Grüne Augen
Severus eilte durch die Gänge von Hogwarts zurück zu seinem Klassenzimmer. Der Direktor hatte ihn kurz ins Büro geordert und Severus musste seinen Schüler während der Strafarbeit alleine lassen. Er hasste es, wenn sie unbeaufsichtigt waren. Ohne Aufsicht kommen sie leicht auf dumme Ideen. Vor allem diesen Schüler ließ er nicht gerne alleine. Wer weiß, was er alles in der Zwischenzeit angestellt hatte. Arroganter kleiner Bengel!
Als er den Gang zu seinem Klassenzimmer entlang schritt, war er erleichtern, dass die Tür noch in ihren Angeln hing und keine verdächtigen Gerüche aufstiegen. Vielleicht hat er sich ja mal daran gehalten zu tun, was man ihn aufgefordert hatte.
Severus überlegte, ob er besser in den Raum hinein platzen, oder lieber leise auftauchen sollte, um den Schüler bei eventuellen Missetaten zu überraschen. Er entschloss sich für die leise Variante und öffnete schließlich die Klassentür. Die Klasse war noch ganz. Alle Behälter und Bücher an ihrem Platz.
Sogar der Bengel war noch auf seinem Platz. Jedoch ruhte sein Kopf auf dessen Armen auf der Tischplatte. Er schlief, wie Severus schnell erkannte. Dieser verdammte Bengel glaubte tatsächlich, dass er so einfach einschlafen konnte?
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Harry schreckte auf. Er wollte nicht einschlafen, bloß seine schweren Augenlieder etwas ausruhen, bis der Professor wieder kam. Nun sah er sich verschlafen um, doch bemerkte er sofort den schwarzen Schatten im Augenwinkel. „Professor!" rief Harr erschrocken.
„Denkst du, du kannst durch deine Strafarbeit schlafen?"
„Nein, Sir" stammelte der Junge.
Doch Severus fuhr fort: „Nur weil ich nicht anwesend bin, heißt das nicht, dass du alles liegen und stehen lassen kannst!"
Harry sah Professor Snape groß an, „A... aber Sir,... ich bin fertig!"
Severus verstummte für einen kurzen Moment. „Fertig?" wiederholte er schließlich und sah erst jetzt, dass kein einziger Kessel mehr neben dem Jungen stand. „Wo sind die Kesseln?"
Harry blickte zu dem Regal auf dem er die Kesseln verstaut hatte. „Es war leer, ich dachte, sie gehören vielleicht dahin!"
Severus zog eine Augenbraue hoch und ging dann zu besagtem Regal, um sich die Kesseln an zu sehen. Alle waren blitzblank und glänzten, als wenn sie neu wären. Nicht einmal ein Fingerabdruck war zu sehen. Somit war für Severus alles klar und seine Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. Mit einem mörderischen Blick, sah er den Jungen an.
„Denkst du, du kannst mich für dumm verkaufen?" fragte der Professor gefährlich leise.
Harry erschauderte. Er hatte keine Ahnung, was er angestellt haben sollte und er hielt den Professor für vieles, aber ganz sicher nicht für dumm.
„Ich... ich... verstehe nicht, Sir" stammelte er.
Severus baute sich zu seiner vollen Größe auf „Wenn ich sage ‚ohne Magie' dann meine ich auch ohne Magie!"
Harry schüttelte den Kopf, „Ich habe keine Magie angewendet!" verteidigte er sich.
„Lüg. Mich. Nicht. An!" zischte Severus und Harry schrumpfte einige Zentimeter zusammen.
Doch der Junge schüttelte immer noch heftig den Kopf. Tränen stiegen ihm in die Augen. „Sir, ich-" fing er an, doch Severus unterbrach ihn.
„Wie erklärst du dir, dass kein einziger Fingerabdruck drauf ist?"
„Ein Fingerabdruck ist ein Zeichen, dass man schlampig ist. Das sagt meine Tante immer. Sie hasst es, wenn ich Abdrücke hinterlasse. Ich habe die Kesseln mit dem Tuch raufgestellt!" erzählte Harry mit zittriger Stimme und zeigte auf den Sessel, der in der Nähe des Regals stand und auf dessen Lehne noch das Poliertuch hing.
„Ich wusste nicht, wo das Tuch hingehört!" entschuldigte sich Harry dafür, dass es noch hier herum hing.
Severus wusste nicht, was er glauben sollte. Wer bitte konnte innerhalb einer halben Stunde zwölf stark verklebte Kesseln reinigen und auf Hochglanz polieren? Und wieso sollte ausgerechnet dieser verwöhnte, arrogante Bengel so etwas können? Wie oft hat er wohl schon wirklich etwas reinigen müssen?
Es gab nur einen Weg festzustellen, ob der Junge Magie angewandt hatte oder nicht. Mit wenigen Schritte stand Severus vor den kleinen Jungen und forderte, „Potter! Gib mir deinen Zauberstab!"
Harry sah erschrocken auf. Wollte der Professor etwa seinen Zauberstab jetzt konfiszieren? Harry konnte nicht wirklich mit dem Ding umgehen, aber er fühlte sich besser, stärker wenn er ihn bei sich hatte und er wollte dem gemeinen Professor nicht wirklich seinen Zauberstab überlassen. Doch es blieb ihm nicht viel anderes übrig, denn Professor Snape hielt ihm seine Hand entgegen und wartete.
Harry schluckte und holte den Stab aus seiner Halterung, hielt ihn aber in seinen Händen und sah verzweifelt zu dem Professor auf „Sir, Bitte. Sie müssen mir glauben. Ich hab-"
„Potter, Gib ihn mir!" unterbrach Severus. Er wollte sich kein Gejammer von irgendwelchen schuldbewussten Schülern anhören. Und Harrys nervöse Verhalten ließ ihn vermuten, dass er Recht hatte, und den Jungen bald enttarnen würde.
Mit einer schnellen Bewegung schnappte sich Severus den Zauberstab, hielt ihn vor sich her und schnippte dann kurz damit. Es waren keine Worte zu hören, aber plötzlich stoben goldene Funken aus der Zauberstabspitze.
Harry sah sie ein wenige fasziniert an. Es waren die selben Funken, die er bei Mr. Ollivander gesehen hatte, als er den Zauberstab zum ersten mal in die Hand genommen hatte. Doch, so schön und faszinieren sie auch waren, es war das einzige, was er bisher seinem Zauberstab entlocken konnte. Er spürte zwar die Magie durchs Holz. Er spürte wie die Magie in seinem Körper sich in seiner Hand konzentrierte, wenn er den Zauberstab in die Hand hielt. Aber er wusste nicht, wie er damit zaubern konnte. Er kannte keinen einzigen Zauberspruch.
„Hast du damit schon mal gezaubert?" fragte Severus nun etwas verwirrt und holte damit Harry aus seinen Gedanken.
„Nein, Sir!" sagte Harry und flüstern fügte er hinzu, „Ich weiß nicht wie!" Er schämte sich so sehr. Er war wahrscheinlich der einzige Zauberer in dieser Schule, der noch nie in seinen Leben gezaubert hatte. Von den komischen Sachen, die in seiner Kindheit passiert waren, einmal abgesehen.
Severus sah den Jungen schweigend an und als Harry den Kopf hob und ihm in die Augen sah, da wusste Severus plötzlich, dass Harry die Wahrheit sprach. Es war ein befremdender Gedanke, dass der berühmteste Zaubererjunge der Welt nicht einen einzigen Zauber beherrschte.
Severus gab Harry den Zauberstab zurück. Die Augen des Jungen begannen zu leuchten. „Ich bekomme ihn wieder?" fragte er erstaunt.
„Mit dem Zauberstab wurde nicht gezaubert, wenn du also nicht noch einen zweiten irgendwo im Ärmel versteckt hast, dann hast du die Wahrheit gesprochen. Warum sollte ich dir den Zauberstab nicht wieder zurück geben?"
Harry lief rot an und sah dann wieder zu Boden.
„Danke, Sir!" wisperte er.
Danach wurde es lange still. Severus blickte wieder zu den glänzenden Kesseln. Wie hatte Potter das gemacht? So schnell und so professionell? Hatte er den Jungen etwa falsch eingeschätzt? Haben ihn seine Muggel-Verwandten doch nicht so verwöhnt, wie er dachte?
„Sir?" Harrys Stimme war nur ein leises Flüstern.
„Potter?" der Professor sah wieder zu den Jungen.
„Wie konnten Sie feststellen, ob ich gezaubert habe, oder nicht?"
„Priori Incartatem! Er zeigt alle Sprüche, Flüche und Zauber an, die der Zauberstab durchgeführt hatte, unabhängig davon, wer der Träger des Zauberstabs war. Priori Incartatem erzählt die Geschichte eines Zauberstabs. Und deiner hat noch nicht viel zu sagen, außer, dass er über den Ladentisch gereicht wurde und seinen Besitzer gefunden hat!"
Severus wusste nicht, warum er das erzählte. Doch Harry sah ihn neugierig und wissbegierig an. Die grünen Augen blickten so unschuldig und rein, dass es Severus beinahe schon weh tat. Dieser Junge hatte die selben Augen wie Lily.
„Können Sie ihn mir vielleicht beibringen?" fragte Harry kleinlaut und hoffnungsvoll bohrten sich die grünen Augen tiefer in die schwarzen von Severus.
Severus war es nicht gewöhnt, dass ein Schüler den Nerv hatte ihn derartig anzusehen. Und er wusste auch nicht, ob er es mochte. Dieser Blick ging ihm unter die Haut. Außerdem, für was sollte Potter den Spruch jemals brauchen?
„Nein!" sagte er daher kurz angebunden und das Leuchten in Harrys Augen verschwand. Der Junge nickte und packte seinen Zauberstab zurück in seine Tasche.
Severus seufzte. Er wusste, dass es dem Jungen gar nicht darum ging, ausgerechnet diesen Spruch zu lernen. Er wollte nur irgendeinen Spruch können und absurder Weise konnte Severus dem Jungen nachfühlen. Und so ertappt er sich dabei, wie er sagte, „Priori Incartatem gehört zu den höheren magischen Zaubern. Wenn du willst kann ich dir etwas Einfacheres zeigen!"
‚Ich glaube ich muss unter einem Fluch stehen, oder so was. Wie kommt es, dass ich dem Bengel das anbiete?' wunderte sich Professor Snape.
Harry sah nun wieder neugierig auf.
Severus schnippte mit dem Zauberstab und die Fackeln an den Wänden erloschen. Es wurde stockfinster im Raum. So finster, dass man nicht einmal mehr die Hand vor den Augen sehen konnte. Der Zauber kam immer gut bei seinen Slytherins an.
Und tatsächlich hörte er Harry überrascht nach Luft schnappen.
Doch dann kam ein gehauchtes ‚Nein' dicht gefolgt von einen Rumps, einem Krach und einen dumpfen Aufschlag.
Schnell ließ Severus das Licht wieder zurück in den Raum strömen. Ein Sessel war um gekippt und mit ihm der Potter Junge. Ein wenig verwirrt kam Severus näher und sah Harry auf seinen Rücken liegen. Die Beine in der Höhe und einen panischen Ausdruck im Gesicht.
Harry versuchte aufzustehen, aber mit den Beinen auf dem Sessel in der Luft, war das nicht so einfach.
Severus reichte dem Jungen die Hand und half ihm hoch. „Was war das denn?" fragte er.
Harry blickte vor Scham zu Boden. „Ich mag die Dunkelheit nicht" wisperte er kaum hörbar.
„Es tut mir Leid, ich hatte nicht vor, dich zu erschrecken!" entschuldigte sich Severus. Doch innerlich schalte er sich dafür. Wieso entschuldigte er sich jetzt auch noch. Sollte er nicht eher über Potters Panik herziehen und den Jungen demütigen? So wie es James immer mit ihm gemacht hatte. War das nicht der Hauptgrund dieser Strafarbeit? Harry zu entmutigen und kleinlaut zu machen?
Aber Harry war so anderes, als Severus es sich erwartet hatte. Er war nicht arrogant. Er war eher das Gegenteil. Ihm mangelte es an Selbstbewusstsein. Er war schon demütig, da gab es nichts mehr, was man demütigen müsste.
Die Stille breitete sich im Raum aus und Harry sah vorsichtig wieder auf. Er hatte auf den Spott gewartet, auf amüsierte Kommentare, aber es kam nichts und Harry wunderte sich. Es war doch idiotisch Angst im Dunklen zu haben. Er war immerhin schon Elf und keine Fünf mehr.
„Na schön!" sagte Severus schließlich. „Ich denke, für heute ist Schluss. Ich werde dich zum Gryffindor-Turm hoch begleiten. Wenn du so müde bist, dass du während der Strafarbeit einschläfst, dann sollte ich wohl sicher gehen, dass du es bis zu deinem Gemeinschaftsraum schaffst."
Harry glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Er hätte gerne protestiert und gemeint, dass er durch aus im Stande war, nicht am Weg zum Gemeinschaftsraums einzuschlafen. Aber er bekam eben eine Begleitung angeboten. Und Harry konnte sich gut vorstellen, wie dunkel die Gänge in Hogwarts bei Nacht sein würden. Also nickte er schließlich.
Severus ging zur Tür und hielt sie den Jungen auf. Er konnte sich nicht erklären, warum er das machte, aber er wollte Harry nicht alleine durch die dunklen Gänge spazieren lassen, wenn dieser dabei Angst hatte.
Schweigend gingen die beiden neben einander her. Harry hatte Mühe mit dem großen ausfallenden Schritt seines Professors mitzuhalten, aber er beklagte sich auch nicht. Als Severus bemerkte, dass er zu schnell für den Jungen war, wurde er ein wenig langsamer.
Dieser Potter Junge war schon eigenartig, gestand sich Severus ein. Er sah vielleicht wie James aus, aber er war nicht James. Er mochte vielleicht die Augen von Lily haben, aber er war auch nicht Lily. Er war einfach anderes.
„Professor?" Harrys Stimme holte Severus wieder aus den Gedanken.
„Ja?"
„Wieso denken die meisten hier, dass ich etwas Besonderes sei?"
Die Frage überraschte Severus und er wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
Daher sprach Harry weiter, „Alle reden hinter meinen Rücken. Sie zeigen mit dem Finger auf mich. Sie denken, ich hätte etwas Großartiges getan. Aber ich wüsste nicht was, denn ich habe überhaupt nichts Großartiges getan, noch nie. Ich habe einen Angriff überlebt, das war alles. Darauf hatte ich überhaupt keinen Einfluss. Es ist passiert. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern. Ich fürchte, ich werde den ganzen Erwartungen, die alle in mich setzten nicht erfüllen können. Ich bin doch... bloß Harry. Alle denken, ich wäre ein großer Zauberer, aber ich kann keinen einzigen Spruch. Denken Sie, es handelt sich um eine Verwechslung?"
Severus war abrupt stehen geblieben. Das spärliche Mondlicht schien beim Fenster herein und direkt auf Harrys Gesicht. Große grüne Augen sahen zu ihm hoch. Und über den Augen auf der Stirn prangte Harrys Narbe.
„Es ist keine Verwechslung. Nur die Idiotie der Menschheit. Menschen neigen dazu irgendjemanden dafür verantwortlich zu machen, wenn etwas Weltbewegendes geschehen ist. Die Menschen können nicht akzeptieren, dass manche Dinge, gut oder böse, einfach passieren. Sie suchen sich Idole und Sündenböcke, wo es nur geht. Der Mord deiner Eltern ist in die Geschichte eingegangen, weil du überlebt hast und damit ein langer Krieg beendet wurde. Du bist der einzige, auf dem der Todesfluch je abgeprallt ist und daher denken die Menschen, dass du besonderer Kräfte besitzt. Ihnen ist es egal, ob du ein Baby warst, oder nicht. Ob du dir bewusst bist, was gesehen ist, oder nicht. Du hast über lebt – Du musst was Besonderes sein."
Harry schüttelte den Kopf, „Das ist idiotisch!"
„Ja, das ist es. Und ich habe keine Absichten, dieser Idiotie nach zu eifern" erklärte Severus entschieden.
„Ich denke, da sind Sie so ziemlich der einzige!" sagte Harry und lächelte schwach.
Severus antwortete nicht und somit setzten sie ihren Weg zum Gryffindor Gemeinschaftsraum schweigend fort. Der Professor war erstaunt, dass sich Harry so über seinen besonderen Status beschwerte. James hätte sich die Finger abgeleckt, wenn er so berühmt geworden sei, wie sein Sohn. Obwohl in gewisser Weise wurde James genau so berühmt, nur hatte er jetzt nichts mehr davon, da er tot war.
„Irgendwie unheimlich..." sagte Harry und Severus zog eine Augenbraue hoch, nicht wissend worauf Harry nun anspielte.
„So viele Menschen, wissen so viel über mich. Die wissen mehr über mich, als ich selber!"
„Unsinn. Niemand weiß mehr über dich, als du selber!" antwortete der Professor.
„Aber ich stehe laut Hermine sogar in Büchern drinnen. Jeder Zauberer, der die Bücher gelesen hat, weiß wer ich bin. Ich selber habe erst vor knapp einen Monat erfahren, dass ich ein Zauberer bin und dass meine Eltern ermordet wurden. Mein Onkel und meine Tante hatten mir erzählt, sie wären bei einen Autounfall ums Leben gekommen."
Severus konnte kaum glauben, was er da hörte. Wieso sollte man Harry verschwiegen haben, wer er war? Oder leugnen wie Lily und James Potter ums Leben kamen?
„Ist es dir nie passiert, dass dir deine Magie ausgekommen ist? Ich meine, die meisten Zaubererkinder, besitzen schon sehr früh magische Kräfte und wenn sie starken Emotionen ausgesetzt sind, platzt die Magie unkontrolliert aus ihnen heraus."
Harry schwieg ein Weile, ehe er leise antwortete. „Ich wusste nicht, was es war. Ich konnte es nicht beeinflussen. Es passierte. Und wenn es passierte, dann war mein Onkel immer furchtbar böse. Er hat mich einen Freak geschimpft und mich für mindestens eine Woche nicht aus den Zimmer gelassen. Ich hatte so Angst. Ich wollte nicht, dass es noch einmal passierte. Ich wollte meinen Onkel nicht verärgern. Ich wollte kein Freak sein, aber ich wusste nie, wann es das nächste mal passieren würde. Ich wusste nicht, dass ich ein Zauberer war und dass es noch mehr Menschen gibt, die Magie beherrschen. Verstehen Sie jetzt, warum ich denke, dass die Zauberer mehr über mich wissen, als ich selber? Die wussten die ganze Zeit über, dass ich ein Zauberer war, während mir jeden Tag eingetrichtert wurde, dass es keine Zauberei gibt."
Nun war es Severus der schwieg. Ihm wurde langsam klar, dass er Harry völlig falsch eingeschätzt hatte. Der Junge wurde in keiner Weise verwöhnt und verzogen. Das alles klag irgendwie mehr an Unterdrückung eventuell sogar Misshandlung? Und es passte zu Harry Körperhaltung und zu seinem Verhalten. Wenn dem wirklich so war, dass Harry misshandelt wurde, dann musste er auf jeden Fall mit dem Direktor darüber sprechen. Noch hatte er keine Beweise, aber er würde den Jungen auf jeden Fall im Auge behalten.
„Ich denke trotzdem, dass die Menschen, die über dich in Büchern lesen, dich nicht wirklich kennen. Niemand kennt dich besser, als du selbst" erklärte Severus schließlich.
„Das macht es aber nicht leichter. Die Menschen glauben mich zu kennen und erwarten von mir... ich weiß nicht was!" Harry ließ den Kopf hängen.
„Du solltest nicht auf das Geschwätz hören. Die Menschen reden viel, wenn der Tag lang ist. Was die glauben, in dir zu sehen, ist ihre Sache. Du solltest dir darüber nicht den Kopf zerbrechen!"
Harry nickte.
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Als Severus und Harry in einen besonders dunkel Gang abbogen, sah der Professor wie Harry sich ängstlich um sah. Und dann kam Severus die Idee ‚Wenn der Morphe Negro Spruch nicht der richtige war, um Harry zu beeindrucken, dann war wahrscheinlich Lumos eher das richtige' Schweigend zog Severus seinen Zauberstab, mit einem leichten Schnipp, fing sein Zauberstab an zu leuchten und spendete genügend Licht, um die Schatten aus dem Gang zu vertreiben.
„Wow" staunte Harry und sah schwer beeindruckt aus.
„Nicht der Rede wert. Er ist simple. Du hältst den Zauberstab vor dir und schnippst kurz. Der Spruch dazu ist Lumos!"
„Lumos?" fragte Harry nach und holte seinen Zauberstab voller Tatendrang heraus.
Severus nickte.
Harry hielt den Zauberstab vor sich und schnippte damit, während er „Lumos" sagte. Doch es passiere nichts.
„Potter. Du musst es schon wollen! Hab mehr Selbstbewusst sein! Du musst dir vorstellen, wie du den Raum erhellst!" sagte Severus schließlich in Lehrermanier.
Harry atmete einmal tief durch und versuchte sich dann vorzustellen, wie er diesen Gang erhellen konnte. Dann probierte er es noch einmal „Lumos" sagte er nun mit festerer Stimme und tatsächlich fing die Zauberstabspitze an zu glimmen.
Es war Nichts im Vergleich zu dem hell strahlenden Zauberstab von Severus und der Professor war sicher, gleich ein maßlos enttäuschtes Gesicht zu sehen. Aber es kam nicht. Im Gegenteil der Junge begann wie wild zu grinsen.
Severus nickte kurz, was in Harrys Augen einem Lob gleichkam.
„Mit den Wort Nox, löscht du das Licht wieder!" erklärte Severus und in den Moment verschwand das helle Licht. Nur das schwache Glimmen von Harrys Zauberstab war zu sehen.
„Nox" hörte Severus eine zarte Stimme und das Glimmen verschwand. Doch kurz darauf folgte wieder das Wort „Lumos" Diesmal mehr befehlend ausgesprochen und Harrys Zauberstabspitze fing wieder an zu leuchten. Ja, diesmal konnte man es leuchten nennen, es war wesentlich stärker als vorhin.
„Nox!" es wurde wieder finster
„Lumos!" es wurde wieder hell.
Je öfter Harry den Spruch wiederholte, um so heller war das Licht, dass er herauf beschwor. Überglücklich strahlte Harry mit seinem Zauberstab um die Wette.
Severus kämpfte mit sich. Harrys Freude war so ansteckend. Aber Severus hatte einen Ruf zu verteidigen. Er durfte Harry nicht zu nahe an ihn heran lassen. Und sie waren sich auf diesem kurzen Weg durchs Schloss schon viel zu nahe gekommen. Fehlte gerade noch, dass der Junge anfing ihn zu mögen! Dann war er sein Böser Lehrer Image für immer los. Dann konnte er einpacken gehen. Nein, er musste Harry so schnell wie möglich klar machen, dass er immer noch der strenge unfaire Professor war, den die Gyffindors so nach Herzenslust hassten.
„Nox!" – „Lumos!" Auch wenn Harrys Zauberstab immer noch schwächer leuchtete, als der von Severus, so konnte man eine deutliche Besserung sehen. Und irgendwo, tief im Inneren, egal wie sehr der Professor versuchte es zu ignorieren, war er stolz darauf, dass er der erste Lehrer war, der dem Jungen einen Zauberspruch beibrachte.
„Wir sind da!" sagte Severus knapp und blieb abrupt stehen.
Harry sah sich verwundert um, er hatte gar nicht bemerkt, dass sie schon so weit gekommen waren. Dann lächelte er und sah verlegen zu Boden.
„Ich denke, den Weg zu deinem Bett findest du alleine?" fragte Severus mit halbherzig spottendem Ton.
Harry lief rot an, aber zum Glück konnte man das im schwachen Zauberstablicht nicht sehen. „Ähm, ja... Danke!" sagte Harry und dann sah er wieder hoch, „Danke für alles. Dafür, dass Sie mir zugehört haben. Und auch dafür, dass Sie mir diesen coolen Zauberspruch beigebracht haben."
„Schon gut. Ich hoffe nur, du vergisst nicht, warum du Strafarbeit gehabt hast!" Severus hatte plötzlich das Gefühl, dass Harry den Abend wahrscheinlich nicht als Strafe ansah.
„Weil ich Ihre Fragen nicht beantworten konnte?" versuchte sich Harry nun wieder daran zu erinnern, wie alles begann. „Dabei hatte ich schon mal in die Bücher gesehen, bevor ich hergekommen bin. Aber ich hab nicht gewusst, dass ich den Stoff schon beherrschen muss."
Severus schallte sich innerlich, vielleicht hätte er gut daran getan, sich selber noch einmal zurück zu erinnern, warum Harry Strafarbeit hatte. Denn dann hätte er bemerkt, dass er Harry unfair behandelt hatte. Aber zu diesen Zeitpunkt, war er noch davon überzeugt gewesen, dass Harry ein verzogener arroganter kleiner Wichtigtuer sei, dem Einhalt geboten werden musste.
„Nein, es war nicht wegen den fehlenden Antworten!" sagte Severus schließlich, „Ich erlaube mir nur keinerlei Frechheiten in meinem Unterricht. Und deine Aufforderung ich solle jemanden anderen, als dich dran nehmen, war frech!"
„Ich..." fing Harry an, „Ich wollte nicht frech erscheinen. Ich dachte nur, vielleicht haben Sie übersehen-" doch Severus schnitt den Jungen das Wort ab.
„... übersehen das Miss Granger mit ihrer Hand schon an der Kellerdecke klebte?"
Harry sah wieder zu Boden, „Ich hab nicht verstanden, warum Sie die Antworten von mir hören wollten, wenn es andere gab, die sie wussten. Es tut mir Leid wenn ich frech war."
Und dann trafen sich Harrys und Severus Blick wieder. Der Junge war verwirrt und seine Augen flehten nach Entschuldigung. Severus traf dieser Blick tief ins Herz. Und er wusste, dass Harry nie vor hatte, frech zu sein. Dazu war er viel zu demütig. Der Blick erinnerte Severus irgendwie an einen Hauselfen, der ein Tröpfchen Tee verschüttet hatte und im stillen hoffte, sich dafür nicht selber weh tun zu müssen. Ein Hauselfe der darauf wartete ein, „Das macht nichts!" zu hören.
„Vielleicht, war es nicht ganz fair von mir" entkamen Severus die Worte, bevor er sich stoppen konnte. „Ich habe gewusst, dass du die Fragen nicht beantworten konntest. Ich wollte dir zeigen, dass es mir egal ist, wie berühmt du bist. Dass ich dir keine Sonderbehandlung geben würde."
„Oh!" sagte Harry und sah nachdenklich drein. „Ich erwarte keine Sonderbehandlung, Sir!"
„Ja, ich weiß. Jetzt, weiß ich es!"
Minuten des Schweigens und Nachdenkens.
„Sir?"
„Ja?"
„Sie sind gar nicht so böse, wie alles sagen!"
Klasse Severus, da hast du es. Das war es mit deinen Ruf.
„Ich muss eine gewisse Haltung in der Gesellschaft einnehmen. Außerdem als Zaubertranklehrer ist es meine Pflicht darauf zu schauen, dass alle konzentriert bei der Sache sind und nicht durch Unachtsamkeit andere in Gefahr bringen. Es ist wichtig, dass du alles und zwar ausnahmslos für dich behältst, was heute gesprochen und gesagt wurde."
Harry lächelte wissend, „Verstehe, Sie möchten Ihr Image nicht verlieren. Trotzdem möchte ich keine Sekunde von heute vergessen. Ich habe bis jetzt noch nicht viele Erwachsene getroffen, bei denen ich das Gefühl hatte, sie verstehen mich."
Severus nickte. Oh ja, er konnte Harry wirklich verstehen und dennoch, durfte niemand erfahren, wie nahe er den Jungen in nur einer Nacht gekommen war.
„Ich werde Sie vermissen!" sagte Harry leise und bevor Severus registrierte was er hörte, hatte sich Harry abgewandt und war zum Portrait gegangen, um das Passwort zu sagen.
Kurz bevor die Tür mit der fetten Dame hinter Harry zuschnappte, sah Harry noch einmal auf und direkt ins Severus Augen. Der Professor dürfte nicht damit gerechnet haben, denn zum ersten mal spiegelte sich Emotionen in dem sonst maskierten Gesicht. Verständnis und Trauer.
Harry stand lange da und blickte auf die Innenseite der Tür. Er wusste, dieser Abend würde sich nie wiederholen. Er wusste, dieser Lehrer hatte andere Sorgen, als sich mit Harry zu beschäftigen und dennoch, war es das erste Mal, dass sich Harry in der Anwesenheit eines Erwachsenen wohl gefühlt hatte. Sicher gefühlt hatte.
Auf der anderen Seite der Tür stand Severus. Und ihm rannte eine Gänsehaut über den Rücken. Es war ihm, als ob er in einen Spiegel geblickt hätte. Harry war clever. Er wusste, dass dem Jungen vertrauen konnte. Er wusste, Harry würde nicht weiter erzählen, was ihm widerfahren ist. Und es füllte Severus mit Stolz und Trauer.
Dabei konnte er sich nicht erklären auf was er stolz war. Darauf, dass er Harry einen Zauberspruch beigebracht hatte und der Junge ihn so schnell gelernt hatte? Und warum war er traurig? Warum hatte er plötzlich so ein Interesse am Wohlbefinden eines Schülers? Warum ging ihm Harry Blick so unter die Haut? Und wie zum Teufel konnte Harry in knapp dreißig Minuten zwölf Kessel per Hand auf Hochglanz schruppen?
Rätsel über Rätsel... vielleicht geht es damit mal weiter. Vorerst bleibt es ein Oneshot. Immerhin hab ich ja noch ein großes Projekt am Laufen und dass sollte ich doch vorher beenden.
