestrafen sollte, die Sidious damals in Gegenwart Trezzas nach der Verletzung Kilindis durch den Pfeil gespürt hatte. Damit sollte Maul einen Teil seines Lebens auslöschen, so wie man einem Droiden die Erinnerungen löscht, damit er genügend Speicherplatz für neue Aufgaben zur Verfügung hat.

Maul hatte nicht vergessen, was seinem Erziehungs- und Kampfdroiden TD-D9 widerfahren war, der eines schönen Tages von Sidious mit Hilfe der Macht gegen die Wand geschleudert worden war, so dass seine Fotorezeptoren für immer erloschen. Sidious hatte diabolisch gegrinst, als er TD-D9 zerschmetterte. Wahrscheinlich hatte Sidious mit der Zeit gemerkt, dass der Droide versucht hatte, Maul die harten Prüfungen und Trainingsaufgaben zumindest etwas erträglicher zu machen. Und dafür musste der Droide bestraft werden. Danach musste Maul seinen Lieblingsfisch aus dem Aquarium essen - den mit dem rot-schwarz gezackten Muster und den gelben Augen, in welchem Maul bei seinen Besuchen in seines Meisters Büro stets eine Art Ebenbild gesehen hatte. Während er den zappelnden Fisch in den Mund geschoben und zerkaut hatte, konnte er deutlich Sidious' dabei aufflammende Schadenfreude spüren. Wenn sein Meister selbst einen Droiden als Bedrohung für Mauls Loyalität ihm gegenüber betrachtete, um wie viel mehr musste er ein weibliches Wesen als Konkurrenz fürchten! Kilindi aber durfte nicht bestraft werden. Dafür würde Maul sorgen – mit allen Mitteln.

Kilindis Augen gewöhnten sich nur zögerlich an die Dunkelheit der Höhle. Sie überlegte, was Maul wohl vorhaben könnte, fand aber keine Antwort. Sie wusste nur, dass er unter der Fuchtel seines Meisters stand, der zwar bei ihrem Besuch auf dessen Schloss harmlos und nett getan hatte, aber sie hatte seine innere Strenge, Absolutheit und vor allem eine furchtbare schneidende Kälte gespürt, die von ihm ausging, als er sie, Maul und Meister Trezza im Hangar seines Schlosses begrüßt hatte. Sie wusste instinktiv, dass diesem Mann trotz seiner altertümlichen Sensorenbrille nichts entging und dass sich Maul ihm gegenüber keinen Fehler erlauben durfte, auch wenn er ihr das nie gesagt hatte.

Als Meister Trezza erwähnt hatte, dass sie hier waren, weil es ein Problem mit ihr und Maul geben würde, war ihr heiß geworden und sie spürte intuitiv, dass Maul ihre Unsicherheit bemerkt hatte und ihm dies gegenüber seinem Meister mehr als peinlich war. Sie hatte sich geschämt und sofort versucht, ein möglichst unbeteiligtes Gesicht aufzusetzen. Damals im Schloss von Mauls Meister hatte sie sich geschworen, Maul nie wieder in irgendwelche peinlichen Situationen zu bringen. Sie vertraute ihm vollkommen, auch wenn er ihr so gut wie nichts über seinen privaten Hintergrund und seine Absichten für die Zukunft erzählt hatte. Sie spürte einfach, dass er es gut mit ihr meinte.

Neben all seinen übrigen Vorzügen strahlte Maul so eine ruhige souveräne Sicherheit gepaart mit eleganter Lässigkeit aus, die ihn in Kilindis Augen einfach unwiderstehlich machte. Als Kampfteam waren beide in der Akademie unschlagbar gewesen und verstanden sich in komplizierten Situationen fast blind. Trotz ihrer Trauer um Meister Trezza hegte sie keinen Zweifel daran, dass Maul mit seinen Plänen, wie immer sie auch sein mochten, Erfolg haben würde. Sie hatte schon früh das Gefühl gehabt, dass Maul etwas ganz Besonderes war und dass einmal etwas Großes aus ihm werden würde. In Mauls erstem Jahr auf Orsis war sie unheimlich stolz darauf gewesen, dass er gerade sie, die ehemalige Sklavin Kilindi Matako, zu seiner Team-Partnerin und einer Art Freundin auserkoren hatte.

Als sie am gestrigen Tag Meister Trezza danach gefragt hatte, wann Maul denn von der Gora zurückkommen würde, hatte sie für einen winzigen Moment daran gezweifelt, ob es überhaupt ein „wann" oder nicht vielleicht nur ein „ob" gab. Sie hatte Trezza gar vorgeschlagen, einen Suchtrupp wegen Maul zu entsenden. Krakko war dagegen gewesen. Aber schließlich war Maul zurückgekehrt - und die Welt hatte sich verändert.

Die Sonnenstrahlen fielen durch die Bretter der Tür, die Maul vor der Höhle angebracht hatte. Kilindi erwachte, rieb sich die Augen und schaute um sich. War sie wirklich hier? Mitten im Wald? Hatte Maul wirklich gestern Meister Trezza und Meltch Krakko umgebracht? Fretch und Hubnutz? Wen noch? Die Tür wurde von außen geöffnet, ohne dass Kilindi bemerkt hatte, dass jemand sich an die Höhle herangepirscht hatte.

„Wie geht es dir?", fragte Maul.

„Danke."

„Alles verläuft genauso, wie ich es geplant habe."

„Was ist … mit der Akademie?", fragte sie.

Mauls Miene versteinerte. „Es gibt keine Akademie mehr."

„Wie lange soll ich denn hierbleiben?"

Zuversicht umspielte Mauls Miene. „In zwei Tagen wirst du mehr erfahren. Es wird höchstens noch eine Woche dauern."

Damit konnte sie leben. Sie hatte schon schlimmere Zeiten des Eingesperrtseins erlebt. Zeiten, wo sie nicht herauskonnte, um Wasser oder Nahrung zu suchen.

„Ich habe dir Kleidung, ein paar Getränke und Essen mitgebracht, damit du nicht so oft rausmusst", sagte Maul und hielt ihr zwei Bündel hin."

Sie schnürt das Bündel mit den Lebensmitteln auf und schnalzte anerkennend mit der Zunge, während sie den Inhalt begutachtete. „Von Schloss Blackguard?"

Maul nickte. „Zumindest das Essen. Ich muss jetzt gehen. In zwei Tagen bin ich wieder hier."

„Bleibst du dann auch nur so kurz?", fragte sie.

„Ich dürfte gar nicht hier sein", gestand er ihr. „Jetzt, wo ich nicht mehr an der Akademie bin, hat mein Meister mehr Aufgaben im Schloss für mich."

Kilindi seufzte lautlos.

„Aber mein Meister wird das Schloss bald aufgeben."

Überraschung huschte über Kilindis Gesicht. „Warum?"

Mauls Miene gefror in Wichtigkeit. „Das werde ich dir schon noch sagen, wenn es an der Zeit ist."

Nachdem Maul gegangen war, ging Kilindi nach draußen. Sie kannte die Wasserstellen in der Gegend und steuerte eine von ihnen an, um sich zu waschen und um zu trinken. Sie untersuchte ihre Wunde am Oberarm. Sie war bereits trocken und am Heilen. Also zog sie die alte, verschwitzte und blutverkrustete Kleidung aus und probierte die neuen Sachen an. Maul hatte ihr einen roten Overall und eine graue Hose mitgebracht. Das passte gut zu den Stiefeln, die sie noch von der Akademie trug.

Zwei Tage später ging die Tür der Höhle wieder so spontan, jedoch erwartet auf. Maul wedelte mit einem Dokument in der Luft herum, das Kilindi nicht einzuordnen wusste.

„Was ist das?"

„Dein neuer Reisepass", erklärte Maul. „Und darin liegt ein One-Way-Ticket von Star Travel, mit welchem du in genau vier Tagen nach Coruscant fliegst."

Kilindi nahm den Pass und das Ticket. In dem brandneuen Pass, ausgestellt auf Coruscant, sah sie ihr Passbild, welches Meister Trezza damals bei der formellen Anmeldung Kilindis in der Akademie von ihr hatte machen lassen. Den Namen, der darunter stand, kannte sie nicht.

„Das ist jetzt dein neuer Name", verkündete Maul. „Kilindi Matako bist du jetzt nur noch für mich."

Für mich, wie schön das klang! „Ich hatte noch nie im Leben einen Pass", gestand sie ihm.

„Das ist nicht einfach nur ein Ticket nach Coruscant, sondern dein Freifahrtschein in ein neues Leben", erklärte Maul. „Auf Coruscant wird sich niemand dafür interessieren, was du früher irgendwo anders getan hast. Nach dem Massaker wird dich ohnehin niemand vermissen."

„Und was ist mit dir? Wird dich niemand verdächtigen?"

Maul lachte, dann hielt er drei Pässe hoch. „Für jeden Sektor der Galaxis das Passende! Wäre es anders, dann wäre ich nicht der Schüler meines Meisters!", sagte er stolz.

Kilindi war für einen Moment sprachlos. Eine Welt war für sie zusammengebrochen und eine neue tat sich für sie auf. Aber sie wagte nicht, Maul zu fragen, was dann werden sollte. Sie hatte immer noch keine Ahnung, ob und wie viele Leute er in der Akademie in jener Nacht getötet hatte. Sie hätte ihn gerne nach Daleen gefragt. Aber sie wusste, dass Maul ihr darauf auch jetzt noch keine Antwort geben würde. Und sie war sich im Klaren darüber, dass es in ihrem neuen Leben viele unsichtbare Grenzen und Geheimnisse geben würde, die anzutasten für sie beide äußerst gefährlich werden würde.

„Und wo werden wir wohnen?", fragte sie etwas eher Harmloses.

Maul langte in eine Tasche seines schwarzen Gewandes und reichte ihr einige Credits. „Damit kannst du nach Einreise in den Mittleren Ebenen eine gute Wohnung mieten. Sie muss unbedingt auf dem Weg zwischen dem Senatsgebäude und der Hüttenstadt liegen. Nachdem du die Wohnung gemietet hast, wirst du gegen Abend um achtzehn Uhr in Framm's Bar auf mich warten."

„Werden wir zusammen wohnen?"

„Nein, ich werde bei meinem Meister wohnen und dich besuchen, so oft es geht."

In Kilindi keimte der Gedanke auf, dass so ein zeitweises oder gar überwiegendes Alleinleben auch seine guten Seiten haben mochte. Ganz egal, ob Maul jetzt bei ihr wohnen würde oder nicht, sie würde eine eigene Wohnung haben! Und wenn Maul wirklich derart in die Arbeit seines Meisters eingespannt sein würde, dann bliebe ihr genügend Zeit, eine Arbeit zu finden, einzukaufen, Freundschaften zu schließen – alles Dinge, von denen sie wohl gehört hatte, die jedoch für sie bislang eine völlig andere, da normale Welt waren, die es so in der Akademie auf Orsis nicht für sie gegeben hatte.

Sie hatte also nichts zu verlieren, dafür viel zu gewinnen, wenn Maul sie mitnahm. Eigentlich war es wie damals auf dem Planeten Orvax IV. Auch dort war ihr Tod bereits beschlossene Sache gewesen, hatte sie sich doch gegen ihr vermeintliches Schicksal aufgelehnt, bis an ihr Lebensende als Sklavin zu dienen. Einem glücklichen Zufall war es zu verdanken, dass sich Meister Trezza gerade auf Orvax IV aufhielt und die flüchtige Kleine ihm auffiel, er ihre Talente erkannte - bevor ihre Sklavenhändler-Verfolger sie eingeholt hatten. Seitdem war die Orsis-Akademie ihre Heimat und Meister Trezza ihr Mentor und Beschützer gewesen.

Jetzt hatte Kilindi einen neuen Beschützer, Maul. Sie hatte schon immer davon geträumt, zum gigantischen Metropolenplaneten Coruscant zu reisen, dem pulsierenden Herz der Galaxis. Und mit einem Mal war es soweit. Ihre Angst vor dem, was kommen mochte, war fort. Sie hatte einer Vorfreude Platz gemacht und ihren wachsenden Gefühlen für den Jungen, den sie so gut zu kennen glaubte und über den sie doch so wenig wusste.

„Das ist … fantastisch!", antwortete sie und Mauls Augen lächelten zurück.


In diesem Kapitel befinden sich viele Rückblenden aus Mauls und Kilindis Leben, die man im Roman „Darth Maul: Der Dunkle Jäger" von Ryder Wyndham von 2012 nachlesen kann.