Kapitel 1
Die ersten Sonnenstrahlen fielen in das blau angestrichene Zimmer und kitzelten die Nase eines im Bett liegenden Mädchens.
Hätte man ihr Alter schätzen sollen, wäre man nie darauf gekommen, dass sie 16 Jahre alt war, denn für dieses Alter sah sie schon viel zu reif aus.
Ihr ovales Gesicht wurde von einer hohen stattlichen Stirn gekrönt und ihre kurzen weißblonden Haare glänzten in der Morgenröte geheimnisvoll.
Der Name dieser schlafenden Person war Lilith Hamswood.
Kurz bevor Lilith ihre schweren Lider zu öffnen begann, drang das Geschrei zweier Personen durch das Unter- bis hin zum Obergeschoss hinauf, in dem sich derzeit das Mädchen befand.
„Warum können sie sich nicht wenigstens einmal zurückhalten mit dem Streiten, während ich anwesend bin. Das ist so nervig….", dachte sie sich, während sie sich langsam stöhnend aufsetzte und sich über ihre Augen rieb.
Langsam schleifte sie sich ins Bad um sich frisch zu machen.
Als ihr Blick aus dem Fenster schweifte, betrachtete sie liebevoll den rosa-hellblau gefärbten Himmel.
Mit einer inneren Begierde nach der Morgenluft, riss sie das Badfenster auf, um sich weit heraus zu lehnen und die frische kühle klare Luft einzuatmen.
Man konnte nicht leugnen, wie sehr sie die Natur doch liebte.
Während sie sich daraufhin, bei weit geöffnetem Fenster, im Bad fertig machte, kam ihr der Gedanke mit ihrer besten Freundin Rabea eine Fahrradtour zu machen.
Sie stürzte mit diesem Gedanken zum Telefon und rief diese an.
Das Gespräch verlief nicht ansatzweise so, wie sie es geplant hatte, denn niemand nahm den Hörer auf der anderen Seite ab.
Enttäuscht ließ Lilith es sinken und dachte dabei empört an ihre langschlafende Freundin.
Da sie an dieser Tatsache jedoch nichts ändern konnte, begannen ihre Gedanken Gestalt von einer langen Fahrradtour anzunehmen.
Sie dachte daran, in einem Zelt unter sternenklarem Himmel zu schlafen und tagsüber weite Strecken auf unbekannten neuen Wegen zurückzulegen.
Getrieben von diesem spontanen Gedanken hüpfte sie freudig zum Telefon zurück, rief ihre beste Freundin erneut an und wartete auf das Signal des Anrufbeantworters.
Als dieses nach kurzer Zeit ertönte, sprach Lilith:
„Hey Rabe hier ist Lilith, eigentlich hätte ich heute gerne eine Fahrradtour mit dir unternommen, jedoch schläfst du gerade, während ich dir diese Nachricht hinterlasse.
Deshalb habe ich mir vorgenommen alleine eine Fahrradtour zu machen. Zudem weiß ich nicht, wann du aufwachst…
Ich werde für ein paar Tage nicht da sein, deshalb würde ich es cool finden, wenn du so tun könntest, als würde ich bei dir übernachten, sollten meine Eltern bei dir anrufen.
Mir geht's gut. Ich brauche lediglich mal wieder ein wenig Action.
Ich hoffe du verstehst mich.
Ich werde dich dann kontaktieren, sobald ich wieder zu Hause bin.
Übrigens werde ich in einem Zelt übernachten.
Hammer, oder!?
Viel Spaß noch in den Sommerferien
May the Force be with you"
Mit diesen sechs bedeutsamen Worten legte sie auf und ging in ihr Zimmer um sich anzuziehen.
Nachdem sie ihre Vorhänge beiseitegeschoben hatte und somit das gesamte Zimmer erhellt war, ging sie zu ihrem Kleiderschrank.
Erst einmal holte sie die Klamotten heraus, welche sie heute noch anziehen wollte.
Eine kurze Hose und ein bequemes T-Shirt sollten es sein.
Nachdem sie diese angezogen hatte, holte sie weitere Klamotten, wie z.B. ihre Regenjacke-und Hose, für ihre Reise heraus.
Nachdem sie die üppige Anzahl an Klamotten in einer ihrer zwei Fahrradtaschen verstaut hatte, packte sie noch ein paar Kosmetikartikel hinzu.
Lilith war immer schon der Typ gewesen, der sich eher sportlicher und bequemer kleidete, als gewisse andere Leute.
Somit kam ihr Stil bei anderen Leuten sehr männlich rüber und sie wurde deshalb auch schon oft als einer von solchen identifiziert.
Nachdem sie auch noch einiges an Geld eingesteckt hatte, ging Lilith ins Erdgeschoss, um eine Menge an Essen und Trinken in ihrer zweiten Tasche zu verstauen.
Als dies erledigt war, überflog sie den Aufgabenzettel ihrer Eltern, welche sie Lilith netterweise dagelassen hatten, bevor sie zur Arbeit gefahren sind.
Mit einem Kopfschütteln, aufgrund der hohen Erwartungen ihrer Eltern an ihr einziges Kind, schnappte sie sich ein leeres Blatt Papier.
Sie schrieb, dass sie für eine Weile bei Rabe übernachten würde und deshalb große Mengen an Essen und Trinken bräuchte, um sich und Rabe zu versorgen.
Außerdem schrieb sie auf, dass sie sich keine Gedanken um sie machen bräuchten.
In Gedanken jedoch führte sie sich selbst vor Augen, dass es ihren Eltern prinzipiell egal war, wie es ihrer Tochter ging, Hauptsache sie erledigte alle Aufgaben, welche sie ihr gaben.
Jedoch, ohne diese Tatsache, hätte Lilith wahrscheinlich niemals diese Tour unternehmen können, ohne dass sie aufgeflogen oder verhindert worden wäre.
Trotzdem war sie oft traurig darüber, dass sich ihre Eltern nicht um sie kümmerten und ihr nicht die Liebe schenkten, von welcher manch andere Kinder schon wieder zu viel bekamen.
Sie schüttelte ihren Gedankengang ab, da das Thema ihr eindeutig zu nervig war und schnappte sich ein Pfirsich, ihr Portemonnaie und ein Handy für den Notfall sowie ihre Schlüssel und den Fahrradhelm.
Nachdem sie das kleine Zelt, den Schlafsack und das Flickzeug in ihre beiden Taschen verstaut hatte, ging sie durch das gesamte Haus und schloss alle Fenster.
Als all dies erledigt war, schnappte sie ihre beiden schweren Fahrradtaschen, ihren Fahrradhelm als auch einen Pfirsich und sprang fröhlich aus dem Haus.
Daraufhin schloss Lilith die Haustür schnell ab und holte ihr geliebtes Fahrrad aus der Garage heraus.
Mit einem letzten eigenartigen Gefühl blickte sie auf das Haus zurück, welches in der Morgensonne seltsam schimmerte, während sie geschickt auf den Sattel des vollgepackten Fahrrades sprang, ehe sie eilig die Straße runterfuhr.
Nichtahnend, dass sie dieses für längere Zeit nicht mehr sehen würde, verließ sie das Wohngebiet mit freudiger Erwartung auf die folgenden Tage in Freiheit.
