Dossa – Die Geschichte einer Sith-Lakaiin

1. Die Perlenkette

Der Strand von Pieralos füllte sich langsam mit Touristen, die ihre Decken ausbreiteten und sich darauf legten, um die Sonne Glee Anselms zu genießen oder aber um gleich in die blau-grünen Meeresfluten zu steigen, die an jenem Tag noch sehr zaghafte Wellen aufzuweisen hatten. Auch die ersten Händler waren schon am Strand zu finden, sei es, um frisch zubereitete Fisch- oder Palo-Nuß-Snacks anzubieten oder aber Souvenirs, welche die Touristen später auf ihren Heimatplaneten mitnehmen würden. Da gab es Flimsi-Plastkugeln mit dem Abbild von Glee Anselm, welche mit Wasser gefüllt waren und worin sogar Fischattrappen herumdümpelten oder aber die berühmten nautolanischen Perlenketten, deren Perlen auf Wampawollfäden aufgereiht waren, um so nahezu unzerreißbar zu sein. Diese Perlenketten in Weiß, Rosa, Hellgrün oder Hellblau waren vor allem bei den Damen sehr begehrt und so bescherten diese Perlen Unmengen von Tauchern, Juwelierläden und freien Verkäufern einen einigermaßen berechenbaren Umsatz.

Die achtzehnjährige Dossa stand mit ihrer gleichaltrigen Freundin Meerda am Stand und ordnete gerade an einem aufgestellten mannshohen Stand mit Sonnenschirm ihre Ladung von Perlenketten, die beide an diesem Tag verkaufen wollten. Natürlich hatten sich beide Mädchen schon vorher um Ordnung in ihrem Sortiment gekümmert. Aber Dossa war der Meinung, daß es langweilig sei, wenn sie einfach daständen und nichts täten, als frustriert und gelangweilt auf Kundschaft zu warten.

„Wenn wir immer mal wieder Ketten auf dem Ständer woanders platzieren, dann denken die Touristen, daß hier viele Leute kaufen und wir deshalb immer wieder von neuem Ordnung schaffen müssen. Sie sehen, daß wir zu tun haben und glauben, wir wären nicht auf sie angewiesen. Genau das bringt Kunden", erklärte sie Meerda, die sich auf diese Anregung hin ebenfalls anschickte, ein paar Ketten von einem Querstab auf den anderen zu hängen.

Sie mußten nicht lange warten, da kam eine ältere Menschenfrau auf sie zu und wollte gleich drei Perlenketten in verschiedenen Farben kaufen.

„Dreißig Credits für eine von den Kürzeren", gab Dossa den Preis vor.

„Fünfzehn", hielt die Kundin dagegen.

„Meine Dame, das ist noch nicht einmal der Preis, der auch nur die Hälfte der Gestehungskosten decken würde", gab Dossa schmallippig zurück.

„Na gut, Zwanzig für jede", ging die Kundin nach oben.

„Fünfundzwanzig", hielt Dossa dagegen.

Schließlich verkauften sie die drei Ketten für je dreiundzwanzig Credits.

„Sind fünfzehn Credits wirklich noch nicht einmal die Hälfte der Gestehungskosten? Ich dachte immer, die Taucher bekommen gerade mal fünf Credits für so viele Perlen wie für diese Kette", wunderte sich Meerda, nachdem die Frau außer Sichtweite war.

„Ach, das weiß diese unterbelichtete Person doch nicht", erwiderte Dossa mit einem mokanten Grinsen. „Sie hört einfach ‚noch nicht einmal' und sie denkt, sie hat zu wenig geboten. Sie denkt an die armen Leute, die für so wenig Geld geschuftet haben und bekommt Mitleid. Und genau das nutzen wir aus. Das kann man natürlich nicht bei jedem so machen. Aber bei diesem Typ Wesen funktioniert das sehr gut", erklärte sie.

„Du meinst, bei Menschen?", stieß Meerda nach.

„Quatsch! Idioten findet man bei jeder Spezies. Sie haben einen ganz bestimmten Blick. Und wenn man den erkennt …" beendete Dossa ihren Exkurs mit einem vielsagenden Lächeln.

Haazen stand etwas abseits und schaute gelegentlich verstohlen zu den beiden etwa 1,70m großen Nautolanerinnen hinüber, die ihn weder bemerkt hatten, noch sich im Moment sonst um andere Passanten kümmerten. Er überlegte, welche Perlenfarbe Krynda wohl am besten stehen, über welche Art von Kette sie sich wohl am meisten freuen würde. Ob eine der beiden Perlenketten-Verkäuferinnen ihm das vielleicht sagen, ihn beraten könnte? Aber so intensiv, wie die Beiden sich unterhielten, hatte er das Gefühl, zu stören. Wie so oft in seinem Leben. Haazen schalt sich für dieses Gefühl. Er war hier Tourist und ein potentieller Kunde. Genauso wie sein Freund Barrison. Barrison würde jetzt einfach zu den beiden Frauen hingehen und sie fragen. Und sie würden etwas sagen und dann würde er entweder kaufen oder nicht. Was war daran denn so schwierig? Er gab sich einen Ruck und strebte etwas zögerlich dem Perlenketten-Stand entgegen, während er noch überlegte, wie er die Konversation mit den beiden jungen Frauen beginnen sollte.

„Schau mal, der Mensch da ist schüchtern", sagte Dossa noch kichernd auf Nautila zu ihrer Freundin.

Meerda schaute kurz in die Richtung, in die ihre Freundin schaute, um den mittelgroßen schlaksigen, blassen Menschen mit dem braunen halblangen Haar und den wasserblauen Augen, der vielleicht Mitte Zwanzig sein mochte, zu fixieren und einzuschätzen. ‚Der braucht Hilfe', dachte Dossa, als sie sein Zögern und seinen melancholischen Blick im Bruchteil einer Standardsekunde erfasst hatte. Dann nahmen beide Frauen gegenüber dem potentiellen Kunden Haltung an und schenkten ihm ein doppeltes strahlendweißes Nautolaner-Lächeln, für welches diese Spezies in der Galaxis so berühmt war. ‚Na bitte, es geht doch', dachte Haazen und lächelte zurück.

„Guten Tag, meine Damen", begann er und wurde etwas rot, als sein Blick auf Dossas üppiges Dekolleté fiel, welches sie mit einer engen Bluse noch extra hochgeschnürt hatte, indem sie die beiden Enden der Bluse unterhalb ihres prallen Busens verknotet hatte, was überdies noch ihren perfekt geformten Bauchnabel zur Schau stellte.

„Womit können wir dienen?", fragte Dossa freundlich und einladend.

Haazen merkte sofort, daß diese grüne Nautolanerin mit den tiefschwarzen Augen diejenige von den Beiden war, die den Ton angab, während ihre blaue Freundin mit den weinroten Augen die Situation passiv beobachtete, ohne etwas zu sagen.

„Ich suche eine Perlenkette … für eine Freundin", begann er genauso zögerlich, wie er hergekommen war.

„Sie … ist noch nicht wirklich deine Freundin, kann das sein?", vermutete Dossa und sah ihm direkt in die Augen.

„Woher … ach, das ist jetzt nicht wichtig."

Haazen hatte bei den letzten Worten seine Stimme lauter und härter werden lassen. Zu intim war ihm diese Frage der Verkäuferin. Er wollte doch nur eine Auskunft, bevor er …

„Wenn du so zögerlich bei ihr bist, wie bei uns hier, dann wird das nie was", begann Dossa überlegen lächelnd zu erklären. „Du mußt wie ein Mann vor sie hintreten und ihr die Kette geben. Und dir dabei vorstellen, daß sie gar nicht anders kann, als sie von dir anzunehmen und sich darüber zu freuen", beendete sie ihre Hilfs-Lektion, um sich nun vorzustellen, daß dieser junge Jedi-Padawan hier vor ihr nun gar nicht anders konnte, als die Kette zu kaufen, um seine Angebetete damit zu beeindrucken. Bei den meisten Kunden funktionierte dieser Gedankentrick, auch wenn sich Dossa nicht erklären konnte, was genau da vor sich ging.

„Welche Farbe soll ich nehmen?"

Dossa lächelte fein. Das waren ihr die liebsten Kunden. Männer, die schnell etwas kaufen wollten und denen es weniger um den Preis ging als um das Ziel, nämlich die Frau ihres Herzens zu erobern. Denn die Frau würde sich auch nur für die Farbe interessieren – und dafür, ob die Perlen echt seien.

„Wie sieht die Freundin denn aus?", fragte Dossa.

„Sie ist schlank, hat lange blonde Haare, himmelblaue Augen und einen rosafarbenen Teint", erwiderte Haazen und schaute dabei verklärt auf das Meer hinaus, dessen schaumgekrönte Wellen unverdrossen gegen den Strand rollten.

„Dann sind hellblaue Perlen das Beste", entschied Dossa und hielt ihm eine Kette in der kleinsten Länge hin, so daß sie am zarten Hals der schlanken Frau nicht allzu sehr in die Tiefe baumeln und dann womöglich noch über oder unter den Rand des Kleiderausschnittes hinausgehen würde – ein ganz entsetzlicher Fauxpas, den sich eine modebewusste Dame nicht gestatten würde.

„Gerade die Blauen sind besonders teuer, weil sie so selten sind", behauptete Dossa und schickte einen leichten Seufzer hinterher. „Eine kostet dreißig Credits."

„Glauben Sie denn, ich kann sie mir nicht leisten?", fragte Haazen mit einem beleidigten Unterton zurück.

Er fühlt sich unterschätzt, gering geschätzt. Das also ist sein wunder Punkt', dachte Dossa.

„Das hast jetzt aber du gesagt. Ich würde mir so etwas niemals erlauben", entgegnete Dossa mit einer weit von sich weisenden Handbewegung. Aber ihr war sehr wohl bewußt, auf welch schmalem Grat sie in ihrem Verkaufsgespräch gerade wandelte. Also versuchte sie, bei diesen Worten so unverbindlich und freundlich wie möglich zu lächeln.

„Könnten Sie diese Kette mal umlegen, damit ich sehe, wie das aussieht?", hörte sich Haazen plötzlich sagen.

„Leg du sie mir doch mal um, dann kannst du gleich mal mit dem Verschluß üben, bevor du das bei deiner Freundin machen wirst", duzte Dossa Haazen unbekümmert weiter. Das war eine gute Gelegenheit, ihren Fauxpas von vorhin wieder gutzumachen, ohne mit dem Preis heruntergehen oder sich entschuldigen zu müssen.

Sie gab ihm die Kette und er öffnete spielerisch den Hakenverschluss mit seinen langen schlanken Fingern. Dann legte er die Kette um Dossas grünen Hals und verschloß sie in ihrem Nacken. Ihm wurde heiß, als sein Oberkörper dabei ihre vollen Brüste streifte. ‚Krynda hat nicht so großen kugelförmigen Exemplare, zumindest dem nach zu urteilen, was ihre prächtigen Kleider erahnen lassen …'

Haazen schalt sich für seine unziemlichen Gedanken.

Bloß, weil diese Verkäuferin hier direkt vor ihm so riesige wohlgeformte Brüste hatte, war das noch lange kein Grund …'

Nun, da er die Kette verschlossen hatte, trat er automatisch einen Schritt zurück, um wieder den Abstand zu gewinnen, der schicklich war.

„Na, wie gefällt es dir?", fragte Dossa mit einem herausfordernden Lächeln und wiegte ihre Hüften dabei hin und her.

„Die nehme ich", erwiderte Haazen und unterdrückte ein Keuchen, indem er kurz an den Frauen vorbei auf andere weniger wohlgeformte Touristen schaute, um seine aufgeputschten Sinne wieder auf Jedi-Linie zu bringen.

„Da hast du eine gute Wahl getroffen", lobte Dossa ihren Kunden mit einem herzlichen Lächeln.

„Das hoffe ich", erwidert Haazen, trat einen Schritt auf sie zu und wollte ihr die Kette wieder vom Hals abnehmen.

„Das mache ich jetzt lieber selbst", erklärte Dossa bestimmt und Haazen trat sogleich wieder einen Schritt von ihr zurück und zog seine Hände an seinen Körper, die schon im Begriff gewesen waren, ihren Hals erneut zu berühren. Es war ihm anzusehen, wie sehr er sich schämte, als er schräg nach unten wegschaute und etwas rot wurde.

Die beiden Mädchen sahen ihm hinterher, wie er nach erfolgreichem Kauf eilig mit der Kette verschwand.

„Menschen sind ja so eklig. Diese Haare!", mokierte sich Meerda.

„Nur, wenn sie fettig und ungekämmt sind. Zugegeben, der gute Junge von eben könnte auch mal wieder dieses Ding mit den vielen Zinken vertragen, wie immer sich das auch schimpft. Ansonsten sind sie gute Kunden", erklärte Dossa. „Leicht zu beeinflussen und sie kommen ja meist nicht so schnell wieder."

Nun begann die Mittagszeit und es wurde ruhig am Strand.

„Wir sollten die Kunden etwas animieren und sie mit irgendwelchen Sprüchen anlocken. Das habe ich bereits bei anderen Verkäufern gesehen", schlug Meerda angesichts der momentanen Geschäftsflaute vor.

„Wir sind aber nicht so wie die anderen Verkäufer", wies Dossa sie zurecht. „Wir sind hübsche junge Mädchen und wir haben das eigentlich nicht nötig. Genau das müssen wir den Kunden gegenüber ausstrahlen!"

Damit hatte sie ihre Freundin überzeugt. Als die Beiden am Abend zu ihrem Chef gingen, um ihren Verdienst abzuliefern und ihren Tageslohn zu kassieren, war dieser mehr als zufrieden. Wie immer.

„Und das hier ist eure Extra-Prämie, weil ihr heute wieder so fleißig wart. Ihr seid mein bestes Team. Weiter so!" ermunterte er sie.

Zufrieden ging Dossa, nachdem sie sich von ihrer Freundin verabschiedet hatte, zur Strandpromenade, die ganz Pieralos umspannte. Es war Abend geworden und die vielen blauen und grünen Häuser am Rand der Promenade sowie in weiten Teilen der nautolanischen Hauptstadt erschienen jetzt beinahe dunkelgrau. Aber die blutroten Blüten der etwa zehn Standardmeter hohen Meyram-Bäume, welche die Promenade rechts und links säumten, leuchteten nach wie vor. Ein Naturschauspiel, welches gerade in dieser Jahreszeit viele Touristen anlockte. Nachdem sie die Promenade erreicht hatte, hielt Dossa ein Gleitertaxi an, das sie nach Hause bringen sollte. Sie hatte wieder einmal so viel verdient, daß sie sich diese für sie noble Art des Transportes für diesen Tag leisten konnte. Sie würde eine Stunde Fußweg sparen. Und ihre Mutter mit den vier Geschwistern würde auch zufrieden sein über diesen Verdienst, der für die Familie lebenswichtig war.

Nachdem der Fahrer in einem Wahnsinnstempo den Rand des Belta-Slums von Pieralos erreicht hatte, hielt er abrupt.

„Weiter fahre ich nicht", erklärte er.

„So ein starker Mann wie Sie hat Angst?", fragte Dossa höhnisch.

„Wie ich schon sagte", meinte der Fahrer und blieb im nun auf dem Boden stehenden Gleiter sitzen in der Hoffnung, daß es die junge halsstarrige Dame endlich einsehen und aussteigen würde.

„Sie werden jetzt weiter geradeaus bis zum Peiros-Weg weiterfahren und halten, wenn ich es Ihnen sage", erklärte Dossa nun und wedelte dabei energisch mit den Händen.

Nun drehte sich der Fahrer langsam und mechanisch zum Lenker herum und setzte den Taxi-Gleiter wieder in Bewegung.

„Geht doch", flötete Dossa mit einem Grinsen. „Schließlich habe ich dafür bezahlt!", setzte sie in Genugtuung hinzu.

Dossa wusste um diese ihre Gabe, Leute derart suggestiv zu beeinflussen. Und sie hatte auch schon gemerkt, dass die meisten anderen Wesen diese Gabe nicht hatten.