Nornenkinder
Is it right when you and I should fight
Every night.
Just the sight of you makes night turn bright.
Very bright.
(It's only Love (Beatles))
Prolog
Die Nacht war ruhig, meilenweit konnte man die Rufe einer einzelnen Eule vernehmen. Unheilvoll und klagend schallte ihr Ruf durch die Sommernacht und kündigte die kommenden Ereignisse. In mitten eines einsamen Landstrichs ragte hoch eine Kathedrale auf.
Eine hochschwangere Frau in abgetragenen Röcken kniete betend in einer der Kirchenbänke. Lockige dunkle Haare flossen über ihre Schulter und verdeckten ihr Gesicht, leise Schluchzer schüttelten ihren Körper.
„Ich bitte Euch, lasst mein Opfer genug sein", flehte sie.
Ein Schatten huschte in die Kathedrale, doch trotz des knirschen der Tür veränderte die Frau ihre Haltung nicht.
„Ich flehe Euch an, Herr, habt Erbarmen und verschont mein Kind von diesem Fluch."
Die Kerzen enthüllten die Figur eines stattlichen Mannes, der leise, nahezu lautlos den Kreuzgang entlang huschte. Seine große Gestalt wurde von einem Waffenrock und einem massigen Schwert an seiner Seite unterstrichen.
Auf seinem Waffenrock war kein Wappen zu sehen, welches seine Identität verraten hätte.
„Lasst den Trank wirken, Herr, ich flehe euch an. Erfüllt mir nur diese eine Bitte.", betete die Frau von Schluchzern geschüttelt.
Der Mann trat leise neben sie und blickte auf ihre zierliche Figur herunter.
Zaghaft streckte er seine Hand in ihre Richtung und zögerte, bevor er ihr sanft seine Hand auf die Schulter legte.
„Es ist Zeit", flüsterte er.
Schluchzend hob sie den Kopf und blickte ihn an.
„Wird alles gut?"
Er bebte unter ihrem ängstlichen Blick, nicht wissend was er ihr sagen konnte, wie viel sie vertrug.
„Das... Das weiß ich nicht", log er. Sie schluchzte auf und er ertrug es nicht länger sie so verzweifelt zu sehen.
Sanft zog er sie hoch und in seine Arme. Ohne Scheu barg sie ihr Gesicht an seiner Brust.
„Verlange ich zu viel? Bin ich anmaßend wenn ich für meine Kinder erbitte von diesem Grauen befreit zu sein?"
Entsetzt, darüber, dass sie solche Gedanken hegte schob er sie ein wenig von sich. „Natürlich nicht!", ermahnte er sie aufgebracht „Bedenke, sie wären allein Spielbälle für die Mächtigen. Zu leicht zu verführen, wenn sie empfinden. Schon Tod bevor sie auch nur das Leben spüren konnten."
Sie blickte beschämt zu Boden. „Das weiß ich… Aber zu anderen Zeiten... es kann auch eine Gabe sein, sie könnten schreckliche Schicksale verhindern."
Er zog sie wieder an seine Brust und versicherte ihr: „Das können sie auch, wenn du sie zu verantwortungsvollen Menschen erziehst."
„Ja", murmelte sie und blickte zu ihm auf. „Aber ich habe das Gefühl etwas in ihnen zu Töten, dass sie kennen sollten bevor ich es ihnen nehme."
Er seufzte und strich ihr zärtlich über die Haare. „Du hast schon zu lange mit diesem Fluch gelebt."
Als sie ansetzte etwas zu erwidern ertönte neben ihnen ein Knacken und aus dem nichts erschien ein alter Mann. Erschrocken fuhren die Beiden auseinander und betrachteten argwöhnisch die Erscheinung vor ihnen.
Sowohl auftreten als auch Kleidung waren gänzlich seltsam, anstelle der für Männer üblichen Kniehosen trug er ein Kilt aus rotem Stoff und sein Oberkörper war anstelle eines Hemdes mit seltsamen Runen bedeckt. Trotz der Kälte schien er nicht zu frieren. Doch von seiner Gestalt ging eine Aura der Kraft aus, die deutlich seine Macht zeigte.
Vorsichtig wanderte die Hand des jüngeren Mannes zum Schwertgriff.
„Ho, Junge", polterte der seltsame Alte amüsiert und hob beschwichtigend seine Hände.
Aus Angst um die junge Frau an seiner Seite, zog der Ritter seine Klinge trotz dieser Geste, drohend etwas weiter aus ihrer Scheide.
„Ich will eurer Kleinen nichts tun! Ich bezweifle sogar das ich dazu in der Lage wäre", der Alte lachte meckernd.
Als der Ritter ihn auch weiter misstrauisch anstarrte, wandte er sich der jungen Frau zu und deutete eine holprige Verbeugung an. „Meine Liebe, ich bin erfreut eure Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Ulysses. Einer eurer Gefährten sandte mich an diesen Ort Euch meinen Trank zu bringen."
Die junge Frau lächelte erleichtert und trat einige Schritte auf ihn zu. „Ich danke Euch dafür, dass ihr gekommen seid. Ich verdanke Euch bereits Einiges und doch sind wir uns noch nie zuvor begegnet."
Der Magier zog etwas unter seinem Mantel hervor und überreichte es ihr. „Es ist mir eine Ehre einer großen Magierin helfen zu können."
Vorsichtig nahm sie die Phiole aus seinen Händen und betrachtete die tiefschwarze Flüssigkeit die träge darin herum schwappte. „Lasst mich Euch eines sagen bevor Ihr dies trinkt, Liebes!", hielt Ulysses sie an.
Er hüstelte affektiert bevor er begann: „Eine Macht wie eure zu verschwenden ist wirklich eine Schande, aber bedenkt auch, dass Ihr, wenn Ihr sie verschenkt, in Ungnade fallen werdet und Euch möglicherweise sogar der Scheiterhaufen bevorsteht."
Sie nickte. „Das alles kann ich auf mich nehmen, wenn nur mein Kind nicht leiden muss." Sie blickte zweifelnd auf den Schwarzen Trank. "Versprecht ihr, dass ihm nichts geschieht, wenn ich dieses Gebräu trinke?"
„Ich weiß nicht wie der Trank genau wirkt, er ist uralt, er wurde von einem großen römischen Magier gebraut, der ihn nutzte um seine eigene Kraft zu bannen. Aber er hat es unversehrt überlebt. Leider ist mir nicht bekannt ob er jemals Nachkommen hatte. " Mitleid lag in seinen kleinen Augen als er sie betrachtete.
Der Junge Mann trat zu ihr heran und flehte: „Es ist deine einzige Möglichkeit. Bitte! Bitte tu es. "
Sie warf ihm einen besorgten Blick zu, dann öffnete sie entschlossen das Gefäß und stürzte die dunkle Flüssigkeit herunter.
Im selben Moment indem die Flüssigkeit kühl ihre Kehle herunter ran, liefen über ihren Körper unglaubliche Hitzeschauer und die Luft um sie herum begann zu knistern. Sie bekam das Gefühl, dass etwas in ihr zu Eis erstarrte und vor ihren Augen flimmerte die Welt in allen Farben auf, bis sie in samtene Dunkelheit entschwand.
Eine kratzende Stimme sprach zu ihr in dieser Dunkelheit. Mit einem Mal bekam sie Angst, hatte der Magier sie vergiftet?
War sie in die Hölle gekommen, weil sie Gottes Gabe verschwenden wollte?
