I: Pläne
Zwei Tage war die Beerdigung Albus Dumbledores her und Severus Snape hatte sich noch nicht ganz davon erholt.
Er hatte gewusst, was passieren würde, was passieren musste und auch ohne sein Eingreifen wäre der Schulleiter unweigerlich gestorben. Aber dennoch nagte es an ihm, wie ein emotionaler Tumor.
Er schüttelte das Gefühl ab. Nichts würde den alten Mann zurückbringen und nichts hätte ihn im Leben halten können. Es war der Sache dienlich gewesen, dass er ihn der Absprache gemäß tötete. Und trotzdem schmerzte es mehr, als Severus es sich vorgestellt hatte. Er hatte das gesamte Schuljahr über Zeit gehabt, sich auf den Moment vorzubereiten und er war sicher gewesen, sich und die Situation unter Kontrolle halten zu können.
Und trotzdem war da auf dem Turm dieser winzige Moment des Zögerns gewesen. Die Sekunde, in der unrealistische Hoffnung aufgekeimt war, dass alles zu einem anderen Ende geführt werden konnte. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, dann mahnte ihn die leise, flehende Stimme Dumbledores, sich an das Versprechen zu halten, das er gegeben hatte.
Er hasste es, sich daran zu erinnern.
Dieser eine Moment der Schwäche, das letzte, das der Mann, dessen Respekt er so sehr gebraucht hatte, von ihm gesehen hatte.
Er schüttelte den Kopf, ging zu einem Sideboard und holte eine Flasche Elfenwein heraus. Sorgfältig entkorkte er ihn, nahm ein wertvolles altes Kristallglas und schenkte die blutrote Flüssigkeit ein.
Er hob das Glas und sagte leise: „Auf dich, Albus. Merlin möge geben, dass dein Plan gelingt."
Dann trank er den Wein in langsamen, tiefen Zügen.
oooOOOooo
Bellatrix Lestrange stand vor ihrem Herrn und strahlte ihn voller Hingabe an.
„Es ist gelungen, mein Lord! Euer genialer Plan ist in jedem Detail gelungen. Nur der Verräter ist entkommen, aber den finden wir schon und dann mag er um Gnade winseln, so viel er will. Er wird keine bekommen!"
Ein triumphierendes Lachen ertönte, als sie die letzten Worte fast ausspuckte.
„Langsam, Bella. Ja, der Plan ist gelungen und das verdanken wir zu einem nicht unerheblichen Teil deinen Umgangsformen." Er lachte zischend.
„Damit hast du die Niederlage im Ministerium wieder wettgemacht, würde ich meinen."
Bella sank mit einem Laut des Glückes auf die Knie und versuchte den Saum seines Umhangs zu küssen.
Voldemort wich angewidert zurück. „Bellatrix! Schluss damit!"
Sie zuckte unter seinen scharfen Worten zusammen, wie unter einem Hieb. Dann erhob sie sich und sah ihn wieder an. „Und wie geht es nun weiter, mein Lord? Wie bekommen wir das hässliche kleine Potterbaby in die Hände?" Ihre Stimme quiekte, als sie sprach und man konnte Abscheu in dem schlangenartigen Gesicht ihres Meisters sehen.
„Wir werden sehen. Jetzt sehen wir erst einmal, wie die Dinge sich weiter entwickeln. Ohne Albus Dumbledore ist die Zauberwelt kopflos, dem Orden fehlt ein Anführer, die Schule ist ausgeliefert."
Genuss klang in seiner Stimme mit, als der die Konsequenzen seines Planes aufzählte.
Bellatrix sah mit unverhohlener Bewunderung zu ihm auf.
„Genial", hauchte sie ehrfürchtig." Absolut genial, mein Lord. Ihr habt die Figuren auf dem Schachbrett bewegt und sie haben ausnahmslos nach euren Erwartungen reagiert."
„Natürlich haben sie das, Bella. Sieh zu und lerne. Ich weiß, wie diese Art von Menschen denkt und fühlt und wenn man bestimmte Empfindungen triggert, dann kann man mit dem Ergebnis fest rechnen."
Verachtung mischte sich in die Kälte seiner Stimme. „Es ist schon fast erbärmlich, wie berechenbar jene sind, die sich zu den Guten zählen. Ihre Motive sind durchschaubar und wenn man die Schemata ihres Denkens und Fühlens verstanden hat, kann man mit ihnen spielen, wie mit abgerichteten Hunden."
Bellatrix hing an seinen Lippen und lauschte seinen Ausführungen.
Aber er schien genug zu haben, denn mit einer wegwischenden Handbewegung bedeutete er ihr, dass sie gehen solle.
Als sie sich erhob sagte er abschließend: „Der erste Teil ist wunschgemäß verlaufen, die Saat ist gesät, nun warten wir darauf, die Ernte einzubringen."
Bella verließ wortlos den Raum und der, dessen Namen nur die wenigsten nannten begab sich zur Ruhe.
oooOOOooo
Er trank gerade das zweite Glas Wein, als es an der Tür klopfte. Snape hob die Augenbrauen. Es gab nur eine Person, die den Ort seines Verstecks kannte und sie erwartete er nun wirklich nicht.
Langsam ging er zur Tür und öffnete sie.
Vor ihm stand eine schmale, zarte Person in einem schwarzen Umhang, deren Kapuze tief ins Gesicht gezogen war.
Sie hob den Kopf und sah ihn an.
„Narcissa. Was tust du hier?"
Ihre Stimme war leise und zitterte. „Lass mich herein, Severus, bitte."
Er trat einen Schritt zur Seite und ließ sie ein. Langsam schloss er die Tür hinter ihr und verschloss sie sowohl mit einem starken Riegel, als auch mit einem gemurmelten Zauber.
Er tat dies bedächtig und sorgfältig und es war nicht erkennbar, ob er damit eher ihr die Möglichkeit geben wollte, sich zu fassen, oder doch sich selber.
Schließlich deutete er ihr mit einer Geste an, ins Wohnzimmer zu treten und nahm ihr den Umhang ab.
Sie wirkte ausgezehrt, müde, aber trotz alledem war sie noch immer schön. Sie trug eine saphirblaue Robe, die wunderbar mit ihrem blassen Teint, den blauen Augen und dem blonden Haar harmonierte. Sie ließ sie noch zerbrechlicher aussehen und Severus fühlte den Instinkt, sie zu beschützen.
Er wischte den Gedanken fort und rief sich in Erinnerung, was dieser Instinkt beim letzten Mal, als er ihn gefühlt hatte, für Konsequenzen gehabt hatte.
Sein Gesicht verhärtete sich unwillkürlich, aber trotzdem bot er ihr einen Platz und ein Glas Wein an.
Das Gefühl eines deja vu drängte sich ihm auf und ohne es zu bemerken, sah er über die Schulter nach Bellatrix. Aber natürlich war sie nicht da.
Er schalt sich dumm und ging kurz zu einem der Fenster, um sich zu sammeln. Er sah hinaus in die Dunkelheit des Abends und zog dann mit einer ruckartigen Bewegung die Vorhänge zu.
Dann nahm auch er sich noch ein Glas Wein und setzte sich zu Narcissa.
„Nun? Was ist diesmal der Grund für deinen Besuch, Narcissa?"
Sie sah in die dunkle Flüssigkeit in ihrem Glas und sprach dann langsam und leise.
„Draco. Du hast ihn gerettet, du hast es tatsächlich geschafft, Severus. Ich bin dir so dankbar."
Ihre Stimme war klarer geworden und mit jedem Wort kräftiger.
Sie stellte das Glas ab und erhob sich. Auch Severus stand auf, unsicher, was sie nun vorhatte.
Sie ging zu ihm und sah ihm direkt in die Augen. Ihr Blick flackerte, als sie sich plötzlich abwandte.
„Würdest du es noch einmal tun, Severus?", presste sie hervor und ihre Stimme hatte wieder den verzweifelten Ton von vor einem Jahr.
Snape stöhnte unhörbar. Was sollte das nun wieder werden. Er nahm eine abwehrende Haltung an, als er leise fragte: „Was noch einmal tun?"
„Ihn beschützen, auf ihn aufpassen."
Severus schwieg.
Sie drehte sich ruckartig um und sah ihn wieder an. Angst und Verzweiflung irrlichterten in ihrem Blick, aber sie wandte sich nicht wieder ab.
„Ich habe getan, was ich konnte, mehr kannst du nicht verlangen, Narcissa."
Sie packte seine Robe mit beiden Händen, klammerte sich daran fest und wie schon einmal zuvor begann sie zu weinen.
„Du musst uns helfen, Severus! Du musst mir verzeihen!"
Er packte ihre Hände, löste sie von dem Stoff seiner Robe und schob sie energisch von sich.
„Wovon redest du?", fragte er grob. „Was muss ich verzeihen?"
Schluchzend sackte sie in sich zusammen. „Ich habe dich belogen. Wir haben dir eine Falle gestellt und ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass sie zuschnappt. Severus, du musst das verstehen, es ging um das Leben meines einzigen Sohnes. Ich wäre zu allem bereit gewesen, wenn ich Draco damit geholfen hätte. Das musst du verstehen!"
Schluchzer unterbrachen immer wieder ihre Worte und ihre Verzweiflung wirkte echt.
Er sah sie stumm an.
„Verstehst du denn nicht, Severus? Es war eine Falle, es war von Anfang an ein Plan und ich habe mitgespielt." Tränen strömten über ihr Gesicht, aber sie schaffte es, sich nicht abzuwenden, sondern ihn weiter anzusehen.
„Ich weiß", sagte er. Ich habe es die ganze Zeit gewusst."
Sie starrte ihn fassungslos an. „Aber wieso…"
„Es ist so eine Sache mit Plänen, Narcissa. Während man versucht, sie zu Perfektion zu bringen, weiß man nie, wem sie sonst noch dienen."
Er zog sie auf die Beine zurück und schob sie sanft wieder auf das kleine Sofa. Dann reichte er ihr ein kleines Tuch und ihr Weinglas und beobachtete sie nachdenklich, als sie sich ihre Tränen trocknete.
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