Chapter 1 – Überraschung

Ich trat aufs Gas. Warum musste ich ausgerechnet am letzten Schultag Geburtstag haben? Zu seinem Geburtstag sollte man doch feiern statt ein Zeugnis mit einer 4 in Sport und einer 5 in Mathe zu bekommen. Na ja was soll's? Jetzt sind wenigstens drei Monate Ferien. Das war wirklich toll an Jacksonville. So hohe Temperaturen im Sommer das man so lange Ferien hatte. Und Reneè würde mir die 4 bestimmt verzeihen. Was mit der 5 war daran dachte ich jetzt lieber nicht. Das würde wahrscheinlich sogar meine durchgeknallte, unbekümmerte Mutter erschüttern. Ich kam vor unserem kleinen gelben Haus an. Ich parkte den alten kleinen VW- Käfer hinter Phils Auto.

In der Küche standen meine Eltern, meine Tanten und Onkels und meine Großeltern mit einer riesigen Torte auf der eine große 18 zusehen war. Reneè umarmte mich und zeigte auf einen großen Geschenkstapel. Ich war platt. So viele Geschenke. Ich grinste:

„Nächstes Jahr werde ich noch mal achtzehn. Danke Mum." Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Oh nein. Jetzt sangen sie. Ich hatte die übermäßige Aufmerksamkeit zum Geburtstag schon immer gehasst aber da es mein achtzehnter war hatte ich mir vorgenommen fröhlich zu sein. Nicht ganz leicht an so einem Unglückstag. Zeugnisse, die ganze Familie und jetzt auch noch Gesang. Und jetzt sollte ich auch noch durch eine ganze Küche voller Leute gehen wenn ich schon ohne Hindernisse nicht über einen glatten Boden gehen konnte ohne zu stolpern.

„Magda!!!" Meine kleinen Cousinen rannten mir entgegen. Ich empfing sie mit offenen Armen und drückte sie kurz. Jetzt musste ich alle möglichen Leute umarmen und als ich mich nach Reneè umsah stand sie etwas abseits und beobachtete mich. Sah sie traurig aus oder bildete ich mir das ein?

„Los mach die Geschenke auf Magda." Riefen jetzt meine drei Cousins. Na gut. Wenn sie es unbedingt haben wollten. Ich begann auszupacken. Ein breites Lächeln breitete sich jetzt doch auf meinem Gesicht aus. Die meisten Geschenke waren Geld (insgesamt 3500$) aber es waren auch ein paar andere Dinge dabei: Ein Pager (so was hatte ich noch nie...), Karten für das letzte Red Hot Chili Pepers Konzert, und ein Auto (der Käfer gehörte Reneè). Ich bedankte mich bei allen und Schnitt im Wohnzimmer die Torte an.

Irgendwann fuhren auch die letzten Gäste nach Hause und ich und Mum begannen aufzuräumen. Ich fing an über sie nach zu grübeln. Sie war heute so still, war etwas vorgefallen? Auf Arbeit oder mit Dad? Phil packte oben seinen Koffer. In einer Stunde ging sein Flug nach Kalifornien. Er war Baseball Trainer und reiste mit seinem Team zur Landesmeisterschaft nach L.A.

„Zeigst du mir und Phil noch dein Zeugnis Magda?" fragte Reneè plötzlich. Sie sah wieder unbesorgt wie eh und je aus.

„Ja klar." Ich reichte es ihr.

„Eine 5?" was hab ich gesagt? Das schockte sogar Mum. „Wie hast du dir die denn eingehandelt?"

„Du weißt doch das ich im Winter fast einen Monat wegen diesem Virus nicht in der Schule war. Da habe ich viel verpasst und du weißt ja, Mathe war noch nie meine stärke." Besser nicht erwähnen das die eigentliche fünf vom lesen im Unterricht kam...

„Ach ja natürlich. Phil schau dir mal das Zeugnis an." Zu der 4 in Sport sagte sie nichts. Das war für mich eine regelrechte Leistung.

Ich fuhr Dad in meinem neuen Auto zum Flughafen. Ein hübscher kleiner Mini. Er war erstklassig und super niedlich. (Ich weiß man um schreibt ein Auto für gewöhnlich nicht mit „niedlich" aber zu einem Mini fällt mir das Wort einfach zuerst ein.)

Als sich Dad vor der Sicherheitskontrolle von uns verabschiedete schied die Möglichkeit das er und Reneè Zoff gehabt hätten für mich aus. Die beiden waren nicht mehr die jüngsten, Reneè war achtunddreißig als sie mich bekam, aber manchmal dachte ich sie währen noch zwanzig und frisch verliebt.

Als sie sich voneinander lösten schloss Dad mich in die Arme und sagte:

„Pass gut auf deine Mutter auf kleines. Und über deine 5 reden wir wenn ich wieder da bin." Er zwinkerte mir zu und ging dann zur Schlange am Sicherheitsscheck.

Kurz vor dem Auto stolperte ich über eine Tasche die auf dem Gehweg stand. Typisch. Mum sah mich an dabei als würde sie mich gar nicht richtig sehen. Auf der Heimfahrt sah ich plötzlich Tränen in ihren Augen glitzern.

„Mum was ist?" fragte ich.

„Nichts was soll sein?" fragte sie und versuchte vergeblich die Tränen vor mir zu verstecken. Ich hielt vor unserem Haus.

„Den ganzen Tag schleichst du schon so niedergeschlagen herum. Es ist irgendetwas." Sagte ich.

„Ach Magda. Ich habe mir doch geschworen es dir zu deinem achtzehnten zu erzählen. Aber es ist so schwer." Und mehr zu sich selbst fügte sie hinzu: „Es war doch ihr letzter..."

„Was ist schwer Mum. Lass dir Zeit." Ich nahm ihre Hand ich hatte den Eindruck das es etwas sehr wichtiges war.

„Magdalena Marie weißt du das du nicht meine erste Tochter bist?" sie sah mich traurig an.

„Nein..." hauchte ich. Wie konnte das sein? Wo war die andere?

„Als ich zwanzig war lernte ich einen Mann kennen. Charlie. Es war sein Lächeln das mich verzauberte. Nach einem halben Jahr heiratete ich ihn. Es war, um sich so auszudrücken, der Todeskuss. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon schwanger von ihm. Isabella Marie Swan wurde geboren. Als sie anderthalb war verließ ich ihren Vater und nahm sie mit. Wir haben allein in Phoenix gelebt bis ich nach sechzehn Jahren Phil traf. Damals spielte er selbst noch Baseball. Wenn er Auswärtsspiele hatte, was oft war, blieb ich bei ihr in Phoenix. Sie spürte das ich lieber mit ihm gereist wäre und beschloss zu ihrem Vater nach Forks zu ziehen. Sie sagte es würde ihr nichts aus machen aber ich wusste das sie log. Sie hasste Forks. Genauso wie ich. Aber sie ging. Das war im Januar. Der achtzehnte. Im Frühjahr tauchte sie auf einmal wieder in Phoenix auf. Ich fand sie im Krankenhaus vor. Man erzählte mir eine haarsträubende Geschichte über die Umstände. Bei ihr war ein Junge. Ihr Freund. Er war unglaublich schön. Normalerweise würde ich einen Mann nicht mit diesem Wort umschreiben aber auf ihn war es das einzige passende.

Sie kehrte wieder nach Forks zurück. Zu ihrem Vater und zu ihrem Freund. In diesem Sommer zog ich mit Phil hierher. Wir schrieben uns e- Mails. Zwei Tage nach ihrem Geburtstag hörte ich plötzlich nichts mehr von ihr. Dann rief mich Charlie an. Eine Woche später. Es sei etwas passiert ich müsse sie abholen kommen er wisse nicht weiter. Also flog ich nach Washington. Charlie holte mich in Port Angeles vom Flughafen ab und erzählte mir auf der Fahrt folgendes: Bellas Freund, Edward, hatte sie verlassen. Sie hatte sich seit einer Woche nicht bewegt, nicht gegessen und nicht gesprochen. Er hoffte wenn ich sie mit nehmen würde dorthin wo sie nichts an ihn erinnerte würde sie sich erholen aber als wir in ihrem Zimmer anfingen ihre Sachen zu packen rastete sie vollkommen aus. Sie schrie wir könnten sie nicht zwingen und begann irgendwann zu weinen. Also fuhr ich wieder zurück. In den nächsten Monaten bekam ich auf meine Mails nur oberflächliche oder gar keine Antworten. Irgendwann wurden ihre Mails wieder lebhafter und ab Frühjahr wurde sie sogar wieder fröhlich und schrieb sie wolle mich besuchen kommen. In den Sommerferien kamen sie und Edward tatsächlich hierher. Ich war schwanger mit dir aber sie wusste es nicht. Sie war verlobt. Nun ich habe ziemlich deutliche Ansichten zum Thema Heiraten unter dreißig geschweige denn zwanzig. Aber ich schimpfte nicht. Ich vertraute ihr. Nach einer Woche flogen die beiden zurück. Ich sah sie nie wieder. Sie bekam einen Platz auf einem College in Juans und fuhr am Ende der Sommerferien nach Alaska. Auf den vereisten Highways verunglückte sie mit zwei Freundinnen die das selbe College besuchen sollten...

Sie war erst achtzehn. Ich dachte ich würde es nicht überleben. Ich wollte sie zurück haben. Erst wollte ich dich nach ihr benennen aber es kam mir falsch vor mir einfach eine neue Bella zu schaffen. Deshalb gab ich dir einen Namen in Anlehnung an ihren. Isabella Marie und Magdalena Marie. »

Das alles erzählte sie mir während wir im dunklen, kleinen Auto saßen. Beim sprechen liefen ihr Tränen über die Wangen. Ich hatte sie nicht einmal unterbrochen. Ihre Geschichte hatte eine starke Wirkung auf mich. Nicht nur das ich meine Familie bis eben für ganz langweilig und unaufregend gehalten habe, sondern auch das ich auf einmal eine ganze Reihe von Gefühlen für diese unbekannte Schwester hatte. Zu erst war da Wut. Wut über das was sie meiner Mutter angetan hatte, dabei konnte sie nichts dafür das sie gestorben war. Die zweite Emotion war Sehnsucht. Sehnsucht nach einer Schwester die ich mir immer gewünscht hatte. Auch wenn die vorzugsweise nicht achtzehn sondern nur vier Jahre älter als ich gewesen wäre.

„Mum das ist so... traurig." Sagte ich. Ja traurig war das richtige Wort.

„Du weißt gar nicht wie ähnlich du ihr bist." Schniefte Reneè. Ich nahm sie in den Arm. „Sie hat Mathe auch gehasst und sie hatte immer 4en und 5en in Sport. Ihre Haare waren anders aber sie hatte dieselben Augen. Und ihr seid beide so was von tollpatschig." Sie lächelte traurig.

„Hast du Fotos von ihr?" fragte ich vorsichtig.

„Nur wenige. Ihr Fotoalbum liegt in Forks auf ihrem Bett. Aber ich habe Fotos die sie mir geschickt hat. Auf ein paar davon ist sie drauf. Komm." Jetzt klang sie wieder gefasst und durchgeknallt. Aber immer noch traurig. Wie hatte ich sie jemals für unbekümmert halten können?

Wir gingen die Treppe hinauf zu ihrem „Spielzimmer". Dort übte sie ihre immer mal kurzfristigen Affären mit Yoga, Klavier, Literatur oder Tanzen aus. Entsprechend vollgestopft mit einem Sammelsurium von Dingen war das Zimmer. Auf einer kleinen Kommode stand eine kleine Galerie von Bildern. Ein Mädchen als Baby daneben ich als Baby, das selbe Mädchen zur Schuleinführung daneben ich zur Schuleinführung, es gab Bilder von uns beiden im Auto, als wir grade unseren Führerschein gemacht hatten, und von verschiedenen Geburtstagen.

Das Mädchen, Bella, meine Schwester, war ziemlich hübsch. Sie hatte tatsächlich dieselben Augen wie ich, laut Reneè Oma Maries Augen, aber ihre Haare waren anders. Es war das selbe Haar das der Mann hatte der auf einem der Bilder war. Vermutlich Charlie. Auf dem ältesten der da stehenden Bilder war sie vielleicht sechzehn.

„Sie ist sehr hübsch Mum." Flüsterte ich.

„Ja. Ich weiß" sagte sie. „Jetzt zeige ich dir die anderen Bilder." Ich konnte nur bewundern wie gefasst sie war. Schließlich sprach sie von ihrer toten Tochter...

Sie zog einen dicken Briefumschlag aus einem Schubfach der Kommode. Den Brief legte sie unbeachtet bei Seite und zog einen Stapel Fotos heraus.

„Hier, das ist ihr Freund. Zu ihrem Geburtstag war das." Sie gab mir das erste Foto. Ein Junge, vielleicht siebzehn oder achtzehn, lächelte zu mir hoch. Ich wusste sofort was Reneè gemeint hatte als sie sagte er sei „schön". Sein Haar war bronzefarben und stand leicht wirr vom Kopf ab. Seine Haut war unnatürlich weiß und unter seinen Augen lagen leichte lila Schatten. Seine Augen an sich sahen aus wie flüssiges Gold. Er hatte ein schiefes Lächeln im Gesicht und ich hätte gewettet was es Bella gewesen war die das Bild gemacht hatte.

„Ihr Auto, ihr Zimmer." Kommentierte Reneè die beiden nächsten Bilder. Ich warf nur einen flüchtigen Blick auf die anderen Fotos. Es folgten welche von einer Küche, die Vorderfront eines Hauses, ein Garten und noch ein paar andere. Dann kam ein Foto von Charlie und Edward. Beide hatten den Blick starr auf den Fernseher gerichtet. Irgendetwas an Edward sah anders aus als auf dem Foto mit dem schiefen Lächeln.

„Das ist sie mit Charlie." Sagte Reneè und hielt mir ein anderes Bild hin. Man sah deutlich das sie seine Tochter war auch wenn sie fast gänzlich Mums Gesicht hatte.

„Und das ist sie mit Edward." Sie sah stirnrunzelnd auf das Bild bevor sie es mir übergab. Ein Blick auf das Bild erklärte mir ihr verhalten. Die beiden standen extrem seltsam nebeneinander sie hatte einen Arm um ihn geschlungen und er hatte nur eine Hand auf ihrer Schulter liegen. Beider Lächeln war deutlich aufgesetzt und oberflächlich. Auch ich zog die Stirn kraus. Was sollte man dazu sagen? Es war ein seltsames Bild.

„Was ist mit den anderen Bildern?" fragte ich als Reneè sie zurück in den Briefumschlag stecken wollte.

„Das sind nur Bilder aus einer Fotoschlacht ihrer anderen Freunde. Solche Bilder hast du auch zu Tausenden." Sie steckte langsam alle Bilder zurück in ihrem Umschlag und legte den Brief dazu. „Komm." sagte sie dann „Wir schauen uns Casablanca an."