My grief lies in you

Kapitel 1

Dumbledore

Der Moment, in dem Dumbledore aus seinem Gedächtnis austrat, tat nicht mehr als gewöhnlich weh. Ein kurzer, stechender Schmerz - nichts Besonderes eben. Die Tatsache, dass er das mit ihm tat, behagte Snape jedoch keinesfalls.

„Interessant", murmelte der Alte in seinen Bart hinein. „Sehr interessant."

Snape presste seine Kiefer zusammen, ohne eine Mine auf seinem steinernen Gesicht zu verziehen. Es war schon entwürdigend genug, dass ihn der Schulleiter nach all der Zeit immer noch auf die Probe stellte. Diese einfältigen Bemerkungen dazu brachten ihn an den Rand seiner Contenance.

„Der Spiegel, Severus. Ich habe den Spiegel gesehen."

„In der Tat", knurrte er zurück. Seine Anspielungen waren noch nie nach seinem Geschmack gewesen. Und auch dann, wenn ihm von ihm keine unmittelbare Gefahr drohte, war die Sache, dass er so gut wie keine Geheimnisse vor ihm haben durfte, beunruhigend.

Der Schulleiter seufzte. „Aber etwas ist anders", fuhr er dann fort. Seine stechenden blauen Augen blitzten auf und er starrte Snape über den Rand seiner Brille hinweg an. „Willst du es mir nicht lieber selbst sagen?"

Snape fühlte eiskalte Wut in sich aufkeimen. „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Schulleiter", brachte er mit soviel Respekt hervor, wie er eben aufbringen konnte.

„Ist das so?", fragte er kühl.

Er beugte den Kopf zur Seite. „Das hat nichts mit meinen Aufgaben zu tun. Es ist rein privater Natur."

Ein Lächeln legte sich über Dumbledores faltiges Gesicht. „Ich wusste gar nicht, dass du neuerdings ein Privatleben hast", sagte er amüsiert.

Snapes Kiefer knackte. „Bei allem nötigen Respekt, Schulleiter, ich bin es Leid, meine Person zu Ihrem Vergnügen zur Schau zu stellen. Das geht Sie nichts an."

Die Stirn des Schulleiters kräuselte sich und er verschränkte erwartungsvoll die Hände vor dem Schoß ineinander, ehe ihm ein süffisantes „Tatsächlich?" entfuhr.

Snape schnaubte, ohne etwas darauf zu erwidern.

Langsam stand Dumbledore auf und begann, mit ausladenden Schritten durch das Büro zu schlendern. Snape hasste es, wenn er ihn warten ließ. Dumbledore hingegen genoss es.

Schlagartig blieb er stehen und funkelte ihn an. „Du bist ein guter Mann, Severus. Der Einzige, dem ich traue." Snape grunzte belustigt, doch der Alte fuhr unbehelligt fort. „Darf ich dich daran erinnern, dass unser Vertrauen auf Offenheit und Ehrlichkeit basiert? Uns stehen harte Zeiten bevor. Voldemort ist dabei, sich erneut zu erheben ..."

Was er nicht sagte! Wessen Körper und Geist war es denn, der ihm gegenübertreten musste? Und was die Sache mit dem Vertrauen anbelangte, hatte er seine ganz eigene Meinung über seinen Vorgesetzten.

Snape fühlte sich dazu versucht, mit den Augen zu rollen, unterließ es jedoch. Wenn er den Alten auf die Palme brachte, würde sich das Gespräch noch stundenlang hinziehen. Doch darauf konnte er verzichten.

„Du magst sie?", fragte Dumbledore völlig unerwartet.

Er versteifte sich und antwortete nicht. Er konnte es nicht.

Dumbledore räusperte sich. „Nun denn, ich kann dich schlecht dafür zur Rechenschaft ziehen. Miss Granger ist ein intelligentes Mädchen. Und ich vertraue dir, dass du deine Gefühle zu unserem Vorteil nutzt. Das hast du immer getan."

Er wollte brechen.

Wenn er nur wüsste! Wüsste, was aus ihr geworden war. Wüsste, was sie zu erdulden hatte. Und wüsste, wie weit er seine Grenzen überschritten hatte, bei dem Versuch, ihr zu helfen.

Snapes Blick verhärtete sich zusehends. Demonstrativ stand er auf und schwebte zum Fenster hinüber, wohingegen sich der Schulleiter auf seinen Platz zurücksetzte und ihn beobachtete.

„Wie du selbst sagtest, werde ich in einem Jahr vermutlich nicht einmal mehr am Leben sein", säuselte Dumbledore ruhig. „Daraus könnten sich Komplikationen ergeben."

Snapes schwarzen Augen blitzten alarmiert auf, er ballte die Hände zu Fäusten. „Was haben Sie vor, Schulleiter?" Irgendetwas stimmte hier nicht und das beunruhigte ihn.

Doch Dumbledore ging nicht näher darauf ein. „Wie alt ist sie?", fragte er stattdessen.

„Sechzehn." Er schluckte. „Warum kann ich nicht einmal etwas für mich haben, ohne dass Sie Ihre Hände im Spiel haben, Schulleiter? Es sind nur Gedanken, Erinnerungen ..."

Er sah ihn eindringlich an. „Ist das so? Eben jene Gedanken und Erinnerungen sind es, die du vor Tom zu verbergen hast. Mit Erfolg, wie ich in den letzten Jahren bezeugen konnte. Jedoch nicht vor mir, Severus." Seine Augen flackerten auf. „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, ehe ich dich aus deinem Dienst entlassen kann. Einen gefährlichen, ungewissen Weg."

Snape schüttelte verständnislos den Kopf und rang die Hände. Das Getue seines Mentors ging ihm gehörig auf die Nerven. „Ich – ich verstehe nicht ...", stammelte er bleich; bleicher als sonst.

„Du hast den Schwur geleistet, Severus. Ist dir bewusst, was das bedeutet?"

„Sehr zu Ihrem Vergnügen, wie ich sehe", antwortete er sichtlich geschwächt, geläutert durch seinen Meister.

„In der Tat", dröhnte Dumbledore unbeeindruckt. „Ich möchte, dass du etwas für mich tust."

Snape schluckte. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn.

„Du musst mich töten."