Nur einmal deine Liebe spüren
Nur einmal deine Liebe spüren
Der Krieg war vorüber, der Dunkle Lord besiegt und die Welt hatte wieder Frieden gefunden.
Harry, Ron und Hermine hatten noch vor dem Sommer beschlossen, das letzte Jahr in Hogwarts nachzuholen und ihren Abschluss zu machen.
Die Tatsache, dass Harry und Ginny nun in einer Klasse waren, erfreute die Beiden natürlich sehr, weil sie dann ja sehr viel Zeit gemeinsam verbringen konnten.
Doch die anfängliche Freude war von kurzer Dauer, denn die Lehrer hatten so große Ansprüche an die Schüler der 7. Klassen, dass deren wirkliche Freizeit sehr begrenzt war.
Vor allem, weil Harry es sich nicht nehmen ließ, genauso wenig wie Ginny, wieder beim Quidditch dabei zu sein und das Training kostete beide, vor allem aber Harry, der erneut zum Kapitän ernannt worden war, zusätzlich viel Zeit.
Der Sommer neigte sich bereits langsam dem Ende zu und Harry hatte seine erste Trainingseinheit zufrieden überstanden.
Als er nach diesem ersten Trainigsabend als letzter das Feld verließ, stand auf einmal Draco vor ihm, leicht nervös und trat von einem Bein auf das andere.
„Ist was passiert?", fragte Harry den Slytherin etwas irritiert, der zur Verwunderung aller, genauso wie die andern auch, beschlossen hatte seinen Abschluss nachzuholen.
„Nein, es ist… nichts passiert. Ich … Harry … Ich wollte dich um etwas bitten. Ich könnte natürlich verstehen, wenn du nein sagst, vor allem nach dem, was alles geschehen ist und ich …"
„Warum sagst du nicht einfach, was du willst. Ich werde dir dann schon sagen, ob ja oder nein", unterbrach Harry ihn, der es eigentlich eilig hatte, denn heute Abend hatten er und Ginny endlich mal etwas Zeit für einander, ohne dass ihnen die Hausaufgaben im Nacken hingen.
Während Draco etwas unsicher auf seiner Unterlippe kaute nickt er kaum merklich.
„Nun, wir Sucher haben doch keine Möglichkeit wirklich richtig zu üben. Ich meine, klar wir können den Schnatz suchen und ihn dann fangen. Aber zu üben, wie man in einem Duell, dem Gegner den Schnatz abjagen kann… Was ich sagen wollte … könntest du dir vorstellen, dass wir beide … ich meine wir hätten ja beide einen Nutzen davon … dass wir …" hier brach er ab und musterte Harry unsicher.
„Du möchtest, dass ich mit dir zusammen … Quidditch übe?", fragte Harry erstaunt.
„Wenn du dagegen bist, kann ich es vollkommen verstehen. Es war nur so eine Idee von mir. Ich dachte das würde es vielleicht für die Sucher spannender machen. Nun, ja es muss ja nicht …", sagte er und drehte sich schon wieder zum Gehen.
„Nein … nein warte Draco. Ich finde die Idee wundervoll. Wir können vielleicht nicht grad üben, wenn unsere Mannschaften üben, aber … ich wäre dabei!"
Überrascht und mit großen Augen blickte Draco Harry jetzt an.
„Das ist dein Ernst. Du findest die Idee gut? Ja?", fragte er nach und Harry glaubte ein kleines Kind vor sich zu sehen, dass gerade erfahren hatte, dass heute Weihnachten ist. Harry nickte noch mal und begann zu überlegen, wann er denn Zeit dafür hätte. Doch der einzige Tag der ihm grad einfiel, war der nächste Samstag.
Draco war sofort damit einverstanden und versprach auch ganz pünktlich zu sein.
Harry fand die Idee, je mehr er darüber nachdachte, wundervoll. Kurz hatte er Bedenken, ob das vielleicht wieder so ein Trick eines Slytherins war, doch nach einiger Zeit des hin und her Überlegens, war er sich doch sicher, dass die Tage vorbei waren, wo sie Feinde gewesen waren. Er hatte Draco zweimal das Leben gerettet, das würde selbst dieser nicht vergessen.
Die folgende Woche war schnell vorüber gegangen, die Hausaufgaben waren noch mal so viele geworden und die Freizeit noch weiter geschrumpft. Nun versuchten Harry und Ginny zusammen zu lernen, dass sie sich wenigstens dabei sehen konnten. Ron und Hermine taten dasselbe, denn gemütliche Stunden, wo alle vier zusammen saßen und einfach mal die Seele baumeln lassen konnten, gab es im Moment so gut wie gar nicht mehr.
Die Spieler landeten auf der grünen Wiese und waren an diesem Tag sogar sehr zufrieden mit dem Training. Guten Mutes entließ Harry alle für dieses mal. Ginny wollte gleich zum Duschen gehen und noch an einem Aufsatz für Slughorn arbeiten. So gab sie Harry einen Kuss und war auch schon gleich verschwunden. Als schließlich der letzte Spieler die Umkleide verlassen hatte, stand Draco vor Harry.
„Und bereit?", fragte dieser, sichtlich gut gelaunt. Seinen Besen hielt er in der Hand wie eine Trophäe und sah Harry auffordernd an.
„Ja sicher. Aber eine Bedingung stelle ich noch."
„Klar, raus damit."
„Keine Fouls, keine Tricks und keine Zauber."
„Ehrenwort. Ich werde fair spielen", erklärte Draco und zog seinen Umhang aus und folgte Harry hinaus ins Sonnenlicht.
Es war ein erstaunlich schöner und angenehm warmer Tag für den ersten Herbsttag in diesem Jahr, auch wenn es nicht mehr lange hell bleiben würde. Vielleicht eine Stunde noch. Doch das würde ausreichen für das, was die Beiden vorhatten.
Harry nahm den Schnatz aus der großen hölzernen Truhe und stieg dann auf seinen Besen. Auch Draco setzte sich auf den seinen und als dieser dann nickte, ließ Harry den Schnatz los, der sofort davon schoss.
Noch einen Moment warteten die Beiden, dann stießen sie sich kräftig vom Boden ab und jagten hoch in den azurblauen, fast wolkenfreien Himmel hinauf. Den Schnatz hatten sie logischer Weise schnell aus den Augen verloren, begannen aber sofort über dem Quidditch Feld Kreise zu ziehen und nach ihm zu suchen.
Harry fiel nicht auf, dass Draco mehr nach ihm, als nach dem Schnatz Ausschau hielt. Und wenn, hätte er sicherlich gedacht, dass dieser acht geben wollte, dass Harry diesen nicht vor ihm erwischte.
Da! In diesem Moment schoss Harry hinter dem kleinen goldenen Ball her und versuchte ihn zu ergreifen. Doch schon im nächsten Moment hörte er Draco anrauschen, der ihm den Weg mit einer geschickten Drehung abschnitt und sogleich versuchte ihm den Schnatz abzujagen.
Natürlich wollte Harry das auf keinen Fall zulassen flog einen Haken und neigte sich noch weiter nach vorn über seinen Besen, in der Hoffnung, dadurch schneller zu werden. Er holte auch langsam auf und näherte sich dem Schnatz immer mehr. Fluchs war er gleich auf mit Draco, der schon seine Finger nach dem geflügelten Ball ausstreckte.
Beide merkten dabei nicht, dass sie dem Boden bereits gefährlich nahe gekommen waren. Dracos Blick hing nur auf Harry. Immer wieder schaute er in das Gesicht des Gryffindors, der mit eiserner Miene hinter dem Goldenen Schnatz her hetzte. Und Harry Potter schaffte es schließlich sogar an Draco vorbei zukommen.
In dem Moment als Harrys Finger zupackten, den kleinen Ball umschlossen, fühlte er auch schon Dracos Hand, die sich um seine eigene mit dem Schnatz gelegt hatte und ihn eisern fest hielt.
Gleich darauf gab es ein lautes Krachen, die beiden Jungen prallten hart auf das Gras, überschlugen sich ein paar Mal ineinander verkeilt und blieben dann einen Moment lang ruhig liegen.
Harry glaubte im ersten Moment keine Luft zu bekommen, bis ihm klar wurde, dass Draco auf ihm lag und dessen Gewicht ihn gegen den Boden drückte. Er sah auf und zu seiner Überraschung blickte er in wunderschöne eisgraue Augen, die für einen Moment aufzublitzen schienen. Ihm war noch nie aufgefallen, dass Dracos Augen so eine interessante, ja faszinierende Farbe hatten.
Was dann geschah, war für Harry auch ein paar Tage später noch ein Rätsel.
„Du warst einen Tick schneller, diesmal geht der Punkt an dich, Harry Potter", flüsterte Draco mit einer seltsam rauen Stimme. Und in dem Moment, als Harry darauf antworten wollte, spürte er Dracos weiche, fast schüchterne Lippen auf den seinen und schmeckte ihn für den Bruchteil eines Augenblicks.
Bevor er begriff, dass dieser ihn küsste - ein anderer Junge ihn küsste - hatte sich der Slytherin auch schon aufgerappelt und war, so schnell ihn seine Beine trugen, vom Quidditchfeld gelaufen.
Harry, der immer noch verdutzt auf dem Boden lag, strich sich mit den Fingern über seine Lippen und starrte auf die Türe, durch die Malfoy verschwunden war.
Warum hatte er das getan?
Zuerst war Harry nur perplex, dann wurde ihm klar, dass ein Junge ihn geküsst hatte und etwas wie Wut und Ekel kam in dem Moment in ihm auf. Wie konnte Draco es wagen.
Umso mehr er überlegte, um so eher glaubte er an so etwas wie einen Scherz. Etwas wie… eine verlorene Wette oder Mutprobe unter den Slytherins.
„Sehr komisch, Malfoy. Wirklich witzig", schrie Harry aufgebracht in die hereinbrechende Dunkelheit hinaus. Doch vergeblich warteten seine Ohren auf ein Kichern oder Lachen in der Ferne. Es war und blieb vollkommen ruhig.
Aber wenn er ihn nicht hatte ärgern wollen? Heftig schüttelte Harry den Kopf, stand auf und ging dann auch zurück. Immer wieder sah er sich um, glaubte hinter irgendeiner Ecke jemanden vorzufinden, die ihn gleich auslachen würden, doch es war nicht so. Keiner schenkte ihm überhaupt große Beachtung, jedenfalls nicht mehr als sonst.
Nachdenklich verdrückte er sich nach oben, ging unter die Dusche und erschauderte erneut bei dem Gedanken, an die Berührung von Dracos Hand und dem kurzen, aber ungestümen Kuss.
„Nein", sagte Harry laut und erschrak, als er seine eigene Stimme schallend von den kahlen Wänden widerhallen hörte.
Was war nur mit ihm los? Er schloss erneut die Augen und was er dann sah und fühlte erschreckte und verwirrte ihn noch mehr.
Immer wieder tauchten Dracos graue Augen vor ihm auf, sein Gesicht mit den aristokratischen Zügen, die gerade Nase und die weichen, zarten Lippen, die so anziehend auf ihn wirkten. Heftig schüttelte er den Kopf, stellte den Wasserhahn auf kalt und keuchte heftig auf, als es wirklich eiskalt aus der Brause auf seinen Körper rieselte.
In dieser Nacht träumte er total wirres Zeug und war ziemlich gerädert, als er am nächsten Morgen aufwachte.
Er versuchte es zu vergessen, was ihm aber nur in den Zeiten gelang, in denen er lernen musste oder sonst irgendwie beschäftigt war. Doch das war zum Glück fast die ganze Woche der Fall.
Zu seiner Verwunderung traf er Draco auch so gut wie nie außerhalb des Unterrichts. Kam er zum Essen, ging dieser bereits wieder, irgendwie schien er ihm aus dem Weg zu gehen, worüber er nicht unglücklich war.
Irgendwann hatte er das Geschehen so weit verdrängt, dass er am Ende selber sogar darüber schmunzeln konnte.
