Autofahrt mit knalligem Ende

In der Episode „Späte Rache" („Attack of the Killer Bebes") baut Dr. Drakken Roboterfrauen, um sich an seinen ehemaligen Schulfreunden zu rächen. Shego taucht während der gesamten Episode nicht einmal auf. Steve Loter, einer der Macher der Serie, sagte einmal, sie wäre deswegen nicht in der Episode, weil sie zu der Zeit auf eine Hochzeit eingeladen war. Dies ist nun die genaue Geschichte von Shegos Abwesenheit.

Ein ganz normaler Tag in Dr. Drakkens damaligem Versteck.
Drakkens Handlanger saßen entweder vor dem Fernseher und sahen sich Soap Operas an oder sie veranstalteten ein Blaubeermuffin – Wettessen. Einige wenige von ihnen schliefen, einer sogar im stehen. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie taten all das, was sie nicht tun sollten. Drakken selber war in seine Arbeit vertieft. Er stand kurz davor, seine neueste Kreation fertigzustellen. Etwas, woran er seit Jahrzehnten arbeitete um diese Idee zu perfektionieren: Roboterfrauen! Er wusste genau, dass diese Erfindung ihn nicht nur endlich den verdienten Respekt bei den Menschen einbringen würde, die er mal für seine Freunde gehalten hatte, sondern auch, dass er damit seinem erklärten Lebensziel, der Weltherrschaft, ein Stück näherkommen würde.
Wie wir alle wissen, lag er damit so etwas von falsch...
Die Tür zu seiner Werkstatt öffnete sich und Shego betrat den Raum.
„So, ich bin dann weg", sagte sie.Drakken schreckte auf und drehte sich um.
„Weg? Wohin gehst du? Und warum hast du dich so chic gemacht?"
Shego trug diesmal nicht den Anzug, den sie sonst immer trug. Sie hatte ihre, wie sie es nannte, „lockere Freizeitkleidung" angezogen. Diese „lockere Freizeitkleidung" war alles andere als ein schlabberiger Jogginganzug. Es handelte sich dabei um allerbeste „Club Banana"-Markenqualität. Nicht zu übertrieben, aber trotz allem Elegant genug, um neidische Blicke von all denen auf sich zu ziehen, die sich diese Klamotten nicht leisten konnten.
Nicht, dass sie etwas dafür bezahlt hätte...
„Was soll diese Frage", stöhnte sie genervt. „Ich habe ihnen doch erzählt, dass ich die nächsten drei Tage unterwegs zu einer alten Bekannten bin."
Dr. Drakken überlegte kurz und kam zu dem Schluss: „Nö."
„Doch! Die Hochzeit? Von meiner alten Schulrivalin Jessica? Die immer in allem nur die Zweitbeste war und mir, weil ich immer den 1. Platz belegt habe, auf dem Abschlussball Rache geschworen hat?"
Drakken überlegte erneut.
„Nö."
„Ach, was rede ich überhaupt mit ihnen. Sie bauen Frauen aus Metall!"
Shego drehte sich um und verließ kopfschüttelnd den Raum.
Drakken rief ihr hinterher: „Titan! Metall wäre doch viel zu schwach! Kannst du mir nicht einmal zuhören, Shego? Ich rede und rede und du interessierst dich nur für deine eigene, kleine Welt! Und welchen Finger hast du mir da gerade gezeigt? Ich hoffe doch, dass das nur der Zeigefinger war! Shego? Ich rede mit ihnen, junge Dame!"
Shego ignorierte Drakken wie gewöhnlich und ging einfach weiter. Als sich Drakken wieder seinen Robotern widmete, konnte er sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Er musste sich vorstellte, wie Shego zum Abschlussball ging. Mit einem aufgeplustertem Rüschenkleid. Vermutlich vom Star-Quarterback mit dem Auto abgeholt und am Ende auch noch zur Ballkönigin gewählt. Dann fiel ihm auf, dass er eigentlich gar nichts von seiner „rechten Hand" wusste. Aber eigentlich war es ihm auch egal, denn sobald er seine Roboter in Betrieb nehmen würde, müssten sich seine Handlanger auf eine riesige Kündigungswelle gefasst machen, von der auch Shego nicht verschont bleiben würde.
Wie bereits gesagt: Er lag ja so etwas von falsch...

„Ihr Wagen wäre dann soweit", sagte Handlanger Nr. 28, der diese Woche für den Garagendienst eingeteilt war, als Shego eben diese betrat.
„Hatte ich auch nicht anders erwartet. Wow, ich kann mich ja wirklich darin spiegeln."
Shego ging einmal um ihr leuchtend grünes Cabrio herum und war mehr als angenehm vom Glanz des Lacks überrascht.
„Naja, es wäre schlecht, wenn sie sich nicht darin spiegeln könnten. Ich habe sieben Schichten meiner selbst entwickelten Autopolitur aufgetragen."
„Sieben? Hätte es eine nicht auch getan?"
„Doch, aber besondere Autos von besonderen Persönlichkeiten, brauchen eine besondere Behandlung."
Handlanger Nr. 28 bewunderte Shego. Er war nicht verliebt in sie, er hatte eine wunderschöne Verlobte namens Vicky mit der er sehr glücklich war, aber Shego war die interessanteste Person, die er je treffen durfte. Wie sie selbst die schwierigsten Situationen meisterte, ihre Körperbeherrschung in Kampfsituationen und wie sie es schafft, jeden Tag mit Drakken auszukommen, ohne ihn umzubringen, all das fand er mehr als bewundernswert. Er würde es ihr nie sagen, aber sie war sein Idol, obwohl er eigentlich eine etwas andere Karriere anstrebte, als sie.
„Wissen sie", erzählte er, „ich will nicht immer Handlanger Nr. 28 bleiben. Irgendwann werde ich mein eigenes Unternehmen gründen. Autohandel und Zubehör und so. Meine Autopolitur werde ich zum Patent anmelden und sie sehen ja, wie hervorragend sie ist. Damit könnte, nein, damit werde ich Millionen machen."
Shego setzte sich hinters Steuer.
„Und warum bist du dann zu uns gekommen, wenn du lieber der neue Autokönig der USA werden willst?"
Normalerweise kümmerte sich Shego einen Dreck um die Interessen der Handlanger und auch Smalltalk verabscheute sie zutiefst, doch noch nie zuvor hatte ihr Auto derart geglänzt und eben das versetzte sie in eine ungewöhnlich gute Laune. Das und die Aussicht, ihre alte „Freundin" wieder zu treffen.
„Nun, wenn ich durch meine Politur erstmal an die Spitze gelangt bin, möchte ich auch dort bleiben und wie könnte man das besser, als mit illegalen Methoden? Ich hole mir hier nur ein paar Grundkenntnisse und knüpfe Kontakte."
„Da hättest du dir aber etwas besseres aussuchen sollen, als ein Handlanger von Drakken zu sein."
„Ach, manchmal muss man nehmen, was man kriegen kann. Eine schöne Fahrt wünsche ich."
„Besten Dank. Gut zu wissen, dass wenigstens ein Handlanger etwas auf dem Kasten zu haben scheint."
Mit diesen Worten gab Shego Vollgas und raste nach draussen. Kaum dort angekommen, musste sie auch schon eine Vollbremsung hinlegen. Obwohl sich das Geheimversteck fast mitten in der Wüste von Nevada befand und eigentlich keine Menschenseele in der Nähe sein sollte, hätte Shego beinahe jemanden überfahren. Eine junge Frau, Anfang 20. Sie sah aus, wie das typische Klischee des unscheinbaren Mauerblümchens, mit zwei „Pipi Langstrumpf-Zöpfen", grauer Kleidung und einer Brille. Keine dicke Hornbrille, eine kleine Brille, mit einem dünnen Gestell. Das Auto kam exakt 0,72 cm vor ihr zum stehen.
Nach einigen kurzen Schrecksekunden, in denen sich niemand bewegte, rief Shego: „Verschwinde gefälligst!"
Die Frau starrte Shego völlig entgeistert an und bewegte sich keinen Zentimeter.
„Ich zähle bis drei, dann fahre ich weiter, egal ob du immer noch da stehst oder nicht! Zwei!"
Diese Drohung schien zu wirken. Die Frau ging zur Seite. Shego warf ihr noch einen bösen Blick zu und fuhr dann weiter.

Die nächsten 1 ½ Stunden verliefen völlig unspektakulär. Zu unspektakulär. Die Landschaft um Shego herum bot nur Wüste, im Radio lief nur Mist und die CDs im Wechsler hatte sie einmal zu oft gehört. Wann immer ihr ein Auto entgegenkam, was aber leider nicht allzu oft passierte, drängte Shego es spaßeshalber von der Straße ab. Nur den riesigen, rostigen Tanklaster ließ sie in Ruhe. Er machte sie irgendwie nervös. Das lag vermutlich daran, dass der Laster gerade selber dabei war, einen Autofahrer abzudrängen.
Ansonsten passierte aber nichts.
Bis Handlanger Nr. 28 in der Garage ein merkwürdiges Geräusch hörte. Es klang wie ein Wackelpudding, den jemand an die Wand geworfen hatte und der nun langsam Richtung Boden waberte.
Nr. 28 sah vorsichtig nach, wo das Geräusch herkam. Er hatte alles erwartet, nur nicht das, was er schließlich vorfand.
„Verdammter Mist, verdammter. Das kann doch nicht wahr sein!" fluchte er und rannte zum Telefon.
Einige Sekunden später klingelte Shegos Autotelefon.
„Wer da und was geht es mich an?" meldete sie sich.
„Shego? Handlanger Nr. 28 hier!"
„Was gibt's?"
„Halten sie sofort ihr Auto an!"
„Wenn keine Bombe an Bord ist, sehe ich keinen Grund, das zu tun. Ist eine Bombe an Bord?"
„Schön, wenn es nur das wäre, aber es ist irgendwie schlimmer. Meine Autopolitur hat anscheinend eine...naja...Nebenwirkung."
„Nebenwirkung?"
„Ja, das heisst, ich weiss gar nicht, ob es wirklich meine Politur war. Normalerweise ist sie harmlos, aber ich trage auch sonst immer nur eine Schicht auf."
„Komm auf den Punkt!"
„Ich habe auch bei Drakkens Auto mehrere Schichten aufgetragen, zwar nur fünf, aber, naja, auf jeden Fall ist es jetzt geschmolzen?"
„Hast du gerade „geschmolzen" gesagt?"
„Ja. Also ich weiss nicht, ob es wirklich an meiner Politur liegt, aber wenn doch, sitzen sie in einer tickenden Zeitbombe!"
Eigentlich hatte Shego nicht vor, dem Ganzen glauben zu schenken, doch als ihr auffiel, wie die Fahrertür immer länger wurde und sich langsam über der Straße verteilte, entfuhr ihr doch ein: „Oh oh."
Als plötzlich das, was vorher die Motorhaube war, gegen die Windschutzscheibe klatschte, trat Shego mit beiden Füßen auf die Bremse. Bei der Vollbremsung platzte ein Vorderreifen. Das Auto kam ins Schlingern und trotz Shegos Fahrkünsten überschlug sich der Wagen exakt 12 mal und blieb am Straßenrand liegen.
Nr. 28 konnte den Großteil des Unfalls am Telefon verfolgen, hörte jetzt aber nur noch die Durchsage, dass „der von ihm gewählte Teilnehmer zur Zeit nicht erreichbar" ist. Er atmete einmal tief durch und rannte zum Aufenthaltsraum der anderen Handlanger.
„Handlanger Nr. 47", rief er. „Ich brauche dein Auto!"
Nr. 47 zog langsam seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche und warf ihn Nr. 28 zu.
„Wofür brauchst du ihn?"
„Keine Zeit für Erklärungen, ich habe Shego umgebracht!"
„Okay, bring Bier mit, wenn du wiederkommst!"
Nr. 28 lief zurück in die Garage und Nr. 13 fragte Nr. 47: „Hat er gerade gesagt, er hat Shego umgebracht?"
„Klang so."
„Meinst du, er hat?"
„Pff, wer weiss. Ich bezweifle es, schließlich ist sie nicht so leicht umzubringen."
„Und wenn doch?"
„Dann werden wir nicht mehr so oft geschlagen."
„Dann ist ja alles gut."