"Rodger, bitte..." Sie wrang ihre Hände und konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen über das Gesicht liefen. "Nein, es gibt kein Zurück, Petunia. Ich werde jetzt gehen. Kathy wartet auf mich am Bahnhof. Ich habe nicht viel Zeit. Es ist aus, Petunia. Good bye!"

Die Tür schlug zu und sie blieb allein zurück. Das Haus fühlte sich kalt an und der Regen, der draußen fiel, machte es nicht besser. Sie schluchzte jetzt hemmungslos und setzte sich auf die Treppe.

Dort hatten sie immer bei Gewitter gesessen. Vor unendlich langer Zeit. Bevor alles anders wurde.

Während sie sich noch fragte, wie denn alles weitergehen sollte, vor allem, wie sie das kommende Wochenende überstehen sollte, klingelte es an der Haustür.

Sie war viel zu gut erzogen, um es einfach zu überhören. Sie stand auf und schlurfte zur Tür. Sie öffnete und draußen stand der Mensch, den sie am allerwenigsten sehen wollte.

"Hello." sagte Severus Snape und schaute sie etwas seltsam an. Er war tropfnass, in der Einfahrt lehnte sein Fahrrad. "Lilly ist nicht da!" antwortete sie patzig. "Gut so. Ich habe noch ein paar Bücher von ihr, kannst du sie ihr wohl geben? Ich will sie gar nicht sehen. Und umgekehrt." Dieses Statement ließ sie einfach so stehen. Sie zog diskret die Nase hoch und nahm das Bündel in Empfang.

"Wieso siehst du aus wie ein Waschbär?" Diese Frage traf sie völlig unvorbereitet. Was wollte der Freak jetzt schon wieder? "Wa?" "Deine Augen, sie sind ganz schwarz verschmiert." Snape machte nicht einmal den Versuch zu lächeln, vielleicht war er tatsächlich nur neugierig.

"Das ist Mascara, du Neandertaler. Der verläuft bei Nässe. Tränen zum Beispiel. Mein Freund hat mich gerade verlassen." Sie wusste selbst nicht, warum sie das erzählte. Wahrscheinlich, weil sonst keiner da war.

"Hm. Der von der Armee? Mach' dir nix draus. Lieber ein Ende mit Schrecken..." Sie schaute ihn empört an und er verstummte mitten im Satz.

"Wie ist denn dein Liebesleben so, Snape?" fragte sie gehässig. Er zog die Schultern hoch. "Ich spiele keine Spiele, die ich nicht gewinnen kann, Petunia." Sie grinste.

"Du hast nicht zufällig - was zu - Rauchen dabei?" fragte sie schließlich. Er holte eine zerdrückte Packung Camel Filters aus seiner Jeansjacke. Er bot ihr eine an und zog eine für sich heraus. Sie setzten sich auf die Kellertreppe und rauchten schweigend.

"Man sieht dich kaum noch." stellte sie fest. "Hm." "Habt ihr euch gezankt?" "Hm." Sie schaute ihn an. Er wirkte plötzlich verkrampft. "Ist es wegen dem neuen Freund?" fragte sie neugierig. "Welcher Freund?" "Lillys. Der tolle Typ, sie kann keine drei Sätze sprechen, ohne ihn einmal zu erwähnen. Der Superkerl." Er schaute sie verwundert an. "Ich weiß von keinem. Ist der von hier?"

"Nein, aus der Freakschule. Du musst den kennen. Ich zeig dir nachher das Foto, es steht auf ihrem Nachttisch. Mit den Runen auf der Schwelle wirst du ja wohl fertig." "Yep."

"Du findest sicher jemand Neues. In deiner Kaufmannsschule. Sollte doch nicht das Problem sein." sagte er plötzlich. "Na, so einfach auch wieder nicht. Kommt ja nicht jeder in Frage. Er sollte schon einen guten Job in Aussicht haben."

Das schien ihm zu gefallen. "Ich fange übermorgen die Vorbereitungskurse für meine Lehre an." erzählte er. "Ich habe eine Stelle in Florenz, ganz berühmter Meister - ich muss nur die Prüfung ordentlich hinter mich bringen. Dann bin ich hier weg." Sie spürte förmlich, wie aufgeregt er war.

"Komm mit rauf." Sie ging voran bis zu Lillys Zimmer. Er beschaute sich die Runen und kicherte. "Die bedeuten gar nichts, sie hat dich nur verarscht." Dann schritt er ins Zimmer und blieb vor dem Nachttisch stehen.

Sie glaubte, das Foto sei verhext, denn er wurde kreidebleich und sah aus, als würde er jeden Moment umfallen. "Was ist?" fragte sie erschrocken. Er hielt sich an der Bettkante fest und sah auf die Fotografie. Immer wieder schüttelte er den Kopf.

Der junge Mann auf dem Foto war weder hübsch noch wirkte er auf Petunia besonders sympathisch. Aber das hatten diese Freaks wohl alle so an sich.

Severus fand seine Stimme wieder. "Das ist ein fieser, arroganter Affe. Aber stinkreich. Wie kann sie sich nur an so einen wegwerfen! Das klingt gar nicht nach ihr!" Seine Stimme war heiser geworden, beinahe tränenerstickt. Petunia zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Wo die Liebe hinfällt und wenn ein Haufen Geld dabei ist... Dieses Wochenende kommt er hierher. Bringt noch drei Freunde mit, sie wollen in unserem Garten zelten." Er schaute sie besorgt an. "Petunia, wenn du gescheit bist, dann bist du dieses Wochenende woanders. Bei einer Freundin oder wo auch immer. Die sind heimtückisch und deine Schwester wird dich kaum beschützen."

Ihre Ängste waren also nicht unbegründet. "Danke." sagte sie schlicht. "Jetzt ist es wohl passiert?" "Was?" "Weißt du, sie ist so. Ich will dich jetzt nicht unbedingt mit unserem Goldhamster vergleichen, aber..." "Aber?" "Lilly ist zuweilen etwas oberflächlich. Sie wollte in die Zauberwelt, da ist sie jetzt. Sie brauchte jemand, der ihr das alles erklärt, bis sie eigene Bekanntschaften geknüpft hat. Du bist für sie wie ein Omnibus, sie hat ihr Ziel erreicht, jetzt steigt sie aus. Und du fährst alleine weiter. Ist es so, Severus?".

Er schluckte. Sie sah ihn an und wartete. "So ähnlich." gab er schließlich zu. "Sie war mit einigem nicht einverstanden, sie mochte meine Freunde nicht und sie suchte wohl schon länger einen Grund... Den habe ich ihr geliefert. Sie möchte nicht mal mehr mit mir reden." Petunia lächelte. "Das hätte ich dir gleich sagen können. Aber auf mich hört ja keiner."

Unten ging die Tür. "Mein Vater." flüsterte Petunia.

"Dann geh' ich jetzt mal. Sag denen nicht, dass ich hier in der Nähe wohne. Gewohnt habe." ergänzte er mit einem zufriedenen Lächeln. "Freitag bin ich schon in Florenz." er seufzte. "Grüß' Lilly. Nein, grüß' sie nicht."

Damit rannte er die Treppe hinunter und verschwand aus Petunias Leben.