"Julia!"
Sein Blick fährt über ihre schmalen Schultern, über ihre langen blonden Haare, die sanft ihr Gesicht umrahmen und über ihre vollen, rosigen Lippen.

"Er war immer ein guter Junge. Höflich. Zurückhaltend. Intelligent - keine Frage."
"Als er kleiner war, hat er immer den Hund der Nachbarn ausgeführt und ging für die alte Dame gegenüber Mittwochs einkaufen. Als er älter wurde, mähte er für ein Glas Limonade und Kekse jedem den Rasen, der es wollte. In der Schule - nur einsen."

"Hey."
"Auf dem Nachhauseweg?"
Julia nickt und sieht ihn an. Ihre blauen Augen strahlen eine Wärme aus, die Max Blut in Wallung bringt. Er liebt sie. Schon immer. "Soll ich dich begleiten?"
Ihr Lächeln ist ansteckend und mit pochendem Herzen beobachtet er, wie ihre kleinen Grübchen sichtbar werden.

Unauffällig.
"Der Max? Ein lieber Junge! Er hat letztes Jahr angefangen sich im Tierheim zu engagieren. Angeblich hat er über fünfzig Hunde und Katzen weiter vermittelt, zum Teil ans andere Ende Deutschlands!"
Tierlieb. Freundlich. Keine Widerworte. Sehr erwachsen.

Es wird langsam dunkel. Der Wind bringt Julia zum Frösteln. Max sieht das und legt ihr seine Jacke um die Schultern. "Danke."
Ihre Wangen sind rot und Max lächelt sein Max-Lächeln. Erfrischend. Sein Arm legt sich ebenfalls um sie. Sanft.

"Eine Freundin hatte der Max noch nicht, nein. Er meint die Mädchen in seinem Alter interessieren ihn nicht! Zu kindisch sagt er!"
"Dieses Mädchen, Julia! Sie hat es ihm angetan, glaub ich. Wenn er sie sieht, funkeln seine Augen immer so schön!"

"Sollen wir noch einen kleinen Umweg gehen?", fragt Max und schaut zu Julia hinunter. Sie nickt und auf das Pochen seines Herzens lauschend biegt er auf den Weg in Richtung Park. Er findet es schön hier und um diese Uhrzeit sind meist nur ein zwei Jogger unterwegs. Ungestört.

"Mir war er schon immer ein bisschen unheimlich. Immer so perfekt. Als wir kleiner waren, hat er mir immer was von einem Lukas erzählt. Einem Freund. Als ich seine Mutter nach Lukas gefragt hab, war sie irritiert und meinte, dass sie keinen Lukas kenne."
"Wie alt wart ihr da?"
"Ich neun, er zehn."

"Es ist schön hier."
Max sieht, wie Julias Blick über den kleinen Teich huscht. Ein paar Enten schwimmen darauf. Er lächelt breiter. 'Sie ist schöner.' Max nickt leicht. Sie gehen weiter.

"Ein einziges Mal hat er einen Jungen verprügelt. Da waren wir vierzehn."
"Warum?"
"Wegen Julia. Jemand hatte schlecht über sie geredet. Dabei war er immer so ruhig… Wenn es Ärger gab, war er der der geschlichtet hat."
"Kannst du dir das erklären?"
"Er wollte niemandem sagen, woher der Umschwung kam."

"Julia...?"
Sie schaut zu ihm hoch, immer noch lächelnd. Als sich jedoch plötzlich seine Lippen auf ihre pressen, entgleisen ihr für einen Moment die Gesichtszüge. Ihre Hände stemmen sich gegen Max Brust. Max hört ihr Herz schlagen. 'Fester.'
Max drückt sie an sich.

"Wir hatten Angst. Ulf fand ihn einmal in seinem Zimmer, wie er auf dem Bett lag, völlig starr und sich mit jemandem unterhielt. Aber er war allein. Er war völlig allein, aber er stritt sich!"

'Halt sie fest.'
Julias Keuchen wird lauter, während sie spürt wie Max sie weiter nach hinten drückt. Die kleinen Äste der Büsche kratzen über ihre nackten Beine. Sie verheddert sich im Stoff ihres Rocks und stolpert rückwärts zurück. Max hält sie fest.
"N-Nicht...! M-Max!"
'Halt ihr den Mund zu.'

"Ein paar Freunde sagten, sie haben Julia mit Max nach Hause gehen sehen, da waren wir beruhigt. Wir dachten sie gingen spazieren."
"Sie haben die Polizei also nicht gerufen, als sie nachts noch immer nicht zu Hause war?"
"Sie ist so jung gewesen…und das zwischen ihr und Max etwas war, haben alle gemerkt, w-wir dachten…w-wir dachten..."

"Max...! Hnng..!"
Seine Finger legen sich auf ihren Mund, während seine andere Hand damit beschäftigt ist ihren Rock nach oben zu schieben. Er sieht die Angst in ihren Augen. 'Mach weiter.'
Er wollte nicht.
'Sie will es.'
Wollte sie nicht.
'Du willst sie.'
Er wollte sie.

"Wann haben sie die Polizei gerufen?"
"Max kam abends allein nach Hause. Wir dachten er hat Julia noch nach Hause gebracht, aber waren etwas unruhig, weil er so durcheinander wirkte."
"Durcheinander?"
"Er war kaum ansprechbar. Immer wieder rieb er sich die Stirn. Er wollte nicht sagen was passiert war."
"Und dann?"

"B-Bitte.."
Ihr leises Wimmern ließ einen Schauer durch seinen Körper rauschen. Alles in seinem Kopf schrie nein. ...Nein. Nicht alles.
'Siehst du?' Sie schluchzte, als er in sie eindrang. Er blieb stumm.

"Julias Mutter rief nochmal an und wollte wissen ob wir etwas Neues wüssten."
"Was passierte dann?"
"Wir versuchten mit Max zu reden."
"Weiter."
"Er saß allein im Zimmer und starrte die Wand an. Er flüsterte Dinge, wir konnten ihn nicht verstehen."

Es ist jetzt dunkel. Die Straßenlaterne am Weg ist orange. Max spürt, wie sein Körper zuckt. Spürt wie sie zittert. Angst.

"M-Mein Mann hat versucht mit ihm zu reden. Max reagierte nicht. Als wir ihn fragten ob etwas mit Julia passiert sei, begann er zu schreien. E-Er schrie wie am Spieß. H-Hörte n-nicht mehr a-auf und..."

Seine Finger legen sich fest um ihren Hals. Drücken zu und er spürt den Widerstand ihrer Luftröhre. Das leichte Knacken ist zu spüren. Sie röchelt leise. Sein Kopf schwirrt. Schwirrt. Schwirrt.

"Wir holten die Polizei. Die brachten ihn aufs Revier, ein Psychologe wurde dazu gezogen."
"Wie ging es weiter?"
"Max erzählte ständig etwas von einem Lukas."
"Wann fand man Julia?"
"Am nächsten Morgen."

Es hat begonnen zu regnen. Ihre blonden Haare wirken schmutzig. Ihre Hände sind zu Fäusten geballt. Noch immer schimmern Tränen in ihren Augen. Max sieht auf seine Hände und schluckt schwer.
'Du bist ein Monster.'
"Nein."
'Du bist ein dreckiges, perverses Monster.'
"NEIN!"

"Die Autopsie hat ergeben, dass Julia mehrfach vergewaltigt und dann erwürgt wurde, richtig."
"H-Hören sie auf...!"
"Psshh… Ja."
"Man brachte ihn in eine Nervenheilanstalt, oder?"
"Ja. Sicherheitsverwahrung. Schwere Schizophrenie."
"Ich verstehe. Danke für das Gespräch."

Die weißen Wände sind angenehm. Glatt. In der Raufasertapete hatte er sie immer gesehen. Ihr Gesicht. Ihre Hände. Jetzt sieht er sie nur noch, wenn es dunkel wird und im Zimmer Schatten sind. Er sieht sie nachts, wenn er träumt. Aber Lukas regelt das schon. Lukas hat es immer geregelt. Max schließt die Augen, spürt dem Morphium nach, dass quälend lähmend durch seinen Körper rauscht. Ruhe.