Für Nicole

Anmerkung:

Dies ist durch eine kurze Palaverei im AIM entstanden, wo ich meiner lieben Cousine Nicole ein paar wilde Märchen-Versatzstücke als Gute-Nacht-Geschichte um die Ohren haute. Dass daraus etwas Längeres werden würde, wusste zu der Zeit weder sie noch ich.

Die Paten für diese Story sind nicht nur die Brüder Grimm, sondern dazu diverse Mythen und Legenden aus aller Herren Länder, Walter Moers, JRR Tolkien, Douglas Adams, Hans Christian Andersen, und nicht zuletzt unser Opa Kaspar, der die Geschichten von Klein-Monika erfunden hat. Nebenbei gibt es Anleihenaus Filmen u.ä.

Wenn irgendjemand nur halb soviel Spaß beim Lesen hat, wie ich beim Schreiben, dann hat sich alles schon gelohnt!

Ich freue mich über jede Art von Kommentar!


Das Märchen

Es war einmal vor langer Zeit in einem weit, weit entfernten Königreich eine wunderschöne, aber sehr arme Prinzessin. Sie hatte ihren Vater, den König, und ihre Mutter, die Königin, bei einem brutalen Regierungsputsch durch rebellische Zwerge verloren. Deswegen war das Reich nun streng genommen auch kein Königreich mehr. Die Zwerge hatten die Nanokratie erfunden, und ihr oberstes Gesetz lautete: Die ganze Macht geht vom Volke aus. Dass das Volk vor der Machtausübung erst den Rat der Sieben um Zustimmung bitten musste, stand im Kleingedruckten.

Unsere Prinzessin jedenfalls war von einem Augenblick auf den anderen ganz auf sich allein gestellt. Nicht eine Person des Schlosshaushalts war auf ihrer Seite geblieben. Die Zwerge hatten das gesamte Personal mit Zwergengold bestochen, weshalb alle miteinander, Zofen, Köche, Mägde, Reinemachefrauen und auch Pferdeknechte, zu den Tyrannen übergelaufen waren. Die Prinzessin war von allen verlassen worden, weshalb sie ganz allein in ein winziges Zimmer in einem anonymen Hochhaus gezogen war. Die Miete bezahlte sie mit ihren goldenen Löffeln, das Einzige, was ihr von Zuhause geblieben war. Jeden Monat hatte sie einen Löffel weniger, und langsam begann sie sich zu fragen, womit sie ihre Suppe essen sollte, wenn keine Löffel mehr da wären.

„Oje", jammerte die Prinzessin von Zeit zu Zeit. „Es wird der Tag kommen, da ich den letzten Löffel abgeben muss. Was soll ich nur tun?"

Es trug sich nun zu, dass just in einer solch jammervollen Stunde ein lautes Pochen von der Tür her an ihr Ohr drang.

„Wer mag das sein?", fragte sich die Prinzessin und trocknete ihre Tränen. Gewöhnlich bekam sie keinen Besuch, denn niemand wusste, wo sie wohnte. Sie hatte sich zu sehr geschämt, um ihren Freundinnen ihre neue Adresse zu verraten. Außerdem wollte sie verhindern, dass die Rebellenzwerge ihren Aufenthaltsort ausfindig machten. Die Prinzessin hatte eine politische Erziehung genossen und wusste daher, dass sie eine wirkungsvolle Geisel abgeben würde, sollten die Zwerge ihrer habhaft werden. Es gab immer noch ihre Großtante, die Schneekönigin hoch oben im Staate Dänemark, und ihren neureichen Cousin um drei Ecken, den Playboy Hans im Glück, die erpressbar waren. Sie wollte, trotz ihrer Not, den Verwandten nicht auf der Tasche liegen, gleichwohl wusste sie, dass beide im Fall der Fälle für sie einstehen würden. Und sei es nur um des Familiennamens willen. Sie hießen alle König mit Nachnamen.

Wie gesagt, niemand wusste, wo sie war. Daher argwöhnte sie nichts Böses, als eine freundlich näselnde Stimme von draußen erklang: „Macht auf, gute Frau. Ich brringe gar frohe Kunde."

Die Prinzessin öffnete die Tür und sah niemanden. Nanu, dachte sie. Wer treibt da Schabernack mit mir?

Als unvermutet die näselnde Stimme erneut erklang: „Hier unten, schönes Kind. Ich bin hier."

Sie sah hinab. Huch! O Wunder! O Graus! Ein gar garstiger Frosch saß auf der Schwelle und blickte sie aus großen, glubschigen Augen an. Sein Leib war mit grüngrauen Warzen übersät, und sein Maul glänzte an den Rändern feucht. Es sah aus, als grinste er.

„O gar liebliche Lady! O huldvolle Herrin! Ich möchte Euch ein gar wuhndervolles Geräät an--"

„Iiih! Verschwinde, du Scheusal!"

Die Prinzessin konnte glitschige kleine Tiere nicht leiden und versuchte, den ungebetenen Gast mit ihrem Besen hinfort zu fegen. Der Frosch jedoch wich geschickt den Borsten aus und positionierte sich hinter dem rechten Türpfosten.

„Mylady! Nichtoch! Habt Erbarrmen! Ich brringe gar frrohe Kunde! Ein gar unverzichtbares Geräät für eine Dame von Wält. Ich --"

„Was willst du von mir? Du... du... du Frosch!" Der ausländische Akzent des Frosches lenkte die Prinzessin kurz von ihrem Ekel ab. Es klang irgendwie exotisch, und trug der kleine Kerl etwa eine Weste?

„Seht, Mylady. Diese Schnuur hier. Eingestöpselt in ein kleines Loch in der Waahnd bringt sie dem Gerrät gar unerschöpfliche Enärrgie. Die Frau von heute ist vielbeschäftigt, hat keine Zeit für schnöde Hausarbeit. Unser Staub-Ex nimmt ihr daher schwähre und unangenähme Hausarbeit ab. Ich nenne es kleine Wunder. Unser kleine Staub-Ex. Seht, Mylady, diese Rußflecken auf Eure Teppich."

Jetzt platzte der Prinzessin der Kragen. Akzent oder nicht, was der Vertreterfrosch ohne zu fragen tat, war unverzeihlich. Hysterisch schrie sie: „Hör verdammt noch mal auf, Kohle auf meinen Teppich zu schmeißen! Der ist ein Erbstück von meiner Großtante Ikea!"

Das war freilich eine kleine Notlüge. Ihre Großtante Ikea hatte ihr niemals einen Teppich hinterlassen. Es war sogar so, dass es beim Tod der Tante einen Skandal gegeben hatte, weil die alte Dame ihr gesamtes Vermögen ihren beiden Pekinesen Fjällsnäs und Trollsjö vererbt hatte. Das Testament war wasserdicht gewesen. Zum Leidwesen der ganzen König-Familie. Nun lebten zwei glückliche, kleine Hunde hoch oben im Norden des Landes in dem alten Schloss mit all seinen wertvollen Möbeln, Teppichen und Gobelins und kommandierten bellend das Personal herum.

„Gemach, gemach, schönes Kind. Ich möchte Euch nur den einzigartige Staub-Ex aus dem Hause Quark vorställen. Es gibt eine Garrrantie von zwölf Monate, wenn Ihr diese kleine Gedischt auswendig lärnt: Der Frosch saß einst im Morgenstroh, Was macht den Frosch denn nur so froh, Es ist die Fröschin, die mit ihre --"

„Ruhe!" rief die Königswaise. „Ich, ich, ich..." Vor Aufregung begann sie zu stottern. Sie stockte und holte tief Luft. „Ich will verdammt noch mal keine verdammten Froschgedichte auswendig lernen! Wenn du nicht auf der Stelle verschwindest, rufe ich die Grimm-Cops!" Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und stampfte mit dem Fuß auf. „So!"

In diesem Moment kam der holde Prinz Eisenherz durch den Laubengang geritten, sah die konfliktbeladene Szene und reagierte prompt. Nachdem er sein edles Ross geparkt hatte. Zunächst sagte er: „Ahaaaa!", und dann noch einmal „Ohoo!", und er zeigte mit ausgestrecktem Finger auf den Tatort. Dann schritt er beherzt voran, nahm den Vertreterfrosch und klatschte ihn gegen den Spiegel im Schlafzimmer der Prinzessin, wo er in Tausend Stücke zerbrach.

Der Spiegel. Nicht der Frosch.

Letzterer landete indigniert mit diversen Schnittverletzungen und einem platschenden Geräusch auf dem Fußboden, von wo aus er sich so schnell es ging quakend aus dem Staub machte, um sich im Nachbarhaus von der schwarzen Katze der Kräuterhexe die Wunden lecken zu lassen.

Die Prinzessin war von ihrem Retter so angetan, dass sie den unordentlichen Zustand ihrer Behausung vergaß und eine Dankesfeier begann. Die ganze Nacht lang feierten sie, die arme Prinzessin und ihr holder Retter, und wenn sie nicht gestorben sind...

tbc.