Disclaimer: Ich besitze keinerlei Rechte an der Serie "Bones" oder deren Charakteren.
1. Der Fall
Dr. Temperance Brennan stand auf der Plattform in der Mitte des Labors über einem Untersuchungstisch gebeugt und war in die Untersuchung menschlicher Überreste vertieft.
Da die staatlichen Leichenbeschauer zurzeit wegen Krankheit unterbesetzt waren, hatte man das Jeffersonian gebeten, auszuhelfen. Um die Behörden nicht zu verstimmen und um einen im Notfall einforderbaren Gefallen in der Rückhand zu haben, hatte Dr. Saroyan die Hilfe des Instituts zugesagt.
Deshalb war Brennan nun mit der Untersuchung eines 'ganz normalen' unklaren Todesfalls beschäftigt der nicht erst über die Schreibtische des FBI gegangen war.
Einige Schritte hinter ihr saß ihr Partner Seeley Booth auf einem Hocker und wartete leicht ungeduldig darauf, dass sie zu einem Ergebnis kam. Booth hatte seine Partnerin eigentlich nur zum Mittagessen abholen wollen, aber sie hatte mit dem Hinweis auf die noch ausstehende Untersuchung abgelehnt. Neugierig geworden und da er im Moment selber nicht allzu viel zu tun hatte, hatte Booth sich zu ihr gesellt und wartete nun darauf, was Bones herausfinden würde. Und darauf, dass er irgendwann doch noch etwas zu essen bekam.
Er blätterte nachlässig durch einige Papiere die auf dem Tisch einer der Arbeitsstationen lagen und summte dabei ziemlich unmelodisch vor sich verzog ein wenig das Gesicht und versuchte ihre Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen als sie „Hör auf damit, Booth" sagte und sich dabei zu ihm schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und tat völlig unschuldig. „Hast du schon was heraus gefunden??"„Nein, hab ich nicht!! Und das werde ich auch nicht, wenn du hier weiter wie ein ungeduldiges Kind herum zappelst!"
Sein Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen.„Mache ich dich nervös, Bones?" fragt er sie, seine Stimme ein verführerisches unterdrückte eine scharfe Antwort, gab stattdessen nur ein abfälliges Schnauben von sich und wandte sich wieder den Überresten zu. „Ich versuche mich hier zu konzentrieren. Und dein Herumgeraschel ist ziemlich störend."
Brennan wusste, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Tatsächlich hatte sie schon an komplizierteren Fällen unter weitaus störenderen Umständen gearbeitet. Es war nicht seine Gegenwart, die sie ablenkte. Wenn man die Zeit berücksichtigte, die sie beinahe jeden Tag zusammen verbrachten, war sie an seine Gegenwart gewöhnt. So sehr, dass sie, wenn sie ganz ehrlich war, schon etwas vermisste, wenn er mal nicht da war.
Es war eigentlich mehr das leichte Kitzeln seines Atems in ihrem Nacken oder die Wärme die sein Körper ausstrahlte, wenn er ab und zu aufstand, hinter sie trat und ihr über die Schulter schaute um zu sehen, was sie gerade 'anblinzelte'. So wie jetzt gerade.
Er war ein gut aussehender und charmanter Mann und sich von ihm angezogen zu fühlen war eine völlig normale Reaktion für jede Frau, die Augen im Kopf hatte. Und auch wenn Brennan bei weitem nicht wie jede Frau war, so hatte sie sehr wohl Augen im Kopf und konnte mit ihnen auch sehr gut sehen. Und ihr gefiel, was sie sah. Unglücklicherweise war sich zu seinem Partner hingezogen zu fühlen kein Teil ihrer Vereinbarung mit dem FBI. Und entgegen ihrer Absicht in seiner Gegenwart gelassen zu bleiben, fühlte Brennan wie sich ihr Puls beschleunigte und sie wandte ihr Gesicht ab um die aufsteigende Röte vor ihm zu verbergen. Sie würde sein ohnehin gelegentlich überbordendes Selbstbewusstsein nicht auch noch damit füttern, dass er sie seinetwegen erröten sah!
Ihre Verlegenheit hinter Verärgerung versteckend, drehte sie sich erneut zu ihm um und warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Warum gehst du nicht runter in mein Büro und wartest dort? Oder noch besser: Warum wartest du nicht in deinem eigenen Büro und ich rufe dich an, falls es ein Fall für das FBI sein sollte?"
Doch Booth lachte nur. „Und den ganzen Spaß verpassen? Nein, Bones, du solltest mich besser kennen. Ich bleibe hier! Bei dir! Um dich vor allem möglichen Ärger zu beschützen und dafür zu sorgen, dass nichts und niemand dich von deiner wichtigen Arbeit abhält!"
Sie verdrehte die Augen bei seiner Ansprache. „Welche Art von Ärger sollte mir hier, auf dieser Plattform, schon drohen?? Das sind doch nur Knochen!" Sie deutete auf die Überreste auf dem Tisch. „Das Einzige, was mich im Moment von meiner 'ach so wichtigen' Arbeit abhält, bist du!"
Booth presste seine Hände auf seine Brust und tat als hätte er Schmerzen. „Autsch, das tat weh, Bones!!" sagte er und trat einen Schritt zurück. Dann legte er immer noch grinsend den Kopf schief. „Und was, wenn der Geist dieses Typs dort auf deinem Tisch dir nachstellt, weil du in seinen Überresten herum stocherst, hm??" Er wusste, dass dies total albern war, aber es kam ihm vor als würde er hier schon eine Ewigkeit warten und ihm war langweilig. Und ein Wortgefecht mit Bones half immer gegen Langeweile. Obwohl er sich sicher war, das sie es nicht so toll finden würde.
Er hatte recht: Brennans Blick war mörderisch.
„Erst einmal: So etwas wie Geister gibt es nicht!" betonte sie. „Und zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass Geister zu bekämpfen – wenn es sie denngäbe – nicht Teil deiner FBI Ausbildung war."
„Hab' ich mir selber beigebracht. Ich bin recht gut in solchen Dingen." warf er selbstbewusst feixend ein.
Brennan musste ein Grinsen unterdrücken, obwohl sie eigentlich sauer auf ihn sein wollte, weil er sie aus ihrer Konzentration gerissen hatte. „Diesen Effekt hat er ständig auf mich." dachte sie. Jedes Mal wenn sie seinetwegen verärgert war, machte er irgendwas Komisches oder total Blödes, das sie zum Lachen oder zumindest zum Lächeln brachte und ihr Ärger war verflogen.
„Gut im Geister bekämpfen?" schmunzelte sie nun und hob zweifelnd eine Augenbraue.
„Jetzt kennst du mich schon so lange, Bones, und ich kann dich immer noch überraschen! " lachte er und Brennan konnte nicht anders, als mit einzustimmen.
„Ich glaube nicht, dass irgendein Geist mir zusetzen wird, aber Danke für das Angebot."
Immer noch leise lachend deutete sie auf die Knochen auf dem Untersuchungstisch. „Und es tut mir ja leid ein wenig Luft aus deinem übergroßen Ego lassen zu müssen, aber der Typ dort auf dem Tisch ist weiblich. Schätzungsweise 60 bis 70 Jahre alt. Zeichen von Osteoporose und Unterernährung. Außerdem ein stumpfes Trauma am hinteren Schläfenbein, welches aber nicht tödlich war. Die Autopsie hat ergeben, dass die Todesursache ein Herzinfarkt war."
Booth verschränkte die Arme vor der Brust und sah Brennan scharf an. „Du hast Glück, dass ich dir die Sache mit dem übergroßen Ego durch gehen lasse. Aber warum hast du mir nicht schon längst etwas von den Autopsieergebnissen gesagt??"
Er holte tief Luft und schüttelte dann den Kopf. „Wieso ist sie überhaupt hier? Ich denke nicht, dass es Mord war. Alte Dame, Herzinfarkt, die Kopfverletzung könnte vom Sturz kommen. Sei mir nicht böse, aber ich glaube nicht dass dies ein Fall ist, bei dem das FBI hinzugezogen werden müsste."
Brennan war leicht überrascht über seine vorschnellen Vermutungen. In ihren Augen gab es noch einige ungeklärte Details beim Tod dieser alten Frau. „Ihre Leiche wurde in einem Müllcontainer gefunden und sie hatte keinen Ausweis oder sonst irgendwas bei sich, das uns ihren Namen verraten würde." erklärte sie deshalb.
„Ein Müllcontainer?" antwortete Booth verdutzt. „ Die alte Dame hat einen Herzinfarkt und irgendwer entsorgt ihre Leiche mit dem Müll? Wie krank ist das denn? Wollte ihre Familie die Kosten für die Beerdigung sparen?" Er sah Brennan ungläubig an. „Gibt es schon ein Ergebnis beim Zahnabgleich?"
„Du solltest aufhören über die Umstände ihres Todes zu spekulieren bis wir alle Beweise gesammelt und ausgewertet haben. Du springst hier von einer Vermutung zur nächsten!" schimpfte Brennan. „Und nein, wir haben kein Ergebnis beim Zahnabgleich, weil sie keinen einzigen Zahn mehr in ihrem Mund gehabt hatte! Aber Cam hatte bei der Autopsie Druckstellen an ihrem Zahnfleisch gefunden die belegen, dass sie ein nicht sehr gut angepasstes Gebiss getragen haben muss."
„Hat die Spurensicherung ihr Gebiss im Müllcontainer gefunden?"
„Nein, sie haben das ganze Ding auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden."
Booth überlegte kurz bevor er sich wieder an seine Partnerin wandte: „Bones, wenn du eine alte Dame mit einem künstlichen Gebiss wärst, würdest du ohne diese Zähne aus dem Haus gehen?"
Brennan hob die Augenbrauen. „Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ich gut auf meine Gesundheit und die meiner Zähne achte, denke ich nicht, das ich später ein künstliches Gebiss brauchen werde."
Booth verdrehte die Augen. „Stell es dir bitte einfach nur vor!"
Sie schüttelte leicht den Kopf, während sie überlegte bevor sie seine Frage beantwortete: „Nein, ich denke nicht, dass ich ohne aus dem Haus gehen würde. Aber sie hatte Druckstellen an ihrem Zahnfleisch, also vermute ich, das das Gebiss gedrückt und ihr Schmerzen bereitet hatte. Deshalb vermied sie es vielleicht das Gebiss zu tragen."
„Also bringt uns das fehlende Gebiss auch nicht weiter." brummelte Booth leicht frustriert, als das Piepsen des Sicherheitsscanners der Plattform ihre Aufmerksamkeit erregte.
„Nun, vielleicht kann ich euch helfen." Angela stieg die Stufen zur Plattform hinauf mit ihrem Skizzenblock in der Hand. „Hi Booth" lächelte sie dem Agenten zu der ihr Lächeln erwiderte. „Hallo Angela. Hast du ein Gesicht?"
„Klar hab ich eins. Und manche finden es sogar recht ansprechend." antwortete sie augenzwinkernd bevor sie wieder ernst wurde und ihnen die Skizze zeigte, die sie angefertigt hatte. „Das ist sie. Ich habe mir die Freiheit genommen und eine Kopie an dein Büro geschickt, Booth. Die haben auch schon einen Treffer bei den Vermisstenanzeigen und uns die Informationen gerade zurück geschickt. Ihr Name war Beverly Moyer. Kein fester Wohnsitz oder Adresse. Sie lebte auf der Straße."
Booth schaute Angela überrascht an.
„Hey! Es scheint als wäre ich hier überflüssig!" schmollte er, „Angela macht meine Arbeit und Bones informiert mich auch nicht mehr über Autopsieergebnisse. Wozu braucht ihr mich eigentlich hier noch?"
Angela lächelte ihm verschmitzt zu: „Damit wir was zum Angucken haben! Es ist doch unbestreitbar, dass du um Längen attraktiver bist, als die Typen, die hier sonst so auf den Tischen liegen" griente sie und Booth unterdrückte ein Schmunzeln.
„Ach, nur zum Angucken, ja?! Das ist eine ziemlich sexistische und diskriminierende Aussage, Angela. Du reduzierst mich damit auf mein Äußeres und missachtest meine herausragenden Fähigkeiten als Ermittler. Dir ist klar, das ich dich dafür wegen sexueller Belästigung verklagen könnte??" drohte er scherzhaft.
„Ach was! Das machst du ja doch nicht! Dafür bist du doch viel zu geschmeichelt, weil ich dich attraktiv genannt habe!" antwortete die Künstlerin unbeeindruckt und zuckte grinsend mit den Schultern.
„Obdachlos." sagte Brennan ohne sich um das Geplänkel der Beiden zu kümmern. „Das würde ihre Unterernährung erklären und warum sie am Müllcontainer war."
Angela wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Brennan zu. „Sie hat nach etwas zu Essen gesucht." stellte sie traurig fest. „Wie verzweifelt muss man sein um nach Essbaren in anderer Leute Müll zu suchen?"
„Ich denke, dass sie den Container nach Essbarem oder sonst irgendwie Nützlichem durchsucht hat. Sie hat mit einer Hand den Deckel gehalten und mit der anderen gesucht. Irgendwie hat sie das Gleichgewicht verloren, ist in den Container gestürzt und der Deckel ist dabei zugefallen. Beim Versuch den Deckel wieder zu öffnen hat sie sich im Dunkeln den Kopf angeschlagen. Dann ist sie in Panik geraten, was bei ihrem schlechten Gesundheitszustand den tödlichen Herzinfarkt ausgelöst hat " fasste Brennan zusammen.
Angela schüttelte langsam den Kopf. „Was für eine schreckliche Art zu sterben." sagte sie leise.
„Was für eine traurige Art zu leben." antwortete Brennan gedankenverloren.
Booth nickte zustimmend und räusperte sich bevor er fragte: „Wer hat sie vermisst gemeldet? Hatte sie irgendwelche Verwandte?"
