Feuer und Blut.
Das Motto des Hauses Targaryen. Das Motto eines Eroberers. Das Motto eines Herrschers.
Alles, was Daenerys nicht war, nicht sein konnte, vielleicht auch nicht sein wollte. Sie war nur ein kleines, verängstigtes Mädchen, das zufällig violette Augen, silberblonde Haare und den Namen Targaryen vererbt bekommen hatte.
Sie verfluchte diesen Namen, dieses Vermächtnis, das er mit sich brachte: den Eisernen Thron.
Der Grund, warum ihr Bruder sie an einen barbarischen Pferde-Lord verkauft hatte.
Der Grund, warum ihr Vater, ihre Mutter, ihr Bruder, ihre ganze Familie tot war.
Und vielleicht auch der Grund, warum Viserys zu einem blutrünstigen Monster geworden war.
Warum sollte überhaupt sie, diejenige, die diesen Thron nicht begehrte, für ihn mit ihrem Schweiß, Blut, ja mit ihrem ganzen Leben bezahlen?
"Weil es unsere Heimat ist, unser angestammtes Recht.", würde ihr Bruder jetzt sagen, wäre er hier.
Kann man ein Land, das man kaum kennt, von dem man nur flüchtige, kaum greifbare Momente in Erinnerung hat, Heimat nennen?
Sicherlich war Westeros für ihren Vater seine Heimat, für ihre Mutter und auch für ihre Brüder, doch für sie war Westeros bloß ein Name, der ein Land bezeichnete, in dem sie einmal gelebt hatte. Zumindest tagsüber.
Nachts, wenn ihre Erinnerungen und ihre Vorstellungskraft lebendig wurden, mochte dieser Name, dieses Land zu einem großen, nebligen Schatten verschmelzen, in dem Daenerys die Gesichter der Mörder ihrer Familie erahnen konnte,ihre mit Verrat funkelnden Augen und ihre sich bewegenden Lippen, die ihr lächelnd einen Platz an der Seite ihres Vaters und Bruders versprachen.
Nein, Dany wollte nicht nach Westeros zurückkehren, doch sie wusste, dass es nicht ihr Wille war, der zählte, sondern der ihres Bruders, des falschen Bruders, wie sie manchmal dachte.
Und wenn sie einmal nun doch so töricht war und ihre Gedanken äußerte, so antwortete ihr Bruder:
„Hör auf so einen Unsinn zu reden oder willst du den Drachen wecken, willst du das?"
Daenerys hatte keine Angst davor, den Drachen zu wecken, denn was auch immer in Viserys´ Innerstem schlummerte, es war kein Drache, sondern nur etwas, das seine Wut, seinen Zorn, seinen ganzen Hass noch mehr anstachelte und schließlich in eine vom Verstand losgelöste Raserei verwandelte. Etwas, das keine Liebe mehr kannte, nur noch Hass, etwas, das nach allem ausschlug, egal ob Feind, Freund oder auch Schwester.
Aber trotz seiner Brutalität war Viserys nur ein schwacher Mensch, Feuer und Blut nur große Worte, und Westeros ein Traum, der einen Ozean, gar eine ganze Welt entfernt lag. Nur ein Drache konnte diesen Ozean überqueren und mit seinem Feuer den Weg zum Eisernen Thron freikämpfen und diesen frei gelegten Weg mit Blut säumen.
Rhaegar war vielleicht ein solcher Drache gewesen. Ihn hätte niemand Bettlerkönig genannt, stattdessen wären sie vor ihm auf ihren Knien zu Bettlern geworden. Aber Rhaegar war tot, sein Mörder lebendig. Und Daenerys war nur ein kleines, verängstigtes Mädchen, das zufällig violette Augen, silberblonde Haare und den Namen Targaryen vererbt bekommen hatte.
Aber wer sagt, dass kleine Mädchen nicht träumen können?
Kleine Mädchen können sich vieles erträumen:
Ein ganzes Reich vor ihnen, eine ganze Armee hinter ihnen, eine glückliche Familie bei ihnen, alle ihre Feinde tot unter ihnen und selbst große, geflügelte, allmächtige Drachen über ihnen. Und eine Krone auf ihrem Haupt.
Außerdem wusste Daenerys Sturmgeborene aus dem Haus Targaryen, Khaleesi und Gemahlin Khal Drogos, Schwester eines verrückten Bruders eines:
Manchmal konnten Träume, egal, wie klein sie auch erscheinen mochten, zur Realität werden.
Zu einer Realität aus Feuer und Blut.
