Kapitel 1 - Begegnung
Es war ein regnerischer, stürmischer Tag, mitten im Oktober. Die Wolken hingen tief und dunkelgrau über der Landschaft. Das leise „plopp" des Apparierens ging in dem Heulen des Windes unter. Nur wenige Zauberer und Hexen waren in der Winkelgasse unterwegs. Das Wetter trieb sie dazu, in ihren warmen Wohnzimmern vor den Kaminen zu bleiben.
Er zog seinen wehenden Reiseumhang enger um sich. Mit gesenkten Kopf eilte er durch die unbelebte Straße. Vorbei an Flourish und Blotts, Eeylops Eulenkaufhaus und Gringotts. Er war mit einem Freund im Tropfenden Kessel verabredet und spät dran. So wie er seinen dunkelhäutigen Freund kannte, würde dieser jedoch noch auf sich warten lassen. Pünktlichkeit war noch nie Blaise' Stärke gewesen.
Durch den Hintereingang betrat er das schäbige Lokal, was allen Magiern als Durchgang von der Muggelwelt in die Winkelgasse bekannt war. Automatisch sah er sich um, als der den Lokalbereich erreichte. Wie schon erwartet waren auch hier nur wenige Magier.
Ein alter Mann saß an einem Ecktisch und ein Paar mittleren Alters stand am Eingang und unterhielt sich energisch. Seinen Erwartungen entsprechend war sein Kumpel noch nicht da. Mit einem Nicken begrüßte der junge Mann Tom, den Wirt des Tropfenden Kessel.
Sein Blick traf dabei auf einen weiteren Gast des Lokals. Es war eine junge Hexe, die am Tresen saß und ihr Glas anstarrte. Sie hielt es vor sich und schwenkte es leicht. Ihr abwesender Blick lag auf der hellen Flüssigkeit in dem Glas. Ein leichtes Ziehen durchfuhr den Zauberer bei dem Anblick der Hexe. Seit mittlerweile einem Jahr hatten sie sich nicht mehr gesehen. Er hätte nicht gedacht, ihr hier zu begegnen, wollte es eigentlich auch nicht.
Mit erhobenen Haupt und emotionsloser Miene trat er neben sie an den Tresen. „Hallo." begrüßte er die Hexe knapp. Sie sah müde aus. Augenringe zierten ihr zartes Gesicht. Ihre lockige Mähne hatte sie zu einem praktischen Zopf gebunden. Er wollte sie nicht begrüßen, konnte sie aber auch nicht einfach ignorieren.
Wie aus einer Trance gerissen, fuhr ihr Kopf nach seiner Begrüßung zu ihm. Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Auch sie schien nicht mit ihm gerechnet zu haben. Ebenfalls wirkte auch sie nicht besonders begeistert. Er sah den Schrecken in ihren Augen, der sich nach und nach in Erschöpfung verwandelte. „Draco." murmelte sie leise.
„Ich dachte nicht, dich hier zu treffen." führte er das Gespräch monoton fort, während Tom ihm einen Feuerwhiskey brachte. Tom wusste, was er trinken würde, war er doch mit Blaise schon oft genug in diesem Lokal versackt.
„Wie geht es dir?" erkundigte er sich, als von der Hexe keine Reaktion folgte. „Gut." versicherte sie leise und ein verkrampftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Das sieht anders aus." konterte er kalt. Neben ihm seufzte die Hexe fast lautlos.
„Nein. Es ist wirklich alles gut." Misstrauisch hob er eine Augenbraue. „Wie läuft's mit Weasley? Ich denke, ihr seid noch immer liiert?" „Ja. Wir sind noch zusammen. Es läuft gut. Wir… wir sind glücklich. Ron ist glücklich." Die junge Hexe schien jegliche Überzeugung, die sie noch aufbringen konnte, in diese Aussage legen zu wollen. Innerlich lachte der ehemalige Slytherin hämisch auf.
„Du wirst dich also nicht von ihm trennen?" Sie schien diese Frage erwartet zu haben.
Die junge Hexe schüttelte schwach, aber überzeugt den Kopf. „Wir haben das bereits besprochen. Ich werde ihn nicht verlassen. Wir…" „Liebst du ihn?" unterbrach er sie kalt.
Erneut weiteten sich ihre Augen kurz, bevor sie ihre Fassung wieder erlangte. „Ich werde ihn nicht verlassen. Das einzig spielt eine Rolle. Ron und ich gehören zusammen. Wir sollten zusammen sein. So war es geplant. Von Anfang an. Seine Familie wollte es, unsere Freunde wollten es, er wollte es und irgendwann wollte ich es auch." beantwortete sie seine Frage, ohne eigentlich auf sie einzugehen. „Ich habe nichts anderes erwartet." Seine Stimme war eisig und sein Blick von unterdrücktem Zorn durchzogen.
„Ich wollte dir eigentlich nur noch etwas sagen. Da du ja mit Weasley glücklich…" Er legte jeden Sarkasmus, den er besaß in die Betonung dieses Wortes. „…bist, wird es dich ja nicht weiter stören." Kurz pausierte er, um sich seine Worte zurecht zulegen. „Ich werde in einem Monat heiraten. Sie ist reinblütig. Es passt. Wir werden im Manor zusammen wohnen. Sie ist wirklich schön und auch intelligent." Nichts von seiner ruhigen Stimme ließ sein Bekümmern mit dieser Situation durchscheinen.
Ein Schatten legte sich über die Augen der Hexe. „Oh." hauchte sie tonlos. „Dann sollte man dir gratulieren und euch alles Gute wünschen." brachte sie stockend hervor, während sie erneut ihr Glas betrachtete. Ihren Kopf drehte sie von dem Zauberer weg.
„Ich habe dich wirklich geliebt, Hermione." murmelte er, eher zu sich, als zu ihr, bevor er Tom das Geld für den Whiskey auf den Tresen legte. Er drehte sich um und eilte zum Ausgang. Das Treffen mit Blaise hatte er schon längst vergessen.
So sah er nicht, wie sich Tränen in den Augen der Hexe bildeten. Ebenso hörte er nicht mehr das leise Flüstern der jungen Frau am Tresen. „Ich liebe dich noch immer."
