Titel: Treffen zweier Welten
Autor: Aisling
Fandom: SGA/Harry Potter
Personen: John Sheppard, Rodney McKay, Serverus Snape
Kategorie: Drama, Beklemmung, Crossover
Inhalt: John muss sich seiner Vergangenheit stellen.
Staffel : SGA: die komplette zweite Staffel, Harry Potter Buch 6
Disclaimer: Wenn mir was gehören würde, dann wäre ich jetzt Millionär.
Kommentar: Diese Story ist ein Sequel zu 'Das Ende ist auch ein Anfang' (bei mir in den Storys zu finden) - dabei ist es wesentlich länger als der erste Teil geworden...
Die Story ist soweit fertig und hat insgesamt 25 Kapitel und knapp 110.000 Wörter. Sie wird gerade zum letzten Mal überarbeitet und ich lade die Kapitel nach und nach hoch.

Dank: An Birgitt, Antares und Karin für ihre eifrigen Betadienste. Ohne sie wäre die Story nur halb so gut geworden.


M7K-693

Es sollte eine Routinemission sein. M7K-693 war ein von Menschen bewohnter Planet, dessen Bevölkerung laut Ronon ein interessanter Handelspartner werden könnte, weil die Bewohner technologisch recht weit entwickelt waren. Es hatte lange gedauert, ihn zu finden, weil Ronon sich nicht mehr genau an die Adresse erinnern konnte. Durch Ausprobieren verschiedener Anwahlkombinationen hatten sie schließlich Erfolg gehabt.

In einer Besprechung mit Dr. Weir wurde festgelegt, dass sie am nächsten Morgen mit dem Puddle-Jumper durchs Stargate gehen sollten.

Alles in allem eine Erfolg versprechende Mission.

Am nächsten Morgen war John damit beschäftigt, die Instrumente des Puddle-Jumpers zu checken, als Rodney das Fluggerät betrat.

„Morgen!"

Ohne auf Johns Reaktion zu warten, ließ Rodney sich in den Sitz des Copiloten fallen.

„Guten Morgen, Rodney! Alles klar?"

Ein undefinierbares Grunzen war die Antwort.

John schielte zur Seite und nach einem Blick auf die Ringe unter Rodneys Augen war für ihn alles klar. Mit Mühe verbiss er sich ein Grinsen, denn er kannte den Wissenschaftler gut genug, um zu wissen, dass dieser übermüdet extrem zynisch war und jeden Kommentar als einen Angriff auf seine Person wertete.

„Bis wie viel Uhr hast du noch gearbeitet? Ich dachte, dass nichts Dringendes anliegt."

„Fange niemals mit einem Tschechen eine Diskussion an, wenn dieser glaubt, im Recht zu sein. Es ging um Quantenphysik in Verbindung mit der Antikertechnologie und kurz vor Sonnenaufgang hatte ich die richtige Formel entwickelt, die einhundertprozentig beweist, dass er Unrecht hatte. Sein Gesicht hättest du sehen sollen."

„Du hast also maximal zwei Stunden geschlafen?"

Johns Stimme war sanft, doch mit einem seltsamen Unterton, den er speziell für Rodney reserviert hatte. Dieser reagierte fast schon trotzig auf den Kommentar.

„Ja, denn es war wichtig. Ich habe mit dieser Formel einen Meilenstein in der Quantenphysik geschaffen. Und falls man mir jemals die Genehmigung geben sollte, meine Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, ist mir der Nobelpreis sicher."

„Einen posthum verliehenen Nobelpreis kannst du dir nicht an die Brust heften, Rodney. Wie lautet unsere Abmachung, wenn am nächsten Tag eine Mission geplant ist?"

„Mindestens sechs Stunden Schlaf", kam es erstaunlich kleinlaut von Rodney zurück.

„Und warum hältst du dich nicht daran?"

„Weil es wichtig war?"

„Wichtiger, als ausgeruht zu sein, um nicht in übermüdetem Zustand von irgendwelchen Aliens überrascht zu werden?"

Wie sollte er diese Tatsache in den Kopf dieses dickköpfigen Wissenschaftlers hineinbekommen? Rodney zu schlagen, bis er es kapiert hätte, war definitiv nicht drin, zumal John bezweifelte, dass es gewirkt hätte.

„Aber es droht auf diesem Planeten doch keine Gefahr. Wir sind doch nur Unterhändler."

„Es ist über zwei Jahre her, dass Ronon dort war. Alles kann sich geändert haben. Wenn du noch einmal so übermüdet zu einer Mission kommst, dann nehme ich Zelenka mit."

„Zelenka! Der hat doch Angst vor seinem eigenen Schatten und ist ein miserabler Schütze."

Offensichtlich war Rodney in seiner Ehre getroffen.

„Dafür gehorcht er meinen Befehlen. Und jetzt geh' nach hinten und versuche, noch etwas zu schlafen. Wenn Ronons Informationen stimmen, dann haben wir nach Passieren des Stargates noch etwa zwei Stunden Flug vor uns. Nutze sie."

„Aber--"

„Kein „Aber", das ist ein Befehl. Ich brauche dich, wenn wir die Hauptstadt erreicht haben, und zwar wach. Leg dich hin."

Manchmal hatte es doch Vorteile, Rodneys vorgesetzter Offizier zu sein – auch wenn oft die Nachteile überwogen. Jetzt konnte er seine Sorge über dessen schlechtes Aussehen hinter Befehlen verbergen und dafür sorgen, dass Rodney noch etwas Schlaf bekam.

Dieser folgte kurz darauf Johns Order und legte sich hin. Erst als Rodneys tiefes Atmen verriet, dass er eingeschlafen war, erlaubte sich John ein Lächeln. Er würde niemals Rodney durch Zelenka austauschen. Auch wenn die beiden im Labor ein unschlagbares Team waren und sich gegenseitig beflügelten, war Rodney der Kreativere von Beiden. Zudem konnte Rodney inzwischen schießen und war auch sonst fit genug, um notfalls um sein Leben zu laufen. Das hatte er oft genug bewiesen. Aber um Rodney zu ärgern, machte es Spaß, diese Drohung auszusprechen.

Kurz bevor John mit dem Check fertig war, kamen auch Ronon und Teyla. Sie sagten nichts, als sie den schlafenden Wissenschaftler sahen, sondern bemühten sich, leise zu sein.

Ronon setzte sich auf den Platz des Copiloten, Teyla stellte sich hinter ihn und begrüßte John mit einem Nicken.

„Alles in Ordnung mit ihm?"

Mit einer Drehung ihres Kopfes deutete sie auf Rodney.

„Ja, er hat nur etwas zu lang mit Zelenka diskutiert. Irgend so ein wissenschaftlicher Kram. Und in der Hitze des Gefechts hat er dann vergessen, dass er einige Stunden schlafen sollte. Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass er überhaupt geschlafen hat."

„Es amüsiert dich?", fragte Ronon.

Darüber musste John einen Augenblick nachdenken, bis er feststellte, dass es tatsächlich so war.

„Irgendwie schon. Rodney hat sich die letzten Monate sehr zusammengerissen, um mein Vertrauen wiederzubekommen. Scheinbar habe ich ihm wohl zu deutlich gezeigt, dass er es wieder hat."

Bevor Ronon etwas falsch verstehen konnte, sprach John weiter.

„Ich bin froh, dass er verantwortungsbewusster geworden ist und seine eigenen Grenzen erkennt. Aber so nervig er als verrückter Wissenschaftler auch ist, manchmal hat mir genau das gefehlt."

Teyla nickte verstehend, sagte nichts mehr; auch Ronon hielt seinen Mund.

„Hallo John! Alles in Ordnung? Sind Sie startbereit?" Die Stimme kam aus seinem Headset. Wie immer meldete sich Doktor Weir noch einmal bei ihm, bevor sie das Stargate durchquerten.

„Guten Morgen, Elizabeth. Ich bin mit dem Check durch und das Team ist vollzählig. In zwei Minuten sind wir weg."

„Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Kommen Sie heil zurück."

„Danke."

Ein Gefühl der Wärme stieg in John auf. Es waren diese kleine Gesten, die das Leben auf dieser Station trotz der widrigen Umstände so angenehm machten. Sie weckten das Gefühl, eine Heimat zu haben. Zum ersten Mal seit Jahren.

Doch diese Gedanken sollten ihn nicht von seinem Auftrag abhalten. John wählte die Zielkoordinaten an und als sich der Ereignishorizont aufgebaut hatte, lenkte er den Puddle Jumper durch das Stargate.

Auf M7K-693 angekommen beschleunigte er durch, um so schnell wie möglich vom Stargate wegzukommen.

In der Pegasus-Galaxie konnte es gefährlich werden, wenn man keinen Sicherheitsabstand zwischen sich und das Gate brachte.

Rodney war beim Durchqueren des Wurmlochs noch nicht einmal wach geworden. Er hatte unwillig geknurrt, den Kopf gedreht und war dann wieder ins Reich der Träume abgedriftet.

Teyla hatte mit einem wissenden Blick zu John geschaut. Er grinste kurz, konzentrierte sich auf den Flug. Nachdem er einen Abstand von etwa fünfzig Kilometer gewonnen hatte, drosselte John die Geschwindigkeit und kreiste über dem Gelände, um sich zu orientieren.

„Wie geht es weiter?"

Ronon spähte zum Fenster hinaus. Außer einem Laubwald, der die Ebene unter ihnen bedeckte, war nicht viel zu sehen.

Dafür, dass auf diesem Planeten eine Hochkultur sein sollte, wirkte die Natur viel zu unberührt. Aber das konnte täuschen. Um die Wraith zu überlisten, hatten es die Menschen der Pegasusgalaxie schon mit vielen Tricks versucht – meist erfolglos.

„Es ist nicht einfach, sich zu orientieren. Als ich das letzte Mal hier war, hatten sie mich innerhalb einer Stunde nach meiner Ankunft gefunden. Sie haben mich zu ihrer Hauptstadt geflogen und als sie erfuhren, was ich war, haben sie mich ganz schnell rausgeschmissen, aus Angst, sie könnten ein Ziel der Wraith werden. Noch nicht mal ihren Namen habe ich erfahren. Die Stadt liegt Richtung Sonnenuntergang. Wie ich in der Besprechung sagte, brauchen wir etwa zwei Stunden."

„Das ist doch ein Anhaltspunkt."

Die Sonne stand im Zenit und gab einem beobachtenden Auge keinen Anhaltspunkt, in welche Richtung sie sich neigen würde, um irgendwann als flammender Ball hinter dem Horizont zu versinken. Doch innerhalb weniger Sekunden hatte der Bordcomputer errechnet, wo sie hin mussten.

John setzte Kurs und machte sich auf zwei Stunden Langeweile gefasst.

Die erste Stunde verlief tatsächlich sehr eintönig. Sie überflogen nur Waldgebiete und nirgendwo war eine Siedlung zu sehen.

Als Teyla die ersten Anzeichen von Zivilisation fand, verringerte John die Geschwindigkeit und steuerte auf Teylas Entdeckung zu. Vielleicht konnten die Bewohner des Ortes Auskunft geben, wo die Hauptstadt lag.

Je näher sie der Ansiedlung kamen, umso stärker wurde das beklemmendeGefühl.

Die Felder, die sie überflogen, waren verwildert und alles deutete darauf hin, dass der Ort verlassen war.

Direkt über dem Ortskern ließ John den Jumper über einem unbebauten Platz schweben. Dabei musste er aufpassen, da überall Strommasten standen. Die Häuser waren nicht aus Ton oder Holz errichtet, sondern aus Stein und Beton. Ronon hatte also Recht, dass die Bevölkerung technologisch recht weit entwickelt war.

Es war niemand da. Keine Menschenseele war zu sehen. Der Anblick war nichts Neues für ihn und doch immer wieder erschreckend. Dieser Ort war verlassen und die Natur hatte begonnen, dieses Territorium zurück zu gewinnen. Nicht nur John und Ronon beobachteten aufmerksam die Siedlung, Teyla stand hinter ihnen und spähte durch die Frontscheibe.

„Hier gibt es keine Menschen mehr. Wir sind zu spät. Wahrscheinlich haben die Wraith hier geerntet. Seit mehr als einem Jahr breitet sich die Natur ungehindert aus."

Das war genau zu der Zeit gewesen, als die Wraith versucht hatten, Atlantis zu stürmen. Und John fühlte sich heute noch schuldig, wenn er daran zurückdachte, wie viele Menschen hatten sterben müssen.

Ändern konnte er an ihrem Tod nichts und nur indem sie die Wraith besiegten, konnte verhindert werden, dass es weitere Opfer gab. Ansonsten würde das Schlachten immer weiter gehen.

Unwillkürlich verspannten sich seine Wangenmuskeln und erst nach einigen Atemzügen schaffte John es wieder, sich zu entspannen. Gleichzeitig bemerkte er, dass seine Teamgefährten ihn beobachteten.

„Danke für die Information, Ronon. Aber es muss Überlebende geben. Die Wraith können es sich nicht leisten, Alle umzubringen, schließlich wollen sie auch noch in hundert Jahren hier eine Nahrungsquelle finden."

Das war die bittere Ironie an der Sache. So brutal die Wraith auch waren, sie wollten die Menschen nicht ausrotten, sie durften es nicht, wenn sie selbst überleben wollten.

„Wir sollten es in der Hauptstadt versuchen. Dort ist die Wahrscheinlichkeit am größten, Überlebende zu finden. Falls sich die Menschen nicht in die Wälder geflüchtet haben."

Teylas sachlicher Kommentar riss John aus seinen Grübeleien.

„Gut, dann folge ich der Hauptstrasse. Sie wird uns hoffentlich den Weg weisen."

Ein Blick nach hinten überzeugte John, dass Rodney immer noch schlief. Am liebsten hätte er ihn geweckt, aber dann wäre Rodney absolut unausstehlich, wenn es daran ging, die Hauptstadt zu erkunden. Die ‚normalen' Launen des Wissenschaftler waren für John meist nur noch amüsant, aber ein übermüdeter Rodney, der mehrere Kilometer laufen musste, war selbst für seine Geduld zuviel.

Einen kurzen Moment überlegte John, ob es nicht sinnvoller wäre, die Mission abzubrechen und heimzukehren, doch es bestand die Chance, dass sie interessante Technologie fanden, selbst wenn deren Erfinder vernichtet worden waren.

Dass John sich dabei wie ein Leichenfledderer vorkam, war sein eigenes Problem, das niemand mitbekommen sollte.

John drehte ab, stieg höher und folgte der breiten Straße, die sich wie eine endlose Schlange durch die Landschaft wand. Der Beton war teilweise von Gras überwuchert und einige Risse hatten sich gebildet. John flog so hoch, dass er nicht sämtlichen Kurven folgen musste – auch wenn das seine Flugkünste herausfordern würde, kostete es zu viel Zeit.

Immer wieder überflogen sie Ansiedlungen. Die ersten beiden Male überprüfte John, ob sie noch bewohnt waren, doch da es erfolglos war, konzentrierte er sich darauf, so schnell wie möglich anzukommen.

Trotzdem dauerte es fast zwei Stunden, bis sie die Hauptstadt erreichten. Schon von weitem konnte man erkennen, dass es ein imposanter Ort mit vielen Hochhäusern war. Doch als sie sich näherten, wurde klar, dass die Wraith auch hier schreckliche Ernte gehalten hatten.

Ein Wolkenkratzer, der alle anderen Gebäude überragte, erweckte Johns Interesse. Kein Vergleich zu den Türmen von Manhattan, aber es war offensichtlich, dass der Architekt sein Handwerk verstanden hatte.

Er umkreiste das Hochhaus, nur um dann enttäuscht abzudrehen. Es war eine Ruine, die er besichtigte. Die Fenster waren zerstört und die Wände wirkten, als ob sie unter heftigem Beschuss gestanden hätten. Wenn das Volk Widerstand geleistet hatte, war er zwecklos gewesen.

„Da vorne ist ein großer Platz. Ideal zum Landen."

Ronon deutete nach rechts. Eine große freie Fläche ohne Stromkabel, Bäume oder andere Hindernisse, umrahmt von prächtigen Gebäuden. Wahrscheinlich war es eine repräsentative Anlage. Ein guter Ausgangspunkt, um die Stadt zu erforschen.

Zwei Minuten später landete er den Puddle-Jumper, konnte aber ein kurzes Rütteln nicht verhindern. Dann stand er auf und ging zu Rodney. Dieser war erwacht und versuchte gerade, sich zu orientieren.

„Ausgeschlafen?"

Mit einem leichten Heben seiner Augenbraue betonte John die Ironie, die in diesem Wort lag.

„Ich musste doch dem Befehl meines Colonels folgen. Wie weit kämen wir in dieser Armee, wenn ich dies missachten würde?"

„Gut, dann schnapp dir deine Waffen, pack dein Laptop und nimm dir etwas zu essen mit. Wir werden einige Kilometer laufen müssen. Teyla! Ronon! Ihr geht Richtung Sonnenaufgang, meldet euch spätestens nach sechzig Minuten oder wenn ihr etwas Interessantes findet. Rodney und ich nehmen uns die andere Seite des Platzes vor."

„Sollten wir nicht auf eine diplomatische Mission gehen? Mit viel Gerede und noch viel mehr Essen, das ich nie vertrage?"

„Tja, du hast zu lange geschlafen und einiges verpasst. Dieser Planet war mal bewohnt. Die Wraith haben nicht mehr viel übrig gelassen und unser Job wird es nun sein zu schauen, ob wir nicht doch noch etwas finden, das uns weiterbringt."

„Da freut man sich mal, sich mit Wissenschaftlern unterhalten zu können, deren Niveau über das eines Eisenzeitmenschen hinausgeht. Und was passiert? Ich muss mit dir auf Erkundung."

„Rodney, du kannst dir alles anschauen, ohne dass dir jemand auf die Finger haut und sagt, dass das nichts für dich ist."

Das wirkte. Die Enttäuschung war weggewischt und Rodney grinste breit.

„Dann lass uns aufbrechen."

Natürlich übersah er, dass alle anderen nur auf ihn gewartet hatten. Kopfschüttelnd öffnete John die Luke.

Sie traten hinaus in die Sonne, die nicht mehr ganz so hoch am Himmel stand. Aber es war immer noch sehr warm. John schätzte die Temperatur auf dreißig Grad.

„Hier ist es viel zu heiß. Sollte diese Zivilisation nicht fortgeschritten sein? Wie wär's mit einer Klimaanlage? Wie soll man denn da durch die halbe Stadt laufen?"

John grinste. Rodneys Lamentieren war ein deutliches Zeichen, dass er jetzt wach und eigentlich ganz zufrieden war.

„Tut mir leid, die war auf dreißig Grad justiert, als man die Fernbedienung kaputt gemacht hat. Du wirst dich mit der Temperatur arrangieren müssen."

„Geht aber nicht. Ich bin beladen wie ein Packesel. Was ist, wenn ich einen Hitzschlag bekomme? Oder vor Anstrengung zusammenbreche?"

Johns Antwort kam fast automatisch.

„Du bist doch derjenige, der seine kostbare Ausrüstung niemandem anvertrauen will. Und jetzt Abmarsch!"

Immer noch murrend schulterte Rodney seinen Rucksack und ging los. John aktivierte den Tarnmodus, verschloss die Luke und folgte ihm. Teyla und Ronon waren bereits außer Sichtweite.

Sie durchsuchten zuerst die Gebäude, die direkt am Platz lagen. Wie John erwartet hatte, waren es Verwaltungsgebäude. Die Einrichtung unterschied sich nur geringfügig von der irdischen Version. In Johns Augen war das, was der beginnende Verfall übrig gelassen hatte, sehr hässlich.

Da Rodney im Forscherdrang wie ein Blitz durch sämtliche Räume fegte, die noch erhaltenen Schränke aufriss und nichts von Interesse fand, hielt er sich zurück.

John hoffte genau wie Rodney, einen Computer zu entdecken, der ihnen Auskunft über den technischen Stand der hier untergegangenen Zivilisation geben konnte. Doch sie fanden nur Kleinigkeiten, die Schreibtische waren mit Rechenmaschinen bestückt, von denen Rodney eine einpackte, und in einem Büro gab es so etwas wie eine Sammlung von Handfeuerwaffen. Zwei davon wanderten ebenfalls in Rodneys Rucksack. Den größten Fund machten sie in den Kellern: ein riesiges Archiv mit Tonnen von Akten. Doch davon nahmen sie nichts mit.

Nachdem sie das dritte Gebäude durchkämmt hatten, sah auch Rodney ein, dass er die Hoffnung begraben musste, etwas Verwertbares zu finden. Sie waren gerade im dritten Stock, als er alles stehen und liegen ließ, die Treppe runterstürmte und sich draußen auf die Stufen hockte. Seine ganze Haltung drückte Enttäuschung und Frustration aus.

Anstatt das nächste Gebäude zu taxieren, blickte er in die Sonne. John hatte die Hoffnung schon nach der Durchsuchung des ersten Hauses aufgegeben, aber Rodneys Begeisterung hatte ihn einen sarkastischen Kommentar runterschlucken lassen. Die Mission war für zwei Tage geplant, da konnte sich Rodney ruhig in den Gebäuden austoben.

John setzte sich zu ihm auf die Stufen. Dann nahm er seine Wasserflasche und trank einen Schluck. Anschließend reichte er sie seinem Teamgefährten. Rodney nahm sie mit einem dankbaren Seufzen, trank und blickte sich um.

„Es ist schrecklich. So wie es hier aussieht, haben die Wraith vor einem Jahr ihre Ernte gehalten. In zehn Jahren sind die Aktenberge vermodert und in hundert Jahren wird niemand mehr wissen, dass es dieses Volk überhaupt gab. Wenn ich Archäologe wäre, könnte ich wenigstens das Wissen um diese Kultur bewahren. Aber einfach nur ihre Technologie zu nehmen ist…" Rodney zögerte, bevor er weiter sprach „Es ist fast schon Diebstahl."

„Ich verstehe es", antwortete John und blickte in den Himmel, wo ein großer Vogel seine einsamen Kreise zog. „Aber es ist unser Job. Wenn wir überleben wollen, können wir uns keine Sentimentalität erlauben."

„Ja, du hast ja Recht. Es war einer der Gründe, warum ich damals so unbedingt die Antiker-Waffe ans Laufen bringen wollte. Stattdessen habe ich einen Planeten vernichtet."

Es war einer der kostbaren Augenblicke, wo John hinter der Maske des egozentrischen, zynischen Wissenschaftlers blicken durfte.

Eigentlich hatte sich John geschworen, nie wieder Freundschaft zu schließen – es hatte nur Unglück gebracht – doch bei Rodney ließ er es zu. Und wusste nicht, warum er es erlaubte – zu viele waren seinetwegen gestorben.

John wusste, dass er deswegen bei seinen Kollegen als unnahbar galt. Aber es war zu ihrer Sicherheit. Und Frauen ließ er schon mal gar nicht an sein Herz. Deswegen waren für ihn die weiblichen Crewmitglieder tabu.

Aber mit seiner Nervigkeit hatte sich Rodney irgendwie in sein Herz geschlichen. Ob es trotz oder wegen dieser Charaktereigenschaft war, wusste John nicht. Und deswegen hatte er ihm auch seinen fast schon krankhaften Ehrgeiz verziehen.

„Das ist Vergangenheit, Rodney. Und du hast dich verändert. Wäre es anders, dann wären wir jetzt kein Team mehr."

Wieso saßen sie jetzt hier und führten tiefgründige Diskussionen?

„Dann könnte ich jetzt in meinem Labor sitzen, Bahn brechendeEntdeckungen machen und bräuchte nicht, schwitzend und von irgendwelchem Getier zerstochen, modrige Häuser zu durchsuchen. Das hier ist eigentlich weit unter meinen Fähigkeiten."

Scheinbar hatte Rodney die gleichen Gedanken und John ging erleichtert auf die Plänkelei ein.

„Du vergisst, dass du im Labor auch noch massig Untergebene hast, die du terrorisieren kannst. Ich muss dich schon mitnehmen, damit deine Mitarbeiter wenigstens hin und wieder in Ruhe arbeiten können."

„Klar, kaum bin ich zwei Tage nicht da, läuft alles schief. Die sind ohne mich hilflos. Wie lange soll der Ausflug eigentlich dauern, jetzt wo wir keine Verhandlungspartner mehr haben?"

„Das mache ich von dem abhängig, was wir finden. Entweder bleiben wir die Nacht hier, und gehen morgen am späten Nachmittag wieder durchs Tor oder wir fliegen schon heute Abend weg. Was meinst du?"

Von Rodney kam ein zustimmendes Brummen.

Es war ein schöner Tag und John fand es sehr angenehm, einfach nur in der Sonne zu sitzen. Fast wie im Urlaub. Doch da in wenigen Stunden die Abenddämmerung einsetzte, war es an der Zeit weiterzumachen.

Er stand auf und streckte sich.

„Komm Rodney, wir sollten weiter suchen. Irgendetwas Vernünftiges müssen wir doch Teyla und Ronon präsentieren können. Wir sollten uns ein Stück aus dem Verwaltungsgebiet hinaus bewegen. Vielleicht finden wir eine Industriezone."

„Wenn du mich hochziehst, folg ich dir, wo immer du mich hinführst. Ohne Hilfe komm ich mit dem Rucksack nicht hoch."

Auffordernd hielt John seine Hand hin und Rodney umfasste sein Handgelenk. Als sie in die nächste Straße einbogen, sah der Colonel am Himmel den aufgehenden Vollmond.

Seit seiner Kindheit hasste er Vollmondnächte.

Nach einem längeren Marsch erreichten sie das Randgebiet der Stadt. Doch von Industrieanlagen war nichts zu sehen. Egal, in welche Straße sie auch einbogen, in jeder Häuserzeile fanden sie entweder Wohnungen, Geschäfte oder Büros. Jetzt waren sie in einem Villenviertel angekommen, wo die Häuser früher einmal von prächtigen Gärten umgeben gewesen waren – jetzt waren es nur noch verwilderte Anlagen.

Teyla hatte sich über Funk gemeldet und berichtet, dass auch ihre Suche erfolglos war. Sie wollten noch ein Hochhaus erkunden und dann umkehren.

Es schien eine langweilige Mission zu sein, aber irgendetwas stimmte nicht. John konnte nicht greifen, was es war, aber all seine Sinne waren angespannt und seine P-90 hielt er entsichert in seinen Händen.

Auch Rodney hatte wohl mitbekommen, dass etwas nicht in Ordnung war. Er führte keine Selbstgespräche mehr über die Ungerechtigkeit der Welt im allgemeinen und überhaupt, sondern sah sich aufmerksam um und versuchte, direkt hinter John zu bleiben.

„Wir schauen uns noch dort drüben die Villa an und kehren dann um."

Dabei deutete John auf ein prachtvolles Gebäude, das einer Burg gleich etwa eine Meile entfernt auf einem Hügel thronte.

„Das hört sich nach der ersten vernünftigen Idee des Tages an. Ich bin total erledigt. Wieso mache ich so was überhaupt mit? Ich bin Wissenschaftler und kein Soldat."

„Das vergisst du so oft, weil du viel zu neugierig bist, Rodney. Du kannst nicht anders. Und außerdem trägst du eine Uniform und bist de facto Soldat. Schau mich nicht so wehleidig an. Ich werde deinen Rucksack nicht tragen."

„Das habe ich auch gar nicht erwartet", kam es etwas eingeschnappt von Rodney zurück. „Trage du deine Waffe und pass auf, dass uns niemand angreift. Ich habe das Gefühl, beobachtet zu werden."

Dem konnte John nicht widersprechen und ging weiter. Sie hielten sich auf der Straßenmitte und spähten aufmerksam in die Grünanlagen, konnten aber nichts entdecken.

„Vielleicht sind es Überlebende des Wraithangriffs", vermutete Rodney.

„Überlebende hätten die Geschäfte geplündert, aber die waren völlig in Ordnung. So in Ordnung, wie es menschenleere Gebäude sein können"

Das nächste Geschäftshaus war keine hundert Meter entfernt und als John einen Blick hinein warf, sah er zwar eine Ratte über den Boden huschen, aber die Konserven waren unberührt.

„Vielleicht haben sie einen strengen Ehrenkodex, oder sie halten sich an die Gebote ihres Glaubens?"

Rodneys Stimme klang, als ob er selber nicht daran glauben würde.

„Ist auch egal. Sehen wir uns die Villa noch an und dann nichts wie weg hier."

Unwillkürlich wurde John schneller.

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie die Villa die – je näher sie kamen - immer mehr an eine mittelalterliche Burg erinnerte, erreichten. Genauer gesagt standen sie vor einer großen Mauer, die die Anlage umgab.

Die Wand war so hoch, dass man nicht einfach darüber klettern konnte. Von weitem hatten sie die Mauer nicht erkennen können, da sie im Schatten alter Eichen stand

Rodney schien der Marsch ziemlich angestrengt zu haben. Er atmete sehr schnell, fast schon panisch und als sie stehen blieben, lehnte er sich gegen die Mauer.

„Ich brauche fünf Minuten Pause, dann können wir weiter."

„Du hast sogar zehn Minuten. Trink etwas, du hast viel zuviel Flüssigkeit ausgeschwitzt."

„Tut mir leid, meine Flasche ist leer. Ich habe eben schon alles ausgetrunken."

Das war einer der Momente, wo John sich fragte, ob Rodney außer seinen Formeln noch etwas anders im Kopf hatte.

Im Geiste zählte er bis zehn, bekämpfte den Drang seinen Untergebenen zur Schnecke zu machen, und erst als er sich etwas beruhigt hatte, sprach er weiter.

„Und warum hast du nichts gesagt? Dann wären wir doch schon längst umgekehrt."

„Das wollte ich aber nicht. Denn ich habe das Gefühl, dass wir hier fündig werden."

Rodney deutete mit seinem Daumen Richtung Burg. Seufzend nahm John seine Flasche, konzentrierte sich einen Moment und gab sie dann Rodney. Er hasste es, dies machen zu müssen.

„Hier, trink!"

Ohne zu widersprechen, trank Rodney gierig aus der fast vollen Flasche. Sie war halb leer, ehe er absetzte und sie John zurückgab. Dieser nahm auch einen Schluck, bevor er die Flasche wieder sicher verstaute.

Am liebsten hätte er sich in den Schatten gesetzt, doch dann wären sie ohne Deckung. So lehnte er sich neben Rodney an die Wand, und wartete, bis der Wissenschaftler sich etwas erholt hatte.

„Colonel Sheppard! Wie sieht es bei euch aus? Wart ihr erfolgreich?"

Wie vereinbart meldete sich Teyla.

„Bisher noch nicht. Hier ist aber eine burgähnliche Anlage. Die wollen wir uns noch ansehen und kehren dann um. Wie weit seid ihr?"

„Wir stehen genau vor dem Hochhaus und werden es jetzt erkunden."

„Sonst alles ruhig? Keine besonderen Vorfälle?"

„Es ist unheimlich, durch so eine verlassene Stadt zu laufen, dabei habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden."

„Ist es nur ein Gefühl oder mehr?"

Falls Teyla seinen Verdacht bestätigen würde, würden sie sofort umkehren.

Es dauerte etwa eine Minute, bis sie sich zurückmeldete.

„Es ist nur ein Gefühl. Vielleicht sind es einige Überlebende, die sich aus Angst vor uns verstecken."

„Gut. Dann wünsche ich euch viel Spaß beim Treppensteigen. Wenn ihr dort nicht fündig werdet, kehrt ihr um."

„Alles klar."

Ein Knacken im Kopfhörer verriet John, dass Teyla abgeschaltet hatte.

Rodney hatte über sein Headset mitgehört und stieß sich von der Wand ab. Er wirkte nicht mehr ganz so erschöpft.

„Von mir aus geht es weiter. Rechts oder links?"

Ein breiter Pfad – früher vielleicht ein Wanderweg - schien um die Anlage zu führen.

„Die Wahl überlasse ich dir."

John hatte keine Lust, sich Rodneys Vorwürfe anzuhören, weil er die falsche Richtung gewählt hatte.

„Dann links."

Kaum hatte John sich einen Schritt von der Mauer fortbewegt, als er schon wieder ein seltsames Gefühl der Gefahr spürte. Dieses eigenartige Kribbeln ganz tief im Inneren kannte er. Nur wusste er nicht mehr, woher.

„Nicht so schnell, John! Wenn du weiter so ein Tempo vorlegst, dann mache ich wirklich schlapp."

Erst jetzt merkte er, dass er in einen leichten Trab gefallen war.

„Entschuldige."

Doch er wurde nur wenig langsamer.

Bevor Rodney sich noch einmal beschweren konnte, standen sie vor dem Eingangstor, das einladend offen stand.

John blickte sich noch einmal um, bevor er das Tor passierte, aber nichts war zu sehen.

„Das gibt es doch gar nicht! Das kann einfach nicht wahr sein!"

Er stand schon im Innenhof, als Rodneys Ausruf ihn dazu brachte, zum Tor zurück zu gehen.

Und als John sah, was sein Partner entdeckt hatte, traute er seinen Augen nicht.

„Sag, dass das nicht wahr ist!"

„Doch, dafür sind wir jetzt so weit gelaufen. Die Zeit hätte ich sinnvoller verbringen können."

Die Schrift auf der Tafel konnten sie nicht lesen, aber das im Durchgang eingebaute Kassenhäuschen beseitigte alle Zweifel: Die Burg war ein Museum.

„Dann lass uns umkehren."

Der Drang wegzulaufen war bei John immer stärker geworden. Und instinktiv wusste er, dass es gesünder war, ihm nachzugeben.

„Aber wieso? Wenn wir schon hier sind, dann will ich mir wenigstens die Ausstellung ansehen."

„Rodney! Vergiss es. Wir gehen jetzt und das ist ein Befehl."

„Was ist los?"

Hilflos zuckte John mit seinen Achseln.

„Wenn ich es wüsste, dann würde ich mich besser fühlen. Aber irgendetwas passt nicht."

Rodney setzte erst zu einer heftigen Erwiderung an, zögerte und stimmte dann John zu.

„Ja, irgendetwas ist seltsam. Aber lass mich nur einen Blick hinein werfen."

„Nein, wir gehen jetzt. Es dämmert schon. Es wird dunkel sein, bis wir zurück sind."

Die Sonne hatte bereits den Horizont berührt, viel früher, als John gedacht hatte. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, als er daran dachte, dass Teyla und Ronon auch noch unterwegs waren. Er funkte sie an.

„Teyla! Wo seid ihr?"

„Wir sind im zehnten Stock."

„Egal. Brecht die Durchsuchung ab und kehrt zurück. Sofort. Verstanden?"

„Ja, verstanden. Ist etwas passiert?"

Die Sorge in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Nein, aber wenn wir uns nicht beeilen, kann ich für nichts garantieren."

„Verstanden. In etwa einer Stunde werden wir den Jumper erreicht haben."

Mehr brauchte John nicht zu wissen und wandte sich zu Rodney.

„Nimm dir nur dein Laptop und lass ansonsten alles hier. Du wirst deinen Atem noch brauchen."

Dass Rodney nicht widersprach, seinen Rucksack ausräumte und ihre Funde ohne zu murren fortwarf, war für John ein Zeichen der wirklichen Gefahr.

Nachdem sie die Burganlage verlassen hatten, marschierten sie Richtung Innenstadt. John bemühte sich, breite Straßen zu wählen, dass sie ein möglichst freies Sichtfeld hatten. Warum er es für sicherer hielt, als sich in Deckung zu halten, konnte er nicht rational erklären. Aber er wusste, dass dies die einzige Chance war, heil zurück zu kommen.

Die erste halbe Stunde kamen sie gut voran und nirgendwo sahen sie etwas Bedrohliches.

Auf einmal waren die Schatten da. Es waren keine gewöhnlichen Schatten, nein, sie waren anders als alles, was John in den letzten Jahren gesehen hatte.

Eine Erinnerung aus seiner Kindheit stieg auf. Und jetzt wusste er, wer ihre Verfolger waren.

„Rodney! Lauf! Lauf um dein Leben, ich weiß, was uns verfolgt!"

War da wirklich Panik in seiner Stimme gewesen? Jedenfalls reichte sein Befehl aus, dass der Wissenschaftler, ohne weitere Fragen zu stellen, loslief. John folgte ihm.

Er brauchte nicht hinter sich zu blicken, um zu wissen, dass sie von gelb funkelnden Augen verfolgt wurden und dass seine vierbeinigen Gegner nur auf den passenden Moment lauerten, um sich auf sie zu stürzen. Er konnte sich viel zu gut vorstellen, wie der Geifer über die Lefzen floss und die Bestien mit gebleckten Zähnen darauf warteten anzugreifen.

Aber warum warteten sie?

Als Rodney stolperte und hinfiel, bekam John die Antwort, denn in dem Moment konnte er das Scharren der Pfoten auf den Beton hören. So nahe waren die Bestien. John blieb stehen, um seinem Freund zu helfen.

„Ich komm schon klar, lauf weiter!"

„Vergiss es! Ich lasse meine Leute nicht zurück!"

Energisch zog er den Wissenschaftler hoch und sich gegenseitig Halt gebend liefen sie weiter.

Es konnte nicht mehr weit bis zum Platz sein, wo die Sicherheit des Jumpers auf sie wartete. Doch es war zu weit. Inzwischen war es Nacht geworden. Nur der Vollmond warf ein fahles Licht in die Straßenschluchten.

Das Trappen der Pfoten war lauter geworden und John wusste, dass es nur noch eine Frage von Sekunden war, bis die ersten Tiere ihn anspringen würden. Abrupt blieb er stehen, drehte sich um und richtete die P-90 auf die Angreifer. Er schoss eine Salve in die Leiber, wissend, dass es ihren Ansturm nur verlangsamen, aber nicht stoppen konnte. Das Jaulen der Tiere war Musik in seinen Ohren und sie stoppten für einen Augenblick ihren Vormarsch. Doch John wusste, dass er keins der Viecher erledigt hatte. Die Bestien waren genauso zäh wie die Wraith, nein, sie waren noch unverwüstlicher.

Dann ergriff John erneut die Flucht, kurz darauf erreichte er Rodney, der laut keuchend versuchte, das Tempo zu halten.

Das Trappen der Pfoten war nach dem Angriff leiser geworden, doch als sie die prachtvollen Regierungsgebäude passierten, die am Rande des Platzes standen, wurde es wieder bedrohlich laut. Und dabei waren sie kurz vor dem rettenden Ziel.

Erneut drehte sich John sich um, blieb dabei aber nicht stehen. Entsetzt musste er feststellen, dass die Bestien nicht mehr im Pulk liefen, sondern eine auseinander gezogene Reihe bildeten, die die ganze Straßenbreite einnahm. Er feuerte noch eine Salve ab, traf einige Tiere, die liegen blieben, aber der Rest des Rudels versuchte unbeeindruckt, ihre Beute zu überholen, um sie einzukreisen.

Falls den Tieren das gelang, waren sie verloren. John drehte sich wieder um. Die Straße öffnete sich und er konnte den Platz sehen, auf den der Jumper geschützt unter der Tarnvorrichtung stand.

Rodney schien dieser Anblick zu motivieren, denn er wurde schneller. Sie liefen auf den Platz, als die ersten Bestien zum Überholen ansetzten. John schoss auf sie. Er traf das erste Tier, das aufjaulend hin fiel, aber ein anderes nahm sofort seinen Platz ein.

So nah der Jumper auch war, sie würden ihn nicht mehr rechtzeitig erreichen.

Und dann stürzte Rodney erneut. John versuchte noch, ihn zu stützen. Gehandicapt durch seine Waffe konnte John nicht verhindern, dass sein Teamgefährte zu Boden ging. John spürte einen kräftigen Stoß in seinem Rücken. Er versuchte, das Gleichgewicht zu halten, taumelte einige Schritte vorwärts und fiel. Die P-90 ließ er fallen und zog sein Messer, um sich zu verteidigen.

Doch bevor es dazu kam, hörte er weitere Gewehrsalven, die laut über den Platz hallten. Dann brüllten Teyla und Ronon, sie wollten die Tiere wohl einschüchtern. Grimmig lächelnd wehrte John sich gegen seinen Angreifer und versenkte sein Messer in dessen Herz, bevor die Bestie zubeißen konnte. Er spürte, wie der Herzschlag aussetzte und das Tier in seinen Armen erschlaffte. Mühsam schob er den toten Körper von sich und erwartete eigentlich, dass sich das nächste Tier auf ihn stürzen würde. Doch nichts geschah.

Es war still geworden, außer seinem eigenen Atem konnte er nichts hören.

Was war mit Rodney? John stand auf, bekämpfte einen Schwindelanfall und wollte gerade nach dem Wissenschaftler suchen, als er Telya hörte, die angelaufen kam.

„Sir! Alles in Ordnung?"

„Ich bin okay. Was ist mit Rodney?"

„Ronon kümmert sich um ihn. Als er zu Boden ging, stürzten sich mehrere Tiere auf ihn, wir haben einige Salven abgeben müssen, um sie zu vertreiben. Aber ich glaube, dass sie wiederkommen werden, wenn sie ihre Wunden geleckt haben."

Daran hatte John keinen Zweifel.

An der Stelle, wo Rodney zu Boden gegangen war, lagen einige Kadaver, die Ronon zur Seite räumte. Von Rodney selbst war nichts zu sehen und - noch schlimmer - nichts zu hören. Kein Gemecker, keine Flüche, nichts. Und das machte John Angst.

Er ging zu Ronon, um ihm zu helfen. Und nachdem sie gemeinsam sieben Tiere zur Seite geschafft hatten, lag Rodney vor ihnen. Mit einem Handgriff überzeugte John sich, dass er nur bewusstlos und nicht tot war.

„Ronon! Helfen Sie mir, ihn zum Jumper zu bringen. Teyla! Sichern Sie die Umgebung ab!"

Als John Rodneys Arm greifen wollte, fasste er in eine klebrige feuchte Masse. Die Jacke war blutgetränkt. Es war nur zu hoffen, dass es das Blut der Tiere war.

Mit Ronons Hilfe schaffte es John, den Wissenschaftler in den Jumper zu tragen, ohne dass Rodney dabei erwachte.

Teyla schloss die Luke.

John nahm sein Messer und schnitt Rodneys Kleidung auf Als er dessen Oberkörper von den Stoffen befreit hatte, konnte er immer noch nicht sagen, wie schwer die Verwundungen waren, denn überall war Blut. Dass Rodney verletzt war, konnte er deutlich erkennen.

John hoffte, dass es nur Kratz- und keine Bisswunden waren. Denn das würde fatale Folgen haben. Teyla hatte den Erste-Hilfe-Koffer rausgesucht und reichte John Desinfektionsmittel. Er schüttete die Flüssigkeit auf ein steriles Tuch und tupfte vorsichtig das Blut ab.

Der Hals und die linke Hand wiesen Kratzspuren auf, die Carson wahrscheinlich nähen musste. Der rechte Oberarm hatte mehrere tiefe Bisswunden, die stark bluteten. Rodney musste schnellstmöglich nach Atlantis zurück, damit sie den Arm retten konnten.

Um weiteren Blutverlust zu verhindern, legte John mit Teylas Hilfe einen Pressverband an. Dann suchte er nach einem Beruhigungsmittel, damit Rodney nicht erwachte, bevor sie zu Hause waren. Auch wenn er kein Sanitäter war, hatte John genügend Kurse besucht, um genau zu wissen, was er tat.

Bevor er die Injektion verabreichen konnte, wurde Rodney wach. Er öffnete die Augen und sah sich. Der panische Ausdruck wich erst, als er erkannte, wer sich da über ihn beugte. Er schaffte es sogar zu lächeln. Als er jedoch versuchte, sich zu bewegen, kam ein Stöhnen über seine Lippen.

„Bleib ganz ruhig, Rodney. Die Bestien haben dich ziemlich übel zugerichtet. Ich habe dir jetzt etwas gegen die Schmerzen gegeben und wenn das Mittel wirkt, fliegen wir nach Hause."

„John?"

„Du solltest jetzt besser nicht reden. Das kostet Kraft."

Er machte sich keine Hoffnungen, dass sein Freund schweigen würde. Es brauchte mehr als ein Haufen Monster, um Rodney zum Schweigen zu bringen.

„Wäre Zelenka auch so schnell gelaufen?"

Betroffen sah John Rodney an. Wusste dieser nicht, dass das nur ein Witz gewesen war? Hatte er etwa Angst, dass der Tscheche seinen Platz einnehmen würde, weil er verletzt worden war?

Beruhigend ergriff John den linken Arm, bemüht, keine verletzte Stelle zu berühren.

„Zelenka wäre noch nicht einmal bis zur Burg gekommen, sondern hätte vorher schlapp gemacht. Und ohne dich werde ich nicht durchs Stargate gehen."

„Danke."

Statt zu jammern und zu klagen schloss Rodney die Augen.