UM WAS GEHT'S? Diese FF hat ihren Anfang in der 8. Staffel. Es ist der Abend, an dem Owen mit der Dame, mit der er in der Serie Crisina betrügt, auf einen Drink in Joe's Bar geht. Doch die Dinge nehmen einen ganz anderen Lauf, als wir es bereits kennen!
ANMERKUNG. Ich hab wohl zu viel Journeyman geschaut und zu viel Die Frau des Zeitreisenden gelesen! Jedenfalls kam mir plötzlich diese etwas ungewöhnliche Idee. Vielleicht gefällt sie ja jemandem, dann möchte ich sie gerne ausbauen (: Würde mich über Feedback sehr freuen. x
GUTE ZEITREISE!
GEGENWART, 01. APRIL 2012, ABEND
Owen betrachtete die Frau, die ihm gegenüber auf einem Barhocker saß eingehend. Sie war schlank, hübsch und blond. Sie war freundlich und sie hatte ein schönes, erwärmendes Lachen, welches sich bemühte dem Unfallchirurgen ein seltenes Lächeln zu entlocken. Ihren Namen hatte er bereits wieder vergessen, er konnte nicht einmal sagen, ob sie ihm diesen denn überhaupt genannt hatte. Sie hatte Locken von der Art, wie sie ihm an Cristina so sehr gefielen, doch sie war nicht Cristina. Sie hörte ihm zu. Sie hing an seinen Lippen, nahm jedes Wort, das er sprach, interessiert auf. Es tat gut nicht mehr nur Luft zu sein, durch die man hindurchsah.
Die beiden befanden sich in Joe's Bar. Sie hatte ihm einen Drink versprochen, für seine gute Arbeit, die er heute geleistet hatte. Sein Glas stand jedoch unberührt vor ihm auf der Theke, während ihres bereits beinahe vollends geleert worden war. Owen fürchtete, dass, wenn er jetzt Alkohol zu sich nahm, er etwas Unvorstellbares tun würde. Etwas, das er sich nie wieder verzeihen könnte. Er war nicht dumm. Er wusste, dass sie einen Gefallen an ihm gefunden hatte. Sie flirtete mit ihm, und er flirtete ungeschickt zurück. Er wollte noch ein wenig länger so gesehen und gehört werden, daher tat er, was er tat. Das war seine Entschuldigung, die er seinem Gewissen zusprach. Doch sein Gewissen nahm sie nicht an.
„Es ist spät", richtete er daher abrupt das Wort an die Blondine, während er sich von seinem Sitz erhob. „Ich sollte gehen."
„Oh", die junge Frau schien enttäuscht, aber noch gab sie nicht auf. Bald stand sie ebenfalls aufrecht: „Ich sollte auch los."
Es fügte sich folglich so, dass beide gemeinsam ihre Jacken überstreiften, um sich gegen das unberechenbare Aprilwetter zu wappnen und dann gemeinsam durch die Türe der Bar in die kühle Nachtluft hinaus traten. Sie fanden bald in einen Gleichschritt, als sie durch die dunkle Gasse der Straße entgegen gingen. Er hielt Abstand, während sie seine Nähe suchte, und als sie Inne hielten um Abschied zu nehmen, wollte sie ihn küssen.
„Ich bin verheiratet", Owen trat einen Schritt von ihr zurück. Er sah sie nicht an, sondern bloß auf den Boden zu seinen Füßen. Er fühlte sich schuldig für den kurzen Moment, in dem er sich fragte, wie es wohl wäre dem Wunsch seiner Bekanntschaft doch nachzugehen und nicht zu stoppen. Er vermisste Nähe. Cristina, aber, vermisste er mehr. Er hob den Blick wieder und rief der Frau ein Taxi, da er ein Gentleman war und erklärte, er würde gerne zu Fuß gehen, als sie ihn einlud die Fähre, und somit den Wagen, zu teilen. Bevor sie ging, drückte sie ihm doch einen Kuss und ein Lächeln auf die Wange. Das war in Ordnung, auch wenn es nichts in ihm so berührte, wie er es sich gewünscht hätte.
Owen wollte nicht sofort nach Hause – er konnte nicht. Er konnte einfach nicht zurück zu der Stille, die greifbar zwischen ihm und ihr stand. Er wandte sich um und beschritt den Weg, den er gekommen war, um sich in der Bar nun, da er alleine war, den Drink zu genehmigen, den er noch vorhin verschmäht hatte. Nach nur wenigen Schritten pochte sein Herz plötzlich schneller, als hätte er es zu sehr belastet. Seine Hände zitterten, und sein Kopf war voll von Stimmen, die hier nicht hörbar sein konnten. Als seine Beine ihn nicht länger tragen wollten, suchte er an der Mauer, an der er Cristina einmal nahe gewesen war, zu seiner Linken um Halt. Er fand ihn nicht, sondern glitt an den Steinen zu Boden, gerade als er meinte, nicht länger atmen zu können. Dann wurde alles schwarz.
ZUKUNFT, 14. OKTOBER 2016, NACHT
Es war warm, aber es war immer noch schwarz. Verwirrt tastete Owen auf dem Boden, der sich anders anfühlte, als der Asphalt, auf dem er noch vor kurzem gekauert hatte. Vorsichtig erhob er sich, als er meinte, dass seine Beine ihn wieder problemlos tragen konnten. Er hörte Stimmen. Wenn er hinter sich nach der Mauer griff, war diese fort und er bekam nur Luft zu fassen, durch die er beinahe gefallen wäre, hätte er nicht im richtigen Moment die Klinke einer Türe mit der einen Hand umklammert. Eine Türe? Wieso eine Türe? Langsam öffnete er sie, und das weiße Licht, dem er somit entgegentrat, blendete ihn für einen Augenblick. Dann sah er klar, doch er war unsicher, ob er der neuerlichen Klarheit sein Vertrauen schenken konnte. Er stand in einem Gang des Krankenhauses, dessen chirurgische Abteilung er leitete. Ärzte und Schwestern eilten an ihm vorüber, ein Telefon verlangte schrillend nach Beachtung, jemand rief seinen Namen, aber das konnte nicht sein. Nichts von dem hier konnte sein. Er war nicht hier. Er konnte nicht hier sein.
„Owen!", vernahm er trotzdem erneut seinen Namen, und er identifizierte die Rufende an dem Klang ihrer Stimme als Meredith Grey. „Owen!"
Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, während er sich der herannahenden Kollegin zuwandte. Das erste, das ihm an ihr auffiel, waren die dunkelblauen Scrubs, die eigentlich für die Oberärzte bestimmt waren. Das zweite, war ihr warmes Lächeln, mit dem sie zu ihm kam. Es war ehrlich und es war tatsächlich für ihn bestimmt.
„Wir haben schon überall nach dir gesucht!", erklärte Meredith ihr Erscheinen mit einem Strahlen im Gesicht und einem Funkeln in den Augen. Dann tat sie etwas vollkommen Außergewöhnliches: Sie umarmte ihn. Anschließend ließ sie ihn wieder mit den Worten „Es ist soweit!" los.
„Soweit?", fragte Owen, vollkommen überfallen von ihrer Herzlichkeit. Er zog durchaus in Betracht, dass sie ihren Verstand verloren hatte, oder, wenn man das Gesamtbild betrachtete, er. Er hatte seinen Verstand verloren. „Wofür?"
„Für das Baby", erwiderte Grey, als wäre es eine gegebene Selbstverständlichkeit. Sie deutete den Ausdruck in seinem Gesicht und meinte wohl, dass es Sorge war, die er zeigte: „Es kommt ein wenig früher als geplant. Aber es wird alles gut gehen."
Baby. Hatte man ihm, ohne sein Wissen, eine Operation zugeteilt? Doch wie war er hier her gekommen? Hatte er getrunken? Hatte er zu viel getrunken? Sein Kopf schmerzte, und es fehlten offensichtlich Erinnerungen an vergangene Stunden, also war ‚ja' wohl eine naheliegende Antwort. Benommen folgte er Meredith durch die Gänge des Krankenhauses. Er musste ihr sagen, dass er so nicht operieren konnte. In seinem derzeitigen Zustand konnte er keine solch große Verantwortung tragen.
Er wollte gerade sprechen, da endete ihr gemeinsamer Weg vor einer Türe, durch die er die unverkennbare Stimme seiner Frau laut und deutlich hörte: „Ich sage es nicht noch einmal, Karev! Finger. Weg. Von. Meiner. Vagina!"
Owen warf einen entsetzten Blick zu Dr. Grey, die bloß zur Seite schritt und ihm deutete einzutreten: „Sie ist ganz dein."
Also trat er ein. Während die Türe hinter ihm in ihr Schloss fiel erstarrte er auf der Stelle. Was er nun sah, entsprach keinen seiner Erwartungen. Schwestern waren anwesend. Eine von ihnen bemerkte ihn und nickte ihm freundlich zu, die anderen waren zu sehr damit beschäftigt sich um die aufbrausende Patientin zu kümmern: Cristina Yang saß, in ein Nachthemd des Krankenhauses obligatorisch gekleidet, auf dem einzigen Bett in dem Raum und ordnete hier und dort an, wie dieses und jenes besser gemacht werden konnte. Sie war schön, und sie war unglaublich schwanger. Vor ihr, und mit seinem Rücken zu Dr. Hunt, stand Alex Karev.
„Ich habe das schon unzählige Male gemacht", riss Karev verärgert das Wort an sich. Es klang ganz so, als würde er schon lange Zeit dieselbe Diskussion ohne erkennbare Erfolge führen. „Ich bin der einzige gerade verfügbare OB. Also entweder du lässt mich dieses Baby holen, oder du tust es selbst."
„Nun, ich will Montgomery", entgegnete Cristina herausfordernd schnippisch. „Ich will die Beste, die es gibt! Ich kann nicht glauben, dass das passiert! Ich habe es alles ganz genau geplant. Eine Woche nur! In einer Woche wäre eine erstklassige Chirurgin aus LA hier her gekommen. Aber nein, jetzt sitze ich hier fest in der zweiten Klasse . . ." Da registrierte sie ihren Ehemann, der immer noch bewegungsunfähig einige Schritte von ihr entfernt stand, und sie richtete ihren Ärger nun augenblicklich auf ihn: „Owen! Wo warst du? Du schwängerst mich, und wenn ich dir sage, dass die Wehen eingesetzt haben, verschwindest du einfach?"
Alex wandte sich mit hochgezogenen Brauen um und schien um Hilfe zu bitten, doch Owen blieb stumm und starrte bloß. Er war sich nun sicher zu träumen. Das hier war nicht real. Die Realität sah vollkommen anders aus, und sie tat, besonders jetzt, da er den gewölbten Bauch sah, der sein Kind in sich trug, weh. Er wollte nicht mehr hier sein. Er wollte nicht sehen was gewesen wäre wenn. Ihm war heiß, und er konnte nicht atmen. Er riss an seiner Krawatte, um diese zu lockern und erklärte mit leicht schwankender Stimme: „Ich kann das jetzt nicht."
„Du kannst das jetzt nicht?", fauchte Cristina. „Ich bin diejenige in den Wehen." Sie hielt inne, schloss die Augen und atmete einmal tief durch, da sie ein stechender Schmerz durchfuhr. Als sie die Lider erneut aufschlug, schoss sie einen wütenden Blick in Dr. Hunts Richtung und fuhr ungläubig fort: „Hast du dich umgezogen?"
„Mann", ließ sich Karev kopfschüttelnd vermerken.
Owen gab keine Antwort, aber die Erkenntnis, dass seine Frau litt, ließ ihn ohne Überlegungen nach vorne und an sie herantreten. Er griff nach ihrer Hand, gerade als sie nach seiner suchte. Er rief sich in Erinnerung, dass er sich in einem Traum befand, denn alles um ihn herum schien plötzlich so wirklich, so da, und so echt. Er wünschte sich, dass es echt war.
„Ok", meinte Alex, der prüfend eine Untersuchung vornahm. „Bist du bereit? Das Baby ist es auf jeden Fall."
„Nein", entfuhr es Cristina abrupt. Der Ärger war fort und zurück blieb . . . Panik? Angst? „Ich bin nicht bereit. Ich bin keine Mutter. Dieses Baby soll warten. Es soll warten. Nur eine Woche noch. Das ist nicht richtig."
„Aber das ist es", sprach Owen, der plötzlich doch wieder etwas zu sagen hatte, sanft. Denn selbst wenn es nicht wirklich war, wollte er es nur einmal sehen, nur einmal halten, in seinen Armen. „Das ist es. Es ist so richtig."
„Du kannst nicht mehr ständig verschwinden", Cristina hatte zu ihrem festen, bestimmenden Ton zurück gefunden. „Ich kann das nicht ohne dich tun. Du musst mir versprechen . . ."
„Ich verspreche es", erwiderte er, obwohl er nicht wusste, was genau er versprach, oder was sie meinte. „Ich bin hier. Ich bleibe."
GEGENWART, 01. APRIL 2012, ABEND
Es war ein sehr langer Tag gewesen, und Cristina hatte ihn damit zugebracht zu entscheiden, ob sie Owen meiden oder doch lieber verfolgen sollte. Doch dann hatte Meredith Misstrauen gegenüber ihrem Verhalten ausgesprochen, und Altman sie zu einer wichtigen Operation gerufen, und so war diese Entscheidung am Ende nicht von ihr selbst getroffen worden. Als sie nun den Schlüssel in dem Schloss der Türe drehte, war sie wie immer unsicher, was sie erwarten würde, wenn sie eintrat. Würde er da sein? Wenn ja, würde er ein Wort mit ihr wechseln? Oder drei, wie: Ich liebe dich? Liebte er sie? Hasste er sie? Sie vermisste ihn und sie vermisste es ihn ganz genau zu kennen.
Es brannte kein Licht in der Wohnung und auch als sie den Schalter an der Wand für die Beleuchtung betätigte, konnte sie Owen nicht sehen. Unsicher, ob nun Erleichterung erlaubt war, streifte Cristina die Jacke von ihren Schultern und zugleich die Schuhe von ihren Füßen, als sie plötzlich ein Geräusch vernahm, welches sie sofort Inne halten ließ. Sie hörte es erneut, und konnte nun sicher sagen, dass es in dem Badezimmer seinen Ursprung fand. Sie löste sich aus ihrer Erstarrung, hob eine Pfanne an ihrem Griff von der Küchentheke und wagte sich langsam vor und an es heran, was auch immer es war, das sich verbarg. Die Angst, die sie verspürte, zeigte sie nicht, denn diese konnte sie nicht gebrauchen, wenn sie jetzt Mut zeigen wollte. Angekommen, legte sie eine Hand auf die Klinke, während sie mit der anderen die Waffe hoch erhoben und bereit hielt. Dann öffnete sie schnell und unerwartet die Türe, die laut gegen etwas Hartes stieß.
„Au", protestierte eine vertraute Stimme dahinter.
„Oh", Cristina betätigte erstaunt einen weiteren Schalter zu ihrer Rechten, der das Bad erhellte. „Owen? Das tut mir leid. Ich dachte du wärst . . ."
„. . . ein Einbrecher", führte Dr. Hunt ihren Satz mit merkwürdig verzerrter Stimme zu einem Ende. Er trat zögernd dorthin, wo sie ihn sicher nicht länger übersehen konnte. Ein Handtuch um seine Taille war alles, was er trug. Doch das Blut, welches rot an seinem blassen Gesicht herabrann, lenkte ab von seinem bloßen Körper. „Ich glaube, du hast mir die Nase gebrochen."
ZUKUNFT, 14. OKTOBER 2016, NACHT
Cristina schlief erschöpft einen wohlverdienten Schlaf. Das dunkle, gelockte Haar lag gefächert auf der Polsterung im Kontrast zu dem Weiß der Bezüge. Owen, der fürchtete wieder in seiner wirklichen Welt zu erwachen sobald er seine Augen schloss, hielt ihre Tochter in seinen Armen und vorsichtig an seine Brust gedrückt, denn sie lauschte seinem Herzschlag so gerne. Sie war klein. Sie war warm. Sie war lebendig und gesund, und sie war perfekt. Sie war alles, was sie sein sollte und sie war, wenn auch nur hier in diesem Traum, sein. Daran, dass er nach langer Zeit wieder wusste, wie man lächelte, erkannte er, dass er glücklich war. In wiegendem Schritt bewegte er sich durch den Raum. Er küsste den samtenen Kopf und atmete ihren Duft ein, um sich später daran zu erinnern. Dann begann er leise und zufrieden ein Lied zu summen.
