Prolog
„Wie hast du das gemacht?!" Nancy zerrte mich hinter ihr her.
„Wie hab ich was gemacht?", jammerte ich. „Ich habe keine Ahnung was du meinst!"
Nancy griff noch fester zu. Mein Arm tat jetzt schon höllisch weh. Für eine neunjährige was sie ziemlich stark. Und ich mit meinen gerademal acht Jahren zu schwach.
Ich fing an zu weinen. „Was s-soll ich d-denn ge-getan ha-haben?", schluchzte ich.
„Na das hier!" Wütend griff Nancy in meine roten Haare. „Wie hast du es geschafft sie in einer Nacht wieder so lang zu kriegen?!"
Ich heulte auf vor Schmerz, als sie meinen Kopf nach hinten zerrte. Ich konnte mir selbst nicht erklären, wie meine Haare nachgewachsen waren.
Gestern hatte Nancy mir die Haare bis auf wenige Zentimeter abgeschnitten, weil sie es lustig fand. Sie terrorisierte alle Kinder hier im Waisenhaus, und es machte es
nicht besser, dass sie der Liebling von Direktorin Graymore war. Ich hatte es mit ihr am schlimmsten getroffen. Auf jeden Fall waren meine Haare heute Morgen wieder
schulterlang.
Und Nancy war wütend.
„Ich weiß es doch nicht! Lass mich los du tust mir weh!" Nun wurde ich auch auch wütend und versuchte Nancy wegzuschubsen. Mit einem spitzen Schrei sprang sie
zurück.
„Was machst du da?", kreischte sie.
„Was denn?" Zitternd zeigte sie auf meine Haare. Ich zog mir eine Strähne vor die Augen. Meine Haare waren pechschwarz! Verängstigt blickte ich Nancy an und
schüttelte den Kopf.
Die schrie auf: „Rot! Jetzte sind sie wieder rot!"
„Ich habe keine Ahnung wie ich es mache!", schrie ich zurück.
„Lilian! Nancy!" Direktorin Graymore rief uns. Nancy drehte sich um und lief ins Haus.
„Sie hat es schon wieder getan! Sie hat es getan, ich war dabei!"
„Nancy, Liebes sieh' mal, das ist Mr. Lupin. Er…", fing die Leiterin an, doch sie wurde unterbrochen: „Sie hat es getan!"
Schwer atmend kam auch ich an. „Ich hab es nicht mit absicht gemacht!"
Direktorin Graymore sah mich entgeistert an. „Du hast es wieder getan?"
„Verzeihung, aber was getan?", fragt Mr. Lupin, den ich jetzt erst bemerkte. Er war ein großer, schlanker Mann mit einer sehr angenehmen Stimme.
„Das muss sie nicht interessieren. Nur alberne Kinderspielereien…", wollte die Direktorin erklären, doch es klang nicht sehr überzeugend.
Also sagte Nancy: „Sie hat ihre Haarfarbe geändert! Eben waren sie schwarz!"
Ich dachte, dass Mr. Lupin, seine Frau – ebenfalls groß, jedoch etwas kräftig- und ihr Sohn Remus hätten geschockt sein müssen, doch er schmunzelte nur und sagte:
„Nun ja, das ist Interessant!" Er wechselte einen bedeutsamen Blick mit seiner Frau.
„Sie macht mir Angst!", sagte Nancy weinerlich.
„Schh ist ja schon gut…", Direktorin Graymore strich ihr beruhigend über den Kopf. „Jetzt ist es ja wahrscheinlich vorbei!"
„Wieso das denn?", harkte Nancy nach.
„Weil diese netten Leute dich vielleicht adoptieren werden!" Nancy strahlte.
Mr. Lupin räusperte sich: „Nun ja, wir würden gerne erst mit dieser jungen Dame hier sprechen." Er wies auf mich und lächelte mir zu.
„Oh, wissen Sie, Lilian hat schwere psychische Probleme…"
„Ich habe KEINE Probleme!", unterbrach ich sie.
„Halt den Mund!", fuhr sie mich an und holte zum Schlag aus.
„NEIN!", rief Mrs. Lupin, doch ihr Mann hatte mich schon außer Reichweite gebracht.
„Wenn sie nichts dagegen haben, Mrs. Graymore, dann geht mein Sohn Remus jetzt mit Lilian ihre Sachen packen. Wir werden sie adoptieren!"
