Was soll ich denn machen? Wen von beiden gehört mein Herz? Hatte er es mit sich genommen, als er ging oder nahm er es mir um mich zu schützen, damit ich nicht in meinem Schmerz ertrank?
Ich ging wieder in Richtung Ausgang, an der Bank hielt ich an. Jedes Mal wenn ich daran vorbei kam, erinnerte ich mich an den traurigen Tag. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust, der Schmerz machte mich mal wieder taub. Wie ich es hasste, immer wieder kam der Schmerz zurück. Dort wo eigentlich mein Herz sein sollte, war in jeder Stunde, jeder Minute und jeder Sekunde nur Leere da. Meine Gefühle hatte ich schon lange nicht mehr unter Kontrolle. Irgendwann hatte ich es aufgegeben, doch seit ein paar Tagen, versuchte ich es wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch egal was ich machte, es half nichts, fast jeder Ort erinnerte mich an ihn. Immer wieder übermannte mich der Schmerz.
Heute war es schon das dritte Mal. Dieses Mal brach ich zusammen, ich ließ mich auf meine wunden Knie fallen, Tränen liefen mir die Wangen hinunter. Es dauerte nicht lange, da der Schmerz so unerträglich wurde, dass ich nicht mehr richtig atmen konnte. Mein Magen drehte sich und ich schrie auf. Wenige Minuten später stand ein junger Mann neben mir. Er nahm mich in den Arm so wie er es immer tat, wenn ich in diesen Zustand verfiel. Seine Arme waren stark und warm, der Schmerz ließ nun ein wenig nach, aber ich konnte mich noch immer nicht bewegen. Die Arme des Mannes griffen unter meine Kniegelenke und um meinen Rücken. Ich spürte dass ich mich vom Boden weg bewegte. Er hatte mich mal wieder hoch genommen und würde mich jetzt nach Hause bringen. Er wusste als Einziger, wie ich mich wirklich fühlte, wenn er auch anfangs starke Probleme mit Gefühlen anderer hatte. Ich schaute ihn nicht an, der Tränenschleier wollte sich einfach nicht lichten. Jetzt erst vergrub ich mein Gesicht an seiner Brust. Ich wollte nicht nach Hause, dort würde ich in ein noch tieferes Loch fallen.
Ich wusste nicht wie viel Zeit verging, bis er eine Tür öffnete, schließlich wischte ich meine Tränen weg und schaute mich um. Ich erblickte nicht wie gewohnt mein Haus, sondern seines. Ich wusste nicht was er vor hatte doch ich vertraute mich ihm an. Wieder legte ich meinen Kopf an seine Brust, dazu schlang ich nun meine Arme um seinen Hals. Meine Starre hatte sich gelöst, doch ich wollte nicht auf meinen eigenen Füßen stehen. Er schien es zu bemerken, denn er drückte mich fester an sich und ging weiter.
Sanft sog ich seinen einzigartigen Duft ein; außer seinen mochte ich nur einen weiteren. Ich hörte seine leisen Schritte, doch ich wollte mich nicht an die Schritte des anderen Jungen erinnern, den ich so sehr vermisste. Ich gab einen Teil von mir, den er mit sich genommen hatte und einen Teil der ihn dafür hasste, der Rest von mir verließ sich auf die Freunde die mir hier geblieben sind. Aber vor allem versuchte ich mich gerade auf die Person zu Konzentrieren, die mich im Arm hatte.
Zugegeben er war von allen mein bester Freund, aber nur weil er nicht aufgegeben hatte an mich zu glauben und mich immer wieder ansprach auch wenn ich nicht in der Lage war zu reden. Ob ich genau wusste, was ich fühlte? Nein, bestimmt nicht denn mein Herz kannte nur die schmerzhafte Liebe für den anderen. Mein Herz setzte einen Schlag aus, ich musste tief Luft holen um es wieder zu beruhigen. Ich weiß gar nicht, ob ich noch leben würde, wenn der Mann der mich gerade trug nicht zu mir gestoßen wäre.
Er blieb stehen, ich wollte aber meine Augen nicht öffnen. Dann setzte er mich auf etwas weichem ab. Doch das wollte ich nicht deshalb klammerte ich mich an ihn. Noch immer sagte er nichts, aber er schien versanden zu haben und nahm mich wieder hoch, dann setzte er sich selbst hin mit mir auf dem Schoss. Ich ließ ihn nicht los. Das Einzige, das ich wollte war, dass er mich nie wieder los ließ, damit ich nie wieder an den Mann denken musste der mich verlassen hatte. Es war deprimierend, er hatte mich ja nicht für eine Andere verlassen, auch nicht für einen Anderen, sondern nur weil er allen anderen überlegen sein wollte. So lange ist das her, doch den Tag an dem er mich verließ ist in meine Erinnerung eingebrannt. Jede Nacht, wenn ich anfange zu träumen sehe ich seinen Abschied.
