Der Blick auf Sacré-Coeur war umwerfend. Seine Kuppel spiegelte sich in der Luft.
Vögel zwitscherten und ein unnachahmlicher Duft nach Blumen und Kräutern lag in der Luft.
Drehte man sich um, konnte man seinen Blick über halb Paris streifen lassen, das bei diesem Wetter unter einer Dunstglocke zu verschwinden schien. Auf den Treppen, die zu der Kirche führten saßen unzählige Touristen und genossen den Blick. Ein Gewirr von Stimmen drang an ihr Ohr.
Diese Atmosphäre musste sie einfach einfangen.
Sie hatte sich so platziert, dass sie das Hauptportal und die flankierenden Reiterstatuen von Jeanne DArc und Ludwig IX. genau im Blickfeld hatte.
Sie holte ihren Block hervor und begann die Umrisse zu skizzieren. Völlig versunken in ihre Arbeit bemerkte sie nicht, dass es langsam zu dämmern begann. Sie musste schon stundenlang hier sitzen.
, Oh Gott, Pierre wollte sich heute Abend melden!', fiel ihr siedendheiß ein.
Sie packte schnell ihre Sachen zusammen und stand auf. Halb im Gehen packte sie den Rest in ihre Tasche und wollte diese gerade schließen, als sie gegen etwas Warmes und Weiches prallte.
Sie geriet ins Taumeln und fiel nach hinten. Ihre Tasche flog hoch in die Luft und, weil sie die noch nicht geschlossen hatte, entleerte sich der gesamte Inhalt auf die Wiese. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie eine große Gestalt ebenfalls zu Boden ging.
Eine Weile brauchte sie, um zu realisieren, was da gerade geschehen war. Ihr Gegenüber war schneller.
„Können Sie nicht aufpassen wo sie hintreten? Sie schweben wohl noch in anderen Sphären und sind noch nicht wieder zurück auf dem Boden der Tatsachen?", schrie er sie an.
„Bitte verzeihen Sie, haben Sie sich verletzt?", antwortete sie kleinlaut, nachdem sie sich aufgerichtet hatte.
„Meinen Stolz! Schließlich wird man nicht alle Tage von einem Künstler umgehauen.", war seine zynische Antwort.
„Ich sagte doch schon, dass es mir leid tut! Außerdem bin ich kein Künstler!", wurde sie lauter.
„Na Na! Nicht gleich unverschämt werden! Schließlich sind sie in mich gerannt und nicht ich in sie!", zischte er.
Genervt winkte sie ab. „Bitte hier ist meine derzeitige Adresse, sollte ich irgendetwas beschädigt haben, werde ich es selbstverständlich ersetzen! Nur Stolz kann ich nicht ersetzen, schon gar nicht in einem solch enormen Ausmaß!"
Sie nahm die Visitenkarte ihres Hotels, schrieb ihren Namen auf die Rückseite und überreichte sie ihm. Stumm nahm er sie entgegen. Dann beugte sie sich nach unten, um ihre Utensilien wieder einzusammeln.
Verdattert stand er daneben und sah ihr schweigend zu.
Schließlich hob sie den Kopf, sah ihn an und sagte: „Danke, ich benötige keine Hilfe!"
Das schien ihn aus seiner Starre erlöst zu haben. Er beugte sich zu ihr und machte Anstalten, ihr beim Einräumen zu helfen. Sie nahm ihm die Dinge, die er bereits in der Hand hatte ab und erklärte ihm sehr bestimmt: „Vielen Dank, aber ich sagte bereits, dass ich keine Hilfe brauche!"
Sofort stand er auf und fauchte zurück: „Keine Angst, ich will mich nicht aufdrängen! Ich bin froh, wenn das hier schnellstens vorüber geht!"
Darauf erhob sie sich und ging ohne ein Wort davon. Er blieb einfach stehen und sah ihr hinterher.
Dann lief auch er weiter.
In ihrem Zimmer angekommen, feuerte sie ihre Sachen aufs Bett und ging gleich unter die Dusche.
Dieser komische Kauz ging ihr nicht aus dem Kopf. , Was bildet der sich ein? Mehr als entschuldigen kann ich mich nicht! Überhaupt, so wie der sich benommen hat, ist er den Umgang mit einer Frau schon länger nicht gewohnt. Kein Wunder! Obwohl, schlecht sah er ja nicht aus. Mit seinen schulterlangen schwarzen Haaren. Seine Stimme macht einem Gänsehaut. Naja die markante Nase, es gibt Schönere, aber Nobody is perfect.
Schwitzt der nicht in seinem schwarzen Hemd und der schwarzen Hose? Wir haben Sommer und 35 Grad! Vielleicht ist er deswegen so grantig!
Oh Gott, was mach ich mir über den Idioten überhaupt einen Kopf! Ich sehe ihn nie wieder und unsympathisch war er mir außerdem!'
Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Sie schnappte sich ein Handtuch, sprang aus der Dusche und rannte ins andere Zimmer.
„Hallo Danielle! Wie geht es dir?", erklang es vom anderen Ende.
„Pierre! Oh wie freu ich mich, dich zu hören! Das war ein schrecklicher Tag!", seufzte sie.
„Warum, ma chérie, was ist denn passiert?", fragte der Andere.
„Ach eigentlich nichts weiter. Ich habe gemalt und die Zeit vergessen. Dann fiel mir ein, dass du gleich anrufen wolltest und ich habe alles zusammen gepackt, beim Gehen bin ich dann mit einem Idioten zusammen gestoßen, der mich tierisch zur Schnecke gemacht hat.", brummte sie.
„À quelque chose malheur est bon! Komm, alles hat auch seine guten Seiten! Schau, wenn das nicht passiert wäre, hätte dich wieder irgendetwas abgelenkt und wir könnten nicht telefonieren!", versuchte er sie zu beruhigen.
„Du hast auch immer ein Sprichwort parat! Aber du hast ja Recht! Ich sollte es abhaken und vergessen!", wurde sie ruhiger.
„Siehst du, mon petit trésor, es geht doch!"
„Pierre, dieses komische Telefon hier nervt mich total! Das Zimmer hat keinen Kamin und so können wir wenigstens miteinander reden, aber es nervt!", stöhnte sie.
„Dank den Muggeln, ohne sie könnten wir jetzt nicht reden!", lachte er.
„Muss ich wohl! Wolltest du nicht her kommen?", fragte sie nun.
„Sobald ich fertig bin und alles vorbereitet ist, informiere ich dich sofort! Ich muss noch einiges mit der Kleinen trainieren! Leider weiß ich nicht, wann das ist und auch nicht, wann ich dich wieder anrufen kann. Die Direktorin verrät nichts über den Zeitplan.", erklärte er.
Traurig erwiderte sie: „Gut! Au revoir!"
„Au revoir.", war das Letzte, was sie hörte.
Pierre schaffte es immer wieder, sie zu beruhigen. Er wusste genau, wie er mit ihr umgehen musste. Wenigstens einer von ihnen war ruhig. Sie war dagegen sehr impulsiv.
Später am Abend ging sie zu Bett und konnte lange Zeit nicht einschlafen. Komischer Weise ging ihr der Fremde nicht aus dem Kopf.
Hätte sie gewusst, dass es ihm nicht anders ging, wer weiß…
Auch er hing seinen Gedanken nach und sie spielte darin die Hauptrolle.
, Was bildete diese Zicke sich nur ein, mich einfach so stehen zu lassen? Severus, du hättest auch netter sein können. Stimmt, aber sie hat mich total überrannt! Da konnte ich nicht anders reagieren.'
Er drehte ihre Karte in der Hand hin und her und dachte, Professor Snape, sie sind in Paris um sich zu erholen. Die nächsten Monate werden noch anstrengend genug. Da haben sie nichts Besseres zu tun, als über diese Frau nachzudenken?
Zugegeben, sie sah gut aus. Ihr französischer Akzent war niedlich. Das halblange blonde Haar, umspielte leicht gelockt ihr Gesicht und ihre Figur konnte sich ebenfalls sehen lassen. Wenn sie ihn böse anfunkelte, hatte sie Grübchen zwischen den Augen…
Schluss jetzt!', damit drehte er sich zur Seite und versuchte zu schlafen.
