Es herrscht vollkommene Stille.
Vor mir ragt hoch und schwarz, massig und schützend, das Schultor auf. Es ist Nacht, tiefste Nacht, weit nach Mitternacht. Nichts regt sich im Schloss, fast nichts.
Ich weiß genau, das dieses Schloss niemals ruht. Ein Ort mit so vielen Menschen kann nicht ruhen, auch in tiefster Nacht nicht. Hinter diesen dicken Mauern schlafen Schüler und Lehrer, eilen nackte Füße über den Boden und tappen verwegen, sich unendlich tapfer vorkommende Kinder durch die anheimelnde Dunkelheit. Das leise Rascheln der Lehrerroben, die während der Kontrollgänge über den Fußbogen rauschen ist das einzige Geräusch, das sie fürchten.
Sie fürchten andere Geräusche als wir, als ich. Sie fürchten die Schritte der Lehrer, kennen die Schritte genauestens. Jeder, der sieben Jahre lang während Tests und Aufsätzen, Aufgaben und Übungen ängstlich oder erwartend auf die Schritte des Lehrers gelauscht hat, weiß das. Jeder Lehrer schreitet anders im Klassenraum. Lehrerschritte, das Kratze der Feder über das Pergament, das Geräusch, mit dem über ein Schülerschicksal entschieden wird. Das sind die Geräusche, die in ihrem Leben die Hauptrolle spielen. Das Lachen ihrer Freunde, das Geräusch der erlösenden Schulglocke, das Knistern von Kaminfeuer, die Stimmen der Eltern.
Sie kennen soviel, und doch kennen sie nicht alles. Sie kennen nicht das Geräusch, mit dem ein Fluch einen Körper trifft. Sie wissen nicht um die hallende Dumpfe eines Körpers, der tot auf den Boden aufschlägt. Sie wissen nicht um die verzerrte Schrille einer Stimme, die einen tödlichen Spruch schreit, nicht um das Knistern der schwarzen Magie in der Luft. Sie wissen nicht, wie der letzte Atemzug eines Menschen klingt.
Um mich herum herrscht die Stille der Nacht. Kaum Vogelrufe, hin und wieder eine Eule. So still, das alles, was ich diese Nacht hörte wie verwischt erscheint. Hinter mir liegen alle diese Geräusche, aber sie sind vergangen, die Stille hat sie ausgelöscht, sie verschwommen und undeutlich gemacht, wie einen längst vergangenen Alptraum. Leise knarren die alten, verrosteten Angeln des Schultores, hallt das Geräusch des zufallenden Schlosses durch die unvollkommene Stille des Schlosses, als ich das Tor hinter mir schließe.
Draußen herrscht wieder vollkommene Stille.
-- S/Fayet 29.10.2003
Vor mir ragt hoch und schwarz, massig und schützend, das Schultor auf. Es ist Nacht, tiefste Nacht, weit nach Mitternacht. Nichts regt sich im Schloss, fast nichts.
Ich weiß genau, das dieses Schloss niemals ruht. Ein Ort mit so vielen Menschen kann nicht ruhen, auch in tiefster Nacht nicht. Hinter diesen dicken Mauern schlafen Schüler und Lehrer, eilen nackte Füße über den Boden und tappen verwegen, sich unendlich tapfer vorkommende Kinder durch die anheimelnde Dunkelheit. Das leise Rascheln der Lehrerroben, die während der Kontrollgänge über den Fußbogen rauschen ist das einzige Geräusch, das sie fürchten.
Sie fürchten andere Geräusche als wir, als ich. Sie fürchten die Schritte der Lehrer, kennen die Schritte genauestens. Jeder, der sieben Jahre lang während Tests und Aufsätzen, Aufgaben und Übungen ängstlich oder erwartend auf die Schritte des Lehrers gelauscht hat, weiß das. Jeder Lehrer schreitet anders im Klassenraum. Lehrerschritte, das Kratze der Feder über das Pergament, das Geräusch, mit dem über ein Schülerschicksal entschieden wird. Das sind die Geräusche, die in ihrem Leben die Hauptrolle spielen. Das Lachen ihrer Freunde, das Geräusch der erlösenden Schulglocke, das Knistern von Kaminfeuer, die Stimmen der Eltern.
Sie kennen soviel, und doch kennen sie nicht alles. Sie kennen nicht das Geräusch, mit dem ein Fluch einen Körper trifft. Sie wissen nicht um die hallende Dumpfe eines Körpers, der tot auf den Boden aufschlägt. Sie wissen nicht um die verzerrte Schrille einer Stimme, die einen tödlichen Spruch schreit, nicht um das Knistern der schwarzen Magie in der Luft. Sie wissen nicht, wie der letzte Atemzug eines Menschen klingt.
Um mich herum herrscht die Stille der Nacht. Kaum Vogelrufe, hin und wieder eine Eule. So still, das alles, was ich diese Nacht hörte wie verwischt erscheint. Hinter mir liegen alle diese Geräusche, aber sie sind vergangen, die Stille hat sie ausgelöscht, sie verschwommen und undeutlich gemacht, wie einen längst vergangenen Alptraum. Leise knarren die alten, verrosteten Angeln des Schultores, hallt das Geräusch des zufallenden Schlosses durch die unvollkommene Stille des Schlosses, als ich das Tor hinter mir schließe.
Draußen herrscht wieder vollkommene Stille.
-- S/Fayet 29.10.2003
