Achtung, Freunde der guten Unterhaltung, aufgemerkt! Loriot ist von uns gegangen, und das bedauern wir sehr. Doch noch ist nicht alles verloren in der deutschen Literatur, denn wenigstens wir sind noch immer da und erfreuen euch mit Qualität und Quantität. ;)
Und möge Letzteres nicht allzu mehr wiegen als Ersteres.
Darum seid willkommen zum Herbstkalender des Rudels.
Natürlich… Ihr ahnt es schon, so einfach ist es nicht mit uns: NATÜRLICH haben wir uns auch wieder etwas Besonderes einfallen lassen für euch.
Dieses Mal wird in unseren OS' immer mindestens ein selbst erschaffenes Gedicht dabei sein. Und manchmal, ja, manchmal besteht sogar der ganze Beitrag daraus.
Was sagt uns das?
Goethe fort, Schiller fort,
doch wir, wir sind an diesem Ort!
Oder, um es mit den Worten unserer Einpeitscherin irm63 (.net/u/1349400/) auszudrücken:
Wir sind bekanntlich nicht ganz dicht
Drum widmen wir uns dem Gedicht
Es sei der Storys Herzensstück
Ein Blick nach vorn oder zurück
Zum Herbst sollt passen der Beitrag
Und wer etwas verfassen mag
Der wähl ein Pairing oder nicht
Doch denke er an ein Gedicht.
Doch nun lasst euch von sasa nach Hogwarts entführen. sasa ist jemand ganz Besonderes, denn sie ist niemals allein.
Rübezahl begleitet sie auf Schritt und Tritt, und ob das gut oder schlecht ist, muss sie ganz allein entscheiden.
Tatsache ist jedoch, dass wir jedem, der einen Sinn für schrägen Humor hat, ihre Storys nur empfehlen können:
.de/u/sasa+ray
Das Rudel – Das Rudel – Das Rudel – Das Rudel – Das Rudel
Schwarze Bücher von sasa ray
Eine trügerische Stille lag über Hogwarts und seinen Ländereien. Es war spät am Abend, Nacht beinahe. Ende September. Der kühle Herbstwind strich durch das alte Gemäuer und kündigte schon den nahen Winter an. Der Mond schickte sein fahles Licht über die Dächer und Zinnen. Friedlich und still. Ruhe vor Sturm. Ein romantisches Gefühl drängte sich auf, wenn man es jedoch wertfrei betrachtete, dann war es mehr zugig als romantisch. Die Stille bleiern.
Severus Snape war tief in Gedanken versunken, während er durch die dunklen und einsamen Gänge lief. Diese nächtlichen Kontrollgänge waren eine willkommene Ausrede, nicht ruhelos im Bett zu liegen und doch keinen Schlaf zu finden, zu sehr in Gedanken, um ein Buch zu lesen, zu müde, um an irgendeinem neuen Trank zu forschen. Vertane Zeit. Hier draußen konnte er seinen trüben Gedanken nachhängen. Diesen Erinnerungen, wie alles gekommen war, wie es geschah. Wie er hier gelandet war, in Hogwarts als Lehrer und vor allem, warum. Immer wieder, warum. Wie anders alles hätte sein können. Es war wieder so wie vor zehn Jahren, als er eben angefangen hatte zu unterrichten. Atemlos. Die Erinnerungen. Die Schuld. Reue?
Natürlich war es zu erwarten gewesen, dass Harry Potter irgendwann diese Schule besuchen würde, natürlich.
Wo waren die letzten zehn Jahre geblieben? Die Zeit, in der er gedacht hatte, dass er etwas zur Ruhe gekommen wäre? Nun, aber wie sollte er auch zur Ruhe kommen, wenn ihm ständig diese Miniaturausgabe von James Potter verfolgte? Allein diese Haare, Quiddichheld. Ein Kind. Sich über Potter ärgern fühlte sich, bei allem Schmerz, den es verursachte, doch vertraut an und gut.
Lilys Augen, hatte Dumbledore gesagt. Mehrfach. Eindringlich.
Selbstverständlich würde Snape das Versprechen, das er gegeben hatte, nicht brechen. Niemals. Er würde Potter beschützen, vor was auch immer. So wie er sich in Zaubertränke anstellte, wahrscheinlich hauptsächlich vor sich selber.
Wobei Quirrell? Gut, er würde ihn nicht aus den Augen lassen. Beide nicht.
Was stellte Dumbledore sich bloß vor? Lilys Augen? Warum musste der alte Mann ihm das immer wieder unter die Nase reiben und was sollte es ändern? Dieses Balg hatte nichts mit Lily zu tun, hatte sie ja so gut wie gar nicht gekannt und schon überhaupt gar nichts mit ihm selber, diese Augen hin oder her. Mittelmäßig begabt. Dreist. Arrogant. Sich über Potter ärgern fühlte sich vertrauter, einfacher an als freundliche Gefühle, wozu? Wärme, Sicherheit. Ein Versprechen. Pflicht. Sonst nichts.
Wie schon so oft kam er in einem der Gänge im dritten Stock zur Ruhe. Die gotischen Fenster boten einen weiten Ausblick über den Verbotenen Wald. Im blassen Mondlicht kreisten Thestrale.
Snape saß gern dort in der Fensternische, genau gegenüber vom Bild von Rübezahl dem Verschrobenen. Ein kleiner, rothaariger Zauberer mit Bierbauch und ungepflegter, schmutziger Muggelkleidung.
Rübezahl stand bis zum Hintern in einem großen Haufen Laub und guckte dumm aus der Wäsche. Meistens bewegte er sich nicht und sprach auch nicht und ging einem damit immerhin auch nicht auf die Nerven.
Severus seufzte, er war müde. Nicht müde durch eine unruhige, durchwachte Nacht oder einen anstrengenden Tag, er war müde bis ins Mark. Deshalb reagierte er auch nicht sofort, als der kleine Rothaarige ihn ansprach. Immerhin war das in über zehn Jahren, die Snape nun schon in Hogwarts war, noch nicht vorgekommen. Nicht dass Snape das bedauert hätte, Rübezahl der Verschrobene war niemand, der große Taten vollbracht hatte. Er war zu Lebzeiten ein gerade noch durchschnittlicher Zauberer gewesen, der es eher durch seinen ausschweifenden Lebenswandel, seiner Vorliebe für schwere, alkoholische Getränke und leichte Mädchen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hatte. Niemand also, den Snape zu einem Gespräch einladen würde. Aber wen würde Snape schon freiwillig zu einem Gespräch einladen? Am Ende noch mit Tee und Keksen? Ein netter Plausch? Zurzeit gewiss niemanden.
"Hey, Griesgram, du hockst auf nem Buch!"
Severus zog eine Augenbraue hoch, was den Rotschopf nicht zu stören schien, der sprang jetzt freudig grunzend im Laubhaufen auf und ab und beachtete den Tränkemeister nicht mehr. Dieser griff nun unauffällig unter sich und tatsächlich, er saß auf einem dünnen, kleinen, schwarzen Buch mit roten Ecken und rotem Rücken.
Das musste irgendein Schüler hier liegengelassen haben, wahrscheinlich aus der Bibliothek ausgeliehen. Das würde Hauspunkte kosten!
Vorsichtig schlug er das Büchlein auf, aber da war kein magischer Büchereicode angebracht. Es war auch kein Name vermerkt. Auf der letzten Seite stand ´Chinakladde´, scheinbar ein Muggelartefakt.
Rübezahl warf nun Laub in die Luft und ließ es auf sich niederregnen.
Severus hatte augenblicklich das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, als er das Büchlein flüchtig durchblätterte. Bilder waren zu erkennen, Skizzen von Katzen zumeist und von Frauen, einige auch von Türen. Auf manchen Seiten standen Texte, unleserlich, Zeilen durchgestrichen, drübergeschrieben. Die Schrift kam ihm nicht wirklich bekannt vor. Eine erwachsene Schrift, vielleicht.
Die Türen, wer malt denn Türen? Die meisten waren geschlossen, manche erkannte er wieder. Die Tür ins Klassenzimmer für Verwandlung. Die Tür ins Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Die Tür zu Hagrids Hütte. Manche Türen waren in Hogsmeade zu finden, manche kannte er nicht.
Die Frauen wiederum hatten erschreckende Ähnlichkeit mit Madam Pince, glücklicherweise allesamt mit Kleidung.
Beim weiteren Durchblättern bemerkte Snape, dass nur die Katzen in offenen Türen saßen. Die Tür zur Bibliothek. Zum Kräutergarten.
Rübezahl machte wieder etwas lautere Geräusche, er lief auf Händen um den Laubhaufen herum.
Das Büchlein war beinahe vollgeschrieben und -gemalt, nur noch wenige Seiten waren leer und auf einer der letzten Seiten tatsächlich in Schönschrift ein Gedicht.
Rübezahl lehnte jetzt im Handstand am Baum und lachte kehlig.
Snape blätterte ein paar Seiten vor, mehrere Entwürfe eben des Textes, den er auf der letzten Seite lesen konnte.
Die Zeit, mein Herz, versöhnt mit vielen Taten.
Wir lernen sterben jeden Tag, so wie wir leben wollten,
Wie wir dem eignen, dummen Schicksal Achtung zollten.
Was, wenn wir artig auf ein neues Morgen warten?
Ich seh den Hass, der heute uns entgegenschlägt,
Die Liebe, die uns immer schmerzvoll war verwehrt,
Sehnsucht, Lachen, Wärme, alles so verkehrt?
Es ist nur Wut, die sich noch gut mit uns verträgt.
Ich senke schnell den Blick, bevor du Tränen siehst,
Mir steht nicht zu dein Mitleid, vor dem letzten Tag.
Mein eigner Geist, der sich vor meinem Selbst verschließt.
Stille Hoffnung, dass mein Tun dir helfen mag,
Dass du mir igendwann mein bloßes Sein vergibst,
So geh ich weiter Schritt um Schritt und Tag für Tag.
Ein merkwürdiges Gefühl kroch in Snape hoch, es war als wäre von ihm die Rede. Nichts war sein Leben noch wert, gar nichts. Ein einziger dummer Spruch nur hatte sein ganzes Leben zerstört. Ein Moment nur. Ein Wimpernschlag. Eine bedeutungslose Situation war zu Schicksal geworden.
Rübezahl kicherte vor sich hin. "Wenn man das nur oft genug mantraartig wiederholt, dann glaubt man es irgendwann selber."
Severus Kopf zuckte herum, was bildete der ungehobelte Kerl sich eigentlich ein? Rübezahl hatte, tief vergraben in dem Laubhaufen, noch einen halbvergammelten Apfel gefunden. Den hielt er Severus jetzt hin. Dieser war eigentlich nicht bereit, in irgendeiner Art und Weise zu kommunizieren mit dieser unmöglichen Gestalt.
"Der Baum der Erkenntnis." keckerte Rübezahl.
Severus schnaubte unwillig, "Was willst du eigentlich von mir?" und setzte seinen Ich-töte-Erstklässler-Blick auf. Rübezahl schien das nicht zu tangieren. Er hatte einen weiteren schrumpligen Apfel und etwas, das aussah wie ein Hühnerei gefunden und jonglierte damit. "Der andere Mann ist aber netter." maulte er nun.
"Welcher andere Mann?"
"Na der, der sonst immer herkommt und der das Buch hier vergessen hat."
Ja, das Buch. Severus strich nachdenklich über die aufgeschlagene Seite - die Liebe, die uns immer schmerzvoll war verwehrt ...
Rübezahls Stimme wurde plötzlich gemein: "Dummköpfe, die stolz das Herz auf der Zunge tragen, die ihre Gefühle nicht beherrschen können, die in traurigen Erinnerungen schwelgen und sich damit leicht provozieren lassen - Schwächlinge mit anderen Worten ..."
"Ich bin nicht schwach.", sagte Severus leise.
"Dann beweise es! Beherrsche dich!", fauchte Rübezahl. "Bring deinen Zorn unter Kontrolle. Diszipliniere deinen Geist ... und übrigens", plötzlich war seine Stimme beinahe sanft, "... die Türen musste gucken, die sind wirklich gut!"
Severus blätterte ein paar Seiten zurück.
Kerkertüren.
Die Tür zum Astronomieturm.
Zum Schulleiterbüro.
Zur Heulenden Hütte.
Severus hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Ohne zu wissen, warum.
"Das Leben ist nicht fair!" und mit diesen Worten brach Rübezahl wieder in keckerndes Gelächter aus. Er hatte jetzt aufgehört, zu jonglieren und zerrte eine Holzkiste in den Vordergrund des Bildes, kletterte mühsam hinauf. Der Bierbauch war ein wenig im Weg. Dann stellte er sich in Positur, breitete die Arme aus und deklamierte. "Ich schließe die Augen um besser zu sehen, bevor ich versöhnt wär mit uns und dem Sterben ..."
"Halt die Klappe, verdammt!" Severus war jetzt ehrlich gereizt, was Rübezahl aber nur noch weiter anzustacheln schien. "... in meiner Seele blüht eine gespenstische Flamme und nährt sich von Tränen und Blut ..."
"Womit hab ich das verdient?" seufzte Snape.
Rübezahls Miene verzog sich boshaft, soweit das unter dem vielen Bart zu erkennen war, seine Stimme aber war plötzlich schneidend: "Bis du dir was verdient hast im Leben, mein Guter, wirds noch ein paarmal Herbst - wenn überhaupt!" dann fuhr er fort mit dieser enervierend geschwollenen Rede. "Mit blinden Augen seh ich ein gleißendes Licht, die Zukunft nimmt ab, Mühsal und Schmerz ohne Hoffnung nicht ..."
Severus presste sich die Hände auf die Ohren und dennoch drang die Stimme zu ihm durch.
"... ein Ende wär möglich, wenn ich wüsste, der Sinn von Hunger und Liebe ist Hunger und Liebe. Doch so, die Augen fest geschlossen mit festem Tritt für Schritt für Schritt ..."
Dann ein markerschütternder Schrei. Rübezahl hatte das Gleichgewicht verloren und war rücklings in den Blätterhaufen gekippt. Er lachte jetzt schallend.
Das Schicksal oder wer auch immer, schien ein Einsehen mit Snape zu haben. Es waren Schritte zu hören. Wie ein ertappter Schuljunge schlug er das Buch zu, legte es zurück in die Fensternische und verbarg sich hinter einer Säule.
Ausgerechnet Argus Filch schlurfte um die Ecke, Mrs Norris im Schlepptau.
Rübezahl jonglierte wieder mit den zwei Äpfeln und dem Ei, das jetzt aus purem Gold zu bestehen schien.
Severus hielt die Luft an. Filch schritt zielstrebig auf die Fensternische zu, in der Severus eben noch gesessen hatte, griff nach dem Büchlein und seufzte erleichtert auf.
"Irgendwann vergisst du hier nochmal deinen Arsch." Rübezahl hatte sich wieder zu Wort gemeldet, jonglierte aber konzentriert weiter.
Severus hielt wiederum die Luft an. Sollte das möglich sein, Filch ein Künstler? Jemand mit Seele und einem Verständnis vom Sein? Irgendwie?
Er hatte ihn immer für ein wenig beschränkt gehalten, nicht weil er ein Squib war, das interessierte ihn nicht. Rübezahl grinste jetzt breit, wobei sehr spitze Zähne zum Vorschein kamen. Snape hatte den Hausmeister einfach für uninteressant gehalten. Eines Blickes nicht wert. Vielleicht würde er das nochmal überdenken müssen und wenn Filch ihm das nächste Mal eine Tasse Tee anbot ...
"Jetzt aber ab ins Bett mit uns." sagte Filch leise zu Mrs Norris, drehte sich um und verschwand wieder in den dunklen Gängen, die Katze im Schlepptau.
Als Severus Snape hinter der Säule hervortrat, war Rübezahl nicht mehr zu sehen und Snape überlegte, welche arme, bedauernswerte Seele wohl noch ein Bild von Rübezahl dem Verschrobenen über dem Kamin hängen haben mochte. Dann schüttelte er den Kopf und begab sich in Richtung seiner Kerker.
Diese spezielle Fensternische im dritten Stock suchte er jahrelang nicht mehr auf. An das Gedicht hingegen dachte er oft, aber auch an Rübezahls Worte.
Er war nicht schwach.
