Frozen in Time
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by CarpeDiem
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Celebrating 4 Lifetimes
Die schwarze Limousine schlängelte sich langsam aber zielstrebig durch das nächtliche Los Angeles' Verkehrsaufkommen. Trotz der Dunkelheit war die Straße hell erleuchtet, was den unzähligen Scheinwerfen und Rücklichtern der Autos, die versuchten auf der breiten Straße voranzukommen, zuzuschreiben war. Die schwarze Limousine bahnte sich ihren Weg im Schein der Straßenlaternen und Leuchtreklamen an den Fassaden der hohen Häuser, bis sie den rechten Fahrbahnrand erreicht hatte und inmitten mehrerer identischer Limousinen und mehrerer gelber Taxis anhielt.
Ein roter Teppich führte über den Gehweg bis zu den geöffneten Türen eines barocken, weißen Gebäudes, das von dutzenden Scheinwerfern unterhalb der aufwendig verzierten Fenster in weißes Licht getaucht wurde.
Die Türen der Limousine blieben geschlossen, wahrend in einem ständigen Strom aus Fahrzeugen unaufhörlich Autos vor dem Gebäude hielten, um ihre Fahrgäste aussteigen zu lassen. Die Menschen, die das Gebäude durch die großen Glastüren betraten, glichen sich alle in einem nicht zu übersehende, aber entscheidenden Merkmal, das jeder einzelne von ihnen mit den kostspieligen Anzügen und den teuren Diamanten, die um die Hälse ihrer Begleiterinnen lagen, zur Schau stellte. Sie alle hatten Geld, und das in ausreichendem Maße für zwei Leben.
Im nächsten Moment öffnete sich die hintere Tür der schwarzen Limousine und ein Mann in einem schwarzen Anzug und einem eleganten schwarzem Hemd trat auf den Gehweg. Er öffnete die Tür soweit es die Scharniere zuließen und beeilte sich dann der Frau im Inneren des Wagens seine Hand zu reichen, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Die Frau, der ihre blonden Haare offen um die Schultern fielen, erwiderte diese Geste mit einem liebevollen Lächeln auf den zart rosa geschminkten Lippen, während sie die Absätze ihrer hohen schwarzen Sandaletten auf den roten Teppich setzte.
Ihr Begleiter schloss hinter ihr die Tür der Limousine, die einen Moment darauf wieder abfuhr, und reichte der Frau seinen Arm, um sie über den Teppich zu den Türen des Gebäudes zu führen. Sie betraten die Eingangshalle, die beinahe vollständig aus weißem Marmor bestand und gingen auf eine junge Frau in einem Trägerlosen, schwarzen Abendkleid zu, die hinter einem Pult stand. Aus dem Inneren des Gebäudes drang leise Geigenmusik und das Geräusch von Stimmen einer großen Gesellschaft.
„Die Namen bitte."
„Mick St. John in Begleitung von Beth Turner", antwortete Mick und die Frau senkte ihren Blick, um die Namen mit der Gästeliste auf ihrem Pult abzugleichen. Als sie die Namen gefunden und mit ihrem silbernen Kugelschreiber markiert hatte, hab sie den Kopf wieder und bedankte sich bei Mick mit einem Lächeln, bevor sie ihm und Beth einen schönen Abend wünschte.
Die beiden gingen durch die Menschen in der Eingangshalle bis hinein in einen großen Saal in dem um eine ausladende Tanzfläche herum unzählige runde, weiße Tische aufgestellt waren. Kellner in weißen Anzügen und mit silbernen Tabletts voller Champagnergläsern und Häppchen bewegten sich eilig durch die Menschenmengen und bedienten die Gäste an den Tischen. Im hinteren Teil des Saales spielte auf einer erhöhten Bühne ein Streichorchester und mehrere Paare bewegten sich bereits zu den gemessenen Klängen auf der Tanzfläche. Die Damen in ihren bunten und auffälligen Abendkleidern, deren Pailletten und Diamantenverzierungen im Licht der imposanten Kronleuchter an der Decke funkelten, glichen zwischen den weißen und schwarzen Anzügen bunten Farbtupfern.
Mick und Beth machten sich in langsamen Schritten auf den Weg durch den Saal, ohne ein bestimmtes Ziel, und hin und wieder entdeckten sie unter den Gästen ein bekanntes Gesicht. Ein Kellner, der die Neuankömmlinge bemerkt hatte, eilte zu ihnen hinüber, und Beth nahm das ihr angebotene Glas Champagner dankend an, während Mick höflich ablehnte.
„Unser wievieltes offizielles Date ist das jetzt eigentlich?", fragte Beth nachdenklich, bevor sie einen Schluck Champagner trank und danach das Glas anerkennend musterte. Sie erkannte einen 5000$ Champagner, wenn sie ihn trank, denn dieser Tropfen war mit keinem Champagner zu vergleichen, den sie jemals zuvor getrunken hatte. Das musste man Josef lassen, er wusste wie man seine Gäste bei Laune hielt.
„Das fünfte", antwortete Mick, ohne auch nur einen kurzen Moment zu überlegen. Jedes ihrer Dates bei dem weder eine Leiche, noch Schusswaffen, noch ein psychopatischer Serienkiller - sei er menschlich oder ein Vampir - involviert waren, behielt er sich in kostbarer Erinnerung.
Beth bedachte Mick mit einem sarkastischen Lächeln. „Kaum zu glauben, dass wir bereits seit über einem halben Jahr miteinander ausgehen."
Mick grinste schief, aber auch er war nicht umhin gekommen zu bemerken, dass sie das Pech zu haben schienen immer gerade dort aufzutauchen wo ein Verbrechen verübt wurde. Allmählich begannen diese Launen des Schicksals lästig zu werden. Bevor er jedoch dazu kam etwa zu entgegnen, sah er wie sein bester Freund, der gleichzeitig der Mann des heutigen Abends war, auf sie zukam.
„Mick, Beth, das seid ihr ja", begrüßte Josef die beiden mit einer einladenden Geste, während er ihnen entgegen ging und dann vor den beiden stehen blieb. „Ich hatte schon den Verdacht, der Fahrer meiner Limousine könnte ein internationaler Terrorist sein, der beschlossen hat euch für ein nettes Sümmchen Lösegeld zu entführen", mutmaßte er mit verschwörerisch gesenkter Stimme und grinste dabei.
Mick warf seinem Freund einen geringschätzigen Blick zu. Josef wusste ganz genau, dass seine Beziehung zu Beth hinsichtlich Verabredungen scheinbar unter keinem guten Stern stand, und er konnte es auch heute nicht lassen sich darüber lustig zu machen. Wirklich verärgert war Mick jedoch nicht, denn zum einen wusste er ganz genau, dass dieser Kommentar lange nicht so scharf gemeint war, wie er sich anhörte, und zum anderen war es nun einmal Josef Kostans ganz spezielle Art der Welt um ihn herum zu begegnen. Und irgendetwas daran musste richtig sein, denn immerhin war er schon sehr lange auf dieser Welt.
Beth jedoch lachte angesichts dieses Kommentars und setzte dann zu einer spitzen Erwiderung an. „Wir haben es geschafft ihn zu überwältigen. Aber du hättest uns ruhig warnen können."
Josefs Grinsen wurde eine Spur verschlagener, als es das ohnehin schon immer war und innerlich rieb er sich die Hände. Er liebte es seine Spielchen mit den Leuten zu treiben, aber ganz besonders viel Spaß machte es ihm, wenn jemand bereit war sich auf einen kleinen Schlagabtausch einzulassen, was leider viel seltener der Fall war, als er es sich wünschen würde. Mick hatte für so etwas einfach zu wenig Humor. Seine kleine menschliche Freundin hingegen erwies sich auch heute wieder als erfrischend scharfzüngig.
„Und euch die ganze Überraschung verderben, wenn sich mein Verdacht bestätigt hätte? Nein, das wäre nicht die feine Art gewesen."
Wieder lachte Beth leise, und Josef gefiel dieses Geräusch ausgesprochen gut. Wenn sie nicht die Freundin seines besten - und nebenbei bemerkt einzigen - Freundes wäre, würde er ernsthaft in Betracht ziehen mit ihr auszugehen. Und das obwohl sie ein Mensch war. Mick wusste das, aber es störte ihn nicht sonderlich, da Josef potentiell mit jeder Frau ausgehen würde, die ein gewisses Maß an Attraktivität besaß.
„Nein, natürlich nicht. Und auf keinen Fall wollen wir, dass du dich änderst", versicherte Mick ihm einem breiten Grinsen, bevor er Josef in eine lockere Umarmung zog und ihm mit einer freundschaftlichen Geste auf den Rücken klopfte.
„Alles Gute zum Geburtstag, Josef."
Nachdem Mick seinem besten Freund gratuliert hatte, war Beth an der Reihe. Sie gab Mick ihr Champagnerglas und umarmte Josef herzlich, wobei sie ihm außerdem einen Kuss auf die Wange gab.
„Happy Birthday Josef."
„Danke Beth, Mick", erwiderte Josef und nickte seinem Freund kurz zu. „Schon komisch wie die Zeit vergeht. Als ich 310 wurde ist William Howard Taft gerade unser 27. Präsident geworden. Das war 1909. Langsam glaube ich wirklich ich werde alt."
„Du siehst keinen Tag älter aus als 250", scherzte Beth und Josef grinste.
„Wie überaus reizend von dir, danke. Und wo wir gerade dabei sind, du siehst in diesem Kleid einfach bezaubernd aus. Derjenige, der es dir geschenkt hat, verfügte über einem exzellenten Geschmack."
Beth lächelte geschmeichelt, während sie geistesabwesend mit ihrer freien Hand über den weichen rotvioletten Stoff strich. Das Kleid war oben eng geschnitten und das gerade Oberteil das von zwei dünnen Trägern über ihren Schultern gehalten wurde, war vorne mit rechteckigen weißen und schwarzen Steinen besetzt. Der untere Teil des Kleides war gerade geschnitten und schmiegte sich so perfekt an Beths Rundungen, das beinahe nichts der Vorstellungskraft überlassen wurde. Der schwere, elastische Stoff fiel in gleichmäßigen vertikalen Falten gerade bis zum Boden und folgte jeder von Beths Bewegungen fließend.
„Das Kleid ist von dir Josef. Hast du das etwa schon vergessen?"
„Wie könnte ich? Als ich es gesehen habe, wusste ich sofort, dass du darin einfach umwerfend aussehen würdest. Und den Blicken nach zu urteilen mit denen Mick dich schon die ganze Zeit ansieht, hat es offensichtlich genau den von mir beabsichtigten Effekt."
Mick wendete angesichts dieser Anschuldigung und Josefs zweideutigem Grinsen eilig seinen Blick von Beth ab. Beth lächelte verlegen, und als Josef sah wie ihr die Röte in die Wangen stieg, wurde sein Grinsen noch um einiges schiefer. Wie er es liebte Micks kleine Freundin in Verlegenheit zu bringen. Beth versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen indem sie sich zum tausendsten Mal bei Josef bedanke.
„Nochmal vielen Dank für das Kleid, es ist wundervoll. Aber es ist doch dein Geburtstag. Eigentlich sollten wir dir etwas schenken", beschwerte sie sich, doch Josef schüttelte den Kopf.
„Das hier ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung, wenn du jemandem etwas schenken willst, dann spende etwas. Mir Geschenke zu machen wäre vollkommen sinnlos. Es gibt nichts das ich mir wünsche und nicht bereits habe."
Beth lächelte als Antwort lediglich, ohne etwas zu erwidern. Sie konnte nicht umhin zu bemerken wie traurig und einsam diese Worte im Grunde waren, auch wenn Josef sie äußerst gut hinter einer vollkommen phrasenhaften Aussage versteckte, die wie ein unbeschwerter Scherz klang. Aber Beth wusste es besser und sie war sich sicher, dass auch Mick den Abgrund, der diesen Worten zu Grunde lag, erkannte, immerhin kannte er Josef schon viel länger als sie. Noch dazu wusste Beth, dass diese Worte einen Lüge waren. Es gab etwas, das Josef sich mehr als alles andere auf der Welt wünschte: Dass Sarah Whitley durch irgendein Wunder aus ihrem Koma erwachen würde und wieder bei ihm wäre. Doch diese eine Sache konnte man nicht mit Geld kaufen, denn sie lag allein in den Händen des Schicksals, und das verweigerte Josef diesen Wunsch seit bereits über 50 Jahren.
Beth spürte wie sich die vorher ausgelassene Stimmung schlagartig änderte und versuchte ein Thema zu finden, das weniger drückend war, denn sie wollte Josef an seinem Geburtstag nicht mit schmerzvollen Gedanken an Sarah belasten. Doch bevor sie fündig werden konnte, hörte sie wie jemand durch die Menge der Gäste hindurch Josefs Namen rief und einen Moment darauf sah sie wie eine Frau in einem langen und trägerlosen, königsblauen Kleid auf sie zukam. Beth erkannte die Frau sofort. Es war Simone, Josefs Anwältin, die ihn außerdem ihr Blut trinken ließ, und soweit Beth es von Mick wusste, ging Josef seit einiger Zeit mit ihr aus. Obwohl sie ein Mensch war, schien Josef es ernst mit ihr zu meinen, zumindest ernster, als er es seit langer Zeit mit irgendjemandem gemeint hatte. Doch auch wenn Beth diese Hintergrundinformationen nicht gehabt hätte, wäre ihr zweifellos aufgefallen, dass mehr zwischen Josef und Simone war, als nur das professionelle Verhältnis eines Klienten zu einer Anwältin. Außerdem glaubte Beth kaum, dass sich Simone von ihren Einkünften die Saphirohrringe und das dazu gehörige Collier, das um ihren Hals lag, leisten könnte.
Als Simone sie erreicht hatte, stellte sie sich neben Josef, der seinen Arm um ihre Hüfte legte und sie an sich zog.
„Da bist du ja. Ich habe dich gesucht", sagte Simone nicht im Mindesten anklagend, bevor sie sich an Josef lehnte und ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen gab.
„Nun, dann hast du mich ja jetzt gefunden", antwortete Josef mit einem Grinsen.
Beth fiel der Blick auf mit dem Josef Simone ansah, doch sie wusste nicht recht wie sie ihn einordnen sollte. Ein warmer Glanz trat in seine Augen, als sie sich an ihn lehnte, doch dieser Glanz war in keinster Weise mit dem strahlenden Ausdruck zu vergleichen, der in Simones Augen zu sehen war, als sie Josef anblickte.
„Der Bürgermeister ist ebenfalls auch der Suche nach dir. Ich habe ihm gesagt ich wüsste nicht wo du bist, was genau genommen nicht einmal gelogen war."
Simone lächelte amüsiert und strich sich eine Strähne ihrer langen braunen Haare, die ihr offen bis auf die Schultern fielen, hinters Ohr. Dabei klimperten die drei breiten, silbernen Armreifen an ihrem Handgelenk und als sie während der Bewegung verrutschten, konnte Beth die beiden runden Bisswunden an der Innenseite ihres Armes erkennen.
Josef schien mit der Ausflucht, die der Bürgermeister von Simone erhalten hatte, ausgesprochen zufrieden zu sein und grinste.
„Simone, du erinnerst dich bestimmt noch an Mick und seine Freundin Beth", stellte Josef vor und betonte dabei das Wort Freundin so bewusst, dass er Mick etwas verlegen lächelte, als er Simone die Hand reichte.
„Ja, natürlich", antwortete Simone. „Hallo Mick. Beth, schön Sie wieder zu sehen. Ich habe gehört Sie arbeiten jetzt als zivile Ermittlerin."
„Ja, das ist richtig", bestätigte Beth, als sie Simone die Hand schüttelte. „Nachdem ich bei Buzzwire gekündigt hatte, kam mir das Angebot von Staatsanwalt Talbot sehr gelegen."
„Das kann ich verstehen. Und ob Sie es mir glauben oder nicht, ich halte Benjamin Talbot für einen sehr fähigen Mann", versicherte Simone mit einem herzlichen Lächeln, das einen nicht an der Aufrichtigkeit dieser Aussage zweifeln ließ.
„Ja, das ist er in der Tat."
Auch Mick hatte sehr wohl bemerkt mit welchen Blicken Josef Simone ansah und im Gegensatz zu Beth wusste er, was diese Blicke bedeuteten. Er kannte Josef und es sah ihm nicht ähnlich jemanden so nah an sich heranzulassen. Seit er ihn kannte, umgab sich Josef stets mit dutzenden schöner Frauen, aber sie alle waren für ihn nur ein Zeitvertreib, und noch dazu waren die meisten von ihnen seine Freshies. Mit Simone war es anders, das sah Mick seinem Freund deutlich an, und er wollte zu gerne wissen, wie weit Josef vorhatte seine Beziehung zu Simone noch zu vertiefen.
„Beth, warum gehst du dir nicht mit Simone am Buffet etwas zu essen holen, ich denke sie ist in dieser Beziehung eine angenehmere Gesellschaft als ich es bin", meinte Mick an Beth gewandt, die diesem Vorschlag ohne zu zögern zustimmte.
„Ja, in Ordnung, wir sehen und dann nachher."
„Versprich mir, dass du den Bürgermeister nicht vergisst", bat Simone und küsste Josef ein weiteres Mal, bevor sie mit Beth zusammen in Richtung Buffet ging.
Mick trat einen Schritt näher zu Josef, während sie beide Beth und Simone mit ihren Blicken folgten, bis sie schließlich in der Menge der Gäste verschwunden waren.
Einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, bis Mick das Wort ergriff. „Du meinst es also wirklich ernst mit Simone, nicht?"
Josef wandte seinen Blick von den Gästen ab und drehte den Kopf, um seinen Freund anzusehen. Ein schmales, amüsiertes Lächeln erschien auf Josefs Gesicht und dieses Lächeln gab seinem Freund nur allzu deutlich zu verstehen, dass er nicht vorhatte dieses Gespräch ernst zu nehmen.
„Sieht ganz so aus, oder nicht?", fragte er seinerseits ohne Mick eine Antwort zu geben.
Mick störte sich nicht an Josefs betont lockerer Art, denn er hatte nicht wirklich erwartet mit Josef Kostan ein ehrliches Gespräch über dessen Gefühle führen zu können. Wenn man über 400 Jahre alt war, dann musste man wohl notgedrungen Mauer um sich herum errichten, um überleben zu können.
„Hast du vor sie zu verwandeln?", fragte Mick deshalb und Josef tat so, als würde er eine Moment ernsthaft über diese Frage nachdenken, was er natürlich nicht tat.
„Ja, ich denke schon."
Diese Antwort überraschte Mick zugegebenermaßen. Er hätte nicht gedacht, dass Josef bereit wäre so weit zu gehen.
„Bist du dir da auch wirklich sicher?"
Josef zuckte beinahe gleichgültig mit den Schultern, während er seinen Blick desinteressiert über die Gäste schweifen ließ. „Sie sagt sie will es."
Das glaubte Mick seinem Freund ohne Weiteres. Er hatte gesehen wir Simone Josef ansah und er war sich ziemlich sicher, dass sie bereit war alles für ihn zu tun. Selbst ihr eigenes Leben aufzugeben. Sie liebte ihn und das reichte ihr um für ihn in den Tod zu gehen. Bei Josef war sich Mick in diese Beziehung jedoch nicht sicher.
„Liebst du sie?"
Josef drehte den Kopf und sah seinem Freund eine Moment lang in die Augen, bevor er antwortete. „Das muss ich wohl, sonst würde ich nicht in Betracht ziehen sie zu verwandeln, oder?", erwiderte er ausweichend, doch Mick dachte nicht daran es ihm so einfach zu machen.
„Sag du es mir", forderte er.
Für einen Moment sah es so aus, als würde Mick seine Antwort bekommen und er konnte sehen wie ein nachdenklicher Blick in Josefs Augen trat, doch nachdem sein Freund das nächste Mal geblinzelt hatte, war dieser Ausdruck wieder verschwunden.
„Ich denke wir haben genug über Simone und mich geredet", entschied er. „Wie steht es mit dir und Beth? Habt ihr schon... Na du weist schon", fragte Josef mit einem schiefen Grinsen auf dem Gesicht.
„Josef, das geht dich nicht das Geringste an", informierte Mick ihn betont freundlich, doch innerlich schalt er sich einen Idioten. Was hatte er erwartet? Eine Antwort? Er hatte Josef in die Ecke gedrängt und die logische Konsequenz war, dass er sich nun selbst in der Defensive wiederfand.
Josefs Grinsen wurde breiter. „Also nicht", schlussfolgerte er genüsslich. „Warum nur wusste ich das? Allmählich glaube ich wirklich dein Vater hat dir nicht erklärt wie es geht. Obwohl, bei Coraline musst du ja irgendetwas richtig gemacht haben, immerhin hat sie dich geheiratet."
„Josef lass es, ok?", verlangte Mick und hob zur Bekräftigung seiner Worte abwehrend die Hände.
Josef grinste unschuldig. „Man wird doch wohl noch fragen dürfen."
„Fragen darf man, aber das heißt nicht, dass man auch eine Antwort bekommt", belehrte ihn Mick und hoffte dabei inständig, dass Josef ihn nun in Ruhe ließ. Doch er wusste bereits, dass er nicht so viel Glück haben würde. Josef würde das Thema nicht fallen lassen, ohne eine Antwort von ihm erhalten zu haben und das machte der Blick, den ihm sein Freund zuwarf, nur allzu deutlich bewusste. Um sich nicht auf einen endlosen Kampf, den er sowieso verlieren würde, einzulassen, gab er ihm seine Antwort.
„Beth und ich sind noch nicht soweit."
„Ach ihr seid noch nicht soweit", wiederholte Josef und seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Und wann glaubst du werdet ihr soweit sein? In hundert Jahren? Mick, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, Beth ist ein Mensch, mag sein, dass du solange warten kannst, aber sie kann es nicht."
„Josef, das weiß ich alles ok?", stellte Mick verärgert klar. „Wir kriegen das hin, es ist nur… kompliziert."
Er wusste selbst, dass Beth nicht ewig auf ihn warten könnte, und selbst wenn sie es könnte, sie hatte ihm bereits zu verstehen gegeben, dass sie es nicht tun würde. Es war nun einmal alles verflucht kompliziert, und er braucht niemanden, der ihn daran erinnerte.
Josef lächelte schmal und es war ein wehmütiges Lächeln. „Wem sagst du das."
Einen Moment sagte keiner der beiden etwas, während Josefs Worte noch immer zwischen ihnen nachklangen.
„Wie sind wir eigentlich von einem Gespräch über Simone und dich zu Beth und mir gekommen?", fragte Mick einen Augenblick darauf milde verwundert, denn er konnte kaum glauben, dass es Josef so einfach gelungen war das Thema zu wechseln.
„Tja du hast eben nicht aufgepasst", antwortete Josef mit einem gemeinen Grinsen und Mick verdrehte die Augen. Doch dann wurde er wieder ernst und er glaubte dieses Mal eine Antwort auf seine Frage zu erhalten. Und er wurde nicht enttäuscht.
„Liebst du Simone?"
„Ja", antwortete Josef leise und hob den Blick um Mick in die Augen zu sehen. Er sagte die Wahrheit, auch wenn es ihm selbst schwer fiel sie zu akzeptieren.
„Liebst du sie so wie du…"
„Wie ich Sarah geliebt habe?!", unterbrach Josef Micks vorsichtige Frage mit schonungsloser Offenheit. Er blickte ihm geradewegs in die Augen und Mick konnte den Schmerz sehen, den diese Frage in Josef auslöste.
„Ich weiß es nicht", antwortete er einen langen Moment darauf vollkommen tonlos. „Und ich will es auch gar nicht wissen."
Für einen Augenblick herrschte Stille zwischen ihnen und Mick war sich ziemlich sicher mit seiner Frage zu weit gegangen zu sein. Doch anstatt das Gespräch auf der Stelle zu beenden, blieb Josef neben ihm stehen und sprach schließlich weiter.
„Woher eigentlich das plötzliche Interesse an mir und Simone? Es hat dich doch früher nicht interessiert mit wem ich mir die Zeit vertrieben habe."
Mick zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Früher hat es auch nie nach etwas ernstem ausgesehen, was es jetzt mit Simone ganz offen gesagt tut, wenn du mit dem Gedanken spielst sie zu verwandeln."
Josefs Blick wanderte wieder ziellos durch den Saal, während er die Hände in die Taschen seiner schwarzen Anzugshose schob.
„Dinge ändern sich", antwortete er leise.
„Ja, aber ich dachte nicht, dass du…"
„Dass ich was, Mick? Was?", fragte Josef lauter als beabsichtigt und einige der umstehenden Gäste drehten kurz den Kopf, was Josef dazu veranlasste näher an Mick heranzutreten und seine Stimme zu senken, bis nur Mick seine nächsten Worte hören konnte. „Dass ich mich nach dem ganzen Gerede darüber, dass es zwischen den Menschen und uns nicht funktionieren kann ein zweites Mal auf eine Frau einlasse und auf die Idee komme sie zu verwandeln?! Es funktioniert nicht zwischen den Menschen und uns, Mick. Sarah ist der lebende - oder vielmehr der tote Beweis dafür, dass es nicht funktioniert. Aber das Leben muss weitergehen."
So wie Josef diese Worte aussprach, klangen sie genauso grausam wie sie es in Wirklichkeit auch waren. Für Vampire waren sie vermutlich noch um einiges grausamer, denn sie konnten Jahrhunderte überdauern und waren dabei den Launen des Schicksals permanent ausgeliefert.
Mick nickte nachdenklich. „Das stimmt, aber ich dachte nicht, dass du so einfach..."
„Glaub mir, Mick", versicherte Josef ihm tonlos und schüttelte mit zusammengebissenen Zähnen sachte den Kopf. „Es ist nicht einfach. Aber man kann gewisse Sachen nicht immer mit sich herumtragen, besonders nicht wenn man ewig lebt. Erinnerst du dich noch an die Geschichte mit den zwei Mönchen, die ich dir einmal erzählt habe? Ich habe gedacht nach 400 Jahren müsste ich gelernt haben wie man Dinge hinter sich lässt, aber anscheinend habe ich das nicht", meinte Josef bitter. „Ich glaube so etwas kann man nicht lernen, Mick."
„Damit hast du vermutlich recht", erwiderte Mick leise und in gewisser Weise hoffte er, dass sein Freund damit tatsächlich recht hatte. Vermutlich würde sich seine Einstellung bezüglich der Vergangenheit irgendwann ändern, spätestens dann, wenn er einmal so alt war wie Josef, aber noch hoffte er, dass er seine Vergangenheit nicht vergessen würde, denn obwohl sie manchmal schmerzvoll war, wollte er nicht, dass sein Gedächtnis einfach vergaß. Seine Vergangenheit war alles was er hatte, und auch wenn er manchmal nicht stolz auf sie war, so war es doch seine Vergangenheit und Stück seiner Identität, das er nicht verlieren wollte. Anstatt die Dinge loszulassen und zu vergessen, war es besser seinen Frieden mit diesen Dingen zu machen, auch wenn das manchmal alles andere als einfach war.
Josef sah Mick noch einen langen Moment mit diesem schwermütigen Ausdruck in den Augen an, der ihn um Jahre älter aussehen ließ. Manchmal konnte man wirklich vergessen, dass der vermeintlich junge Mann, der vor einem stand nicht 26, sondern 410 Jahre alt war, und in dieser Zeit mehr gesehen hatte, als man sich je vorstellen konnte.
Einem Augenblick darauf sah Mick jedoch wie sich Josefs Maske aus Unbeschwertheit und Scherzhaftigkeit wieder über seine Gesichtszüge legte.
„Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe noch andere Gäste um die ich mich kümmern muss", informierte Josef Mick schließlich und brachte dabei ein Lächeln zustande, das Mick nicht einmal ansatzweise gelingen wollte.
Ein paar Augenblicke darauf war Josef in der Menge verschwunden und Mick machte sich auf den Weg um Beth zu suchen.
tbc.
A/N: Wenn es euch gefallen hat, lasst mir doch bitte, bitte ein Review da! LG CarpeDiem
