A/N: Hallo, ihr Lieben!

Dies ist die erste Fanfiction überhaupt, die ich veröffentliche, ich hoffe, Ihr seid daher nachsichtig mit mir und habt beim Lesen genauso viel Spaß, wie ich beim Schreiben!

Erst einmal vorneweg:
Dies ist eine Femslash-Story. Solltet Ihr Geschichten dieser Art voll daneben finden, dann rate ich Euch davon ab, meine Fanfiction zu lesen.

Diese Story ist ungebetat, wer Rechtschreibfehler findet, darf mich gern darauf hinweisen. :-)

UPDATE vom 21.11.2015: Die Formatierung wurde der Übersicht halber etwas bearbeitet.

Disclaimer:
Alle Charaktere und Orte, die auch in den Büchern vorkommen, gehören J. K. Rowling, der kleine Rest entspringt meiner Fantasie. Ich verdiene hiermit auch kein Geld, diese Geschichte dient lediglich der Unterhaltung.

Ich wünsche Euch nun viel Spaß beim Lesen und würde mich über einen Kommentar von Euch freuen!

Dies ist meine Hommage an ein leider viel zu selten geschriebenes Pairing!

LG, Tar

- xoxox -

INTERTWINED

Kapitel 1 - Aus der Asche

- Freitag, 28. August 1998 -

„So denn, ich bin hocherfreut, dass wir uns in dieser Sache einig sind!"

Der untersetzte, hamstergesichtige Zauberer stemmte sich mit einem strahlenden Lächeln aus seinem Lehnstuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Sein schütteres weißes Haar schlug leichte Wellen auf seinem runden Kopf, ebenso, wie die beeindruckende Moustache, die seine Oberlippe zierte. Die hochgewachsene Frau, mit der er sich in der vergangenen Stunde auf verbaler Ebene duelliert hatte, erhob sich ebenfalls und bedachte ihn mit einem Kopfnicken.

„Die Freude besteht ganz meinerseits, Oberschulrat Cricet."

„Bitte, nennen Sie mich Bartholomew, Teuerste!", gluckste Cricet und zwinkerte gönnerhaft mit den Augen. Seine kurzen Stummelfinger verschwanden in den Untiefen seines limonenfarbenen Umhangs und beförderten eine kleine goldene Taschenuhr zutage.

„Du liebe Güte, ich fürchte, ich muss mich entschuldigen", quiekte er überrascht, die kleinen, wässrigen Knopfaugen vor Aufregung geweitet.

„Ich werde zurück in London erwartet. Der Schulbeirat tritt in einer halben Stunde zusammen."

Umständlich wuselte er zum Kamin hinüber, die dunkelhaarige Hexe folgte ihm beinahe geräuschlos. Cricet trat auf sie zu und ergriff mit väterlicher Miene ihre schlanken Hände.

„Meine liebe Minerva", ein feuchtes Glänzen in den kleinen runden Saphiraugen verriet ihr bereits den Kurs der folgenden Worte, „Sie können sich nicht ausmalen, wie stolz unser Gremium auf Sie und Ihre selbstlose Hingabe gegenüber dieser Schule ist! Nach Albus' Tod haben Sie den Lehrkörper zusammengehalten, haben nicht gezögert, alles zu riskieren, um diesen Ort und seine Schüler zu schützen. Selbst jetzt, wo der Krieg vorüber ist, hätten wir ohne Ihr Engagement und Ihre Aufopferung nicht gewusst, ob wir Hogwarts wieder hätten eröffnen können." Es schien, als könnte der Oberschulrat mit seinen nächsten Worten nicht länger hinter dem Berg halten, sein Gesicht wurde vor Aufregung immer röter und sein Schnauzbart hob sich um einige Zentimeter.

„Ich möchte hiermit unser aller tief empfundene Hochachtung zum Ausdruck bringen und Ihnen voller Stolz mitteilen, dass das Ministerium beschlossen hat, Ihnen und den verbliebenen Kriegshelden den Merlin-Orden erster Klasse zu verleihen!"

Vor ihm richtete sich Minerva McGonagall zu voller Größe auf, nahm die rechteckigen Brillengläser von ihrer Nase und schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns, des erste an diesem Morgen.

„Für diese Ehre danke ich vielmals, Bartholomew." Ihre Worte wehten klar und deutlich durch den Raum, als sie fortfuhr. „Ohne die bedingungslose Loyalität meiner Kollegen und unserer Schüler jedoch hätte selbst die fähigste Führungspersönlichkeit nichts ausrichten können."

Cricet neigte anerkennend den Kopf ob der Bescheidenheit, den die Hexe an den Tag legte. Dann zog er ein Säckchen mit Flohpulver aus seinen Gewändern und schob sich schnaufend in den Kamin.

„Nun denn, erwarten Sie meine Eule", verkündete er mit seinem charmantesten Lächeln und holte eine Prise des Pulvers aus seinem Beutel. „Ich insistiere auf einen Scotch mit Ihnen bei der Zeremonie!"

Die strenge Frau konnte nicht umhin, belustigt den Kopf zu schütteln.

„Also schön, wenn Sie insistieren..."

Das schallende Lachen des Oberschulrates hallte von den Steinwänden wieder, dann verschwand er in einer giftgrünen Stichflamme und Stille kehrte ein.

Seufzend trat Minerva durch die hohen Flügeltüren des Schlosses und ließ ihren Blick über die Ländereien schweifen.

Innerhalb der Sommermonate hatte das Gelände hunderte freiwilliger Helfer beherbergt, die unermüdlich mitgeholfen hatten, die Spuren des Krieges auszulöschen. Das Schloss hatte sich in einem mehr als bemitleidenswerten Zustand befunden, als der Hogwarts-Express mit den letzten Schülern nach London aufgebrochen war. Zu Minervas Überraschung waren nicht wenige geblieben, um zu helfen. Die Tatsache, dass der Großteil davon aus Schülern ihres Hauses bestanden hatte, hatte sie mit einem grimmigen Stolz erfüllt, der sie selbst zu noch erbitterterer Arbeit anspornte. Nach zwei Monaten war das Unglaubliche vollbracht: Hogwarts war von seinen äußeren Wunden geheilt.

Die Morgensonne warf ihre fahlgoldenen Strahlen auf den Schwarzen See und füllte ihn mit flüssigem Gold. Die Luft war kühl und klar, als Minerva ihre Schritte an den frisch gestrichenen Türmen des Quidditchfeldes vorbei zum See hinüber lenkte, ein stetiger Wind strich durch die Wipfel des Verbotenen Waldes. Einige Tage, nachdem die Arbeiten am Schloss beendet worden waren, hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet und sintflutartige Regenfälle hatten die letzten Relikte des vergangenen Leids fortgewaschen.

Minerva schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Der Gestank nach Asche und Blut war verschwunden, zurück blieb nur der frische, erdige Duft des Sommerregens. Zum ersten Mal seit Beginn der Sommerferien konnte sie die Bergkette in der Ferne sehen.

Völlig in Gedanken versunken blieb die Schottin plötzlich stehen. Mit einem dicken Kloß in der Kehle erkannte sie, dass sie vor dem weißen Marmorgrabmal stand, unter dem ihr langjähriger Freund und ehemaliger Schulleiter, Albus Dumbledore, begraben lag.

„Oh, Albus", flüsterte sie, sank auf die Knie und begann, haltlos zu schluchzen.

Seit dem Fall des Dunklen Lords wuselten endlich einmal keine Menschen um sie herum, denen sie Mitgefühl, Fürsorge, Ermutigung oder dergleichen entgegenbringen musste. Unzählige Male hatte sie Lehrer wie Schüler psychologisch betreut, Nächte damit verbracht, Tränen zu trocknen und Hände zu halten und darüber ihre eigenen Empfindungen resolut zurückgedrängt. Viele junge Hexen und Zauberer waren nur deshalb geblieben, um das Erlebte aufzuarbeiten, und aufgrund mangelnden Personals hatte sie sich in der Pflicht gesehen, zu handeln.

Jetzt, gegen Ende der Ferien, als allmählich Ruhe einkehrte, fühlte sich Minerva so erschöpft und einsam, wie noch nie. Die Mauern, die sie so sorgfältig um ihr Innerstes hochgezogen hatte, drohten nun zu brechen und sie unter sich zu begraben.

Reiß' dich zusammen, cailleach*! , schalt sie sich, zog ein seidenes Taschentuch aus ihrem Ärmel und wischte energisch die heißen Tränen fort. Die Situation hatte nicht nur negative Seiten!

Kurz nach dem Ende des Krieges hatte der Schulbeirat Minerva in das Amt der Schulleiterin erhoben, welches sie nach allem, was geschehen war, unmöglich ablehnen konnte. Ihre Professur für Verwandlung sollte künftig von einem alten Bekannten aus ihrer Zeit im Ministerium, Gregorius Willoughby, übernommen werden; Cricet war am heutigen Morgen mit dieser Hiobsbotschaft aus ihrem Kamin gepurzelt. Zwar schmerzte Minerva der Verlust ihrer Lehrtätigkeit, doch sie wusste, dass Willoughby ein fähiger und gerechter Mann war. Um wenigstens gelegentlich zu unterrichten, hatte sie zusammen mit Schulbeirat ein Konzept zur Ausbildung von Animagi in Hogwarts entworfen. Dieser freiwillige Kurs sollte allen Siebtklässlern angeboten werden, die diesen Magiezweig erlernen wollten.

Trotz der lähmenden Trauer, die ihr den Atem raubte, konnte sie nicht umhin, bei den aufkeimenden Gedanken in ihrem Geist zu lächeln.

Einige ihrer Schützlinge hatten sich während des Sommers in besonderem Maße hervorgetan. So waren es vor allem Gryffindors, darunter Harry Potter, Hermine Granger und Neville Longbottom, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, den Zusammenhalt unter Lehrern und Schülern in den Nachwehen des Krieges zu stärken. Zwar hatte Minerva nur einige wenige Blicke auf ihre jungen Löwen erhaschen können, doch die Berichte ihrer Kollegen ließen sie selbst mit stolzgeschwellter Brust zu Werke gehen. Umso mehr freute sich Minerva, als sie erfuhr, dass diese drei, ebenso wie viele andere ehemalige Siebtklässler, das verlorene letzte Schuljahr ab September nachzuholen gedachten.

„Es wird alles gut werden, Albus", flüsterte sie, ihre feinen Gesichtszüge spiegelten Schmerz und Zuneigung wider, „ich verspreche es."

- xoxox -

- Dienstag, 1. September 1998 -

Die kalte Abendluft vibrierte kaum merklich, als eine junge Hexe mit buschigem, braunem Haar vor den Toren von Hogwarts apparierte und sich in die Schlange der Wartenden einreihte. Fröstelnd zog sie ihren Umhang enger um ihre Schultern und blickte sich nervös um.

Hermine hatte bereits vor einer Woche den Entschluss gefasst, nicht wie in den Jahren zuvor per Hogwarts-Express anzureisen. Zum einen bestand die Notwendigkeit nicht mehr, da sie ja ebenso gut apparieren konnte, zum anderen fühlte es sich seltsam falsch an, zwischen all den lachenden und schwatzenden Erstklässlern zu sitzen und so zu tun, als würde alles seinen gewohnten Gang gehen. Harry, der nach dem Wiederaufbau der Schule in den Fuchsbau eingekehrt war, hatte sich dafür entschieden, den Zug zu besteigen, um den anderen Schülern ein Vorbild zu sein.

„Wenn sie sehen, dass ich gehe, werden sie es auch tun. Sie brauchen nur einen Anstoß, um mit ihrem Leben weiterzumachen", hatte er Hermine erklärt. Diese hatte überraschender-weise zugeben müssen, dass sie so viel Einfühlungsvermögen von einem Harry Potter gar nicht erwartet hätte. Ron, der den Sommer bei seiner Familie verbracht hatte, würde ihn begleiten.

So, wie viele andere Schüler ihres Jahrgangs hatten sich die drei entschieden, das an den Krieg verlorene Schuljahr nachzuholen. Hermine hatte während ihrer Reise durch Britannien jede freie Minute genutzt, um über ihren Schulbüchern zu brüten und dem Elend wenigstens für ein paar Stunden zu entgehen. Die junge Hexe hatte den Stoff des siebten Schuljahres bereits mehr als hinreichend verinnerlicht, weshalb ihr Professor McGonagall kurz nach dem Beginn der Ferien angeboten hatte, einige ihrer UTZ-Prüfungen bereits im Sommer abnehmen zu lassen. Nur allzu entschlossen hatte sie dieses Angebot angenommen und sich jeden Tag, nachdem die Arbeit im Schloss getan war, in der Bibliothek vergraben, froh, mit niemandem reden zu müssen. Die Vertrautheit der Bücher spendete Hermine den Trost, den sie bei Harry und Ron nicht fand. Nach all den Schrecken des Krieges hungerte sie nach Normalität, nach einer Aufgabe, die ihren Geist ausfüllte und ihn davon abhielt, die Erinnerungen erneut zu durchleben.

Sie hatte sich derart verbissen in das Studium gestürzt, dass sie zusätzlich ihren UTZ-Prüfungen in Alte Runen, Zaubertränke und Arithmantik auch noch jene in Geschichte der Zauberei, Kräuterkunde und Astronomie beantragt hatte. Unter Druck, so wusste Hermine, hatte sie schon immer am besten funktioniert und auch diesmal war sie regelrecht zu Höchstleistungen aufgeblüht. Am Ende der Sommerferien erreichte sie die Eule mit ihren Prüfungsergebnissen: Griselda Marchbanks, Leiterin der Prüfungskommission, hatte sich mit Lob geradezu überschlagen, als sie ihr mitteilte, dass sie ein Ohnegleichen in allen Prüfungen erzielt habe und wagte es, sich all jenen anzuschließen, die die junge Frau als „klügste Hexe ihres Alters" betitelten.

Doch auch die Bücher hatten letzten Endes nicht vermocht, die nagende Leere in ihrem Inneren zu füllen.

Abermals reckte Hermine den Hals, konnte ihre beiden Freunde jedoch nirgends erkennen. Leise seufzend trat die junge Frau vor und stieg in eine der Kutschen, deren unheilvolle Zugtiere sie nun zum ersten Mal in all ihrer Pracht zu sehen vermochte. Sie schluckte schwer und rutschte bis an den Rand der Sitzbank, die Worte ihrer Freundin Luna hallten durch ihre Gedanken.

Thestrale werden nur von dem gesehen, der den Tod gesehen hat.

Zu viele Menschen hatte sie sterben sehen, hingeschlachtet im Namen eines Wahnsinnigen. Zitternd ballte sie ihre klammen Hände zu Fäusten, als sich das Fuhrwerk schaukelnd in Bewegung setzte und sich in den Tross einreihte, der den Pfad zum Schloss hinaufholperte.

- xoxox -

Die Große Halle war nach den Auswirkungen des Krieges nicht wiederzuerkennen. Zugegeben, war sie es doch, da sie nun wieder so aussah, wie all die Jahre zuvor, doch für Hermine barg sie immer noch dasselbe Leid, denselben Schrecken, wie in jener Nacht.

Panik drohte, Hermine zu ersticken, als sie unsicheren Schrittes zum Gryffindortisch tappte, Fetzen aus ihrer Erinnerung blitzten vor ihrem geistigen Auge auf.

Fred, der blutüberströmt am Boden lag... Remus und Tonks, schneeweiß und eiskalt...

„Hermine!"

Eine Hand legte sich um ihren Arm und neben ihr tauchte Harrys lächelndes Gesicht auf, die grasgrünen Augen leuchteten wie Rettungsanker. Sie klammerte sich verzweifelt daran fest, der brennende Kloß in ihrer Kehle nahm ihr die Sprache.

„Hey, es ist alles in Ordnung", murmelte Harry bestürzt in ihr Ohr und hielt seine Freundin fest in den Armen.

„Ich weiß", flüsterte Hermine, als sie sich wieder gefangen hatte und ließ ihn etwas verlegen los.

„Es ist nur... all das hier wirkt so surreal."

Das Verständnis in Harrys Gesicht ließ ihre Augenwinkel erneut brennen, doch ein vernehmliches Räuspern ließ sie aufblicken.

„Ron!"

Der jüngste Weasleysohn trat breit grinsend vor und umarmte sie innig. Als er sich näher zu Hermine beugte, wurde ihr mit Schrecken klar, dass er vorhatte, sie zu küssen. In letzter Sekunde wurde sie von Professor McGonagall gerettet, die die Schüler um Aufmerksamkeit bat. Hastig rutschten die drei auf die Bank am Gryffindor-Tisch und während allmählich Ruhe einkehrte, bemühte sich Hermine, ihre Gedanken zu ordnen.

Wir haben uns während des Krieges geküsst. Ron denkt, wir sind ein Paar.

Nach Voldemorts Fall hatten sie sich nur noch ein paar Male gesehen, Ron wurde von seiner trauernden Familie gebraucht und hatte deshalb die Sommerferien im Fuchsbau verbracht. Seitdem hatte Hermine jeden Gedanken an das, was zwischen ihnen geschehen war, erfolgreich verdrängt, nicht bereit, sich damit auseinander zu setzen.

Ein Paar. Sind wir das?

Der Kuss war aus einem verrückten, verzweifelten Moment heraus entstanden und sie musste zugeben, dass er... nett gewesen war. Doch er hatte wenig mit ihren Vorstellungen von zittrigen Knien, flatternden Nerven und Schmetterlingen im Bauch gemein.

Frustriert, fuhr sie sich mit einer Hand durch die störrische Mähne und lenkte ihre Konzentration auf die schwarzhaarige Frau auf der Stirnseite der Halle.

„Willkommen", rief sie über die Köpfe der Menge hinweg, „zu einem weiteren Jahr in Hogwarts. Vieles hat sich verändert, seit wir hier gemeinsam das letzte Mal den Beginn eines neuen Schuljahres begangen haben, doch es wurde alles daran gesetzt, die Tore von Hogwarts wieder für jene zu öffnen, die begierig sind, zu lernen, sowie für jene, die hier ein Zuhause gefunden haben."

Hermine beobachtete die ältere Hexe, wie sie dort oben vor der versammelten Schülerschaft stand, ein Sinnbild von Eleganz und Ansehen. Während des Sommers war Hermine ihre Lehrerin für Verwandlung nur ein paar Mal begegnet und die strenge Hexe war stets zu beschäftigt gewesen, um für einen Plausch innezuhalten. Sie konnte sich nur ausmalen, welcher Belastung diese ausgesetzt gewesen sein musste, und dennoch, dort oben stand sie, ruhig und gefasst, die machtvolle Präsenz, die sie ausstrahlte, schien beinahe greifbar. Sie hatte ihre üblichen smaragdgrünen Roben gegen ein fließendes dunkelrotes Gewand mit Tartaneinsätzen an Ärmeln und Kragen getauscht, welches sich leuchtend gegen ihre helle Haut abhob und um ihre Taille von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. In ihrem rabenschwarzen Haar, das unüblicher Weise locker hochgesteckt war, glitzerte ein goldenes Schmuckstück und ohne ihre Lesebrille wirkte die Hexe in diesem Aufzug glatt zwanzig Jahre jünger. Kurz, sie sah atemberaubend aus. Hermine konnte nicht anders, als sie ehrfürchtig anzustarren und sich zu fragen, weshalb ihr dies nicht schon früher aufgefallen war.

Hoch erhobenen Hauptes ließ Professor McGonagall ihren durchdringenden Blick über die Gesichter in der Menge schweifen, ein kleines Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln.

„Daher freue ich mich ganz besonders über diejenigen, die sich entschlossen haben, das versäumte letzte Schuljahr nachzuholen und nach Hogwarts zurückzukehren", fuhr die Hexe fort und lenkte Hermines Aufmerksamkeit zurück zu ihrer Rede.

„Ich bin überzeugt, dass Sie trotz aller Widrigkeiten Ihre Zeit in Hogwarts gebührend zu Ende führen werden. Als Ihre neue Schulleiterin werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um dies zu gewährleisten."

Der Lärm, der daraufhin aufbrandete, gipfelte in donnerndem Beifall und Jubelrufen, überall standen Schüler und auch Lehrer auf, um zu applaudieren, sodass die ganze Halle unter dem tiefblauen Nachthimmel vibrierte. Alle Augen im Saal waren auf die Hexe am Rednerpult gerichtet, wilde Bewunderung und Respekt glühte auf den Gesichtern der Menge. Auch Harry, Ron und Hermine waren aufgesprungen, um der Hexe ihre Wertschätzung zu erweisen. Mit Tränen in den Augen sah Hermine zu, wie Professor McGonagall die Schultern straffte, ein Ausdruck gerührten Erstaunens auf dem Gesicht. Sie blickte in die leuchtenden Gesichter ihrer Schüler und Kollegen, verneigte sie sich kurz, aber anmutig, bevor sie zum Rand des Podests ging und den Sprechenden Hut aufnahm.

Das Festessen, das auf die Verteilungszeremonie folgte, verlief ruhig und friedlich, Hermine bemerkte erst, wie hungrig sie war, als die Tische unter der Last der Speisen ächzten.

„Was meint ihr", fragte Ron kauend durch einen Bissen Roastbeaf, „ob sie einen Lehrer für Verteidigung gefunden haben?"

Tatsächlich hatte sich Hermine bereits dieselbe Frage gestellt.

„Ich glaube, nach allem, was passiert ist, steht Hogwarts bei der Zaubererwelt noch höher im Kurs", mutmaßte sie stirnrunzelnd und stocherte nachdenklich in ihrem Nachtisch herum.

„Ein Job an der Schule, die den Dunklen Lord gestürzt hat, dürfte sehr begehrt sein."

„Außerdem ist die Stelle nicht länger verflucht!", warf Harry ein und schob Ron auf dessen hoffnungsvolle Blicke hin seinen Teller zu ihm. „Wer auch immer dieses Jahr antritt, hat die Chance, mehr als nur zwölf Monate hier zu überleben."

Die drei verstummten und ließen diese Feststellung erst einmal einsinken. Als Professor McGonagall abermals vortrat, warteten sie gespannt. Sie erläuterte den Neulingen das allgemeine Regelwerk, wies sie darauf hin, dass Zaubern auf den Korridoren verboten sei, und ging schließlich zu den Neuerungen im Lehrkörper über. Ihre alte Stelle für Verwandlung wurde dieses Jahr von einem pferdegesichtigen Zauberer mit Ziegenbart, Professor Willoughby, besetzt. Als die Schulleiterin fortfuhr, richteten sich Harry, Ron und Hermine gespannt auf.

„Ich darf Ihnen mit Freude Ihre neue Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste vorstellen, Professor Thomasina Rycroft."

Hälse wurden gereckt, als unter allgemeinem Applaus eine Hexe neben Professor Flittwick aufstand und lächelnd winkte. Sie hatte zwischen Hagrid und Professor Sinistra gesessen, weshalb sie von den meisten Schülern zunächst schlicht übersehen worden war. Sie trug ein schlichtes, sandfarbenes Gewand mit Aufnähern an den Ellbogen und wirkte recht jung, was jedoch bei Hexen und Zauberern immer schwer einzuschätzen war – jedenfalls jünger als die Professoren Sprout und McGonagall, vermutete Hermine –, besaß kurzes, blondes Haar und stechend blaue Augen.

Als die Schulleiterin verkündete, dass es ab diesem Jahr einen Kurs zur Ausbildung von Animagi in Hogwarts geben würde, erhob sich angeregtes Getuschel. Auch Hermine war begeistert von dieser Idee und da sie durch ihren entzerrten Stundenplan ein wenig mehr Zeit hatte, nahm sie sich vor, sich für den Kurs einzuschreiben.

„Ich hoffe inständig, dass diese Rycroft härter durchgreift, als sie aussieht. Immerhin soll sie uns auf unsere UTZ-Prüfungen vorbereiten", seufzte sie später, als sie nach dem Festessen Neville und die anderen Vertrauensschüler begleiteten, die die Erstklässler zum Gryffindorturm eskortierten. Ron schnaubte belustigt und Harry, der neben ihr her schlenderte, verdrehte nur die Augen.

„Man könnte fast meinen, du machst dir Sorgen um deinen Abschluss, Hermine", neckte Ron die junge Frau und tätschelte ihr mit gespieltem Entsetzen den Arm.

„Nie und nimmer", grinste Harry, als sie das Portrait der Fetten Dame im siebten Stock erreichten und das neue Passwort – Favor Horae** – nannten.

„Hermine hat den ganzen Sommer über bereits alle Schulbücher für die UTZ-Prüfungen gelesen. Ganz zu schweigen von den O's, die sie bereits in der Tasche hat..."

Nun war es an Ron, die Augen zu verdrehen, als sie im knisternden Schein des Kaminfeuers im Gemeinschaftsraum anhielten.

„Wie konnte ich nur an ihr zweifeln."

Bevor er sich zu Hermine lehnen und ihr einen Kuss auf die Wange drücken konnte, hatte sich diese auch schon eilig Richtung Schlafsäle verabschiedet.

Um diese Angelegenheit würde sie sich früher oder später noch kümmern müssen...

- xoxox -

A/N:
*
cailleach: gälisch für "alte Dame", "alte Frau"
**
Favor Horae: lateinisch für "die Gunst der Stunde"