Feel

Mmhh..."
Ich streiche langsam und vorsichtig durch seine Haare, will ihn bloss nicht wecken.
Es war sowieso eine Seltenheit, das ich hier bei ihm schlafen durfte, da musste ich ihm nicht auch noch seines Schlafes berauben, dem letzten, was ich ihm noch nicht genommen hatte. Dieser wunderschöne kleine Engel, denn wie er so in meinem Schoß liegt, mit geschlossenen Augen, und dem sich leicht heben und senkenden Oberkörper den braunen Haaren, diesen wunderschönen seidigen Haaren, und der hellen Haut, ja, so sieht er wirklich aus wie ein, nein, wie mein Engel!
Wenn Schuldig das sehen würde, wie ich meinem Koi zärtlich durch die Haare streiche und ihn beim schlafen beobachte und mich nicht wie üblich verletzte, er würde anfangen zu lachen, oder beschließen, das er selbst reif für die Klapse war.
Wahrscheinlich aber beides zusammen.
Es musste schon merkwürdig aussehen. Wie mein völlig vernarbter und zerschundener Körper mit seinem einen Auge, welches ihm noch geblieben war, liebevoll auf diesen unschuldigen Engel in seinen Armen herab sah...
Aber warum hatte er nicht auch mal das Recht darauf?
Warum durfte dieser Körper nicht auch einmal liebevol sein, oder liebevoll behandelt werden?
Weil der Geist der in ihm steckt so schrecklich verwirrt ist? Nein, das kann nicht sein.
Schuldig durfte sich mit sonst wem vergnügen, ohne das jemand des Teams etwas sagte, und schleppte jedes Wochenende eine (oder ab und an einen) Neue/n mit in das Schwarz-Domizil, und Crawford beschäftigt sich in letzter Zeit ebenfalls mit Weiß-was ich nicht wem alles, und scheint eine imense Vorliebe für rote Haare entwickelt zu haben, womit keinenfalls Schuldigs rotes Nest gemeint ist!
Wieso dann nicht auch ich? Weil alle mich für verrückt hallten?
Weil ich verrückt bin?
Ja, ich habe psychische Probleme und fühle keinen Schmerz, eine Tatsache weswegen alle Welt mich für total verdreht hällt.
Aber hatte ich nicht vor kurzem erst, als mir mein kleiner Engel mal wieder die Arme bandagiert hatte, um zu verhindern das ich sie mir in meiner Verzweiflung, von der niemand etwas ahnte, wieder verunstalten würde, herausgefunden, das ich zwar keinen physischen "Schmerz", was auch immer das bedeutete, aber dafür sowas wie Zärtlichkeit fühlen konnte? Ich spürte es, als mein Engel mir langsam über den Arm strich, und es kribbelte im ganzen Körper. Ich fühle es, wenn mein kleiner Engel mir zärtlich über die Wange streicht.
Ich kann fühlen, Alles, nur keinen Schmerz, keinen körperlichen Schmerz.
Das war es ja, was mich all die Zeit so hatte leiden lassen, mich so verrückt gemacht hat.Wieso durfte ausgerechnet ich dieses, was auch immer Es war nicht erfahren? Was war es, was den Menschen so viel Leid und Kummer bereitet, und wozu sie sich dennoch so hingezogen fühlen?
Jedesmal wenn ich mir diese oder ähnliche Fragen gestellt hatte, stand ich vor einem Abgrund, und jedesmal war ich nur kurz davor hinein zu stürzen. Und ich hatte mir diese Frage oft gestellt. Immer wenn ich in meinem Keller saß und mit meinen Messern versuchte mir selbst Wunden zuzufügen, in der Hoffnung, vieleicht doch noch irgendwann heraus zu finden, was "Schmerz" war.
Jedesmal, wenn ich wieder wahllos gemordet hatte, in der Hoffnung, meine Opfer würden es mir vieleicht erklären können, in der Hoffnung es an dem Blick ihrer sterbenden Augen erkennen zu können.
Doch da war nichts. Nichts was mir hätte weiter helfen können, nichts was mir erklären konnte, was ich so begierig wissen wollte.
Nichts hatte mir helfen können, ich driftete weiter und weiter.
Es ging so weit, das Crawford neue Antidepressiva an mir testete und mich eine Menge bunter Pillen schlucken ließ, um mich wenigstens halbwegs unter Kontrolle zu bekommen. Wenn ich meine Pillen nicht genommen hatte, war ich nicht zu bändigen, zerschmeterte das halbe Apartment und warf in meiner Verzweiflung sogar einmal Brads neue Ledercouch aus dem Fenster, um wenigstens Irgendjemandem weh zu tun.
Nachdem ich seine neue Sitzgelegenheit völlig zerstört hatte, hatte Crawford dir die Aufgabe erteilt, dafür zu sorgen, das ich meine Tabletten auch nahm. Doch schon bald brauchte ich sie nicht mehr. Sobald du in meiner Nähe bist, kann ich wieder klar denken. Du bist wie ...unbeschreiblich.
Du hast mir gezeigt, das man nicht nur dem "Schmerz" nachlaufen kann, das es nicht nur Schmerz auf der Welt gibt, sondern auch schöne Gefühle, Gefühle wie Zuneigung, Liebe. Und das kann ich fühlen, ganz eindeutig, denn ich liebe dich, mein kleiner, mein wunderschöner Engel, ich liebe dich.
Ich will immer noch wissen was "Schmerz" bedeutet, doch nun gibt es etwas wichtigeres in meinem Leben, und ich kann wieder etwas klarer sehen.
Schuldig und Crawford sind immer noch der Überzeugung, ich sei völlig verrückt. Das bin ich auch, in einer gewissen Art und Weise, denn ich bin verrückt nach dir.
Doch das wissen sie nicht, und das soll vorerst auch so bleiben. Schuldig lässt mich dadurch in Ruhe, es ist ihm zu anstrengend in meinem Geist zu wühlen, und auch Crawford hat einen gewissen Respekt vor mir, denn noch bin ich unberechenbar. Doch würde er erst meinen Schwachpunkt kennen, hätte er mich völlig in der Hand und ich könnte dich nicht mehr vor ihnen beschützen. Vor ihnen und dem Rest der Welt, und Allem was dir schaden will.
Ich fahre immer noch zärtlich durch deine Haare, ziehe deine feinen Gesichtszüge mit meinen Fingern nach, ganz sachte, damit du nicht aufwachst. Denn, dich hier so zufrieden, und vieleicht sogar glücklich vor mir liegen zu haben, is das schönste was ich je gesehen habe. Ganz ehrlich.
Noch habe ich etwas Zeit, bis Crawford aufsteht und dich weckt, bis du zur Schule musst.
Wenn er mich hier finden würde, wäre es wohl aus mit der trauten Zweisamkeit. Er würde einen riesigen Aufstand machen, und womöglich aus lauter Ungläubigkeit selbst seine Couch aus dem Fenster befördern! Eine nette Vorstellung, findest du nicht? Ich muss lächeln bei den Gedanken an dein belustigtes Gesicht, wenn du dir das vorstellen würdest!
Einerseits ja verständllich, das er sich Sorgen um dich macht,als dein Vormund und eine Art Vater, andererseits, man kanns auch übertreiben, und er tut dies in letzter Zeit ganz gewalltig!
Immer wieder bekommst du Aufgaben, die nicht im entferntesten etwas mit mir zu tun haben, obwohl sich früher niemand um mich kümmern wollte, und du das immer machen musstest.
Statt dessen ist der Rotschopf jetzt oft bei mir.
Ich denke, sie ahnen etwas.
Schuldig hat immer mal wieder versucht in meinen Geist einzudringen, doch ich habe ihn bis jetzt immer erfolgreich abgeblockt, oder einfach mit ein paar unschönen Bildern aus meiner Vergangenheit vergrault.
Befor sie es aber alleine herausfinden, sollten wir es ihnen sagen. Das ich auf die Medikamente nicht mehr angewiesen bin, das du das einzige Medikament bist, was ich brauche und welches auch wirkt.
Doch noch genieße ich unsere Zeit zu zweit. Sehe dir beim schlafen zu, und habe meinen inneren Schmerz für einige kurze Momente des Glücks vergessen.
Ich kann fühlen, und du hast es mir gezeigt.
Langsam beuge ich mich zu dir herunter und küsse deine zuckersüßen Lippen, die nun genauso mir gehören wie dir, dann lege ich mich neben dich, nehm dich in meine Arme.
Du schmiegst dich an mich, und ich lasse noch mal einen Seufzer randvoll mit Glück hören, dann bin auch ich eingeschlafen.