Hallo ihr Lieben! Kaum zu glauben, aber dies ist eine der ersten Geschichten, die mich von Jasper/Alice zum irischen Zirkel geführt haben und nun komme ich nicht mehr von ihnen los. Ob menschlich oder nicht. ich hoffe ihr habt Spaß mit dieser Sage, in der Siobhan ein 16jähriger Backfisch ist, und Liam ein fast 30jähriger Mann, der fast vom Glauben abfällt, als die Liebe seines Lebens eben das ist. Ein Mädchen.
Allerliebste Grüße
Tali
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Das Problem von der Liebe
Oder Woher weiß ich, dass ich dich heiraten will
1. Das Problem vom Verliebt sein
Isabella
DieErfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht,
dass man einander ansieht, sondern dass man in die gleiche Richtung blickt.
(Antoine de Saint-Exupéry)
Es ist unfassbar.
Kate und Siobhan grinsen sich an, als Kate die Cupcakes auf dem Tisch abstellt, gewohnheitsmäßig ihre Hände an ihrer roten Bistroschürze abklopft und neben ihrer besten Freundin Platz nimmt.
Meine beste Freundin Alice hat mich in Kate's Bakery geschickt.
Warum ich hier bin?
Ich habe gerade meinen Collegeabschluss gemacht und mein Freund, der an sich kongeniale Edward Masen hat mir eröffnet, dass er mich heiraten will. Und das obwohl er genau weiß, was ich von der Ehe halte. Natürlich bin ich erst einmal schreiend davon gerannt. Na ja, beinahe.
In meinem Freundeskreis gibt es mehrere Ehepaare. Carmen und Eleazar zum Beispiel, aber die beiden sind auch circa zehn Jahre älter als ich. Esme hat so jung geheiratet und ist gescheitert. Und dann gibt es da Siobhan und Kate.
Kate hat erst vor eineinhalb Jahren die Ehe geschlossen, Sio ist schon verheiratet, seitdem ich sie kenne. Von Katrina habe ich gewusst, dass wir gleich alt sind. Meine irische Freundin hingegen, wirkte immer so erwachsen auf mich. Dabei ist sie genauso alt wie wir. Doch durch eine unterschiedliche Kurswahl ist mir nie aufgefallen, dass sie regelmäßig an der Uni ist.
Ich treffe mich mit den Mädels, weil ich herausfinden will, warum sie sich so sicher gewesen sind, ihre Männer zu heiraten.
Ich liebe Edward, aber ich habe Angst vor diesem „Immer und ewig". Meine Eltern haben jung geheiratet und waren wieder geschieden, bevor ich laufen konnte.
Ed ist 23, wir sind erst vor ein paar Monaten zusammen gezogen, weil er wollte, dass ich mich auf mein Studium konzentriere und Zeit mit meiner Mitbewohnerin und besten Freundin und zugleich seiner Cousine Alice verbringe. Dabei wohnt sie so gut wie in Jaspers Haus, auch wenn beide so tun, als wäre nichts.
Es ist ein komisches Gefühl, jetzt den Abschluss zu haben und als vollends Erwachsene wahr genommen zu werden. Nicht nur von den eigenen Freunden. Und Siobhan und Kate haben sich festgelegt, bevor ich überhaupt in der Lage gewesen bin, mich auf eine Wandfarbe fürs Wohnzimmer festzulegen.
Siobhans Geschichte interessiert mich zuerst. Immerhin habe ich Kate und Garrett miterlebt.
Die junge Irin lächelt breit. Sie umgibt diese kosmopolitische Aura, ihre Augen funkeln violettblau, sie ist hinreißend.
„Ich meine, wann? Wie?"
Siobhan lacht, es ist mitreißend.
Sie rührt ihren Tee, legt den Löffel beiseite, überschlägt die Beine und beginnt mit ihrer Geschichte. Am Ende ihrer Erzählung habe ich den Eindruck, dass es ein irisches Märchen ist, das mit Kates Leben kollidierte.
Siobhan O'Toole ist die Tochter eines irischen Goldschmieds, der mit seiner Handwerkskunst auch in den Staaten seinen Kundenstamm hat. Als Shamus O'Toole stirbt, ist sie 14 und hat als sein einziges Kind, sein Handwerk soweit gelernt, dass sie einfach in seinem Namen weiter arbeiten kann.
Einer der Geschäftspartner ihres Vaters lädt Mutter und Tochter nach New York.
Von dort ist die erst 16jährige Siobhan zu ihrer Freundin Esme geflohen. Ich habe noch immer nicht ganz verstanden, woher sie einander kennen. Auch geht Siobhan nie ins Detail, was genau mit diesem Sancar vorgefallen ist, doch als ich sie kennen lernte war dessen neu aufgerollter Prozess eine große Sache in meinem Umfeld.
#Rememberance#
Siobhan
Meine Reisetasche hält nicht viel. Ich bin nur hier um Abstand zu gewinnen.
Die Kapuze nimmt mir etwas die Sicht, doch es ist eh dunkel. Und nasskalt. Ich fühle mich ein bisschen wie Rotkäppchen auf der Flucht. Blöder Vergleich, ich weiß.
„Es? Bist du zuhause?", leise ins Telefon.
Esme Evenson gibt mir die Adresse ihres besten Freundes, Jasper, mit dem sie gerade zusammen wohnt.
Als ich Esme vor einem Jahr in New York getroffen habe, war sie mit ihrem Mann dort auf einem Ärztekongress. Unsere Begegnung Zufall und trotzdem haben wir seither Kontakt. Sie hat mir erzählt, dass sie sich von ihrem Mann getrennt hat.
Ich habe schon damals vermutet, dass er sie verprügelt.
Ich kann den jungen Texaner gut leiden, den Esme mir als Jasper vorstellt. Es ist mitten in der Nacht und doch lächelt er, kocht Spaghetti Carbonara für uns.
Jasper besucht das hiesige College im zweiten Semester. Sie haben sich auf einem Festival kennen gelernt, als Jasper gerade 14 gewesen ist. Esme und ihr bester Freund gehen liebevoll miteinander um. Manchmal ist es, als sei er der Ältere, wenn er Esme ermahnt. Es ist süß, dass er soviel Verantwortung trägt.
„Er trennt sich gerade von seiner Freundin.", flüstert Es mir zu. „Ich hoffe er sieht endlich ein, was für eine blöde… Sie ist eine manipulative Lügnerin. Ich bin froh, wenn Maria endlich Geschichte ist."
Noch am selben Abend erzähle ich beiden, wieso ich von New York nach Seattle gekommen bin. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemanden außer Esme erzählen würde, aber Jasper umgibt eine Aura… Er ist irgendwie vertrauensvoll, man fühlt sich geborgen, wenn er einem zuhört.
Ich bin sehr froh, dass meine Mom einverstanden ist, dass ich ein paar Wochen hier bleibe. Aber ich habe es nicht ausgehalten, darauf zu warten, dass alle gegen Sancar aussagen. Kann nicht darauf warten, ob ich nun wegen Notwehr oder vorsätzlicher Körperverletzung angeklagt werden soll. Ich halte das nicht aus.
Wären wir nur niemals der Einladung gefolgt! Nur weil er ein Geschäftspartner von Dad gewesen ist und uns unter die Arme greifen wollte, was den amerikanischen Markt angeht!
Moms Anwalt hat mir hier in Seattle die Adresse von Eleazar Delos gegeben, er kann mich bis zur Verhandlung in allen Fragen beraten.
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Jasper ist ein guter Typ. Er und Esme kennen El, und alle drei sind mit dabei, eine Wohnung für mich auf zu treiben. Als ich Esme gefragt hab, ob sie nicht lieber in die zwei Zimmer ziehen will, hat sie nur gelächelt.
„Ich kann nicht. Ich habe immer noch jede Nacht Alpträume. Kriege Angstattacken, wenn ich allein zuhause bin. Nachts. Ich habe Panik, dass er mir auflauert. Darum bin ich so froh, das Jasper sich um mich kümmert. Ich weiß, es müsste anders sein, aber ich bin so froh, dass er da ist!"
Inzwischen weiß ich, dass Esme vier Jahre einer höllischen Ehe hinter sich hat, in der häusliche Gewalt an der Tagesordnung war. Sie hat es endlich geschafft auszubrechen. Jasper sagt, dass sie langsam wieder zu der Frau wird, die er kennen gelernt hat. Sie wieder ein Sturm wird und nicht mehr nur ein lauer Wind. Ja, die Beschreibung passt.
Ich weiß nicht genau, wann in den folgenden drei Wochen die Entscheidung gefallen ist, dass ich gern hier zur High School gehen würde, aber ich bitte Jasper mir die Anmeldungsformulare für den Wirtschaftskurs am College mit zu bringen. Wenn ich Dads Firma weiter vorantreiben möchte, muss ich leider auch viel von dem Papierkrieg verstehen.
Vielleicht ist es Eleazars sanftes Wesen, vielleicht mag ich dessen Frau zu sehr, Carmen, Hauptberufliche Piercerin, und das familiäre Funkeln in beider Augen.
Möglich, dass ich Carlisle vermisst habe, meinen Freund aus UK- Tagen, der im Königreich berühmt berüchtigt ist und hier angehender Doktor und mit 21 nur ein bisschen älter als sein Cousin Jasper.
Ich kann Carmens Kollegen Garrett Smith gut leiden, Tätowierer, Abenteurer und Komödiant sondergleichen.
Ich bin erstaunt, wie harmonisch diese seltsame Zusammenkunft an unterschiedlichen Persönlichkeiten ist. Jasper, Pete und Charlotte gehen noch aufs College. Carlisle sammelt gerade praktische Erfahrungen, wurde gerade für ein Praktikum nach Port Angeles versetzt. Wäre er in London geblieben, würde er aufgrund seines Nachnamens an jedem beliebigen Krankenhaus seine Ausbildung vollziehen können. Aber er hat sich dagegen entschieden, wollte nicht nur ‚der Sohn von' sein.
Carmen, Eleazar, Garrett sind alle schon voll im Berufsleben und haben bereits ein Leben geführt, als sie sich kennen lernten.
Esme restauriert antike Möbel.
Sie haben alle eigene, noch andere Freundeskreise, doch wenn sie zusammen treffen, spürt man dass sie eine stärkere Zuneigung zu einander haben, als zu den übrigen Bekannten.
Erst habe ich angenommen, dass ich die Jüngste in ihrer Mitte sein würde, aber meine Mitschülerin Alice ist Esmes Cousine, ihr älterer Cousin Edward macht gerade seinen Schulabschluss und so kennt man sich flüchtig.
Mom in New York würde es höhere Fügung nennen, dass ich mich für Seattle entschieden habe. Aber ich habe ihr noch nichts erzählt.
Ich mag große Männer. Mehr noch, seitdem ich Sancar getroffen habe, der kleiner als ich ist. Darum finde ich Santiago aus meinem Wirtschaftskurs auch ganz nett anzuschauen. Aber er ist nicht ganz mein Typ, auch wenn er wirklich nett ist. Und darauf besteht mir zu jeder Vorlesung Kaffee mitzubringen. Allein dadurch ist er ganz oben auf meiner Liste.
Ich hatte bisher noch keine Bekanntschaft mit Garretts bestem Freund gemacht. Liam Gallagher gehört ein beliebtes Irish Pub, aber da ich erst 16 bin habe ich, zumindest im Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch keinen Zutritt. Und ich kenne Esmes Freunde noch nicht gut genug, dass sie mich einschleusen würden.
Garrett hat mir erzählt, dass er und Liam sich in einem Backpacker- Urlaub vor acht Jahren zufällig begegnet sind, als sie Fallschirmspringen waren. Und dann sind sie beide in Seattle gelandet.
Wie gesagt, ich habe eine Schwäche für große, nordische Männer. Männer, keine Jungs. Dafür bin ich einfach selbst zu groß, werde zu oft als älter eingestuft. Es ist ohne Ausweiskontrolle kein Problem für mich, an einem Türsteher vorbei zu kommen, wenn er nicht sieht, wann ich geboren wurde.
Wir sitzen alle bei Pete und Charlotte, die sich gerade ein Haus gekauft haben und dann kommt dieser rothaarige Hüne durch die Tür und begrüßt seine Wahlmischpoche.
Ich bin absolut hin und weg! Liam lächelt, feine Linien um die Augen lassen seine grünen Augen noch stärker leuchten, als sein Blick an mir hängen bleibt und ich mein allumfassendes Lächeln anschalte, Santiagos Wortlaut, nicht meiner. Aber ich weiß, dass er nicht ganz Unrecht hat.
Liams Händedruck ist angenehm fest und als er den Mund aufmacht und einen irischen Akzent hat, bin ich auf der Stelle verliebt.
Ich bin ein Teenager, ich darf das. Ich fühle mich zum ersten Mal seit langem auch wieder wie ein kleines Mädchen, weil ich die ganze Zeit kichern möchte, während wir uns unterhalten.
Sobald ich Liam in unserer Muttersprache begrüßt habe, haben wir fast ununterbrochen miteinander gesprochen.
Ich bin froh, dass niemand erwähnt, wie alt ich bin und dass Liam nicht danach fragt. Aber wahrscheinlich wird er annehmen, ich sei mindestens 20, weil ich erzähle, dass Jasper und ich auf dasselbe College gehen.
Liam
Die Nadel surrt in der Maschine, die Linien werden zu Mustern, Garrett wischt Tinte fort. Mich beruhigt das Geräusch der Tätowierpistole.
Bevor ich Garrett getroffen habe, hatte ich bereits ein Tattoo, seitdem ich ihn kenne, hat sich deren Anzahl vervielfacht.
Noch sitzen wir schweigend bei einander, Garrett über meine Schulter gebeugt um die Linien zu ziehen, doch wir kennen uns gut genug, dass ich deutlich merke, dass er etwas sagen will.
„Was hast du?"
Garrett brummt kurz. Drehe meinen Kopf in seine Richtung.
„Vorgestern.", beginnt er. „War ein guter Abend."
Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Eigentlich wollten wir endlich mal wieder in Ruhe einen bierseligen Abend haben. Da ich oft abends im Pub arbeite und Gars letzte Flamme ziemlich biestig gewesen ist, ist so ein Abend länger her.
Doch wie es der Zufall so wollte, habe ich meine Landsfrau Siobhan dort kennen gelernt und mit ihr den ganzen Abend über unsere Heimat gesprochen.
„Aye. Nette Frau und irisches Gal!"
„Das habe ich gar nicht gemeint.", Gar zieht eine gespielt beleidigte Fratze, bevor wir beide lachen müssen. „Aber ihr scheint euch gut verstanden zu haben!"
„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst, mein Freund!", natürlich weiß ich das. Gar und ich kennen uns lang genug. Und ja, ich finde Siobhan charmant. Aber ich bin alt genug, um nicht jede hübsche Frau sofort besteigen zu müssen, und sei sie auch so attraktiv wie Siobhan.
Garrett widmet sich wieder der Farbe unter meiner Haut, während ich an die seltsame Farbe von Sios Augen denken muss. Violettblau. So wie ein klarer Himmel bei Sonnenaufgang. Daran, dass ihr Lächeln einen Raum erhellt. Dass sie unheimlich interessiert ist, in Menschen, Politik, Geschichte. Und sie ist Fan vom Kilkenny Hurlingverein, dem auch ich treu bin.
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Siobhan
Auch nach zwei Monaten in denen unsere Flirts auffälliger geworden, die flüchtigen Berührungen nicht mehr so flüchtig sind, hat er bisher nicht nach meinem Alter gefragt. Darum bin ich dankbar.
Vielleicht, weil ich nie von der Schule spreche, sondern stets von Klausuren oder Kursen am College. Jasper ist ein Gentleman und verliert kein Sterbenswörtchen, macht keine dummen Bemerkungen.
In der Uni werde ich oft für eine Drittsemester gehalten, weil viele der Freshmen sich wie 12Jährige benehmen.
Außerdem scheint es in Liams Freundeskreis überhaupt keine Rolle zu spielen, in welchem Jahr man geboren wurde. El, Gar und Liam hören Jasper und Pete ebenso aufmerksam zu, nehmen sie eben so ernst, wie einander. Die Geschichten, wie es zu diesem seltsamen Ring von Persönlichkeiten gekommen ist, hat etwas utopisch, märchenhaftes, auch wenn viel Dunkelheit auf ihren Wegen liegt. Ich bin manchmal überrascht, wie diese Menschen so toll werden konnten oder es geblieben sind.
Liams 30. Geburtstag.
Ich kann es nicht ganz glauben. Als Liam seinen Schulabschluss gemacht hat, war ich noch nicht mal eingeschult.
Garrett, Charles und Vladimir sind die letzten Gäste. Garrett wohnt im selben Haus und rauscht mit seiner neuesten Errungenschaft durch die Tür hinaus.
„Bis morgen früh!", ruft er seinem besten Freund noch zu, ganz dem Motto nach ‚Morgen ist erst, wenn ich geschlafen habe'.
Ich mag Garrett. Es ist irgendwie entzückend, dass die beiden Singlemänner sich zum Frühstück treffen. Dabei sehen beide wie harte Typen aus. Garrett mit seinen Volltätowierten Armen und Liam mit den kantigen Gesichtszügen. Sie teilen einige Charakterzüge miteinander. Ein merkwürdiges Selbstverständnis im Umgang miteinander, was mir auch schon bei Jasper und Esme oder bei Jasper und Pete aufgefallen ist. Es ist schön zu sehen, dass Menschen sich finden können, es ist fast ein bisschen wie daheim.
Lächele in mich hinein, weil ich mich so sehr darüber freue, dass ich ein Teil von diesem Freundeskreis bin, der so aufrichtige Menschen umfasst.
Liam und ich sammeln noch einzelne Gläser ein, stapeln Teller, die nicht mehr in den Geschirrspüler passen. Unser Meisterkoch hat für seine Gäste gezaubert, es gab Guinness und Whiskey. Und für die Püppis, die kichernden Frauen Mitte 20, die auch eingeladen waren, gab es Sekt.
Alle haben mir für meine erwachsene Zurückhaltung in Sachen Alkohol zugesprochen. So weise, dass ich keinen Kater verursachen will.
Dabei liegt es eher daran, dass ich ja nicht volljährig bin und den Geschmack von Starkbier und Hochprozentigem noch nicht voll zu schätzen weiß. Ich beides auch nur in Maßen vertrage. Ich bin der einzige Gast unter 20 und wahrscheinlich auch die Einzige, von der das außer Esme und Jasper keiner weiß.
Abgesehen von der Unruhe, dass es vielleicht doch jemandem auffallen könnte, war es ein guter Abend.
Mich interessiert es überhaupt nicht, wie alt jemand ist. Welche Bedeutung hat diese Zahl schon, die angibt, wie viel Zeit vom Tag der Geburt bis jetzt vergangen ist?
Aber ich hoffe darauf, dass es mit Liam und mir endlich weiter geht. Ich sterbe, wenn wir weiterhin nur umeinander herum scharwenzeln. Doch befürchte ich, dass er zurückweichen würde, wenn er mitbekommt, dass mein nächster Geburtstag mein 17. ist. Rein rechtlich macht er sich außerdem strafbar, wenn er so will, wie ich will. Aber ich werde ihn ganz bestimmt nicht anzeigen oder darauf hinweisen.
„Ich ruf mir ein Taxi, wenn wir fertig sind."
„Ich fahr dich auch, wenn du möchtest.", erwidert Liam lächelnd. Seine grünen Augen tanzen über mein Gesicht, ich merke, wie mir das Blut in die Wangen steigt. Liams Blicke können unheimlich intensiv sein.
Liam
Es war ein toller Abend, aber das beste Geschenk hier ist unbezahlbar. Es ist die junge Frau mit den violettblauen Augen, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch noch klug. Wissbegierig. Engagiert. Herrlich unverkrampft, wenn es um sie selbst geht.
Und wir beide wissen, dass ich zuviel Whiskey getrunken habe, um noch zu fahren, auch wenn es sich nicht in meinem Verhalten zeigt.
Ein paar Gläser Hochprozentige hauen einen echten Mann, einen wirklichen Iren, nicht aus den Schuhen, aber machen ihn sehr wohl fahruntüchtig.
Sehe Siobhan wieder an. Ihr Busen hebt und senkt sich, während sie atmet. Ich bin wie hypnotisiert.
Wende meinen Blick wieder ihrem Gesicht zu.
Ich weiß, dass sie ein paar Jahre jünger ist, als ich, aber es ändert nichts daran, dass ich sie will. Seit wir uns das erste Mal begegnet sind. Es ist, als würden wir von einander angezogen. Eigentlich glaube ich weniger an so einen Quatsch, doch ich genieße ihre Gegenwart.
Sonst bin ich wesentlich misstrauischer anderen Menschen gegenüber. Gar eine Ausnahme.
Doch Siobhan weiß unlängst, wie Garrett und ich uns kennen gelernt haben, dass ich zwei große und eine kleine (Halb-)Schwester habe, die ich alle sehr liebe.
Ich habe ihr Kachiri vorgestellt, heute! Habe meine Ex- Exfreundin, der Frau vorgestellt, die ich gern zur Freundin hätte, und hoffe dass sie das genauso sieht. Kachiris Nachfolgerin hat es gestört, dass wir immer noch befreundet sind. Sio hingegen schien absolut begeistert zu sein.
Es fühlt sich inzwischen so an, als sei ich wieder ein 16jähriger, der nicht wagt den ersten Schritt zu tun und die Frau seines Herzens an sich zu ziehen.
Wie irrsinnig! Seit heute bin ich 30 Jahre alt und hatte mehr als eine Frau in meinem Leben!
Aber Siobhan ist anders. Anders als alle Vorangegangen.
Als Kachiri heute gegangen ist, hat sie mir doch tatsächlich gedroht! Wenn ich Sio entwischen lassen würde, würde sie nicht mehr mit mir reden. Hm. Irgendwie unwirklich.
Beobachte, wie Siobhan die DVD- Box in ihre Handtasche stopft, die Jasper ihr mitgebracht hat, trete näher auf sie zu. Blicke auf sie herab. Sie ist hochgewachsen für eine Frau und doch überrage ich sie noch. Ihre großen seltsam blauen Augen starren mich an, ihre Wangen sind hinreißend rosafarben.
Ich bin hoffnungslos verloren. Diese Frau wird mich in den Wahnsinn treiben, wenn wir weiter so herum eiern.
Siobhan
Atme schwer aus. Liam sieht in seinen Jeans und dem weißen Hemd heiß aus. Er steht so dicht bei mir, dass mein Arm seinen Oberkörper berührt, ich seine Wärme spüren kann. Am liebsten würde ich giggeln wie ein kleines Mädchen, weil er gut aussehend und charmant ist. Und weil dies endlich der Moment zu sein scheint, an dem wir endlich mehr als nur flirten. Endlich wird er mich packen und küssen. Wenn ich nicht so feige wäre, hätte ich seine Lippen längst attackiert.
„Du musst nicht gehen.", stellt Liam fest. Ich mag den tiefen Klang seiner Stimme. „Du könntest hier bleiben, wenn du willst.", Liams Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Es verfehlt seine Wirkung nicht, spüre wie mehr Röte in meine Wangen schießt.
„Hast du nicht gesagt, dass deine Couch zu kurz für dich ist?", ich weigere mich einfach, auf der Couch zu schlafen und er ist zu groß. Allerdings klinge ich nicht mal annährend so gelassen, wie ich gern würde. Ich bin nicht cool und nicht erwachsen, nur noch aufgeregt.
Liam lacht. „Ich bin mir sicher, das Problem lösen wir. Wir könnten uns das Bett ja teilen…"
YEAH!
Endlich geht es mit uns voran, auch wenn mir das Herz bis zum Hals klopft.
„Könnten wir.", die Luft zwischen uns fühlt sich aufgeladen an. Als würde sie bei der kleinsten Bewegung brizzeln und funken.
Und dann endlich, umfasst er mein Gesicht mit beiden Händen und küsst mich leidenschaftlich.
So muss ein Kuss sein!
Er küsst anders, als die Jungen in meinem Leben. Er weiß was er will. Seine Lippen können einen ins Nirwana befördern.
Es dauert nicht lang und wir stolpern Richtung Schlafzimmer und zerren gegenseitig an unserer Kleidung, bis das störende Material endlich entfernt ist.
Ich habe einen kurzen Moment Angst. Angst dass ich jetzt auffliege. Als ich 14 gewesen bin habe ich einmal mit meinem damaligen Schulfreund geschlafen. Aber wir hatten überhaupt keine Ahnung was wir da eigentlich machen. Als Sancar uns nach Amerika geholt hat, hat er… Er ist der letzte, der mich annährend so berührt hat, auch wenn es nicht einvernehmlich gewesen ist.
Doch Liams wandernde Hände sind nicht ruppig. Sie sind fordernd aber behutsam.
Wahrscheinlich wird man eher seinem Rücken morgen ansehen, was geschehen ist.
Ich kann kaum glauben, wie schnell Liam mich übers Ziel befördert. Es ist anders, als bisher.
Wir sehen uns in die Augen, während wir uns weiter in den Laken drehen. Es ist etwas Dauerhaftes. Ich werde den Mann nicht mehr gehen lassen. Ich liebe ihn, mit allem was ich habe.
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Ich atme ein, mein Kissen riecht herrlich nach AfterShave, nach Liam.
Blinzele, spüre den Arm, der mich umschlingt. Ich könnte jeden Morgen so aufwachen. Blicke das schlafende Gesicht hat, bin angefüllt mit Glückseligkeit.
Reagan, der kleine König, blickt mich aufmerksam an, als ich versuche vorsichtig und leise aufzustehen.
Als würde er mich angrinsen, als sich das Ziehen in meiner Körpermitte bemerkbar macht. Als wisse er mehr als ich.
Er sieht so aus, als wäre es Zeit mit ihm um den Block zu gehen.
In den letzten Wochen habe ich Liams riesigen irischen Wolfshund lieb gewonnen.
Garrett hat mir gestern erzählt, dass der Hund neben Liam bisher nur ihm sofort so zutraulich gegenüber getreten ist. Neben Liam bin ich selbst die Einzige, der Reagan folgt, wenn ich den Raum verlasse. Allerdings auch nur, wenn sein Herrchen nicht anwesend ist. Wolfshunde sind eben sehr treue Seelen.
Als ich ins Wohnzimmer schleiche, bin ich erstaunt wie viel wir gestern Nacht, beziehungsweise heute früh, noch aufgeräumt haben. Aber gut, Liams Freunde haben alle ein Alter in dem man sich zu benehmen weiß. Das einzige was verstreut herum liegt, sind einzelne Kleidungsstücke. Ich schnappe mir Liams weißes Hemd und ziehe es über, mein Oberteil liegt auch irgendwo hier herum, setze Kaffee auf und suche verzweifelt nach meinem Rock. Rea geht vor der Tür auf und ab. Bin erstaunt, dass er solange ausgeharrt hat.
„Ich weiß doch, wir gehen gleich raus!"
Als ich mit Rea das Treppenhaus hinunter eile, wird mir klar, dass ich Liam nun bald sagen muss, wie alt ich bin.
Esme und Carmen sehen es leider so wie es ist. Rein rechtlich, hat sich Liam strafbar gemacht.
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Und glaube nicht, du kannst den Lauf der Liebe lenken, denn die Liebe, wenn sie dich für würdig hält, lenkt deinen Lauf.
(Der Prophet)
Khalil Gibran
