Kapitel 1: Freut mich nicht, dich kennen gelernt zu haben
„So ein Mist! Jetzt habe ich auch noch den Knauf meines Schwertes an den Kopf bekommen, na ja, immer noch besser als die andere Seite der Waffe. Ich hasse Portalreisen wirklich. Nein, die Tasche kann auch nicht in meiner Hand bleiben, sie muss natürlich im Ast eines Baumes landen", dachte ich bei mir während ich mir meinen schmerzenden Kopf hielt.
Ich sammelte meine Sachen wieder ein, während ich noch immer dem Baum neben mir meine Meinung zu Portalreisen mitteilte. Zum Glück sah mich niemand. Wenigstens schien mich das Portal an der richtigen Stelle abgesetzt zu haben. In Düsterwald, Mittelerde, wo ich schon immer mal hin wollte, seit ich als Kind einen Portalreisenden davon erzählen gehört habe. Mittelerde - welcher Idiot hat sich eigentlich diesen Namen ausgedacht; mehr unkreativ kann man kaum noch werden. Dieser Geschichtenerzähler meinte immer, dass der Düsterwald ein gefährlicher Platz sei. Also genau richtig. Da wird einem wenigstens nicht langweilig. Orks hörten sich ganz interessant an.
Ich war so in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich
nicht bemerkt hatte, dass mehrere Pfeile auf mein Gesicht zeigten.
Hätte das meine Kampflehrerin gesehen, hätte sie mir
wahrscheinlich noch ein paar Trainingsstunden mehr aufgebrummt.
Einer
der Elben, ich nahm an, dass es welche waren, weil sie, obwohl sie
männlich waren, etwas Mädchenhaftes an sich hatten, fragte:
„Was macht Ihr hier im Düsterwald?"
Gut, wenigstens hatte
ich jetzt schon mal die offizielle Bestätigung, dass ich
war, wo ich dachte, wo ich mich befand. „Ich stehe hier",
antwortete ich dem Elben. Das schien nicht ganz das zu sein, was der
Elb erwartet hatte. Aber dumme Frage, dumme Antwort. Außerdem
war es ja wohl meine Sache, was ich machte und was nicht.
„Eine
Dame sollte nicht alleine in so einer gefährlichen Gegend sein.
Lasst Euch von uns zum Palast bringen, " sagte der Elb schließlich
nach einer kleinen Pause.
Das reichte. Als ob ich so aussehen
würde, dass ich bei jedem Windhauch umfallen würde. Mit
Männern ist es doch immer das Gleiche. Was für ein Idiot.
„Wenn ihr diese Zahnstocher nicht sofort von meinem Gesicht
entfernt, dann könnt ihr was erleben!" knurrte ich zurück,
während ich meine Hände auf mein Schwert legte.
Der Elb
von eben, der so etwas wie der Anführer zu sein schien, sagte,
nun etwas genervt: „Es sind Pfeile. Wenn Ihr meine Fragen
beantwortet, dann nehmen wir die Pfeile vielleicht runter." „Also
das letzte, wofür ich sie gehalten hätte, wären Pfeile
gewesen", antwortete ich sarkastisch, „was ich mache ist übrigens
meine Sache."
Nun schaltete sich ein anderer Elb ein und
sagte zu dem Anführer: „Eure Hoheit, vielleicht sollten wir
sie doch lieber mitnehmen und den König darüber entscheiden
lassen. Sie könnte doch auch ein Spion sein. Auf jeden Fall
sieht sie so aus." Ich sah an mir herunter. Zugegeben, ich hatte
eine blauschwarze Hose und Bluse an, die bevorzugte Farbe von
diesen...wie hießen sie noch mal, ach ja Nazgul und anderen
Bösewichten. Gut das ich den Portalreisenden aus Mittelerde
durchgelöchert hatte.
„Ich arbeite grundsätzlich für
niemanden und schon gar nicht mit Leuten, die die Weltherrschaft an
sich reißen wollen", gab ich dem Elbentrupp als Antwort und
hoffte, sie dadurch endlich los zu sein. Aber dieser Elb, der mit
Eure Hoheit angeredet wurde, schien einfach nicht zu wissen, wann
Schluss war: „Dann kommt trotzdem mit uns, für eine Dame ist
es hier alleine zu gefährlich."
Das reichte nun wirklich.
„Denkt Ihr, ich trage dieses Schwert nur zum Spaß mit mir
rum? Ich habe eine Kampfausbildung erhalten und kann mit Waffen
umgehen, " antwortete ich nun wirklich wütend. Das stimmte
zwar nicht ganz, im Bogenschießen war ich nämlich eine
totale Niete, aber das brauchte dieser Idiot ja nicht zu wissen.
„Außerdem muss ich mir von niemanden sagen lassen, was ich
machen muss", setzte ich noch hinzu.
Jetzt redete wieder
dieser 'Eure Hoheit' Elb: „So könnt Ihr nicht mit mir, dem
Prinzen von Düsterwald sprechen!" Aha, wusste ich es doch.
Adel Arrogante Schnösel. "Und wenn ihr der König von
ganz Mittelerde wärt, würde ich nichts anderes sagen.
Außerdem ist es ziemlich unhöflich sich nicht einmal
vorzustellen, " gab ich zurück.
„Mein Name ist Legolas
Grünblatt, ich bin der Prinz von Düsterwald. Begleitet Ihr
uns jetzt, meine Dame?" fragte der Prinz leicht genervt. Er sein
auch eine Antwort haben zu wollen. Sollte er sie meinetwegen haben:
„Mein Name ist Domino, ich bin meine eigene Königin."
Stille.
„Aber
Domino ist doch ein ungewöhnlicher Name für eine Elbin ",
sagte schließlich einer der Elben, „ihr habt aber spitze
Ohren." Was für ein schlaues Kerlchen. Er kannte sogar seine
eigene Sprache. „Das kann daher kommen, dass ich keine Elbin von
hier bin", antwortete ich. „Aber ihr seht doch gar nicht so aus,
bis auf die Ohren. Bronzefarbene Haut schon gar nicht, " sagte der
Prinz. „Ich würde mal die Möglichkeit in Betracht ziehen,
dass es auch in Gegenden, wo es etwas wärmer ist, Elben gibt.
Das hat etwas mit der Sonneneinstrahlung und den Pigmenten in der
Haut zu tun," meinte ich trocken.
Jetzt schienen die Elben
schon etwas freundlicher. „Würdet ihr uns zum Schloss
begleiten?"
„Welchen Teil des Wortes nein versteht Ihr
eigentlich nicht? Oder wollt ihr es schriftlich?" fuhr ich diesen
Prinzen-Elb an. „Es ist aber Gesetz meines Vaters, dass alle
Fremden vor ihn geführt werden müssen", sagte er
schließlich. Er schien es nicht gewohnt zu sein, dass Leute so
respektlos mit ihm redeten.
Ich seufzte. Anscheinend würde
man mich nicht in Ruhe lassen, bevor der König mich eingehend
befragt hatte. „Also gut, komm ich halt mit", sagte ich, hoffend,
dass der König freundlicher war als sein Sohn. Dann fügte
ich noch ein 'Leggy' hinzu. Wenn ich schon irgendwo hingeschleppt
wurde, dann wollte ich wenigstens meinen Spaß haben.
Die
Elbentruppe sah mich entsetzt an, während 'Leggy' rot vor
Wut geworden war. Vielleicht war der Abstecher ins Schloss doch nicht
so schlimm. Dafür, dass der Prinz das mit dem Kontrollieren der
Durchreisenden etwas zu ernst genommen hatte, hat er sich selbst zum
Opfer meiner Streiche ernannt. Das wird ein Spaß.
Das wurde
es auch.
Wir setzten uns in Bewegung. Leggy sah immer noch so
aus, als ob er vor Wut gleich platzen würde. Nach ungefähr
20 Minuten wurde langsam etwas langweilig. Eigentlich hätte ich
ja jetzt mal erwartet, auf einen Ork oder eine Spinne zu treffen.
Aber nein! Nichts. Da hört man nur, dass es in Düsterwald
von finsteren Gestalten nur so wimmelt und dann stellt sich heraus,
dass es hier so ruhig wie im eigenen Garten ist. Von nervenden Elben
mal abgesehen.
Heute ist wahrscheinlich einfach nicht mein Tag. Um
mich etwas aufzuheitern formte ich Legolas Namen lieber in lustigere
um. Ich habe es auf Leggy, Lego, Legsie und Leggins gebracht. Mal
sehen, vielleicht fällt mir später noch mehr ein. Idiot,
dämlicher Schnösel und Prinzi sind auch noch ganz passend.
Blondie vielleicht auch noch.
Der Waldelbentrupp hatte auch noch
immer seine Bögen griffbereit. Ha, als ob ich so aussehen würde,
als ob ich unvermittelt ein Blutbad unter ihnen anrichten würde.
Ich hatte ja gehört, dass die Waldelben sehr wachsam sind, was
Fremde betrifft, aber das hier grenzte fast schon an paranoides
Verhalten. Nun wurde es langsam wirklich richtig langweilig –
sterbenslangweilig, um es genauer zu sagen. Alle schwiegen sich an
und ich beschloss, bevor ich im Gehen einschlafen würde oder
bevor ich aus purer Verzweiflung anfing, Baume zu zählen, den
Prinzen lieber noch etwas zu ärgern.
„Hey Prinzi, gibt
es hier irgendwann auch noch mal ein paar Orks oder so? Dafür,
dass dieser Wald Düsterwald heißt, ist es hier ziemlich
ruhig." Dafür, dass ich ihn Prinzi genannt hatte, verhielt er
sich noch immer ziemlich höflich. Er hatte sich wirklich gut im
Griff – das muss man ihm lassen: „Warum wollt Ihr denn unbedingt
Orks sehen, meine Dame, seid doch froh, dass Euch erspart bleibt sie
zu sehen." Es klang nun doch etwas beherrscht. Ich glaube, ich muss
noch schwerere Geschütze auffahren. Schon gerade weil er
angedeutet hatte, ich würde schreiend wegrennen, wenn ein Ork
auf mich zukäme. Als ob ich auch so aussehen würde. „Ich
kann mir vorstellen, dass Orks um einiges angenehmer zu ertragen
sind, als einige Anwesenden hier. Und wenn ihr mich noch einmal
'meine Dame' nennt, dann fehlt Euch was Wichtiges und damit meine
ich nicht Euren Kopf, E u r e H o h e i t, " antwortete ich,
wobei ich Eure Hoheit übertrieben betonte.
Jetzt konnte man
schon sehen, dass er vor Wut innerlich kochte. Aber er beherrschte
sich immer noch erstaunlich gut. Allerdings schien er seine
Höflichkeit links liegengelassen zu haben, denn er sagte in
einem schon fast beleidigenden Ton: „ Das wird mir nicht schwer
fallen. Du siehst auch eher wie ein männlicher Elb aus."
„Wenigstens sieht einer von uns wie einer aus", antwortete ich
schlagfertig. Ich hätte schwören können, dass jetzt
Dampfwolken aus seinen Ohren kamen. Mit einem knurrenden Geräusch
konzentrierte er sich wieder auf den Weg und beachtete mich nicht
mehr. Vielleicht war der Tag heute doch nicht so schlecht.
Die
restlichen Soldaten waren entweder geschockt mit meinem
zugegebenermaßen respektlosen Umgang mit ihrem Prinzen, oder
sie versuchten ihr Grinsen unter Kontrolle zu kriegen. Ein Vertreter
der letzten Gruppe schloss schließlich zu mir auf: „So lustig
das auch war, solltet Ihr Euch aber in der Öffentlichkeit nicht
so respektlos gegenüber Adeligen benehmen, mei...äh." Er
hielt inne, 'meine Dame' zu sagen, als er meinen drohenden Blick
wahrnahm. „Mein Name ist Domino und so würde ich auch gerne
angeredet werden", erinnerte ich den Elben. „Gut, Domino dann, "
fuhr mein Gesprächspartner fort, „ich kann mir gut vorstellen,
dass du es nicht toll gefunden hast, wenn er dich wie eine hilflose
Dame bezeichnet hat. Aber eigentlich ist Prinz Legolas ganz in
Ordnung. Er ist es halt nur gewohnt von mehr oder weniger hilflosen
Hofdamen umgeben zu sein."
„Vielleicht hast du recht", gab
ich zu, „aber so lange er sich so verhält, werde ich ihn auch
noch ärgern." Der Elb neben mir nickte mehr oder weniger
zustimmend. „Eigentlich ist es auch ganz lustig", sagte er nach
einer Weile grinsend „sonst himmeln ihn die Frauen an. Ist mal eine
nette Abwechslung, finde ich." Ja, damit konnte der Elb rechthaben.
Lego sah schon ziemlich gut aus. Aber an seinem Verhalten musste er
noch etwas arbeiten. Er hätte mich ja auch einfach gehen lassen
können, nachdem er wusste, was ich im Düsterwald wollte.
Dann wäre ich sicherlich auch mal freiwillig zum Palast
gekommen. Meine schlechte Laune stammte wohl auch daher, dass ich
gezwungen wurde irgendwo hinzugehen.
„Mein Name ist übrigens Gildeon", stellte sich der Elb neben mir vor, während er mir seine Hand reichte. Ich schüttelte diese und sagte: „Freut mich." Gildeon sah mich leicht verwundert an: „Wieso bist du denn jetzt auf einmal so verhältnismäßig höflich? Mit Prinz Legolas war es eben doch noch ganz anders." „Elben die mich höflich behandeln, behandle ich grundsätzlich auch freundlich, es sei denn, ich hab total schlechte Laune." Der Elb lachte und meinte: „Ich will wirklich nicht wissen, was sehr schlecht bei dir heißt." Dann machte er ein gespielt enttäuschtes Gesicht: „Schade, ich dachte, ich würde jetzt auch einen fiesen Spitznamen bekommen." „Na ja, " „meinte ich, „dass kann daran liegen, dass man mit Gildeon nicht wirklich etwas fieses anstellen kann, da kannst du deinen Eltern dankbar sein."
Mit Gildeon konnte man wirklich gut reden. Anders als
mit einem anderen bestimmten Elben, der übrigens immer noch
beleidigte Leberwurst zu spielen schien. Wir unterhielten uns über
dies und das und schließlich kamen wir auch auf das Thema
Bogenschießen, was ja bei Elben eigentlich nicht verwunderlich
ist. „Kannst du auch mit einem Bogen umgehen?" fragte Gildeon
neugierig. „Wenn ich Pfeil und Bogen in der Hand habe, ist der
einigste sichere Platz direkt hinter mir", antwortete ich, was
erneut ein Grinsen hervorrief.
„Unsinn", meinte Gildeon
schließlich, „jeder Elb hat ein Talent zum Bogenschießen."
„Ja, " antwortete ich trocken, „ich versuche es seit fast 2000
Jahre und um es mit den Worten meines Trainers auszudrücken:
Sogar ein Betrunkener kann es noch besser als ich. Ich bleibe lieber
bei meinem Schwert. Das reicht schon."
Durch das Gespräch
mit Gildeon, die anderen Elben hatten ungläubig gekuckt, wie
höflich ich war , denn ich hatte Gildeon gegenüber
schließlich keine sarkastische, abfällige Bemerkungen
gemacht, war die Zeit doch noch ziemlich schnell umgegangen und wir
standen am Eingang des Palastes.
Allen, den wir begegneten
verbeugten sich höflich vor Leggins und schauten mich neugierig
an. Ich hoffte, dass der König netter als sein Sohn war. Ich
hatte keine Probleme damit, nach einem Prinzen auch einen König
zu beleidigen, aber ich wollte nun wirklich nicht aus dem Düsterwald
rausgeworfen werden. Nicht bevor ich eine Spinne und einen Ork zu
Gesicht bekommen hätte. Im Inneren des Schlosses hingen viele
interessante Bilder, aber ich kam nicht dazu, sie mir anzusehen, denn
Legsie stampfte, soweit das für einen Elben möglich war,
immer noch wütend in einem schnellen Tempo voraus. Er hatte
wirklich ein ziemliches Tempo drauf. Der Elbentrupp war schon
verschwunden, nur Gildeon ging noch mit uns. Wahrscheinlich dachte
er, Leggy und ich würden uns gegenseitig an die Gurgel gehen,
wenn nicht jemand auf uns aufpassen würde. Wütend genug
dazu schien Prinzi auf jeden Fall zu sein.
Nach mehreren Minuten kamen wir zu einer Tür, die wahrscheinlich zum Thronsaal führte. Labyrinth hätte übrigens besser gepasst als Schloss. Legolas ging auf die Wachen zu und sprach mit ihnen. Währenddessen schien Gildeon mir noch ein paar Last- Minute- Tipps geben zu wollen: „Versuch bitte, dich mit deinen Bemerkungen etwas zurückzuhalten." „Ich kann es probieren, aber versucht der da das auch?" antwortete ich, während ich auf Lego zeigte. Gildeon seufzte nur und murmelte: „Euch ist nicht mehr zu helfen." Es war irgendwie nett, dass Gildeon versuchte, sich um mich zu kümmern. Mit ihm würde ich schon ganz gut auskommen, sollte ich hier noch länger bleiben müssen, können oder wollen. Leggy und Gildeon traten schließlich in den Thronsaal, während ich noch draußen warten musste. Wahrscheinlich wollten sie den König vorbereiten. So hatte ich wenigstens Zeit, einige von den Bildern zu betrachten.
Nach einer Weile kam Gil (war eigentlich ein guter Spitzname für ihn) wieder heraus, um mich abzuholen. Jetzt war ich mal gespannt. König Thranduil (ich würde mir wohl verkneifen müssen, ihn Thrandy zu nennen, das heißt solange er mich nicht nervte) saß auf seinem Thron und schaute mich interessiert an. Prinzi stand neben ihm, während Gildeon den Raum schon wieder verlassen hatte.
