Mit dem Wohnungswechsel arrangierte House sich besser, als er gehofft hatte.

Allzu viel änderte sich vorerst nicht. Die einzigen möblierten Räume blieben der Wohnbereich und das Schlafzimmer. Er hatte Chase ein eigenes Zimmer versprochen, doch weder ihn noch House drängte es, ein Bett zu kaufen oder Möbel, die den kahlen Raum bereichert hätten. Er schlief in seinem Bett, wie er es gewohnt war, fragte nie danach, wann die anderen Zimmer fertig sein würden, obwohl er sich rührende Mühe gab, sie behaglich zu gestalten, was ihm über die Langeweile ohne die Arbeit in der Klinik hinweghalf. Teppiche waren das erste, das er bestellte, oft Schnäppchen aus dem Internet. Teure, handgeknüpfte Orientware, die wie neu aussah.

Zuweilen wunderte er sich, wie treffsicher und erwachsen sein Geschmack war für einen jungen Mann von siebenundzwanzig Jahren. Und woher er das Geld hatte, das er zu seiner Freude ebenso für Kitsch ausgab wie beispielsweise dem grauenhaft präparierten Gazellenkopf und das Antilopenfell, die neben den Gauguin-Kunstdrucken mit äußerster Sorgfalt ihren berechtigten Platz fanden.

Sein Vater hatte ihn aus einem schleierhaften Grund enterbt, doch die Familie war nicht arm gewesen, und Chase hatte den Loft gewinnbringend verkauft; ein Umstand, der ihm erlaubte, aus den Vollen zu schöpfen. Auch sonst widmete er sich sehr der Pflege und Renovierung des lange verwaisten Hauses, das er ihn nach eigenem Belieben gestalten ließ.

Bald hingen die Wände voll exotischer Bilder und längst verstaubten Reiseimpressionen. Vor den Kamin legte Chase tatsächlich die Haut eines Wasserbüffels ab, über den er sich am Abend, als er nach Hause kam, zu Tode erschreckte und den Jungen mit einem lauten Schrei aufweckte, der daraufhin kichernd die Hand vor den Mund hielt, um anschließend stolz zu verkünden, dass das Vieh laut Privatanbieter aus dem uralten Nachlass eines Großwildjägers stammte. Es war riesig, mit einem mächtigen Schädel und Furcht einflößenden, gebogenen Hörnern. Der Himmel wusste, woher er es beschafft hatte. Vielleicht sollte er den Online-Zugang sperren, doch andererseits hatte er Spaß an Chase' morbidem Humor, den er ihm nicht zugetraut hätte. Genauso wenig wie das wieder entdeckte Interesse an klassischer Musik.

Alles, was entfernt an Abenteuer, Inselleben und Polynesien erinnerte, kehrte per FedEx in ihr neues Heim ein. Selbst die Goldfische sonnten sich im Südseeflair; farbenprächtige Korallen, grüne und rote Zwerggarnelen, Krebse und Schnecken besiedelten das Aquarium im Wohnzimmer, das als Trennwand zwischen Essbereich und Küche fungierte. In jedem Zimmer standen Stechpalmen in riesigen Kübeln, die es offenbar im Dutzend billiger gegeben hatte, und im überdachten Vorbau der Terrasse hing eine Affenschaukel aus Bambus, in die er sich zum Lesen kauerte, wenn er ungestört sein wollte. Es rührte House, ihn völlig in die Phantasienwelten zwischen den Seiten eintauchen zu sehen, blind und taub seiner Umwelt gegenüber, während seine gestreckte Fußspitze auf dem Boden kreiste, um den Korb in Bewegung zu halten. Wenn er sich mit einem dezenten Räuspern bemerkbar machte, fuhr er erschrocken auf und strich sich entschuldigend lächelnd durch das seidige, blonde Haar.

Solange er das Schlafzimmer mit Schrumpfköpfen oder Kannibalenknochen verschonte, lag es ihm fern, gegen seinen Dekorationswahn zu intervenieren, auch deshalb, weil er ihn vom Grübeln abhielt. Der fast hyperaktive Fleiß, den er nach ihrem Umzug an den Tag legte, zerstreute seine Befürchtungen, unter dem neu verordneten Medikament gegen motorische Ausfälle Opfer einer Passivität zu werden, in der er während der Schädigung der sensiblen Gehirnstruktur den ganzen Sommer über gefangen gewesen war.

Er ging soweit, den Swimmingpool draußen im Garten sorgfältig von welkem Laub, Verschmutzungen und Abnutzungserscheinungen zu befreien und Wasser einzulassen, während die Nachbarn ihre winterfest abdeckten. Es war verrückt, aber er ließ ihm seinen Willen, und wenn er den Pool einzig dazu nutzte, um ferngesteuerte Miniaturboote darin fahren zu lassen, bis die harten Winter in Jersey die Oberfläche vereisen würden und er darauf Schlittschuh laufen konnte.

House' Erklärung, der Nordosten der USA sei nicht Melbourne, Australien mit tropischen vierzig Grad im Schatten und stattdessen klirrender Kälte und mitunter weißen flockenartig vom Himmel regnenden Eiskristallen, hatte er nicht gelten lassen und sie mit einem seiner etwas ungläubigen Gelächter abgetan. Als ob es völlig absurd sei, im Winter Schnee zu haben.

Von der Klinik aus rief er ihn mehrmals täglich an, um sich zu vergewissern, dass er zurechtkam, es ihm gut ging, denn er hatte trotz seiner äußeren Ausgeglichenheit kein reines Gewissen, ihn völlig sich selbst zu überlassen. Obwohl er ihn häufig bei einem kurzen Dösen auf der Couch störte und dann seinen grummelnden ozeanischen Akzent und ein paar schlaftrunken ausgestoßene Kraftausdrücke über sich ergehen lassen musste, ließ er sich die Telefonate nicht nehmen. Insgeheim war auch Chase froh darüber, seine Stimme zu hören, wenn er sich erkundigte, ob er etwas brauchte oder das Essen mitbringen sollte, weil Chase mit seiner Gedächtnisstörung die Ziffern der Rufnummer des Pizzaservices verdrehte und ständig einen gewissen Mr. Blainey mit Telefonterror belästigte, an den er wiederholt geriet, weil er immer wieder dieselbe falsche Nummer wählte.

Unzulänglichkeiten wie diese sowie Chase' zornige Reaktionen darauf häuften sich.

Besuch erhielt er keinen, und er schrieb auch keine Briefe nach Hause zu Freunden, wenngleich er ihm ans Herz legte, sich mit seiner Tante am anderen Ende der Welt in Verbindung zu setzen. Möglicherweise schämte er sich seiner nun fehlerhaften Orthografie, doch seine E-Mails, von denen er auch ein paar ins Hospital schickte (nie zu eindeutig, da Cameron immer noch hin und wieder seine Post abholte) waren mit ein wenig Phantasie durchaus lesbar, so dass er einen tiefer gehenden Grund vermutete.

Trotzdem fragte er nicht mehr danach. Das eine Mal, da er es getan hatte, hatte Chase nach einem nahezu feindseligen Blick reizbar verstummen und sich wie ein beleidigter Teenager in den Gartenpavillon flüchten lassen, den er von innen verriegelte und erst spät abends wieder ins Haus zurückgekehrt war. Es war eine neue Erfahrung für sie beide, dass es Rückzugsmöglichkeiten gab; Winkel, in denen Chase schmollend seine unregelmäßig aufbrechenden Wunden leckte. Stimmungsschwankungen waren normale Symptome und gehörten zu den weniger Besorgnis erregenden Nebenwirkungen bei der Einnahme von Neuroleptika. Auch seine ungewohnte Hyperaktivität empfand er kaum als störend, solange er nicht selbst darunter litt.

Knappe zwei Wochen stand er nun unter dem Wirkstoff Gabapentin, und er war erleichtert, dass Chase' gesunder Organismus ihn verhältnismäßig gut verstoffwechselte. Eine Kapsel pro Tag genügte, um ihm beinahe zu seiner früheren Gewandtheit zu verhelfen, bei der ihn weder unerwünschte Zuckungen noch ein verkrampfter Muskeltonus beeinträchtigten. Physisch fit zu sein, war ihm angesichts der Aufgabe, das Haus zu renovieren, wichtiger als alles andere.

Hin und wieder brachte House Akten mit, um sie mit ihm zu diskutieren und verblüfft zu konstatieren, dass Chase, was das Berufliche betraf, nichts verlernt oder vergessen hatte. Als ob er das Wissen auf einem Speicherplättchen in den zerstörten Arealen seines Gehirns auf Knopfdruck aktivierte, das er als Medizinstudent aufgesogen hatte wie ein Schwamm. Er konnte mit Fachausdrücken um sich werfen, dass House ganz wirr im Kopf wurde und selbst nicht mehr wusste, worauf er den Patienten ursprünglich diagnostiziert hatte. Doch das mochte daran liegen, dass ihn seine seltene geistige Regsamkeit dermaßen faszinierte, dass ihm der Fall auf einmal gleichgültig war. Und nicht nur die geistige Seite beeindruckte ihn.

Mit gekreuzten Beinen hockte er ihm gegenüber auf dem Sofa, runzelte die Brauen und vertiefte sich mit der gleichen Hingabe in die trockenen, medizinischen Fakten wie in seine Abenteuerromane. Nach wie vor lief er barfuss herum, und meist trug er ein zweifarbiges langärmeliges T-Shirt und bequeme, graue Jeans, deren Hosenbeine hochgekrempelt waren. Lange konzentrieren konnte er sich nicht, doch seine spontanen Ideen und die Ernsthaftigkeit, mit der er die Unterlagen studierte, zeugten von einer Originalität und Brillanz, die ihn freuten, weil sie an den wissensdurstigen Dr. Robert Chase erinnerten, den er gekannt und dessen Aufnahmefähigkeit er besonders geschätzt hatte in den ersten Jahren seines Stipendiums.

„Ich könnte Sie wieder in der Diagnostik arbeiten lassen", meinte er und strich in einer beiläufig anmutenden Geste über sein Schienbein, das jäh erzitterte, als sich die gebräunten, kräftigen Zehen in das Polster bohrten und Chase hörbar einatmete.

Der helle Flaum unter seiner Handfläche fühlte sich so gut an, so ungemein vertraut, und er wünschte, er würde es erlauben, ihn leidenschaftlich auf das alberne Büffelfell zu ziehen, damit es zumindest einen sinnvollen Zweck erfüllte.

Oder ihn auf der Stelle zu verführen, ihm einen kleinen, unterwürfigen Kuss auf den sinnlich breiten Kindermund zu hauchen, wenn er ihn schon nicht an mehr heran ließ. Seit ihrem Umzug vor einigen Tagen hatte er ihn nicht wieder angefasst, geschweige denn körperlich geliebt. Irgendwie schien es ihm nicht richtig, da Chase seit der Einstellung auf die Medikation anders auf Zärtlichkeiten reagierte. Er würde nicht soweit gehen, zu behaupten, dass er abwehrend oder spröde wirkte, aber er fragte nicht mehr danach, verspürte nicht den Wunsch nach Intimität, die House mehr vermisste, als er einzugestehen bereit war. Er konnte sich glücklich schätzen, wenn der Junge nachts unbewusst seine Nähe suchte und es geschehen ließ, dass er den Arm um ihn legte. Morgens allerdings fand er ihn häufig an der äußersten Kante des Bettes, zusammengerollt wie ein Embryo. Meist ließ er ihn schlafen, bis er gegen Mittag von der Klinik aus den ersten Telefonanruf tätigte.

„Als das Wunderkind von Oz."

Er lächelte ein wenig unsicher, rieb sich das Schienbein an der Stelle, wo er ihn berührt hatte. Als würde er eine hochgradig ansteckende Krankheit durch Handauflegen übertragen. „Ich bin kein Wunderkind. Ich bin ein Wrack. Ein Junkie, der nur unter Tabletten funktioniert."

„Ich wollte Sie nie zu einem Abbild von mir machen", stellte er klar. „Es war Ihre Entscheidung."

Auf den Sitzhöckern wippend umfasste Chase seine Knöchel. Sie waren stark und trotzdem auf erregende Weise feingliedrig wie seine schönen, nackten Füße, die er unruhig bewegte. Seine häufig unvermutet auftretende Ruhelosigkeit und die Anzeichen seines buchstäblich unter Strom stehenden Körpers gaben ihm zuweilen zu denken und befremdeten ihn. Von Natur aus war er in den meisten Bereichen mehr ein Stoiker.

Sein Blick verlor sich in dem betörend ästhetischen Anblick seiner kräftigen Finger und Fesseln, dem geschmeidigen Fließen der Sehnen unter der glatten Haut seiner Waden, die sich in dem leichten Rhythmus rundeten und wieder lockerten. Nur mühsam widerstand er dem Impuls, erneut Besitz ergreifend darüber zu streicheln.

Meins, dachte er voller Stolz. Alles meins, und es wird immer so bleiben.

„Sie helfen mir nicht wirklich", gestand er und zuckte hilflos die Achseln, während er ihm das schmale, zarte Profil zuwandte. „Manchmal machen sie mich schwach."

„In meiner Gegenwart schwach zu werden, ist keine Schande."

„Es ist nicht das." Er senkte den Kopf, auf einmal beschämt. „Ich verändere mich. Und ich weiß nicht, weshalb. Ich verliere den Verstand. Ich glaube, ich werde vielleicht nie mehr irgendetwas tun können. Nicht so, wie Sie andeuten. Für Sie arbeiten. Mit Ihnen wohnen."

„Wir wohnen schon lange zusammen", murmelte er, während er vom Sessel zur Couch wechselte, um sich neben ihn zu setzen. Seine Temperatur war erhöht, er bemerkte es an den glühenden Wangen und an der Röte seiner Lippen, die er ständig blutig biss. Diese Unart, mit der er erst vor kurzem begonnen hatte, war ihm nicht auszutreiben. Ein gewisser Hang zum Masochismus ließ sich nicht leugnen, aber vermutlich tat er es unbewusst wie andere das Fingernägelkauen. Nervöse Ticks stellte er zum ersten Mal an ihm fest. „Und ich habe nie etwas von Ihnen verlangt, das Sie nicht leisten können. Ich habe Sie hier, weil Sie mein kleiner Junge und mein unsterblicher Geliebter sind. Mein schöner Daphnis. Wissen Sie, wer Daphnis war?"

„Der blinde Hirte in der griechischen Mythologie", erwiderte er. Sein Blick kehrte sich nach innen.

„Und der Sohn einer namenlosen Nymphe. Sind Sie das auch? Wenn ich Sie so ansehe, glaube ich es manchmal."

Vorsichtig lehnte er sich halb über ihn, fuhr mit der Hand gegen den Strich über sein wundervolles, dichtes Haar und folgte mit dem Lippen, wobei er ihn atmete, seinen jungenhaften, sauberen Duft nach frisch gewaschener Baumwolle und Sandelholz. Seine geschlechtliche Enthaltsamkeit konnte man sogar riechen. Zeit, das zu ändern. Er spürte, wie Chase sich versteifte, kreiste mit den Fingerspitzen an der Wirbelsäule entlang, um ihn ein wenig erstaunt kichern zu hören, und zog ihm in der Bewegung sorgsam und wie nebenbei das Hemd über den Kopf und die Arme, was Chase willig geschehen ließ. Sein Atem ging schnell, fast keuchend.

„Ist es gut?" fragte er und koste den Knick seiner Ohrmuschel, während seine Hände hinab zu seinen schmalen Hüften glitten, über den Beckenknochen und behutsam die Knöpfe der Jeans lösten, bis Chase sie über die Knöchel streifte. Der junge Australier legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und seufzte ein wenig, antwortete jedoch nicht. Seine Geräusche, die dunklen, einladenden Töne aus seiner Kehle, kannte er gut genug, um zu wissen, dass er auf dem richtigen Weg war.

„Wir haben noch keine Einweihungsparty gefeiert."

„Mmm… war das geplant? Ich dachte, Sie mögen keine Feste."

Es fiel ihm deutlich schwer, sich zu unterhalten, sich auf seine jetzt tiefere Stimme zu konzentrieren, doch er drehte ihm den Oberkörper zu, nahm ein Bein hoch und legte es intuitiv über House' Schulter, um es in seine Armbeuge sinken zu lassen. Dabei schenkte er ihm ein scheues Lächeln, das zu schön war, um es nicht zu erwidern und ihn zu belohnen. Er war bereit. Er wollte es, und er sagte es ihm so wie immer. Ohne Worte, ohne großes Theater. Dankbar küsste er seinen Wangenknochen, fuhr hinab zum Mund. Ihr letztes Mal war noch nicht allzu lange her, doch er fühlte sich unsagbar erleichtert, endlich wieder das zu haben, was ihre Beziehung perfekt machte, ihm den Kick verschaffte.

„Ich mag Feste. Und Sie und Ihren wundervollen Körper, der Dinge tut, von denen Sie nichts ahnen. Weil er für sich genommen schon eines ist."

Ohne Hast schnallte er den Gürtel auf, beugte sich über den Jüngeren. Seinem Schweiß mischte sich eine herbe Note bei, und er spürte, wie er unruhig herumzappelte, sein rechtes Bein über die Rückenlehne des Sofas schwang.

Als er seinen Mund schmeckte (Minze, Zitrone und herbe Kräuter), warf er den Kopf zur Seite, drückte ihn kurz weg, indem er die Hand gegen seinen Brustkorb stemmte. Nicht aus Widerwillen, doch irgendetwas hinderte ihn daran, sich auf ihn einzulassen. Nichtsdestoweniger drängte er das Becken gegen ihn und erhöhte sich ungeduldig, indem er die Beinmuskeln anspannte, während House Salz in seinen Augenhöhlen schmeckte.

„Nicht weinen", sagte er leise. „Ganz ruhig. Seien Sie ganz ruhig. Nicht kämpfen. Lassen Sie es nur passieren."

„Ich weiß nicht." Er keuchte und starrte ihn an, riss flüchtig an seinem Haar und wusste offenbar nicht, was er tun sollte, was von ihm erwartet wurde. Hatte er Angst? Erinnerte er sich an etwas? Erfahrungen, die er gemacht hatte, bevor er die Freude an der Sinnlichkeit mit seiner Hilfe wieder entdeckt hatte? „Bitte… tun Sie mir nicht weh."

Langsam streifte er über seine vollen Lippen, atmete seinen Atem ein, den erregenden, süßlich-würzigen Duft der zarten Haut von Hals und Nacken. Er stöhnte auf, nicht sicher, ob er Lust empfand, und stützte die Hand auf das Lederpolster, während er mit dem anderen Arm die Lehne umklammerte, um sich daran hochzuziehen. Währenddessen stieß er fordernd, aber nicht zu derb mit der Hüfte in seinen Schritt. Wellenförmige Impulse zuckten durch seine Lenden, richteten ihn auf und sorgten für eine Erektion, aber er widerstand, zwang den Jungen durch die Verlagerung seines Gewichts auf den Oberkörper wieder hinunter. Chase wimmerte. Es sah nach Arbeit aus. Das Medikament veränderte ihn tatsächlich.

„Ich will Sie ruhig haben", wiederholte er, seinen Bauch massierend, in dem das Zwerchfell einen wilden, flatternden Tanz aufführte. „Sie müssen gar nichts tun. Lassen Sie los. Warten Sie einen Moment und atmen Sie tief."

oOo

Er fror und schwitzte gleichzeitig, als House sich von ihm löste und verschwand. Schauer rannen über seine entblößte Haut, und er fühlte sich furchtbar schutzlos, bekam das Herzklopfen und die aufwallenden, eher unangenehm in seinem Bauch wühlenden Kontraktionen nicht in den Griff. Er hätte ihn gerne bei sich behalten, nur aufgrund seiner Wärme. Aber er fühlte nichts mehr. Nicht mehr das, was er House geschenkt, was ihn selbst über die Maßen erregt hatte, als er noch ohne Medikation hatte sein dürfen. Schwer atmend wandte er das Gesicht zum Kamin, betrachtete die Löwen links und rechts des Rauchfangs. Sie fletschten die Zähne und lachten ihn aus. Verzweifelt presste er die Handwurzeln an die Stirn.

Klassische Musik riss ihn aus seinem eigenartigen Dämmer. Nessun dorma aus Turandot von Puccini. Keiner schlafe.

House lehnte sich mit einem wissenden Lächeln über das Sofa.

„Außer uns beiden", sagte er, als hätte er seine Gedanken erraten. Seine Hand strich kurz und neckend über seine Wange und ruhte dann auf dem Brustbein, und er war wie hypnotisiert von dem athletischen Spiel seiner Armsehnen und den ausgeprägten Muskeln im Brustbereich. Wenn House wollte oder es die Umstände erforderten, könnte er ihn wohl tragen. Sonderbar, dass ein physisch eingeschränkter Mann eine solche Kraft ausstrahlte. Er liebte es, ihn zu berühren, mit den Fingern über seinen Bizeps zu gleiten zu den gestählten Unterarmen. Er fühlte sich ein bisschen an wie ein harter, langgliedriger Teddybär. Wie er ihn begehrte. Ein Gefühl, das sich nicht ausschließlich auf das Körperliche reduzierte, das ohne Zweifel anziehend war. Aber er wollte ihm zeigen, dass er es immer noch wollte, dass er niemals genug von ihm haben konnte.

„Sie müssen weder mir noch Ihnen etwas beweisen. Das wäre erbärmlich und Ihnen nicht würdig", sagte er und nahm wieder seinen vorigen Platz ein, während er großzügig Gleitgel aus der Tube nahm, die er aus dem Schlafzimmer geholt hatte und es auf dem Finger verteilte. Chase' Herz tat einen Sprung. Er wusste, was er vorhatte, aber es kam irgendwie zu plötzlich. „Ich will nur, dass Sie ruhig sind und an nichts denken. Schon gar nicht an Ihren wohl verdienten Orgasmus. Hören Sie auf die Musik und schließen Sie die Augen."

Er tat es, wenn auch mit angehaltenem Atem, ehe er nachsichtig ermahnt wurde, das Leben nicht zu vergessen.

House hob sein Becken an, und er unterstützte ihn bereitwillig, indem er das Kreuz wölbte, genoss das leichte, stimulierende Kreisen an der Stelle zwischen Pobacken und Oberschenkel, das mal tiefer und mal höher wanderte und ein Wohlbehagen auslöste, das ihn fast überrollte. Trotz der Tatsache, dass er die Massage als eine körperliche Reizung verstand, verringerte sich der Druck in seinem Bauch, und das Eis im Magen schmolz und wurde von einem überraschend langsam einsetzenden Feuer verzehrt, das keine fiebrige Glut auslöste. Nur leichte, unglaublich sanfte Schwingungen, die sich auf den ansteigenden Takt der Arie abstimmten.

House verfolgte kein Ziel, arbeitete nicht auf den obligaten Höhepunkt hin, also brauchte er es auch nicht. Nur genießen, entspannen, sich treiben lassen. Ohne es beabsichtigt oder willentlich herbeigeführt zu haben, begann etwas in seinem Inneren zu vibrieren, als House behutsam in ihn drang, seinen Schließmuskel dehnte. Es war ihm unmöglich, verbal mitzuteilen, wann er bereit war, und so griff er nach seiner Hand, verflocht die Finger mit den schmalen, langen Pianistenfingern, deren Kühle vertraut und tröstlich auf ihn wirkte und ihn ruhiger werden ließ, bis er sich schließlich völlig sicher im Schatten seiner Geborgenheit fand.

Das melancholische Lächeln, dem er begegnete, als er wieder die Augen öffnete, war voll Liebe und Zärtlichkeit, während er beschwichtigend seine Hand drückte. Wechselnde, wollüstige Spannungen seines Beckenbodens und der Beine hielten ihn halb in der Vertikalen, doch bald war er soweit gelockert, dass er zurücksank und ein wohliger Laut über seine Lippen brach, der weder lustvoll noch schmerzerfüllt war, als er eins mit ihm wurde, seinen Atem über sich hörte, den warmen Hauch am Brustbein vernahm.

Der mitunter schwierige Moment des Eindringens war komplett an ihm vorbeigegangen. Was genau er empfand, konnte er nicht sagen, aber es war so gut, so befreiend und schön wie er noch nie geliebt worden war, als House sich tiefer vorwagte, seine Beine wie von selbst über seine Armbeugen glitten, an denen er die Sehnen hervortreten sah, bevor seine Sicht abermals verschwamm und er den Kopf zurückwarf. Er lauschte auf die Musik, die ihn beinahe so aufwühlte wie House' Druck auf ihm, seine körpereigenen Aromen, wild und verlockend, die ihm den Eindruck von Heimat gaben und sich mit seinen vermischten. Dennoch blieb er vor Überraschung über die unkonventionelle Art der Vereinigung ruhig und lernte nebenbei und doch eindrücklich eine Seite an sich kennen, die er als befriedigend erfuhr und die wunderschön war.

Auch House bewegte sich kaum, änderte nur ganz leicht und bedächtig gelegentlich den Winkel, und es wurde mit jeder Minute (jeder Stunde, wie er vergehend glaubte) unbeschreiblicher und schöner. Sonderbarerweise war nicht die Spur von hitziger Wildheit, nicht einmal Begierde zwischen ihnen.

Dessen ungeachtet konnte er alles geben, ohne Leistungsdruck, ohne den Gedanken im Hinterkopf, auf Biegen und Brechen zum Klimax zu gelangen. Er war sich nicht sicher, doch ein Mädchen konnte er nie auf die ausdauernde Art geliebt haben, wie House es tat, falls er sich überhaupt je soviel Zeit genommen hatte, auf ihre Bedürfnisse eingegangen war.

Immer dann, wenn er glaubte, es nicht mehr auszuhalten, es zu Ende gehen lassen zu müssen, weil die Lust und das Verlangen übermächtig wurden und heraus wollten, wogten neue, pochende kleinere Wellen durch ihn, die dem in Reichweite scheinenden Gipfel die Spitze nahmen und ihn in weite Ferne rückten. Alles, was ihn erregte, spielte sich innen ab, ließ ihn fassungslos über die unerwartete Empfindsamkeit seufzen, derweil seine Muskeln sich immer mehr ohne seinen Willen entspannten, und House verlängerte und intensivierte seine Regungen subtil und ohne sichtbare Dynamik. Tief in ihm gärte eine Kraft, die von House sachte, aber bestimmt zurückgedrängt wurde. Er meinte, zu schreien vor Glück, aber er tat es nicht und konzentrierte sich stattdessen auf die ihn umfangende Unwirklichkeit jenseits der anfänglichen Angst, nichts mehr empfinden zu können, die er zu Unrecht ausgestanden hatte. Nachdrücklich demonstrierte der Ältere ihm das Gegenteil.

Über sich sah er den markanten, unrasierten Kiefer, in dessen Stoppeln Schweiß glitzerte. Sein Bart zierten seit kurzem links und rechts am Kinn auffallend weiße Stellen, und er dachte an die beiden gusseisernen Löwen, als House sich über ihn neigte, er sein gelöstes Gesicht direkt vor sich hatte und er nicht mehr wusste, wohin mit sich, weil es so unglaublich war, so wonnevoll, ihn gründlich und tief zu spüren. Er tat nichts, blieb fast regungslos liegen und hatte doch das Gefühl, etwas Bedeutendes dazu beizutragen, als er seine unbändige Freude in den hageren Zügen gespiegelt sah. Wie House das machte, blieb sein Geheimnis, genauso wie der Name des mysteriösen Prinzen in Nessun dorma.

Ein Löwe war er, ein großer, verlässlicher mit magischen Kräften.

Die Geschichte von Narnia drängte sich ihm auf, und er hätte am liebsten gelacht, weil er sich behütet und irrsinnig glücklich vorkam und beinahe unerträgliche Leichtigkeit seine Adern durchflutete, als House amüsiert knurrte, ihm die sensationelle, im ersten Augenblick etwas beängstigende Reaktion seiner inneren Muskeln nicht verborgen blieb, die ihn selbst entflammte. Noch nie hatte er sich während des Aktes so bewusst gefühlt, so körperlich und gleichwohl erlösend passiv. Atemlos erwiderte er das Lachen, während streichende Finger behutsam durch sein Haar glitten, bevor sie sich hinter seinen Schulterblättern kreuzten und ihn näher zu sich zogen, während er tiefer ging. Unmerklich fast, doch er fühlte sein Blut kochen, hörte es wie das ungezähmte Meer in den Ohren rauschen.