Eine gute Partie
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Astoria Greengrass runzelte die Stirn, während sie auf dem Weg zum Arbeitszimmer ihres Vaters war. Der dicke Teppich verschluckte fast vollständig den Klang ihrer Schritte. Sie wusste nicht, worum es sich handelte. Ihr Vater hatte ihr beim Frühstück bloß mitgeteilt, dass er sie in einer halben Stunde zu sprechen wünsche. Astoria klopfte an die massive Tür aus dunklem Mahagoni und betrat das Zimmer, ohne auf eine Antwort zu warten.
„Du wolltest mich sprechen, Dad?", fragte sie gespannt. Sie konnte sich nicht daran erinnern, aufgrund seines Verlangens jemals in seinem heiligen Refugium gewesen zu sein.
„Astoria", sagte ihr Vater und betrachtete sie schweigend.
Astoria erschien die ganze Situation mehr als merkwürdig. Tatsächlich schenkte Mr Greengrass seiner Tochter normalerweise nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig. Er schien meist einfach nicht die geringste Ahnung zu haben, über was oder wie er sich mit ihr unterhalten sollte.
Astoria wippte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
Schließlich räusperte er sich. „Bitte setz dich doch."
Astoria nahm auf dem bequemen braunen Ledersessel vor dem Schreibtisch Platz und schaute ihren Vater erwartungsvoll an. Mr Greengrass war ein durchaus ansehnlicher Mann in den Vierzigern, sehr groß und breitschulterig. Seine Tochter fand es sehr bedauerlich, dass er oft ein grüblerischer Mensch war.
„Du wirst jetzt bald 22 ...", begann Mr Greengrass. Er sah leicht unkomfortabel über ihre linke Schulter in Richtung Kamin.
„Aber doch erst in drei Monaten!", lachte Astoria und studierte argwöhnische die Miene ihres Vaters.
„Uhm ja, drei Monate bedeutet meiner Meinung nach bald", erklärte er. Er holte noch einmal Luft und begann von Neuem: „Also, du wirst in drei Monaten 22. Da ist es an der Zeit für dich zu ..."
„An der Zeit für was?", fragte Astoria verwirrt.
Er schenkte ihr einen tadelnden Blick.
„'Tschuldigung, fahr bitte fort", sagte sie sofort.
„Was ich sagen wollte, ich denke, dass es für dich an der Zeit ist, ans Heiraten zu denken", führte Mr Greengrass aus.
„Heiraten?", fragte Astoria mit weit aufgerissenen Augen nach, nur um sicher zu gehen, dass sie sich auch nicht verhört hatte.
„Genau." Er nickte bestätigend und sah dabei sehr zufrieden mit sich aus. „Es wird dich freuen zu hören, dass ich sogar schon den geeigneten Kandidaten für dich habe", eröffnete er ihr.
„So, hast du das?", murmelte Astoria, immer noch unter Schock stehend. Ihr Vater redete, doch sie verstand kein Wort davon, zu groß war ihr Bemühen die Überraschung zu verdauen.
„Ja, er ist wirklich eine sehr gute Partie. Sein Vater und ich haben uns schon geeinigt...", betonte Mr Greengrass nun das zweite Mal.
„Einen Moment, Dad!", unterbrach sie ihn schließlich beunruhigt. „Ich kann doch nicht einfach irgendjemanden jetzt heiraten ..."
„Warum nicht? Willst du denn nicht heiraten?", erkundigte er sich irritiert.
„Doch, aber ...", sie zögerte verlegen.
„Dann, gibt es jemanden ...?", fragte ihr Vater vorsichtig nach.
„Ähm, nein." Astoria schüttelte ihren Kopf.
„Na dann ist ja gut", sagte Mr Greengrass und wirkte auf einmal sehr erleichtert.
„Ich dachte nur", sagte sie nach einer kurzen Weile, „dass ich mir meinen Ehemann selbst aussuchen darf. Wie Daphne ..."
Genau genommen war es immer ihr Traum gewesen, irgendwann zu heiraten und dann vielleicht auch ein Kind zu bekommen. Aber sie wollte so etwas haben, wie ihre Schwester Daphne mit ihrem Mann hatte. Sie wollte jemanden, den sie liebte.
„Deine Schwester hatte großes Glück, so früh jemanden zu finden, der zu ihr passt. Aber eine arrangierte Ehe muss nicht schlecht sein ... Deine Mutter und ich, wir haben eine geführt. Und ich bin überzeugt, du wirst auch eine gute Ehe führen. Andernfalls würde ich dir das nie zumuten", erklärte er.
Er sprach fast nie über ihre Mutter. Sie selbst hatte kaum Erinnerungen an sie, denn sie war erst drei Jahre alt gewesen, als ihre Mutter gestorben war.
„Ich werde es in Betracht ziehen", meinte sie schließlich ausweichend. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie mit der Wahl ihres Vaters zufrieden sein würde.
„Ich bin mir sicher, du wirst das Richtige tun", erwiderte Mr Greengrass, was Astoria ganz und gar nicht gefiel. Sie runzelte ihre Augenbrauen.
„Sobald du zugestimmt hast, muss es natürlich eine Gesellschaft anlässlich der Verlobung geben", überlegte er laut.
„Ähm ... Dad?", fragte sie ihn zögerlich.
„Entweder hier oder ...", grübelte er weiter, ohne sie zu hören.
„Dad!", rief sie nun lauter, damit er sie zur Kenntnis nahm.
„Ja?", nahm Mr Greengrass seine Tochter endlich wahr.
„Wen denn eigentlich?", erkundigte sie sich bei ihm.
„Wen was?", fragte er und sah sie verwirrt an.
„Wen ich heiraten soll", erwiderte Astoria leicht ungeduldig, denn sie war schon der Meinung, dass diese Information unter Umständen ganz interessant sein dürfte.
„Oh", entschlüpfte es Mr Greengrass und er sah sie ein wenig entschuldigend an, dann fuhr er fort: „Das wäre dann wohl Draco Malfoy."
