Quest for Happiness
© Fu-Dragon

Summary: Peter, Caine und Kermit lernen eine junge Frau kennen, die es meisterhaft schafft, ihrer aller Leben komplett auf den Kopf zu stellen. Besonders Kermit sieht sich einer seiner schwersten Herausforderungen gegenüber.
Charaktere:
Peter, Kermit, Caine, Paul, das 101. Revier, OC Angel
Warnung:
AU, ein wenig Erotik und ein paar Fluchworte
Genre: Romance, Friendship, Adventure

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Kapitel 1

Dichte Wolken schoben sich vor den Mond. Tiefste Dunkelheit legte sich wie ein Schleier über die schmale Seitengasse. Von einem Moment zum anderen fehlte jegliche Sicht. Man konnte rein gar nichts mehr erkennen. Nicht einmal die sprichwörtliche Hand vor den Augen.

Kermit hielt mitten in der Bewegung inne, seine Nackenhaare stellten sich auf. Eine kleine Stimme in seinem Unterbewusstsein flüsterte ihm zu, hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Innerhalb einer Sekunde wechselte er vom normalen Barbesucher in den Söldnermode und zog den Desert Eagle hervor. Er verbiss sich einen Fluch, da er kaum erkennen konnte, was um ihn herum vorging. *Mist, ich hätte die Abkürzung nicht nehmen sollen. Ich weiß doch, dass es hier keine Lampen gibt.*

Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nahm er seine grüne Sonnenbrille ab und steckte sie in die obere Jackentasche. Leider half auch das nicht viel, mehr zu erkennen. Die schmutziggrauen Hauswände schienen jegliches Restlicht regelrecht in sich aufzusaugen. Die nächste erleuchtete Straße war noch gut und gerne 50 Meter entfernt. Bis hierher reichte das fahle Licht jedenfalls nicht. Erneut ärgerte sich Kermit, dass er diesen Weg zu seiner Corvair gewählt hatte.

Den Bruchteil einer Sekunde zu spät hörte der Detective das leise Geräusch direkt hinter sich. Er wirbelte auf dem Absatz herum. Ein Fuß traf zielsicher, trotz der Schwärze um ihn herum, sein Handgelenk. Die Waffe wurde ihm aus der Hand geschleudert und landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Asphalt. Im nächsten Moment befand er sich inmitten eines Kampfes auf Leben und Tod.

Vier Angreifer schlugen auf ihn ein. Kermit wehrte sich so gut er konnte. Seine Kampferprobtheit kam ihn nun zugute, nur leider schienen die Vier, auch etwas von Nahkampf zu verstehen. Zum Glück wagte sich in diesem Moment wenigstens wieder der Mond etwas hinter den Wolken hervor, so dass er zumindest Schemenhaft etwas erkennen konnte.

Mit einem gut gezielten Uppercut schickte der Ex-Söldner einen der Angreifer zu Boden und versetzte dem nächsten einen Spinning Kick in den Magen, so dass sich dieser ebenfalls neben seinen Partner legte. Allerdings zeigte dies nicht lange Erfolg, denn die beiden sprangen kurze Zeit später wie Stehaufmännchen wieder auf den Beinen. Jedes Mal, wenn er dachte, einen Gegner erledigt zu haben, stand ein anderer wie aus dem Boden gewachsen vor ihm. Zumindest kam es ihm so vor.

Kermit spürte, wie langsam aber sicher seine Kräfte nachließen. Er war kein Übermensch, der vier Angreifer mit Leichtigkeit schaffte. Außerdem ärgerte er sich noch immer über die Dunkelheit, weswegen er weder die Gesichter, noch die Gestalten richtig erkennen konnte.

Während er sich gegen den Gegner, der ihm am nächsten stand, zur Wehr setzte, gelang es einem der Vier, sich in seinen Rücken zu schleichen. Er spürte, wie er an den Armen gepackt und roh zurück gerissen wurde, gleichzeitig versetzte man ihm einen Stoß in den Magen. Ihm ging die Luft aus, Sterne tanzten vor seinen Augen.

Der kurze Augenblick der Wehrlosigkeit genügte den Angreifern, um ihn zu Boden zu reißen. Kermit fluchte verhalten, als seine Arme gegen den harten Grund gepresst wurden und er seine Chancen rapide schwinden sah. Der Mann musste eine Kraft haben wie ein Bär, Kermit meinte das Knirschen seiner Knochen zu hören, so fest packte die Gestalt zu.

Der ehemalige Söldner mobilisierte seine letzten Kraftreserven, getrieben von reinem Überlebensinstinkt. Es gelang ihm, trotz seiner desolaten Position, einem der Schergen einen harten Tritt in den Magen zu verpassen, doch damit blieben immer noch zwei übrig. Dann hörte er einen metallischen Laut, den er immer und überall erkennen würde. Es konnte sich nur um ein gerade aufgeklapptes Butterfly-Messer handeln, soviel war Kermit klar.

Sein Verstand arbeitete fieberhaft, wie er dem Stich entkommen könnte. Mittlerweile hatte sich der Typ, den er zu Boden geschickt hatte, wieder aufgerafft und hielt nun ebenfalls einen seiner Arme auf den Boden gedrückt. Beide dachten nicht daran, auch nur einen Moment ihren festen Halt zu lockern; im Gegenteil, sie lehnten sich mit ihrem gesamten Körpergewicht auf ihn. Kermit keuchte vor Anstrengung und drehte und wendete sich verzweifelt, um sich aus dem unnachgiebigen Griff zu befreien. Er kam sich vor, als wäre er von einer Würgeschlange angegriffen worden, die bei jedem Befreiungsversuch nur noch fester hielt. Nur ganz am Rande nahm er wahr, wie eine Stimme erklang.

"Hey, was soll das hier? Schämt ihr euch nicht? Vier gegen einen?"

Das Messer, das der Detective kurz im Licht des Mondes aufblitzen sah, traf sein Ziel nicht mehr. Stattdessen bemerkte er erstaunt, dass der Mann, welcher das Messer hielt, wie von Geisterhand zur Seite geschleudert wurde.

Der harte Griff der beiden Männer lockerte sich urplötzlich und Kermit konnte sich mit einem scharfen Ruck befreien. In einer fließenden Bewegung schnellte er auf die Beine und nahm den Kampf wieder auf. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass er Verstärkung bekommen hatte, auch wenn er nicht erkennen konnte, um wen es sich handelte. Ehrlich gesagt war es ihm in diesem Moment eh egal; Hauptsache er bekam Hilfe.

Nun verlief der Kampf wesentlich ausgeglichener. Die Gestalt neben ihm kämpfte nicht schlecht, wie er feststellte. Die Angreifer wurden immer wieder von ihm und der anderen Person zurück getrieben und mussten ein paar harte Schläge einstecken.

Auf ein Kommando des Anführers hin, ließen die vier Widersacher von den beiden Personen ab und rannten davon. Kermit, der als letztes 'Geschenk' einen Tritt in die Kniekehlen abbekommen hatte, kniete auf den Boden und kämpfte darum, wieder auf die Beine zu kommen.

Ein Schatten beugte sich über ihn und eine Hand streckte sich ihm entgegen. Ganz entgegen seiner Gewohnheit, ergriff Kermit die schmale Hand und ließ sich auf die Beine ziehen.

"Vielen Dank für ihre Hilfe", meinte er.

"Gern geschehen", ertönte die Antwort.

Kermit gefror mitten in der Bewegung. Er konnte es nicht glauben. Diese Stimme klang eindeutig weiblich.

Ein leises Lachen ertönte neben ihm. Anscheinend sah die Frau in der Dunkelheit besser, als er.

"Überrascht?" kam es auch prompt.

Der Cop zuckte nur die Achseln und machte sich auf die Suche nach seinem Desert Eagle, der hier irgendwo liegen musste. Die Wolken schoben sich entgültig zur Seite und der Mond erhellte nun klar die dunkle Straße.

Eine Hand tippte ihm auf die Schulter und ließ ihn kampfbereit auf dem Absatz herum fahren. Die Frau grinste nur und hielt ihm mit spitzen Fingern seine Waffe vor die Nase.

"Ich denke, das ist der Gegenstand, nach dem sie suchen. Sind sie zufällig ein Cop, oder muss ich Angst um mein Leben haben, wenn ich ihnen die Waffe gebe?", spottete sie.

Kermit zog tief die Luft in seine Lungen. Erstens gab es so gut wie niemanden, der es wagte, ihm in solch spöttischer Art und Weise gegenüber zu treten, und zweitens machte ihn der Anblick der Frau sprachlos.

Lange blonde Haare fielen in weichen Wellen weit über ihre Schultern. Das Mondlicht schien ihr genau ins Gesicht und er blickte in die blausten Augen die er je gesehen hatte. Ihr Anblick erinnerte ihn spontan an einen Engel, nur dass die Flügel und der Heiligenschein fehlten. Anstelle eines weißen Leibchens, trug sie ein tief ausgeschnittenes, dunkelblaues Sommerkleid mit hohen Schuhen, das sanft ihre, in seinen Augen, vollkommene Figur umschmeichelte.

Er räusperte sich, zog seine grüne Sonnenbrille aus der Jackentasche und setzte sie umständlich wieder auf. Nachdem sein 'Schutzschild' wieder hergestellt war, fühlte er sich um einiges besser. Mit sicherer Stimme, die nichts von seinem inneren Tumult verriet, meinte er: "Ich bin ein Cop. Detective Kermit Griffin, 101. Revier, Chinatown. Und sie sind?"

"Angel", erwiderte sie und reichte ihm die Waffe.

*Der Name passt,* dachte Kermit. Er nahm seinen Desert Eagle entgegen, sicherte ihn sorgfältig und verstaute ihn im dafür vorgesehenen Halfter. Er musste sich mit aller Kraft zusammen reißen, aber es gelang ihm, den Cop in ihm in den Vordergrund treten zu lassen und den Mann, Kermit Griffin, in den Hintergrund zu stellen.

"Haben sie sich bei dem Angriff verletzt?", erkundigte er sich.

Wiederum lächelte die Frau ihn an. Ihre ebenmäßigen, weißen Zähne blitzten regelrecht auf in dem hübschen Gesicht. So kam es ihm jedenfalls vor.

"Nein, habe ich nicht und wie steht es mit ihnen? Die Typen haben sie ziemlich durch die Mangel gedreht, soweit ich das beurteilen kann."

Kermit konnte über soviel Selbstsicherheit nur den Kopf schütteln. Man könnte meinen, ein Kampf auf offener Straße wäre etwas, was sie jeden Tag austrug. Ihr schien das Erlebte nicht das Geringste auszumachen. Sie benahm sich geradezu so, als wäre so ein Straßenkampf das Normalste von der Welt. Unwillkürlich fragte er sich, welchen Beruf sie ausübte. Polizistin war sie nicht, ansonsten hätte sie sich zu erkennen geben müssen und etwas anders fiel ihm im Moment einfach nicht ein. Obwohl Kermit dank langjähriger Erfahrung sehr wohl wusste, dass man ein Buch nicht nach dem Einband beurteilen sollte, machte sie auf ihn nicht den Eindruck, als müsse sie sich ständig mit bösen Buben herumschlagen.

Abrupt wechselte er das Thema. "Wo haben sie so kämpfen gelernt? Ich möchte mich noch einmal für ihre Hilfe bedanken."

"Das ist absolut nicht nötig, Detective Griffin. Ich persönlich finde es äußerst unfair, wenn vier Leute auf eine einzige Person losgehen. Zum Glück bin ich gerade hier vorbei gekommen und konnte ihnen helfen."

"Ja, nur schade, dass es zu dunkel war, um die Typen zu erkennen. Trotz allem möchte ich sie bitten, mich mit auf das Revier zu begleiten, damit ich ihre Aussage zu Protokoll nehmen kann", sagte Kermit.

Die Frau zuckte die Schultern. "Ich konnte die Gesichter eigentlich recht gut erkennen. Ich sehe nicht schlecht in der Dunkelheit, und es ist mir ein Vergnügen sie zu begleiten." Sie warf einen Blick über ihre Schulter in die Richtung, in die die Angreifer verschwunden waren und fügte abfällig hinzu: "Die haben es nicht anders verdient."

Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit, wusste Kermit nicht, wie er reagieren sollte. Ihre Worte nahmen im den Wind aus den Segeln. Die Frau handelte und verhielt sich gänzlich anders wie all die Frauen, die er bisher kennen gelernt hatte. Er fragte sich, ob überhaupt irgendetwas die hübsche Fremde schockieren konnte. Sie stand hier vor ihm, als hätten sie sich gerade eben zufällig auf der Straße getroffen. Es gab kein langes Lamentieren, keine Beschwerden...nichts. Sie schaute ihn einfach nur neugierig an und schien auf seinen nächsten 'Befehl' zu warten.

"Mein Wagen steht ein paar Meter die Straße herunter, wenn sie mir bitte folgen wollen", meinte er schließlich.

"Gerne.", erwiderte sie und ließ sich von ihm zur Corvair führen.

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Mehrere Augenpaare folgten den beiden und die Gespräche verstummten abrupt, als Kermit Angel durch das Revier zu seinem Büro führte. Die junge Frau zuckte dazu nur die Schultern und lächelte erneut. Ein Lächeln, das die Sonne aufgehen ließ.

Bei Licht betrachtet wirkte die Frau an seiner Seite noch viel hübscher, stellte der Ex-Söldner fest. Er beobachtete sie ständig aus dem Augenwinkel und konnte keinerlei Makel an ihr entdecken. Ein seltsames Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Ein Gefühl, von dem er glaubte, dass es gar nicht mehr existierte. Schnell drängte er sein plötzlich aufflackerndes Verlangen zurück, führte Angel in sein Büro, zog den Besucherstuhl heran und bot ihr galant einen Platz an.

"Sie sind sicher, dass sie die Typen wieder erkennen, wenn ich ihnen ein paar Fotos zeige?", begann Kermit das Gespräch und setzte sich ebenfalls.

"Absolut sicher, ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Falls wir die Vier nicht in der Verbrecherkartei entdecken, können wir auch Phantombilder anfertigen, das ist kein Problem."

Kermit schluckte hart. Die Frau war wirklich ein Phänomen. Er selbst hatte von den Kerlen, trotz seiner jahrelangen Erfahrung und Übung, so gut wie nichts erkennen können. Sie musste wahre Katzenaugen haben, auch wenn ihre so blau leuchteten, wie ein klarer Bergsee zur Mittagszeit.

Während Kermit den Computer hochfuhr und die Verbrecherkartei abrief, unterhielt er sich mit ihr, begierig darauf, mehr von ihr zu erfahren.

"Ich habe sie hier in der Gegend noch nie gesehen, Miss..." Er machte eine Pause.

Sie lächelte erneut und schenkte ihm einen undefinierbaren Blick.

"Angel, einfach nur Angel, Detective. Ich bin erst seit vorgestern in der Stadt. Daher ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie mich schon einmal gesehen haben."

*Ganz sicher, du wärst mir sofort aufgefallen!*, dachte er. Laut meinte er: "Und was machen sie beruflich, Angel?"

"Dies und das... eigentlich nichts Spezielles. Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich hinter dem Computer."

"Sie kennen sich mit Bits und Bytes aus?", ging Kermit gleich zu seinem Lieblingsthema über.

"Ein wenig. Ich war schon immer fasziniert von der Technik, die dahinter steckt und mit der Zeit bekommt man auch so einiges mit. Es liegt mir wohl im Blut, denn ich bin schon in meiner Kindheit quasi mit Computern aufgewachsen."

Kermit, im Begriff nachzuhaken, wurde von Angels Ausruf unterbrochen.

"Hier, das ist einer von den Typen."

Obwohl sich der Detective ein wenig ärgerte, diese Gelegenheit mehr über sie zu erfahren verstreichen lassen zu müssen, freute er sich auch über ihre Entdeckung. Mit ein paar kurzen Tastengriffen rief er weitere Informationen über den Kerl ab. Es handelte sich um einen Mann, der wegen Diebstahl schon mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Anschließend schaltete er wieder zur Verbrecherkartei um und machte sich dann daran, die erste Anzeige auszufüllen.

Zwei weitere Personen wurden von Angel im Laufe der Zeit noch entdeckt. Auch über sie gab es nichts Besonderes zu entdecken, sie waren ebenfalls nur kleine Nummern, die ein paar Einbrüche und ein paar Diebstähle auf dem Kerbholz hatten. Es wurde immer deutlicher, dass es sich wohl um einen Raubüberfall gehandelt haben musste und nicht, wie Kermit zuerst vermutet hatte, um einen konkreten Anschlag auf seine Person.

Innerlich seufzte der Detective erleichtert auf, denn er wusste nur zu gut, dass er sich in der Zeit als Söldner und jetzt als Cop einige ernsthafte Feinde geschaffen hatte, die des Öfteren versuchten, ihn aus dem Weg zu räumen. Das war einer der Gründe weshalb er sich seine Freunde sehr genau heraus suchte und sein Privatleben streng geheim hielt. Es gab niemanden, der alles über ihn wusste, nicht einmal seine Schwester Marilyn oder sein bester Freund, Mentor und Ersatzvater Paul Blaisdell, der nunmehr seit gut einem Jahr spurlos verschwunden war, um seine Dämonen zu jagen. Nur dann und wann gab es ein kurzes Lebenszeichen von ihm, doch seit einigen Wochen war die Verbindung vollkommen abgebrochen.

Bevor seine Gedanken zu seinem Freund abschweifen konnten, atmete Kermit tief durch. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr, stellte er erstaunt fest, dass sie schon fast drei Stunden vor dem Computer saßen. So schnell war ihm die Zeit selten vergangen. Und er stellte noch mehr fest: Dass er Angels Gesellschaft mochte und auch schätzte. Sie war eine intelligente Frau. Er genoss den Schlagabtausch, der zwischen dem Suchen ab und an zustande gekommen war. Dabei hatte sie eine Art Fragen über ihre Vergangenheit oder ihr Privatleben zu umgehen, dass ihm meist erst hinterher bewusst wurde, dass sie ihm nichts erzählt hatte, was er nicht schon wusste. Von Minute zu Minute fand er es immer interessanter, sich mit ihr zu unterhalten. Nichts wollte er im Moment lieber, als hinter ihr Geheimnis zu kommen und die Frau dahinter kennen zu lernen.

Einige Zeit später hatten sie die komplette Verbrecherkartei durch. Der vierte Mann war leider nicht darin aufgetaucht. Kermit streckte sich.

"Tja, da kann uns doch nur noch ein Phantombild weiter helfen." Mit wenigen Handgriffen lud er das entsprechende Programm. "Also Angel, beschreiben sie ihn mal, fangen wir bei den Haaren an."

"Meinen sie nicht es geht schneller, wenn ich das Bild selbst anfertige? Dann müssen sie nicht ständig fragen und ich muss mir nicht den Mund fusslig reden."

Kermit blickte sie erstaunt an. Er zögerte deutlich. An seinen heißgeliebten Computer ließ er nicht gerne jemanden heran und schon gar nicht eine ihm unbekannte Person.

"Meinen sie, sie kommen mit dem Programm zurecht? Es ist nicht einfach zu bedienen", wich er einem glatten Nein aus.

Angel zuckte die Achseln. "Schauen wir mal. Wenn ich nicht weiterkomme, sind sie immer noch da, um mir weiter zu helfen, oder?"

Da konnte Kermit ihr nur Recht geben. Die Entscheidung fiel dann schnell. Immerhin hatte sie ihn nicht gebeten, das Zimmer zu verlassen, so dass er ein Auge auf sie werfen konnte. Mit einem leisen Seufzer anstelle einer Antwort, schob er ihr das Keyboard zu und rückte ein wenig zur Seite. Angel schaute sich ein paar Minuten das Programm an, dann begann sie zu tippen.

Kermits Augen weiteten sich hinter der Brille. Ihm wurde sehr schnell klar, dass sie mit ihren Computerkenntnissen schwer untertrieben hatte. Sie hatte die Eigenheiten des Programms schnell begriffen und ihre Finger tanzten nur so über die Tasten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie zum Ergebnis kam.

"Genau so sah er aus", meinte sie, während sie das fertige Phantombild befriedigt betrachtete.

Kermit konnte innerlich nur den Kopf schütteln. Angel erschien ihm von Moment zu Moment immer geheimnisvoller. Er fragte sich, was die Frau noch so alles an Überraschungen zu bieten hatte.

Er musste nicht lange darauf warten. Plötzlich wurden Stimmen von Außen laut. Eine sehr aufgeregte Frauenstimme war nicht mehr zu überhören, die in einer fremden Sprache hysterisch babbelte. Eine männliche Stimme, die ziemlich nah am Rande eines Nervenzusammenbruchs klang, übertönte die Frau.

"Gibt's denn in diesem verdammten Revier niemanden, der russisch spricht?", dröhnte Strenlichs Stimme durch den Raum.

Angel seufzte leise. "Wenn sie mich ein paar Minuten entschuldigen wollen. Detective?"

"Was haben sie vor?"

"Ich will der Frau helfen."

Mit diesen Worten erhob sie sich und ging aus dem Büro, bevor Kermit noch ein weiteres Wort sagen konnte. Er eilte ihr schnurstracks hinterher.

Angel ging auf die aufgeregte junge Frau zu und begann in schnellem Russisch auf sie einzureden. Die junge Frau wollte sich nicht beruhigen, ihre Stimme wurde immer lauter. Angel schoss Kermit einen hilfesuchenden Blick zu. Schließlich ergriff sie die Hände der Frau und versuchte sie so ein wenig zu beruhigen.

Im gleichen Moment wurde die Türe des Captains aufgerissen. Sie stand mitten im Türrahmen und verlangte mit Autorität in der Stimme zu wissen, was hier los sei.

"Wir haben hier eine junge Russin, die ein Problem hat Captain", erklärte Kermit die Situation.

Angel fiel ihm ins Wort. "Die Frau ist so aufgeregt, weil sie ihr Kind vermisst."

Aller Augen richteten sich auf Angel, selbst die junge Mutter hörte auf zu lamentieren.

"Kommen sie in mein Büro, alle Drei", verlangte der Captain mit einem Blick auf Kermit.

Kaum schloss sich die Türe hinter den beiden, sagte sie: "Also Detective, was ist hier los?"

Der ehemalige Söldner, ganz nonchalant gegen die Wand gelehnt, erwiderte: "Ich wurde auf dem Weg hierher überfallen und die junge Dame hier hat mit geholfen. Wir waren gerade dabei, die Gesichter aus der Verbrecherkartei heraus zu suchen, als diese Dame hier im Revier ein Palaver angefangen hat."

Erneut wurde er von Angel unterbrochen, die noch immer beruhigend die Hand der jungen Mutter hielt.

"Entschuldigen sie wenn ich mich einmische, aber das ist doch im Moment vollkommen irrelevant. Die Frau hier, Tatjana Grizsim, sucht ihren Sohn, der aus ihrer Wohnung verschwunden ist."

Die junge Mutter nahm die Erwähnung ihres Namens zum Anlass, um erneut in ihr Wehgeschrei einzustimmen. Angel wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Frau zu und sprach beruhigend auf sie ein.

Der Captain seufzte kaum vernehmlich, setzte sich hinter ihren Schreibtisch, und deutete Angel an fort zu fahren. Die nächste Zeit verbrachten sie damit, indem der Captain Fragen stellte, Kermit sich Notizen machte und Angel als Übersetzer fungierte.

Es stellte sich heraus, dass Tatjana diesen Abend, als sie von der Arbeit nach Hause gekommen war, ihren sechsjährigen Sohn Dimitri nicht mehr in der Wohnung vorgefunden hatte. Ihre Suche nach ihm war erfolglos geblieben, so dass sie dann in ihrer Furcht hierher gekommen war. Angel hatte alle Mühe, der Frau so schonend wie möglich beizubringen, dass nach dieser kurzen Zeit noch kein Suchantrag gestellt werden konnte. Die junge Mutter drehte fast durch, als sie das zu hören bekam. Ihr Ton wurde immer flehender und ihre Augen schwammen in Tränen, während sie Angel weiter bekniete. Sie hielt ihre Hand wie einen Rettungsanker fest.

Angel wusste fast nicht mehr, was sie dieser armen Frau noch alles sagen konnte, um sie zu beruhigen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie furchtbar es sein musste, ein Kind zu vermissen, und nicht zu wissen, wo es war. Sie begann, ohne dass der Captain etwas gesagt hatte, mit der Russin der Reihe nach, noch einmal alles durchzugehen. Es stellte sich zwar heraus, dass sie überall gesucht hatte, aber da sie kein Telefon besaß, niemanden hatte anrufen können. Angel bekam heraus, dass die Frau noch eine Schwester hatte, die ebenfalls hier lebte und die besaß ein Telefon. Irgendetwas machte sie da hellhörig, es war nur ein Gefühl. Sie ließ sich von der jungen Mutter die Telefonnummer geben und bat den Captain, telefonieren zu dürfen.

Angel nahm den Hörer von der Gabel, wählte die entsprechende Nummer und sprach in schnellem Russisch auf das unsichtbare Gegenüber ein. Wenige Sekunden später reichte sie den Hörer mit einem breiten Lächeln an die verzweifelte junge Frau an ihrer Seite weiter.

Der Captain und Kermit blickten Angel auffordernd an, während die andere Frau telefonierte und ihr Weinen in ein breites, erleichtertes Lächeln überging.

"Das Kind ist bei ihrer Schwester. Sie hat den Kleinen abgeholt und ist mit ihm Einkaufen gegangen. Anscheinend hat sie vergessen, eine Nachricht zu hinterlassen und Tatjana dachte natürlich ihr Kind ist weg", erklärte sie den beiden.

Der Captain wirkte nun ebenfalls sehr erleichtert. "Gott sei dank, dass dieser Fall so leicht gelöst werden konnte. Es ist immer schlimm, wenn Kinder darin verwickelt sind."

"Da kann ich ihnen nur aus vollem Herzen zustimmen. Ich bin sehr froh, dass alles so gut ausgegangen ist. Könnten sie vielleicht jemanden vom Revier abstellen, der Tatjana zu ihrem Kind fährt?", bat Angel voller Inbrunst.

"Aber natürlich und ihnen nochmals vielen Dank."

Angel errötete. "Das ist wirklich sehr gern geschehen. Ich wüsste nicht, was ich lieber getan hätte."

Die Unterhaltung wurde unterbrochen, als die Frau den Hörer auflegte und sich erneut an Angel wandte. Zum Erstaunen aller Personen im Raum ging die Frau vor Angel in die Knie, nahm ihre Hände in die ihren und küsste sie.

Tiefe Röte überzog Angels Wangen, man merkte ihr deutlich an, dass sie sich mit dieser überraschenden Wende ziemlich überfordert fühlte. Sie ging nun ebenfalls in die Knie und versuchte, die Frau wieder auf die Beine zu bringen.

Kermit nutzte die Zeit, um aus dem Zimmer zu schlüpfen und einen Kollegen herbei zu rufen, der Tatjana zu ihrem Kind bringen sollte. Mit dem Kollegen im Schlepptau kehrte er zurück. Angel verdolmetschte der Frau, dass sie nun zu ihrem Kind gebracht werden würde.

Tatjana umarmte Angel spontan, bevor sie sich zu dem Mann umdrehte, dann wandte sie sich noch einmal zu Angel und meinte in gebrochenem Englisch: "Ich immer werden dankbar sein."

Angel lächelte die Frau warm an und erwiderte etwas auf Russisch, was die Frau laut auflachen ließ. Dann ging sie mit dem Officer hinaus, nicht ohne ihr noch einmal einen dankbaren Blick zuzuwerfen.

Kaum hatten sich die Türen hinter der Frau geschlossen meinte der Captain: "Nun zu ihnen, Detective Griffin. Was war das für eine Geschichte mit dem Überfall?"

Der Detective umschrieb in kurzen, prägnanten Sätzen, was sich in der dunklen Gasse zugetragen hatte. Mitten in seinem Bericht, klingelte das Angels Handy. Mit einem entschuldigenden Blick in Richtung des Captains nahm sie das Gespräch entgegen.

Sie lauschte einen Moment und fing dann an zu lachen. Ihre Antwort kam postwendend, diesmal in Französisch. Der Captain und Kermit wechselten nur einen Blick. Kermit, der ein wenig Französisch sprach, verstand soviel, als dass sie gerade jemandem mit einem kleinen Problem am Computer half. Dann legte Angel wieder auf und sah die beiden schulterzuckend an.

"Tut mir leid, ich werde mein Handy sofort ausschalten."

"Sprachtalent, was?", meinte Kermit mit einem Seitenblick auf sie.

Angel lächelte ihn an. "Ein wenig. Ich bin viel herum gekommen in der Welt."

Nun mischte sich der Captain ein. "Wenn ich fragen darf, sprechen sie zufällig auch chinesisch bzw. beherrschen sie die Sprache auch in Schrift?"

Zu Kermits Erstaunen erwiderte sie: "Um ihre Frage zu beantworten: Ja, ich beherrsche auch Chinesisch, allerdings nur Mandarin, in Schrift und Wort."

"Suchen sie zufällig einen Job?"

Angel überlegte einen Moment. "Nicht unbedingt. Was wollen sie mir denn vorschlagen, Captain Simms?"

"Nun, wir könnten noch einen guten Übersetzer gebrauchen. Unser eigener ist leider letzten Monat in Rente gegangen und wir haben noch keinen Ersatz gefunden. Weiterhin befinden wir uns hier inmitten von Chinatown und es würde uns gewaltig weiter helfen."

Angel lachte leise. "Ich fürchte, Captain, dass sie sich meinen üblichen Stundenlohn nicht leisten können. Aber da ich mich hier eigentlich recht wohl fühle mache ich ihnen einen Vorschlag. Wenn sie tatsächlich jemanden brauchen, der ihnen Dokumente übersetzt oder Dolmetscht, dann rufen sie mich an. Ich stehe ihnen gerne, sofern es meine Zeit zulässt, unentgeltlich zur Verfügung. So kann ich auch meinen Beitrag zur Verbrechensbekämpfung leisten."

Zum ersten Mal, seitdem sie herein gekommen war, lächelte der Captain Angel offen an. Die Frau war ihr ein Rätsel, aber sie nahm ihren Vorschlag an und streckte ihr die Hand entgegen. "Einverstanden Miss...?"

"Caine. Angel Caine."

Die Augenbraue des Captains schob sich nach oben und sie zog scharf die Luft ein. "Caine? Sind sie zufällig verwandt mit einem Kwai Chang Caine?"

Angel zuckte die Schultern, leicht überrascht von der Reaktion des Captains. "Keine Ahnung, ich denke aber nicht. Was ist bitte so besonderes an meinem Nachnamen?"

"Wir haben hier einen Detective, der ebenfalls den Nachnamen Caine trägt", erwiderte der Captain, als würde das alles erklären.

"Wie lautet der Geburtsname ihrer Eltern, Miss Caine?", kam auch gleich die nächste Frage.

"Lautete muss er heißen, sie sind beide schon lange Tot. Mein Vater hieß Raphael Caine und meine Mutter Camille Stevens."

"Haben sie noch weitere Verwandte?"

"Das weiß ich nicht. Als meine Eltern damals ums Leben kamen, konnte jedenfalls kein Verwandter ausgemacht werden." Man sah Angel an, dass ihr diese Ausfragerei nicht besonders gefiel, sie rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.

"Hören sie, Captain. Ich weiß nicht, was dieses Frage und Antwort Spiel hier zu bedeuten hat. Ich komme mir gerade vor, als würde ich hier mitten auf der Anklagebank sitzen und habe dabei keine Ahnung, was ich verbrochen haben soll."

"Tut mir leid, Miss Caine, dass ich sie damit dermaßen überfallen habe, aber der Name Caine hat hier in der Stadt eine große Bedeutung."

"Aha." Sie zuckte abweisend die Schultern. "Ich kann im Moment ihren Gedankengang nicht nachvollziehen, denn ich bin erst seit gestern in der Stadt. Allerdings ist es gut zu wissen, dass ich hier mit meinem Nachnamen vorsichtig umgehen sollte", fügte sie hinzu.

Der Captain lächelte leicht. "Ich denke, sie werden sehr bald wissen, was ich meine. Aber nun zurück zu dem Überfall, wir sind schon wieder abgeschweift."

Kermit erklärte dem Captain kurz den restlichen Tathergang, dabei nahm der Captain keine Sekunde den Blick von Angel, die sich vorkam wie ein Insekt unter dem Mikroskop.

"Und sie haben einfach eingegriffen, ohne dass sie überhaupt wussten, was sie erwartete?", wandte sich der Captain überrascht an Angel.

"Natürlich. Vier gegen einen ist immer unfair, egal ob gut oder böse."

In Karens Stimme schwang ein eindeutig tadelnder Unterton mit. "Sie hätten sich verletzen können."

"Ja, aber das habe ich nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich in dem Moment auch nicht groß darüber nachgedacht. Mir war nur klar, dass ich helfen musste."

Erneut wechselte ein Blick zwischen dem Captain und Kermit, der das Ganze vollkommen ruhig beobachtete. Das kurze Nicken seiner Vorgesetzten richtig deutend, meldete er sich zu Wort.

"Es ist ziemlich spät, Captain. Wenn sie nichts dagegen haben, werde ich Miss Caine nach Hause bringen. Den Rest können wir auch morgen erledigen. Angel, würden sie bitte einen Moment draußen warten, ich komme gleich nach."

Die junge Frau schenkte ihm ein leichtes Lächeln und erhob sich. "Aber natürlich", meinte sie und verließ den Raum.

Kapitel 2

Einige Minuten später betrat Kermit den Innenraum des Reviers. Er sah Angel an einen Schreibtisch gelehnt in ein Gespräch mit T.J. vertieft, der sie sehr offensichtlich anflirtete. Zum Zweiten fielen ihm die Blicke der Männer im Raum auf, die sie regelrecht anstarrten. Angel hingegen, schien diese nicht zu bemerken. Gerade lachte sie hell auf und warf mit einer kurzen Handbewegung ihre langen Haare zurück. Kermit hielt für einen Moment den Atem an. Wie konnte so eine kleine Bewegung nur so erotisch wirken?

Er beschloss, soviel wie möglich über diese Frau heraus zu bekommen. Er konnte sie einfach nicht loslassen und aus seinem Leben verschwinden lassen. Irgendetwas hatte sie an sich, was ihn magisch anzog. Mit zwei großen Schritten trat er neben Angel und schoss T.J. einen warnenden Blick durch die dunklen Gläser hindurch zu.

"Angel, wir können jetzt gehen."

Sie schenkte ihm ihr strahlendes Lächeln und verabschiedete sich von T.J., der ihr mit großen Augen hinterher blickte.

Kermit führte sie, galant eine Hand unter ihren Ellbogen geschoben, aus dem Gebäude. Anschließend geleitete er sie zu seiner Corvair und öffnete ihr in vollendeter Manier die Beifahrertüre. Nachdem er ebenfalls im Wagen Platz genommen hatte, startete der Detective den starken Motor und erkundigte sich nach ihrer Adresse. Sie gab sie ihm.

"Das gibt es doch nicht", kommentierte er.

"Was gibt es nicht?", erkundigte sie sich verwirrt.

"Netter Zufall, wir teilen uns dieselbe Adresse. Ich wohne dort ebenfalls."

Angel lachte. "Sie haben Recht, das ist wirklich ein Zufall. Das wird ja langsam richtig unheimlich. In dem Fall kann ich wohl nur sagen 'Hallo Nachbar'."

"Und das sogar der Direkte. Sie sind also der Nachmieter von Richards?"

"Richtig. Das Appartement ist genau das, was ich gesucht hatte. Schon möbliert, so dass ich nur meine Koffer anschleppen muss. Was Besseres hätte mir gar nicht passieren können."

"Brauchen sie Hilfe beim Einzug?"

"Nein, eigentlich nicht. Ich habe, wie gesagt, nur ein paar Koffer auszupacken. Das ist schnell erledigt, sobald sie geliefert werden."

"Gut zu hören. So können sie mich morgen zum Revier begleiten. Ihre Aussage und ihre Personalien, müssen noch zu Protokoll genommen werden."

"Das ist mir nun aber nicht so recht, Detective Griffin. Ich habe morgen sehr viel zu tun. Ich will mir unter anderem auch einen Wagen kaufen. Können wir das Ganze nicht verschieben?"

"Ich fürchte, das geht nicht, Miss Caine. Aufgrund der späten Stunde dachte ich, es ist besser, alles auf morgen zu verschieben. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es selbstverständlich heute noch erledigt."

"Und umkehren wäre Blödsinn, weil wir gerade Zuhause angekommen sind", vervollständigte sie den Satz.

Eine Weile kehrte Stille ein, dann meinte Angel zaghaft: "Hören sie, Detective. Sie können doch sicher von einem Computer mit Internetanschluss auf ihren Computer im Revier zugreifen oder nicht?"

"Ja sicher kann ich das."

"Gut, damit wäre das Problem gelöst. Ich mache ihnen einen Vorschlag. Das Erste, was ich hier installiert habe, ist mein Computer. Was halten sie davon, mit zu mir zu kommen und dort meine Aussage aufzunehmen? Somit kann ich morgen meinen Bedürfnissen nachgehen und sie haben ihr Protokoll."

Kermit warf ihr einen bezeichnenden Seitenblick zu. "Halten sie es nicht für gefährlich, einen fremden Mann um diese Uhrzeit zu sich in die Wohnung einzuladen?", neckte er sie.

Angel ließ ihr helles Lachen hören. "Ach, da habe ich keinerlei Bedenken, nicht bei ihnen. Außerdem kann ich mich wehren, sollten sie unlautere Absichten haben. Ich bin keine kleine wehrlose Frau, wie sie sicher schon festgestellt haben."

Kermit, der mittlerweile, ebenso wie Angel, aus dem Auto gestiegen war, verbeugte sich vor ihr.

"Touché, Miss Caine. Wenn sie tatsächlich noch nicht zu müde sind..."

"Ganz im Gegenteil, Detective Griffin. Ich bin hellwach um genau zu sein.", unterbrach sie ihn mitten im Satz. "Meistens komme ich eh mit sehr wenig Schlaf aus und Jetlag habe ich zum Glück auch nicht."

"Na denn."

Kermit freute sich, dass der Abend mit ihr noch nicht zu Ende ging und ihr Vorschlag kam ihm auch entgegen, denn eine vollkommen, wenn auch sehr faszinierende Fremde, wollte er nicht unbedingt in seine Wohnung einladen. Dazu war er dann doch zu misstrauisch. Formvollendet bot er Angel seinen Arm an. Sie nahm sein Angebot an und ließ sich von ihm zum Aufzug führen.

Der Duft von Angels Parfum stieg dem Detective in die Nase und machte ihn ganz benommen, als sich die Aufzugtüren hinter ihnen schlossen. Tief in seinem Inneren regte sich etwas. Er fühlte sich wie ein Schuljunge beim ersten Rendezvous. Auch wenn er nur ihren Arm hielt, hatte er das Gefühl, als würden leichte Stromimpulse von ihm zu ihr und umgekehrt fließen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er dieses das letzte Mal erlebt hatte. Kermit schüttelte leicht den Kopf und straffte sich, um der Verlockung zu widerstehen, die nichtsahnende Frau einfach zu sich herum zu drehen, und sie zu küssen. Was hatte Angel nur an sich, das ihn dermaßen durcheinander brachte und so sehr an seiner schon seit langen Jahren antrainierten Selbstkontrolle nagte?

ooooooooooooo

"So das war's." Mit einem erleichterten Seufzer fuhr Kermit den Computer hinunter. "Ein gutes Stück haben sie da."

"Danke schön. Ich habe ihn selber zusammen gebaut", bedankte sich Angel für das Kompliment.

"Meine Hochachtung, da haben sie ganze Arbeit geleistet."

"Ich sagte ja schon, dass ich mich sehr für Technik interessiere. Mein alter Computer hat den Geist aufgegeben, ich konnte gerade noch die Daten retten. Da habe ich dann beschlossen, mir mein eigenes System zusammen zu stellen. Somit weiß ich wenigstens immer was drin ist und wo ich hinfassen muss, wenn etwas nicht funktioniert."

"Da kann ich ihnen nur zustimmen. Ich persönlich habe schon vor Jahren aufgehört, mir Kompaktsysteme anzuschaffen."

"Tja, dann waren sie schlauer als ich. Aber wie sagt man so schön: Durch Schaden wird man klug. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn ich meine Daten nicht hätte retten können. Da wäre ich wohl gelyncht worden und das zu Recht."

"Führen sie so ein riskantes Leben?", erkundigte sich Kermit und leitete damit geschickt vom Thema ab.

"Eigentlich nicht, hoffe ich zumindest. Ihr Beruf birgt da sicherlich mehr Gefahren in sich."

"So interessant ist der gar nicht. Ich arbeite die meiste Zeit hinter dem Computer, nichts aufregendes", schwächte Kermit sofort ab.

Angels Blick machte deutlich, dass sie ihm keine Silbe von dem Abnahm, was er gerade von sich gegeben hatte, aber sie ging nicht weiter darauf ein.

"Kann ich ihnen noch etwas anders anbieten außer Kaffee? Einen kleinen Schlummertrunk vielleicht, um das ganze Koffein zu kompensieren? Nachher beschweren sie sich sonst noch, dass sie wegen mir nicht schlafen konnten."

Mittlerweile zeigte die Uhr weit nach 2 Uhr nachts, Kermit überlegte kurz und zuckte dann die Achseln.

"Was soll's. Es ist schon so spät, da kommt er auf ein paar Minuten mehr oder weniger auch nicht an", resignierte er, als er ihren bittenden Blick bemerkte.

Angel erhob sich und zeigte auf das Sofa. "Machen sie es sich bequem. Was halten sie von einem schönen, eisgekühlten Scotch?"

"Eine Frau, die weiß was gut ist. Ganz nach meinem Geschmack", erwiderte er und brachte Angel damit zum Erröten, wie er befriedigt feststellte.

Kurze Zeit später kehrte Angel mit den Getränken aus der Küche zurück und setzte sich neben ihn.

"Dafür, dass sie erst seit einem Tag hier sind, sind sie aber schon gut sortiert", meinte er.

"Frau tut, was sie kann. Ich lege Wert darauf, dass zumindest die Grundbedürfnisse gedeckt sind. Als ich hierher kam, habe ich zuerst Lebensmittel eingekauft. Alles andere kann warten", erwiderte sie belustigt.

"Scotch gehört zu ihren Grundbedürfnissen?"

Nun lachte sie wieder. "Nein, das nicht. Das war ein Geschenk eines Bekannten von mir. Es ist das einzige alkoholische Getränk, das ich im Haus habe."

"Na dann Prost!"

Kermit hob das Glas und stieß mit Angel an, ihr dabei tief in die Augen blickend. Bildete er sich das gerade ein, oder hatte er tatsächlich ein Aufblitzen in ihren Augen bemerkt?

"Prost."

Kermit lehnte sich entspannt in das Sofa zurück, dabei ging sein Jackett auf und enthüllte den Desert Eagle. Er bemerkte Angels Blick, der direkt auf seine Waffe gerichtet war.

"Entschuldigung, soll ich sie weg tun?"

"Nein, das ist nicht nötig. Ich denke, der sicherste Aufbewahrungsort für den Eagle ist direkt bei ihnen. Ich möchte so was nicht unbedingt hier frei herum liegen haben. Benutzen denn alle Polizisten seit neuestem diese großkalibrigen Waffen, oder ist das nur ihr eigener Faible?"

"Nur meine persönliche Präferenz. Irgendwie muss ich ja meine Disketten beschützen", erwiderte Kermit. Neugierig fügte er hinzu: "Sie kennen sich mit Waffen aus?"

"Nein, eigentlich nicht. Ich habe nur ein gutes Gedächtnis und vergesse kaum etwas, was ich mal gesehen habe."

"Dann verraten sie mir einmal, wie sie dazu kamen, einen Desert Eagle zu sehen."

"Das ist schon lange her und sicher kein Thema für diese späte Stunde", wich sie aus.

Kermit setzte sein Pokerface auf und biss sich auf die Lippen, um nicht weiter nachzuhaken. Das Thema interessierte ihn schon sehr, aber wenn sie nichts sagen wollte, dann musste er wohl oder übel noch auf die Antwort warten, auch wenn ihm das nicht gefiel. Allerdings wunderte er sich, dass seine interne Alarmglocke nicht schellte, wie sie es sonst tat, wenn er Fremden gegenüber saß, die anscheinend auch etwas exotischere Waffenformate kannten. Er beschloss, später, wenn sie sich besser kannten, noch einmal auf dieses Gespräch zurück zu kommen.

"Nun gut. Verraten sie mir wenigstens, wie es dazu kam, dass sie diverse Sprachen so gut beherrschen?", wechselte er geschickt das Thema.

"Wie ich schon sagte, ich bin viel in der Welt herum gekommen und als Kind lernt man schnell."

Diesmal wollte Kermit beim Thema bleiben, was er mit der nächsten Frage gleich klar machte. "Warum als Kind?"

Angel seufzte leise. "Wollen sie wirklich meine Lebensgeschichte hören? Die ist nur langweilig und mehr nicht."

"Gerne", erwiderte der ehemalige Söldner und setzte sich so, dass der Blick auf seine Waffe verdeckt wurde.

Angel seufzte noch einmal. "Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann geben sie wohl nicht so schnell auf was?"

"Nein. Niemals. Das widerspricht meiner Natur.", erwiderte Kermit mit seinem berühmten Wolfsgrinsen. "Also, wie lernten sie die ganzen Sprachen?"

"Okay, sie haben gewonnen, ich ergebe mich", erwiderte sie spielerisch mit erhobenen Händen und schlug die Beine gekonnt übereinander, was in Kermits Magengrube ein erneutes Ziehen auslöste. Wie gerne er diese endlos langen, seidig glatten Beine und die schmalen Fesseln erforschen wollte, das wusste nur er. Unwillkürlich schob er seine Hände in die Hosentasche und zwang sich dazu, ihr ohne störende Nebengedanken zuzuhören.

Angels melodische Stimme füllte den Raum. "Meine Eltern waren beide Wissenschaftler. Sie beschäftigten sich mit Gentechnologie und reisten von einem Land zum anderen, eben dahin, wo sie ihren nächsten Auftrag erhielten. Ich war noch ziemlich klein und so fiel es mir leicht, die Sprache des Landes zu erlernen, in dem wir uns gerade aufhielten. Ich wusste ja, dass es in spätestens einem Jahr wieder woanders hinging. Länger haben meine Eltern es an einem Ort nicht ausgehalten. Sie waren wahre Wandervögel und wir zogen meist schon sehr viel früher wieder weiter."

"Das muss schwer für sie gewesen sein."

"Eigentlich nicht. Ich kannte nichts anderes und war daran gewöhnt, dass meine Eltern aufgrund ihrer Forschungen so gut wie nie Zeit für mich hatten. Für mich war das Erlernen der Landessprache eine Art Hobby. Somit war ich wenigstens beschäftigt und habe meine Eltern nicht gestört. Gleichzeitig hielt mich die Lernerei auch davon ab, tiefere Freundschaften zu bilden, denn ich wusste, ich musste bald wieder weg."

Kermit hörte deutlich den Schmerz aus ihrer Stimme, behutsam forschte er weiter. "Sie sagten, ihre Eltern sind nicht mehr am Leben?"

Sie schüttelte den Kopf. "Schon lange nicht mehr. Es passierte kurz vor meinem 13. Geburtstag. Wir befanden uns zu diesem Zeitpunkt in Venezuela. Wir waren unterwegs, um einen Bekannten meiner Eltern zu besuchen, als meinem Vater auf einer dieser tückischen Bergstrecken der Reifen platzte. Er verlor die Kontrolle über den Wagen und mehr weiß ich nicht mehr. Ich bin erst im Krankenhaus wieder zu mir gekommen, wo man mir mitteilte, dass meine Eltern den Unfall nicht überlebt haben."

Angel machte eine kurze Pause, die Trauer stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ganz entgegen seiner Art ergriff Kermit spontan ihre Hand und drückte sie aufmunternd.

"Und wie ging es weiter?"

Angel umklammerte seine Hand wie einen Rettungsanker. "Wie soll es schon weiter gegangen sein? Ich hatte keine Eltern mehr, Verwandte konnten nicht ausfindig gemacht werden; ergo wurde ich in ein Waisenhaus abgeschoben. Die Venezuelanischen Behörden brauchten ganze zwei Jahre, um festzustellen, dass ich amerikanische Staatsbürgerin bin. Daraufhin wurde ich nach Amerika abgeschoben und landete direkt in einem weiteren Waisenhaus. Dort blieb ich dann bis ich 18 war und dann habe ich schnell die Kurve gekratzt."

Unwillkürlich fiel Kermit ein Gespräch mit Paul ein, das er mal mit ihm über Peter und dessen Erlebnisse im Waisenhaus geführt hatte. Wenn es ihr auch nur halb so schlecht ergangen war, wie Peter, dann konnte sie keine gute Zeit gehabt haben.

"Es tut mir leid", meinte er leise.

Sie zuckte nur die Achseln, entzog ihm ihre Hand, aber rückte stattdessen ein kleines Stück näher an ihn heran, so dass ihre Schenkel sich leicht berührten.

"Was soll's, die Zeit liegt hinter mir und wer weiß wofür es gut war. Immerhin habe ich einiges dort gelernt, was mir in dieser "freien" Welt zugute kam. Ich habe schnell gemerkt, dass Wissen Macht bedeutet und habe die Zeit dort gut genutzt, um alles an Informationen in mich hinein zu stopfen, was ich bekommen konnte. So fiel es mir ziemlich leicht, einen Job zu finden."

"Und was haben sie gemacht, nachdem sie das Waisenhaus verlassen haben?"

"So einiges, dies und das. Ich habe wohl das unstete Wesen meiner Eltern geerbt, denn ich bin die ersten Jahre in der Weltgeschichte herum gereist und habe die verschiedensten Jobs angenommen, um mich über Wasser zu halten. Dann entdeckte ich, dass sich mit Computer gutes Geld verdienen lässt, insbesondere wenn man auch noch mehrere Sprachen spricht. Ich habe mich dann auf den Sicherheitssektor spezialisiert. Ich beriet kleine und große Firmen auf diesem Gebiet, habe Sicherheitslücken in ihrem System aufgespürt und sie beseitigt. Nebenher habe ich noch Übersetzungen gemacht, so dass mit der Zeit ein hübsches Sümmchen heraus kam und ich mir mittlerweile heraus suchen kann, für wen und für was ich arbeite. Das ist gar nicht so übel."

"Und wie sind sie nun ausgerechnet nach Sloanville gekommen?"

Angel grinste. "Sie werden lachen. Ich hatte keine Lust mehr, dauernd in der Weltgeschichte herum zu reisen. Dann traf ich eine Person, die mir einiges über diese Stadt erzählt hat und ich beschloss spontan, mich hier nieder zu lassen, besser gesagt, es zumindest zu versuchen. Und nun bin ich eben hier."

"Sie sind nur hier, weil ihnen jemand von dieser Stadt erzählt hat? Das ist verrückt."

"Vielleicht. Aber so bin ich nun mal. Spontan und unabhängig und außerdem habe ich nirgendwo Wurzeln dank meiner Eltern. Warum sollte ich es also nicht hier versuchen? Außerdem, sehen sie es mal so. Wenn ich nicht hier wäre, dann hätten sie heute Abend wohl größere Probleme bekommen", erwiderte sie spöttisch.

Kermit musste sich eine negative Bemerkung verbeißen. Er konnte sich gut den Spott seiner Kollegen vorstellen, wenn bekannt würde, dass eine Frau ihn aus den Fängen von vier Dieben gerettet hatte. Ausgerechnet ihn, Kermit Griffin, den unnahbaren, harten und kampferprobten Ex-Söldner. Nun ging die Unterhaltung eindeutig in eine Richtung, die er nicht wollte. Er täuschte ein Gähnen vor und erhob sich nach einem bedeutungsvollen Blick auf seine Uhr.

"Tja Angel, ich sollte nun wirklich schauen, dass ich ins Bett komme. Was halten sie davon, wenn wir unsere Unterhaltung später einmal fortführen? Ich würde sie gerne Morgen bzw. heute Abend in unser Stammlokal, dem Delanceys, einladen. Dann lernen sie auch gleich noch ein paar Arbeitskollegen meinerseits kennen. Unter anderem auch ihren Namensvetter, sofern er da ist. Sehen sie es als kleinen Dank für ihr Einschreiten an."

Angel grinste bis über beide Ohren. Irgendwie bekam Kermit das Gefühl nicht los, dass sie sein Manöver direkt durchschaute, aber zu höflich war, es auszusprechen. Immerhin stimmte sie mit einem strahlenden Lächeln zu.

"Gut, einverstanden. Welche Uhrzeit schlagen sie vor?"

"Ich hole sie so gegen Acht Uhr ab, sofern es ihnen recht ist."

"Ich denke, das geht in Ordnung. Bis dahin werde ich sicher auch so weit sein. Ich freue mich schon darauf, ein paar ihrer Kollegen und meinen Namensvetter kennen zu lernen. Gute Nacht, Detective."

"Gute Nacht, Angel. Ich bin übrigens sehr froh, dass sie sich für Sloanville entschieden haben", lauteten Kermits letzte Worte, bevor er sich selbst aus der Wohnung ließ.

Angel saß noch lange auf dem Sofa und schaute auf die nun geschlossene Türe. Sie konnte es nicht fassen, wie viel sie diesem großen, dunklen und intelligenten Mann über sich erzählt hatte. Normalerweise hielt sie mit diesen Informationen immer ziemlich hinter dem Berg. Auf der anderen Seite fühlte sie sich eindeutig von dem geheimnisvollen Detective angezogen. Es reizte sie, zu erfahren, was sich hinter dieser zur Schau getragenen, unnahbaren Fassade verbarg und sie entschloss sich dazu, es heraus zu finden.

Kapitel 3

Der nächste Tag verging für Angel wie im Flug. Bis sie alles erledigt hatte, war es fast schon Abend. Die Uhr zeigte kurz nach 19 Uhr, als sie ihren nagelneuen Wagen stolz auf dem Parkplatz abstellte. Der dunkelgrüne Trans Am mit dem feuerrot leuchtenden Drachen auf der Motorhaube gefiel ihr ausnehmend gut und sie strich liebevoll über das polierte Metall. Als sie ihn in einem Autohaus entdeckt hatte, hatte sie einfach nicht wiederstehen können und kurzerhand das Kraftpaket gekauft. Kermit würde Augen machen, dessen war sie sich sicher.

Im Eiltempo hechtete Angel die Treppen hinauf und hüpfte gleich unter die Dusche. Sie wollte sich heute besonders hübsch machen und sehen, ob sie den spröden Detective nicht ein wenig aus der Reserve locken konnte. Ihre Sachen waren pünktlich heute Morgen geliefert worden, von dem her hatte sie die komplette Auswahl. Das Wohnzimmer sah nun auch behaglicher aus, nachdem sie ihre persönlichen Gegenstände aufgestellt hatte. Ihr gefiel es jedenfalls.

Ein paar Minuten vor der verabredeten Zeit legte sie letzte Hand an sich. Prüfend blickte sie in den Spiegel, zufrieden mit dem was sie sah. Die langen Haare hatte sie solange gebürstet, bis sie in weichen Wellen ihr Gesicht umrahmten, dazu hatte sie sich dezent geschminkt und ihre blauen Augen betont, die nun regelrecht zu leuchten schienen, ohne dass das Make Up aufdringlich wirkte.

Die hautenge weiße Carmenbluse betonte ihre vollen Brüste und die schlanke Taille, gehalten wurde sie nur von den bauschigen Ärmel, die ansonsten ihre gesamten Schultern frei ließ. Ihre gebräunte Haut bildete einen reizvollen Kontrast zu dem weißen Stoff. Der weit schwingende Meergrüne Rock endete eine gute Handbreit über dem Knie, ohne anstößig zu wirken und erinnerte an die Zeit, in der der Petticoat noch in war. Dazu hatte sie sich für hochhackige, ebenfalls meergrüne, Pumps entschieden und einer hautfarbenen glänzenden, durchsichtigen Strumpfhose, die ihre langen Beine mit den schlanken Fesseln noch mehr betonte. Alles in allem strahlte ihr eine begehrenswerte, hocherotische junge Frau entgegen.

Angel lächelte ihr Spiegelbild an und streckte sich die Zunge heraus. *Das ist nicht gerade der brave Engellook. Aber wenn du hier nicht anbeißt, dann weiß ich auch nicht mehr weiter, Kermit Griffin*, dachte sie bei sich. Sie wollte diesen Mann unbedingt näher kennen lernen, und wenn ihr dabei ihr Aussehen half, warum nicht?

ooooooooooooo

Pünktlich um Acht Uhr klingelte es an ihrer Türe. Angel strich sich noch einmal die Bluse glatt, ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, schnell die Handtasche geschnappt und die Türe aufgemacht.

"Hallo Detective Griffin", begrüßte sie ihn.

Kermit konnte sie nur mit offenem Mund anstarren. Gestern hatte er schon bemerkt, wie gut sie aussah - aber heute... Dieser Anblick machte ihn glatt sprachlos. Angel lächelte ihn engelsgleich an, legte ihre Hand unter sein Kinn und schloss seinen Mund mit sanftem Druck.

"Alles okay?", erkundigte sie sich liebenswürdig.

Kermit räusperte sich vernehmlich, bevor er seine Sprache wieder fand. "Uhm ja. Hallo Miss Caine. Sie sehen phantastisch aus."

Angel errötete ein wenig und nahm brav das Kompliment an. Sekundenlang herrschte Stille. Kermit konnte den Blick einfach nicht von ihr wenden. Ihm wurde klar, dass er heute Abend einen schweren Stand gegen seine Kollegen haben würde, speziell gegen den gutaussehenden Peter. Jeder Mann in dieser Stadt würde sich alle zehn Finger ablecken, wenn er mit so einer Frau ausgehen durfte. In diesem Moment bereute der Detective es zutiefst, Angel in die Bar eingeladen zu haben. Dort sprangen einfach viel zu viele gutaussehende Männer herum, die er plötzlich alle nur noch als potentielle Rivalen sah. Mit erschreckender Deutlichkeit wurde ihm bewusst, dass er Angel viel lieber nur für sich selbst haben wollte, doch dazu war es, dank seiner eigenen Dummheit, viel zu spät. Seitdem er sie kannte, schien ihm irgendwie sein logischer und normalerweise sehr präzise arbeitender Verstand abhanden gekommen zu sein.

"Können wir gehen, oder stehen wir noch weiter an der Türe herum?", fragte Angel sanft mit einem gekonnt unschuldigen Augenaufschlag.

Die Worte rissen Kermit aus seiner Erstarrung. Was war nur mit ihm los? Er war doch ein erwachsener und sehr erfahrener Mann und sie war beileibe nicht die erste Schönheit, der er begegnete. Warum nur kam er sich in ihrer Gegenwart dennoch ständig vor, wie ein kleiner Schuljunge? Schnell sammelte er sich wieder, setzte seine undurchdringliche Miene auf und schob die störenden Gedanken vorerst zur Seite.

"Natürlich, die anderen warten sicher schon auf uns", meinte er und räusperte sich erneut unauffällig. Gleich darauf bot er ihr, ganz der Gentleman, seinen Arm an, den sie ergriff und sich von ihm zum Fahrstuhl führen ließ.

Auf dem Weg nach unten machten sie ein wenig Small Talk und die Stimmung wurde wieder lockerer. Kurz vor dem Parkplatz meinte Angel: "Ich würde gerne meinen Wagen nehmen, wenn es ihnen recht ist, Detective."

"Oh, haben sie sich heute tatsächlich einen Wagen gekauft?"

"Ja, sie ist eine reine Schönheit."

*So wie du*, dachte Kermit. Laut meinte er: "Aber ich habe sie eingeladen, daher fahren wir mit meiner Corvair."

"Aber mein Wagen muss noch eingefahren werden und dafür nütze ich gerne jede Gelegenheit. Wenn sie wollen, können sie ihn gerne fahren, dann kommt es doch auf dasselbe heraus, oder?"

Mit diesen Worten hielt sie ihm die Wagenschlüssel hin und schaute ihn durchdringend an. Kermit kannte diesen entschlossenen Blick, den sie ihm zuwarf, nur zu gut. Genau so sah sein junger Kollege Peter auf dem Revier auch immer aus, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte und es unbedingt durchsetzen wollte. Wenn Kermit es nicht besser wüsste, würde er schwören, Peter hätte ihr diesen Blick beigebracht. Sie würde es wohl tatsächlich fertig bringen, ihm hinterher zu fahren, sollte er ihr Anliegen ablehnen. Daher nahm er zögernd die Schlüssel an.

Er folgte Angel zu dem grünen Trans Am, dann pfiff er leise durch die Zähne. "Ein äußerst kraftvolles Prachtstück würde ich sagen."

Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Ich mag es, schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen und habe mich auf den ersten Blick in den Wagen verliebt."

"Sie müssen gut verdienen, wenn sie sich so einen Wagen leisten können.", rutschte es Kermit unfreiwillig heraus.

"Sagte ich ihnen schon, Detective. Ich kann es mir leisten, ein wenig extravagant zu sein."

Kermit zuckte nur die Schultern und beließ es vorerst dabei. Obwohl er sich auf dem besten Wege befand, sich Hals über Kopf in die betörende junge Frau an seiner Seite zu verlieben, konnte er doch nicht aus seiner Haut und alles einfach als gegeben hinnehmen. Kurzgesagt war er mit seiner Überprüfung von Angel noch nicht durch. Gleich heute Früh hatte er sich an den Computer gesetzt und versucht, so viel wie möglich über die junge Frau heraus zu bringen. Leider war er nicht weit gekommen, da er sich mit einem Fall beschäftigen musste. Nur so viel konnte er bis jetzt sagen: Das, was sie ihm bis jetzt erzählt hatte stimmte. Des Weiteren hatte er noch eine ganz andere Anfrage laufen, auf deren Ergebnis er sehr gespannt war.

Kermit stieg auf der Fahrerseite ein und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Der Motor startete mit einem satten Schnurren, das sein Gesicht aufhellte und ihn die düsteren Gedanken vergessen ließ. Er konnte förmlich die Kraft, die in diesem Wagen steckte, spüren und freute sich auf die Fahrt.

Noch im Auto wechselten sie zum freundschaftlichen Du über und Angel versprach ihm, nichts darüber verlauten zu lassen, auf welche Art und Weise sie sich getroffen hatten. Den Rest der Zeit vertrieben sie sich damit, sich über Gott und die Welt zu unterhalten.

Einige Zeit später kamen sie vor dem Delanceys an und Kermit fand einen Parkplatz direkt vor dem Laden. "Scheint, wir haben Glück heute Abend", lautete sein Kommentar dazu.

Wie ein vollendeter Gentleman stieg er zuerst aus dem Wagen und hielt ihr die Türe auf. Dann bot er ihr erneut seinen Arm an, um sie in die Bar zu führen. Er spürte, wie ihre Finger leicht zitterten und blickte sie besorgt von der Seite an.

"Alles in Ordnung mit dir?"

Sie nickte. "Ja, ich bin nur ein wenig aufgeregt. Was ist, wenn mich deine Kollegen nicht leiden können? Immerhin werde ich über kurz oder lang auch sporadisch mit ihnen zusammen arbeiten, sofern Captain Simms mich braucht."

Kermit drückte kurz ihre Hand auf seinem Arm. "Nur keine Sorge, Angel. Ich bin sicher, sie werden dich mögen. Du hast ein so offenes Wesen, dass du dir darum ganz bestimmt keine Sorgen machen musst."

"Na dann hoffen wir mal das Beste. Hinein in die Höhle des Löwen.", meinte Angel und drückte sich ein klein wenig enger an Kermit, der ihre Nähe sehr genoss.

ooooooooooooo

Kermits und Angels Auftritt im Delanceys war fast Showreif. Kaum hatten sie den Eingang hinter sich gelassen, verstummte das Gespräch an mehreren Tischen abrupt. Sogar Terry, der Barkeeper, starrte Angel mit offenem Mund an. Unzählige Augenpaare folgten dem gut aussehenden Paar, das direkt an einen fast voll besetzten Tisch zusteuerte, an dem schon vier Männer und zwei Frauen saßen.

"Hallo zusammen. Darf ich euch Angel vorstellen?", begrüßte Kermit seine Kollegen nonchalant und machte sich gleich ans Werk mit der restlichen Vorstellung. "Das hier ist T.J. Kincaid, den kennst du sicher noch von gestern, Blake, auch genannt Shaky, Chief Frank Strenlich, Jody Powell, Mary Margret Skalany und der berühmte Peter Caine."

"Hallo", erwiderte Angel ein wenig schüchtern und schüttelte der Reihe nach den genannten Personen die Hand. Peter, der als Letzter an die Reihe kam, küsste ihr galant die Hand und brachte Angel prompt zum Erröten.

Kermit fühlte Eifersucht in sich hochsteigen, als er sah, wie Peter ihr sein schönstes Lächeln schenkte, mit dem er schon Dutzende von Frauenherzen erobert hatte. Erneut ärgerte er sich, sie hierher eingeladen zu haben. Falls Angel ihre Aufmerksamkeit nun dem vor Charme nur so sprühenden Peter zuwandte, war er selbst schuld.

Zu seiner großen Erleichterung bemerkte Kermit, dass er sich wohl doch keine Sorgen machen musste. Angel behandelte Peter genauso höflich und zuvorkommend, wie die anderen. Es gab keine Anzeichen dafür, dass sie ihn besonders Attraktiv oder Anziehend fand.

Ganz Gentleman der alten Schule, schob Kermit Angel einen Stuhl zurecht und drückte kurz ihre Schulter, bevor er sich neben sie setzte. Ihnen gegenüber saß der schüchterne Blake, der zur allgemeinen Überraschung spontan einen Kommentar von sich gab: "Angel, sie machen ihrem Namen alle Ehre, wenn ich das so sagen darf", meinte er in seiner treuherzigen und etwas drolligen Art.

Angel lächelte ihn freundlich an und bedankte sich für das Kompliment. Das Eis brach und die Gespräche kamen in Gang. Peter wollte gleich wissen, wie sie sich kennen gelernt hatten und Kermit erzählte die Geschichte, dabei so dicht wie möglich bei der Wahrheit bleibend.

Bald gingen alle zum üblichen Feierabend-Smalltalk über. Kermit freute sich, als er merkte, dass seine hübsche Begleiterin anscheinend von allen akzeptiert wurde. Als Angel irgendwann heraus ließ, dass sie ab und an für das Revier arbeiten würde, wurde mit Kommentaren nicht gespart. Auch einige anzügliche Bemerkungen gab es, die sie aber mit Witz und Charme konterte. Eine gute Stunde später schien es, als hätte Angel schon immer zu der Truppe gehört. Kermit, der sie aus dem Augenwinkel heraus genau beobachtete, stellte fest, dass sie sich mit jeder Minute mehr entspannte und das Treffen genoss.

Peter tat sich ein wenig hervor, indem er sie direkt auf Chinesisch ansprach und Angel prompt darauf einging. Die beiden mussten erst rigoros von den anderen unterbrochen werden, bevor sie wieder in die Muttersprache über wechselten. Dabei blinzelten sie sich wie Verschwörer zu, was Kermit erneut einen Stich in die Magengrube versetzte. Mit Peter schien sie sich wirklich blendend zu verstehen, und auch für Blake schien sie eine besondere Vorliebe zu entwickeln.

Die gute Laune der Runde wurde abrupt unterbrochen, als ein schon gut angeheiterter Mann sich in eindeutiger Ansicht Angel näherte. Kermit machte Anstalten sich zu erheben, doch Angel legte ihm die Hand auf den Arm.

"Das kann ich gut alleine Handhaben, Kermit", sagte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

Das Gespräch an dem Tisch verstummte. Man konnte den Cops die Anspannung förmlich ansehen, auch wenn sie sich auf Angels Geheiß hin zurück hielten. Dennoch wanderte die ein oder andere Hand unauffällig zur Waffe.

Die junge Frau schaute dem schwankenden Typ mit einem lodernden Blick entgegen, der Eisberge zum schmelzen bringen konnte.

"Hey Puppe, hast du Lust zu tanzen?", lallte dieser.

"Nein danke, ich bin beschäftigt.", erwiderte sie frostig.

"Na komm schon du hübsches Wesen, mach einem alten Mann wie mir eine Freude und zier dich nicht so.", beharrte der Schwankende und machte einen tapsigen Schritt auf sie zu.

Angels Stimme klang absolut ruhig und selbstsicher, sie blieb wo sie war. "Du scheinst mich nicht verstehen zu wollen, ich will nicht mit dir Tanzen. Tu dir selbst einen Gefallen und lass mich in Ruhe."

"Aber, aber, wer wird denn gleich so garstig sein, Püppchen? Wenn deine Haut so zart wie deine Stimme ist, dann wirst du mich sicher in den siebten Himmel katapultieren", versuchte der Mann ihr ungeschickt zu schmeicheln.

Angel schenkte ihm ihr schönstes Lächeln, was den Mann dazu veranlasste, scharf die Luft einzuziehen. In ebensolcher sanfter Stimme erwiderte sie: "Fass mich an und ich breche dir den Arm."

Der Mann brauchte einen Moment, um hinter die Bedeutung ihrer Worte zu kommen, die so unschuldig ausgesprochen worden waren.

"Das ist ja wohl jetzt nicht dein ernst, Püppchen", meinte er mit einem halben Lachen, das mittlerweile doch ziemlich verunsichert klang.

Plötzlich verschwand das Lächeln aus Angels Gesicht. Sie schaute ihn an mit einem Blick, der absolut klar machte, wie ernst sie es meinte. Ihre Stimme nahm einen leisen und sehr bedrohlichen Klang an. Selbst ihre Augenfarbe hatte sich verändert. Ihre Retina wirkte nun um einige Nuancen dunkler und ein Leuchten schien tief aus dem Inneren zu kommen.

Gefährlich leise meinte sie: "Versuche es, und du wirst sehen was passiert! Nun mach, dass du hier verschwindest, bevor ich dich eigenhändig aus dem Lokal entferne; denn das wird verdammt weh tun, kann ich dir versprechen!"

Der Mann bekam es mit der Angst zu tun und stolperte einen Schritt zurück. Er hob beide Hände beschwichtigend in die Höhe und meinte: "Schon gut, schon gut, ich gehe ja schon." Dann verschwand er, so schnell ihn seine wackeligen Füße trugen.

Einen Augenblick herrschte Totenstille am Tisch. Alle wirkten überrascht, wie die sanfte Person sich verändern konnte. Von Kermit war man solche Auftritte gewohnt, aber von einer Frau?

Wiederum ergriff Blake als Erster das Wort. "Ich hoffe nur, dass ich nie ihren Zorn auf mich ziehe." Zusammen mit Blakes etwas ängstlichem Blick, kam das so drollig herüber, dass sich die Spannung sofort auflöste.

"Das könnten sie auch nie, dazu sind sie viel zu lieb", erwiderte Angel, die nun wieder vollkommen entspannt wirkte, ihre Hand kurz auf Blakes legte und sie drückte.

"Wie hättest du reagiert, wenn er dich angefasst hätte?", hakte Peter mit großen, erstaunten Augen nach.

"Wie wohl? Ich hab ihm doch gesagt, was passiert, wenn er mich anfasst", meinte sie mit einem Lächeln, das die Schärfe ihrer Worte aufhob.

Peter schluckte trocken. "Mir scheint, vor dir muss man sich wirklich in acht nehmen."

"Nur wenn du böses mit mir vorhast. Ansonsten bin ich relativ pflegeleicht und bei 40° waschbar", gab Angel zurück und hatte die Lacher wieder auf ihrer Seite.

Während sich die anderen weiter unterhielten, beugte sich Kermit zu ihr. Sein Atem streifte leicht Angels Wange und verursachte ihr eine Gänsehaut, als er in ihr Ohr flüsterte: "Hast du nicht schlecht gemacht, aber beschwör nie wieder so eine Situation herauf."

Angel blickte ihn mit großen Augen an. "Was habe ich denn getan?"

"Tu nicht so unschuldig. Du hast verdammt große Töne gespuckt. Die Situation hätte leicht eskalieren können und dann?"

"Nichts und dann. Hier sitzen genügend Cops um den Tisch herum. Was hätte schon passieren können? Mach bitte aus einer Fliege keinen Elefanten.", versetzte sie indigniert.

Blake unterbrach unbeabsichtigt das sehr leise geführte Gespräch. Er stellte Angel eine Frage zu ihrem Beruf und sie wandte sich ihm sofort zu, froh darüber, dem Gespräch mit Kermit ausweichen zu können. Allerdings fragte sie sich schon, warum dieser so heftig auf diesen Zwischenfall reagierte. Lag das an seinem Beschützerinstinkt, den er ohne Zweifel ihr gegenüber an den Tag legte? Sie konnte es nicht richtig einordnen.

Das Thema am Tisch wechselte erneut, man kam auf die verschiedensten Personen zu sprechen und erzählte sich Anekdoten über diesen und jenen. Gerade gab Peter eine Geschichte zum Besten, wie er bei der Verfolgung eines Verbrechers mitten im Wald vor den Augen seines Vaters in einer Dreckpfütze gelandet war und alles lachte.

Die Erinnerung überkam Angel wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie ärgerte sich, wie sie so etwas Wichtiges durch all den Stress einfach vergessen konnte. Sie fluchte leise und erntete einen fragenden Seitenblick von Blake. Kurz darauf erhob sie sich und ging in Richtung der Toiletten. Dort steuerte sie auf eine kleine Telefonbucht und blätterte das Telefonbuch durch nach einer Adresse, die sie leider nicht fand. Ein wenig enttäuscht kehrte sie zu den anderen zurück.

"Was ist los? Du schaust plötzlich so nachdenklich aus", erkundigte sich Kermit sofort.

"Mir ist gerade etwas einfallen, was ich jemanden versprochen habe. Ich fürchte, ich brauche deine oder eure Hilfe."

Peter warf ein: "Wobei brauchst du Hilfe?"

Aller Aufmerksamkeit wandte sich Angel zu. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Die ganze Situation war ihr ein wenig peinlich, aber sie fasste sich ein Herz.

"Ich bräuchte eine Adresse hier in Sloanville und zwar von einer gewissen Annie Blaisdell. Sie steht leider nicht im Telefonbuch und ich dachte, jemand von euch könnte sie mir vielleicht heraus suchen."

Atemlose Stille herrschte am Tisch, man hätte eine Stecknadel fallen hören so leise wurde es plötzlich. Angel wirkte ein wenig verwirrt.

"Wozu brauchst du die Adresse?", erkundigte sich Peter, sie scharf beobachtend.

"Weil ich Annie Blaisdell eine Nachricht überbringen soll, deswegen."

"Von wem?"

Peters Anspannung war fast greifbar. Er verkrallte die Finger an der Tischkante.

"Von ihrem Mann. Er hat mich darum gebeten", ließ die junge Frau ungewollt die Bombe platzen.

"Was? Wann hast du Paul getroffen und wo?" Peter schrie es fast und sprang von seinem Stuhl auf.

Auch alle anderen am Tisch wirkten sichtlich betroffen. Angel, die nicht wusste in welchem Verhältnis Peter zu Paul stand, wirkte sichtlich irritiert. Instinktiv wich sie vor dem aufgebrachten Cop auf ihrem Stuhl zurück. Kermit sprang ebenfalls auf und stellte sich dem am ganzen Leib zitternden Peter in den Weg.

"Was habe ich nun wieder angestellt? Mir scheint, ich kann hier keine Frage stellen, ohne dass nicht mindestens einer in die Luft geht, oder ich erstaunte Blicke ernte", meinte Angel beinahe verzweifelt.

Blake legte beschützend den Arm um ihre Schultern. "Paul Blaisdell ist unser ehemaliger Captain. Er ist vor etwa einem Jahr spurlos verschwunden und keiner weiß, wo er sich seitdem aufhält", erklärte er ihr leise.

"Oh, davon hatte ich keine Ahnung. Tut mir leid, dann habe ich hier wohl anscheinend mitten ins Wespenest gestochen."

Peter achtete nicht auf Kermit, der ihm warnend eine Hand auf die Brust gelegt hatte.

"Verdammt, Angel! Ich will sofort eine Antwort: wo und wann hast du Paul gesehen? Was hat er gesagt, wie geht es ihm?", rief er laut aus und machte einen Schritt auf die verwirrte Frau zu.

"Peter, es reicht. Lass sie ihn Ruhe!", kam es äußerst drohend von Kermit.

Angel stand ebenfalls auf und wich noch ein wenig weiter zurück, ein entschlossener Ausdruck lag in ihren Augen.

"Ich kann dir nur sagen, dass es ihm gut geht, mehr nicht.", erwiderte sie so ruhig sie konnte.

"Du hast ihn getroffen! Erzähl mir nicht einen solchen Mist. Wo ist er? Ich will es wissen und zwar sofort!", rief Peter mit glitzernden Augen und zu Fäusten geballten Händen aus.

Frank erhob sich blitzartig. Er positionierte sich hinter Peter, um im Notfall gleich eingreifen zu können, denn der Heißsporn machte ganz den Eindruck, als wolle er, ungeachtet Kermits Warnung, auf Angel losgehen.

"Tut mir leid, alles andere erzähle ich nur Annie und sonst niemandem", meinte diese entschlossen.

"Ich bin sein Sohn. Ich habe ein verdammtes Recht zu erfahren wo er ist!", schrie Peter nun total außer sich.

Angel zuckte erneut zurück. "Du bist sein Sohn? Wie das? Ich dachte, du heißt Caine mit Nachnamen?"

"Zum letzten Mal! Wo ist er, Angel?", hakte Peter nach, ohne auf ihre Fragen einzugehen.

Die blonde Frau schüttelte den Kopf. "Nein, Peter, tut mir leid. Mehr erfährst du von mir nicht. Ich habe Paul hoch und heilig versprochen, nur mit seiner Frau zu reden, ungeachtet wer sonst noch fragt und genau das werde ich tun. Aber wenn du etwas tun möchtest, um die Sache zu beschleunigen, dann könntest du mir die Adresse der Blaisdells nennen."

"Peter, geh noch einen Schritt weiter auf Angel zu und du wachst erst morgen früh wieder auf", drohte Kermit mit eiskalter Stimme.

Diesmal kam der Ex-Söldner zu Peter durch, der tief Luft holte und einen Schritt zurück wich.

"Kermit, du verstehst das nicht. Sie hat Nachricht von Paul!", murmelte er verletzt.

"Ich verstehe es sehr gut, Peter. Aber wenn Paul Angel gebeten hat, nur Annie etwas zu sagen, dann solltest du das akzeptieren. Sie kann nichts für die Situation", erwiderte der ältere Detective äußerlich ruhig.

Angel löste sich aus Blakes Umarmung und trat an Peter heran, den warnenden Ruf von Kermit ignorierend.

Dem jungen Detective tief in die Augen schauend, meinte sie: "Peter, ich mache dir einen Vorschlag. Du kannst gerne mit mir kommen, ich kenne die Adresse ja eh nicht. Mehr kann ich im Moment nicht für dich tun, so leid es mir tut."

Peter beruhigte sich zusehends. Er streckte die Hände nach Angel aus, die sie auch ergriff. Frei und offen blickte sie ihn an.

"Und es geht ihm wirklich gut?", hakte er nach. Tiefer Schmerz überschattete die sonst so sanften, haselnussfarbenen Augen.

Angel drückte seine Hände. "Ja, es geht ihm gut, Peter. Er ist wohlauf."

"Wann hast du ihn getroffen?"

"Das ist noch nicht so lange her. Bitte, Peter, ich darf dir wirklich nicht mehr sagen. Ich habe es Paul versprochen." Flehend sah sie ihn an.

Peter ließ langsam ihre Hände los und fuhr sich aufgeregt durch die eh schon zerzausten Haare.

"Es ist beinahe eine Stunde Fahrt zum Haus meiner Eltern. Wärst du trotz allem bereit, noch heute Annie einen Besuch abzustatten? Immerhin ist es schon ziemlich spät."

"Aber sicher, Peter. Wir müssen nur noch mal kurz bei mir vorbei, damit ich noch etwas holen kann, das für sie bestimmt ist."

"Wo wohnst du denn?"

"Bei Kermit, ich..." Sie konnte den Satz nicht beenden.

Kermit mischte sich ein mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. "Peter, du rufst Annie an und kündigst unseren Besuch an. Angel und ich werden noch mal bei uns vorbei fahren und holen, was immer es auch ist und kommen dann nach."

Peter nickte zustimmend und eilte im Stechschritt aus dem Lokal. Angel und Kermit folgten ihm etwas langsamer nach.

Nachdem die drei gegangen waren, wechselten erstaunte Blicke am Tisch.

"Wer hätte das gedacht?", meinte Blake leise.

Jody schüttelte den Kopf. "Ich kann gar nicht glauben, was ich da gehört habe. Es ist so schön, endlich mal wieder etwas von Paul zu hören."

Skalany meinte: "Und hast du es mitbekommen? Sie wohnt bei Kermit!"

Frank erwiderte trocken: "Hat der ein Glück. Wie kommt ein Computerfreak wie Kermit nur an solche Frauen?"