Ich hoffe, es reißt mir keiner den Kopf ab, wenn ich nun hier noch eine neue Geschichte poste. Aber ich konnte es mir nicht verkneifen pünktlich zum 1.12. eine kleine Weihnachtsgeschichte zu posten. Sie soll nicht lang werden und wird auch leider nicht jeden Tag ein Update bekommen, da meine Zeit im Moment sehr rar gesät ist. Das haben meine Leser von "Krieg und Betrug" bestimmt schon mitbekommen, die ich vor ca. 3 Wochen mit einem ganz gemeinen Cliffie abgespeist habe. An Euch, die diese Geschichte vielleicht zufällig lesen: Ich sitze dieses Wochenende dran und hoffe spätestens Sonntag upzudaten.
"Julie und der Tränkemeister" liegt momentan auf Eis, bis ich "Krieg und Betrug" fertig habe, denn die Geschichte um den Tränkemeister braucht viel Aufmerksamkeit. Aber keine Sorge, ich lasse keine Geschichte unvollständig. Mein Privatleben braucht gerade ein wenig mehr Zeit (Hochzeitsvorbereitungen, und ehrlich... das geht vor ;) ) und vom Studium brauche ich gar nicht erst anzufangen.
Also, viel Spaß mit meinem kleinen Weihnachts-Quickie, der vielleicht so 10 Kapitelchen lang wird (maximal).
Der Adventskalender
Emma betrachtete den Adventskalender, den ihre Großtante Carlotta ihr gebastelt hatte, und lächelte glücklich.
„Danke, Tante Lotti! Das ist wundervoll! So einen schönen Adventskalender hatte ich noch nicht mal als Kind!"
Tante Lotti nickte liebevoll und tätschelte mit ihrer runzeligen, sonnengebräunten Hand Emmas Wange. Tante Lotti war mit Sicherheit schon weit über achtzig, auch wenn Emma nicht wusste, wie alt sie tatsächlich war, denn seit sie sich erinnern konnte, sah Tante Lotti immer gleich aus. Sie war klein, als wäre sie schon über die Jahre um einige Zentimeter geschrumpft und ihre Haut legte sich in entsprechenden ledrigen Falten um ihre alten Knochen. Ihre grauen Haare konnte man nur am Ansatz erkennen, denn ihre wirren kurzen Locken waren in einem quietschigen Orange gefärbt, die im starken Kontrast zur ihren generell roten Rollkragenpullovern und froschgrünen Leggins standen, die sie in vielfacher Ausführung besitzen musste, denn Emma hatte Carlotta noch nie in anderen Kleindungsstücken gesehen. Dazu benutzte die alte Dame ein aufdringliches Parfum, das sich Patchouli nannte und Emma nur aus ihren rebellischen Schulzeiten in Erinnerung hatte. Kombiniert wurde das Ganze mit dem leichten Duft von Menthol-Zigaretten, die Tante Lotti andauernd rauchte.
Tante Lotti lebte in Schottland und führte mit ihrem hohen Alter noch immer Touristengruppen durch die Highlands, um so ihre kleine Rente aufzubessern. Tante Lotti war eine unglaubliche Person und gehörte zu Advent und Weihnachten dazu wie das Christkind in die Krippe. Jedes Jahr verbrachte Tante Lotti den Dezember in Hamburg bei ihrer Verwandtschaft, die nach Deutschland aus beruflichen Gründen gezogen war, als Emma noch sehr klein war. Und um der damals kleinen ungeduldigen Emma das Warten auf Weihnachten zu versüßen, hatte Tante Lotti jeden Tag bis zum Heiligen Abend eine abenteuerliche Geschichte erzählt, in der es um Geister, Zauberer und Hexen ging.
Das war sicherlich die Ursache dafür gewesen, dass Emma bis heute nicht von den faszinierenden Geschichten über Magie losgekommen war und alles liebte, was mit Feen, Kobolden, und vor allem Hexen zu tun hatte. Inzwischen war Emma 29 und hatte soeben ihr zweites Staatsexamen in Jura absolviert, aber an Weihnachten war sie wieder das kleine Mädchen, das sich am liebsten zu der alten Dame auf die Couch gekuschelt hätte und wundersamen Geschichten gelauscht hätte.
„Was hat Tante Lotti Dir denn mitgebracht, Liebes?" fragte ihre Mutter aus der Küche und streckte neugierig den Kopf aus der Tür. Sie war gerade dabei, pünktlich zum ersten Advent die leckeren Plätzchen nach ihrem Geheimrezept zu backen.
„Einen Adventskalender! Und er ist ein riesiges Schloss, jedes Fenster im Schloss ist ein Türchen. Unten drauf steht Hogwarts."
„Hogwarts?" fragte Emmas Vater Richard. „Das ist doch dieser Harry-Potter-Kram. Wirklich, Carlotta, das Kind ist langsam zu alt für diesen Müll. Eine angehende Anwältin sollte sich mit sinnvollerem beschäftigen, als mit diesem Fantasy-Schwachsinn. Das ist doch nur was für Personen, die mit ihrem realen Leben nicht zurecht kommen."
Emma seufzte. Ihr Vater hatte kein Verständnis für Märchen und magische Geschichten. Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern und grinste Tante Lotti an. Doch diese lachte nur und ihre sommersprossigen Wangen kräuselten sich in hunderte von kleinen Lachfältchen.
„Dein Vater hat so viel Fantasie wie ein Taschenrechner, Emma. Das war schon immer so und das hat er von seinem Vater, meinem Bruder geerbt."
Richard warf Carlotta einen bösen Blick zu. Aber wiederum lächelte die Alte nur freundlich mit einem seltsamen Glitzern in den Augen.
„Um so mehr freue ich mich, dass Du ein wenig von mir geerbt zu haben scheinst, mein Kind."
Emma drückte ihrer Tante einen Kuss auf die Wange und sprang auf.
„Ich geh schnell nach oben und hänge ihn in meinem derzeitigen Zimmer auf. Schließlich fängt mein Job erst im Februar an und ich habe mir noch keine neue Wohnung gesucht."
Als Emma ihr altes Kinderzimmer betrat, das sie für die nächsten Wochen wieder bewohnen würde, bis sie sich eine neue Bleibe gesucht hatte, ergriff sie ein seltsames Gefühl. Es fühlte sich nicht mehr nach ihrem Zuhause an, sondern nach einer Welt, die sie unerlaubter Weise wieder betrat. Sie ging an das Bücherregal und strich mit dem Finger über die zahlreichen Bücherrücken. Verborgen darin waren Welten und Geschichten, in denen sie zum Teil mehr erlebt hatte, als in ihrem wirklichen Leben und Buchfiguren, die ihr vom Gefühl her teilweise so nahe standen, wie lange vermisste Geschwister, die sie nie gehabt hatte.
Schweren Herzens wandte sie sich vom Regal ab und lächelte, als sie den Adventskalender betrachtete, der auf ihrem Bett lag. Wie süß von Tante Lotti daran zu denken, dass sie absoluter Fan von Harry Potter war. Suchend blickte sie sich um und überlegte, wo sie den Adventskalender positionieren sollte. Sie entschied sich, den Kalender auf ihren Nachttisch zu stellen, wo sie ihn stets auch vom Bett aus sehen konnte und gleich morgens das Türchen öffnen konnte.
„In manchen Dingen bleibt mal wohl einfach Kind, auch in meinem Alter."
Emma fuhr herum und starrte erschrocken auf Tante Lotti, die mucksmäuschenstill die Tür geöffnet hatte und ihre Großnichte betrachtete.
„Tante Lotti! Du sollst mich nicht immer so erschrecken! Als wärst Du ein Geist!" empörte sich Emma.
„Ich sagte ja, in manchen Dingen bleibt man immer ein Kind." kicherte die alte Frau entschuldigend.
„Gibt es Tee?" fragte Emma.
„Das auch. Aber ich wollte Dir noch etwas zu dem Adventskalender sagen." lächelte Tante Carlotta. „Er ist ein ganz besonderer Kalender, Emma."
„Inwiefern?" Dass keine Schokolade hinter den Türchen war, hatte die junge Anwältin bereits bemerkt.
„Oh. Das wirst Du schon merken, mein Schatz. Allerdings wollte ich dir noch ein paar Verhaltensregeln für den Kalender mit auf den Weg geben."
„Verhaltensregeln für einen Adventskalender?" Emma war leicht irritiert. Aber sie wusste, dass Tante Lotti schon immer gerne kleine Spielchen gemacht hatte, um gewisse Sachen noch spannender zu machen. Emma freute sich, als erwachsene Frau noch einmal in den Genuss dieser Kinderfreuden zu kommen.
„Bevor Du das Türchen öffnest, solltest Du sicherstellen, dass Du alleine bist. Und niemals! Hörst Du, niemals! darfst Du ein Türchen zu früh aufmachen! Und… ähem… am besten solltest Du noch keinen Schlafanzug anhaben."
„Ich soll was nicht?" Nun war Emma doch ehrlich überrascht. Diese Bedingungen waren doch recht ungewöhnlich.
„Du wirst schon sehen, Emma. Halt Dich einfach dran." sagte ihre Tante geheimnisvoll und zwinkerte ihr zu. Dann ging sie durch den Raum und steuerte auf Emmas geöffnete Reisetasche zu, die Emma noch nicht ausgeräumt hatte, seitdem sie aus London zurückgekehrt war. Ganz oben auf lag der sechste Band von Harry Potter, den Emma noch einmal in Ruhe über die Weihnachtstage lesen wollte. Tante Lotti griff danach.
„Ah, der sechste Band. Hast Du ihn schon gelesen?"
Emma nickte.
„Trauriges Buch. Der arme Albus." Für einen Moment sah Tante Lotti ehrlich bekümmert aus, aber gleich darauf hatte sie ein Glitzern in den Augen.
„Und was meinst Du? Ist Snape unschuldig?"
Emma lächelte.
„Als Staatsanwalt würde ich sagen: Schuldig in allen Anklagepunkten, als Verteidiger würde ich auf Freispruch plädieren."
„Und was würdest Du als Richter machen?" Die Neugier stand Carlotta ins Gesicht geschrieben. Emma lachte.
„Als Richter? Nun ich denke, auf Grund der widersprüchlichen Verhaltensweisen von Snape und der Möglichkeit, dass er in Dumbledores Auftrag gehandelt hat… Ich schätze: Im Zweifel für den Angeklagten, nicht wahr?"
Tante Lotti nickte zufrieden. „Das ist die richtige Einstellung."
„Nun, wir müssen wohl noch über ein halbes Jahr warten, bis J.K. Rowling den siebten Band veröffentlicht hat. Kann die nicht schneller schreiben?" Emma seufzte. Wie der Rest der Welt wartete sie auf die Lösung des Rätsels um Harry Potter, Voldemort, Hermine, Ron und Snape.
Tante Lotti schüttelte nur den Kopf und lächelte verschwörerisch.
„Aber Emma… Sie kann es doch noch gar nicht fertig geschrieben haben, es ist doch noch längst nicht vorbei. Aber wir werden ihr ein wenig helfen"
Damit verschwand die alte Dame so leise wie sie gekommen war und ließ eine verwunderte Emma zurück, die sich überlegte, ob sich bei ihrer Großtante nicht doch langsam das Alter bemerkbar machte. Gerade wollte sie aus dem Raum gehen und die Tür schließen, als sie noch einmal einen Blick auf den Adventskalender warf. Perplex starrte Emma auf die Pappe, auf der das Schloss von Hogwarts abgebildet war. Sie hätte schwören können, dass eben noch kein Schnee auf den Dächern der Türme von Hogwarts gelegen war. Sie schüttelte den Kopf.
Tante Lotti hatte erreicht was sie wollte, Emma sah schon wieder Gespenster.
