„Wenn das Herz nicht mehr lebt…kann man es dann eigentlich wieder zum Schlagen bringen? Und wie kommt es wieder zu einem zurück?"
„Warum fragen sie das? Gehen sie jemanden anderen damit auf die Nerven…Mir steht nun nicht der Sinn für eine Konversation! WAS machen sie überhaupt hier? Hat das berühmte POTTER-TRIO wieder etwas geplant?", schnarrte die dunkle Stimme.
Ihre braunen, leeren Augen hielten dem starren Ziel stand, visierten diese dunkle, lange Robe, die ihren Überschuss zu Boden fallen ließ und seinem Aussehen somit etwas Geheimnisvolles wenn nicht sogar gefährliches verlieh.
Es war kalt. Doch nicht das allein machte dem jungen Mädchen Sorge. Es war nicht unbedingt die Kälte in diesem Gewölbe, in dem sie sonst so ungern verweilte. ES war die andere Kälte. Eine Kälte, die plötzlich in ihrem Körper wallte – in ihren Knochen, Muskeln…Organen. Eine innere Kühle, die sie schwächer werden ließ. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, denn ihre Erscheinung war nur mehr als fragwürdig beziehungsweise merkwürdig. Sie musste eine ANTWORT finden, warum SIE noch hier stehen konnte…SIE verstand nicht was passiert war…
Sie hatte lange überlegt. So lange gegrübelt. Selbst in der hiesigen Bibliothek gab es keine Erklärung für ihren Zustand. Einem Zustand, den es eigentlich nicht geben konnte – geben DURFTE!
Professor Severus Snape war womöglich der Einzige in Hogwarts, der ihr helfen konnte. Sie musste es sich einfach nach 24 Stunden des langen Suchens nach Erklärungen eingestehen.
Ihr Eingeständnis hatte sehr lange gedauert, denn es war bereits kurz vor Mitternacht, als sie sich aus dem Mädchensaal hinaus geschlichen hatte. Es war schon dunkel, nicht mal die berühmten, und doch lästigen Geister schwebten noch durch die Gemäuer. Nur ein paar Portraits hatten ihre schnellen Laufschritte bemerkt. Diesen schnellen Atem… doch etwas war anders gewesen, als sie hier angekommen war. Angekommen in den Kerkern…in den dunkelsten Gemäuern Hogwarts. Sie hatte etwas ganz wichtiges nicht mehr gespürt. ES war nicht mehr da…einfach nicht da…
Noch immer beherrschte sie die Angst, eine so tiefe Panik lag in ihrer Stimme, doch Snape schien diese Emotionen nicht wirklich zu bemerken und wenn doch, war es ihm einerlei. Denn alle Schüler hatten vor ihm Angst.
DOCH ihre Angst hatte andere Gründe…und wieder öffnete sie ihre Lippen, wieder wollte sie ihm erklären, was geschehen ist.
„Aber es ist nicht mehr in meinem Körper…, Professor...verstehen sie denn nicht?"
Stille.
„Professor?"
„Ich habe sie schon bei ihrer ersten Frage verstanden, Miss Granger! Mir entzieht sich nur leider vollkommen die Kenntnis wieso sie mich mit solchen Gefühlsduseleien aufhalten.
„Entschuldigen sie, Sir! Ich dachte…!"
„Sie dachten? – Sie denken doch IMMER. Das ist bei ihnen ja nichts neues…vielleicht sollten sie mal ihren Freunden verraten, wie das mit dem Denken funktioniert!", antwortete er mit scharfen Unterton und schien seine Unterlagen auf seinem massivem Schreibtisch zu ordnen. Noch immer drehte er sich nicht um, stand mit dem Rücken zu ihr, als wäre sie einfach nicht existent.
„Bitte, Sir! Sie sind der einzige, der…!"
„DER was? HM?"
„Könnten sie mich bitte ansehen, wenn ich mit ihnen spreche, es verwirrt mich…wenn sie so tun, als wäre ich nicht anwesend!"
Mit einer Wucht, die Hermine Granger niemals für möglich gehalten hätte, drehte sich der Mann zu ihr herum. Ein verzerrter Ausdruck in seinen schwarzen Pupillen, wütend über ihre Bitte und überhaupt über ihr Erscheinen lag darin vergraben.
„Gehen sie zu Bett, Miss Granger. Es ist schon spät. Normalerweise sollten sie um diese Zeit nicht mal mehr hier unten sein…aber da ich sowieso meinen Rundgang machen wollte, kann ich ihnen auch sofort 10 Punkte von Gryffindor abziehen…für zu spätes Herumlungern und Aufhalten eines Lehrkörpers…", sagte er sofort mit kalter Stimme, die normalerweise keine Widerworte duldete. Doch Hermine war nicht den ganzen Weg gelaufen, um sich nun wieder abspeisen zu lassen. NICHT jetzt. NICHT kurz vor EINER möglichen Antwort!! 10 Punkte waren doch GAR nichts, nicht zu vergleichen mit ihrer momentanen Situation.
Noch versuchend ihren schnellen Atem zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen, besonders die nervende Frage, wieso sie gerade Professor Snape aufgesucht hatte…versuchte sie ganz selbstverständlich zu verdrängen.
„Ich muss es wissen!", bat sie mit flehendem Blick in seine Augen hinein, die sie daraufhin nur grotesk abmusterten.
„WAS wissen? Haben sie mich EBEN nicht verstanden?" Seine Stimme echote in seinem kalten Büroraum und traf sie unvorbereitet.
Hermine schrak zusammen. Und die Frage, wieso sie nun hier war, kam wieder hoch.
„Warum…warum ich mein Herz nicht mehr fühle!", kam es leise über ihre Lippen, ohne auf seine Worte einzugehen, sie konnte jetzt nicht gehen, nicht JETZT. Sofort senkte sie verunsichert den Blick zu ihren Füßen, als Snape wohlbekannt seine Augenbraue hoch zückte und sie mit einem Blick maß, der eindeutig Irritiertheit ausstrahlte. „WAS fragen sie da überhaupt, Granger? Sie reden ja wirres Zeug. Sind sie betrunken? GEHEN sie zurück in den Mädchensaal…"
„N-nein…Professor…bitte helfen sie mir. Gibt es…gibt es einen Zaubertrank dafür?"
„FÜR was? Ich verstehe nicht was sie wollen und ich habe auch sicherlich keine Lust mir weiterhin ihre törichten Sprüche anzuhören, die keinen Inhalt zu haben scheinen."
„Mein Herz…es…es…!", Hermine verfiel ins Stammeln und Snape kam einen Schritt auf sie zu und beugte sich etwas herunter. Seine Augen funkelten.
„WENN es nicht mehr schlagen würde, Miss Granger…einmal für Kinder erklärt…dann würden sie sicherlich nicht hier stehen können um mich zu nerven. UND nun RAUS aus meinem Büro!"
„Verstehen sie…sie denn nicht?", stotterte sie weiter und schaffte es nicht ihre bernsteinfarbenen Augen zu ihm nach oben zu richten. Starrte nur herunter und konnte nur seine bekannte, schwarze Robe mustern.
„Ich verstehe sehr gut, wenn das ein Versuch sein sollte mich von irgendwelchen Potter-Aktivitäten abzulenken…dann können sie was erleben und Gryffindor hat Morgen früh keinen einzigen Punkt mehr, haben SIE Mich DA verstanden?"
Er rauschte an ihr vorbei und umfasste die schwere Messingklinke seiner geschlossenen Bürotür, öffnete diese und Hermine spürte im Rücken seinen eiskalten Blick.
„Ich...ICH habe…habe kein Herz mehr", wiederholte sie leise und drehte mit panischem Gesichtsaudruck endlich ihr Gesicht über die Schulterkuppe. Die Augen ihres Lehrers weiteten sich für eine Sekunde, dann schloss er seine Augenlider und senkte das Kinn.
„RAUS!"
Seine laute, undurchdringliche Stimme ließ Hermine erneut erzittern. Die Gänsehaut schwappte nun durch ihren ganzen Körper. Wieso verstand er nicht? Verstand er diese Worte nicht? Mit kraftvoller Stimme, die sie in ihre nächsten Worte legte, fing sie an zu sprechen:
„Sir…dann fühlen sie doch meinen Puls…ICH…ich habe keinen mehr…", versuchte sie noch einmal, doch ihr Lehrer für Zaubertränke schüttelte genervt den Kopf, als wäre er von einer Gestörten umgeben.
„GEHEN SIE JETZT ENDLICH!", raunte Professor Snape ihr entgegen und wies mit ausgestrecktem, rechten Arm auf den Kerkergang hinaus.
Hermine kam wirklich seiner Aufforderung nach, doch kurz bevor sie an ihm vorbei schritt, blieb sie stehen. Und zu Snapes vollkommener Verblüffung, umfasste sie seinen ausgestreckten Arm, umschlang sein Handgelenk und schaffte es sogar seine Finger auf ihren Hals zu legen. Es ging alles so schnell, dass er nicht einmal reagieren konnte. Reaktionslos starrte er sie an, wollte sie anschreien und ihr endlose Punkte abziehen für diese Dreistigkeit. Doch zugleich öffneten sich seine Lippen vor Sprachlosigkeit und Verwirrtheit.
„Sie haben…haben keinen Puls, Miss Granger.", seine Augenbrauen zogen sich bei der Erkenntnis zusammen, während er ihr in die Augen hineinsah.
„DAS sagte ich doch schon die ganze Zeit."
„Haben sie irgendeinen Zauber angewandt von dem ich wissen müsste!", wollte ihr Lehrer wissen und nahm seine Hand von ihrem kühlen Hals. Nun war es in Vergessenheit geraten, dass er sie wegschicken wollte.
„Nein…!"
„LÜGEN SIE MICH NICHT AN, Granger!", raunte er dicht vor ihrem Gesicht zurück.
„Ich lüge nicht. ganz sicher nicht. Bitte helfen sie mir…!" Ihre Augen funkelten ersuchend.
„Wieso sind sie überhaupt zu mir gekommen?"
„Sie sind DER Meister in Zaubertränke und dunklen Künsten…!"
„Und sie glauben, ich könnte ihnen sagen, was mit ihnen los ist? Jetzt? Haben sie mal auf die Uhr gesehen? Ach ich vergaß…mit wem sie zusammen sind, da ist es ja nicht verwunderlich, dass sie verlernt haben, wie man eine Uhrzeit richtig abliest!"
In Hermines braunen Augen sammelten sich Tränen der Hoffnungslosigkeit. „Harry und Ron wissen nichts davon…", ihre Stimme brach, „und ich weiß wie spät es ist…glauben sie mir, ich wollte sie nicht stören…wirklich…aber nur sie können mir helfen. Ich bin sicher, das…"
„Seit wann?"
Hermine sah ihn fragend an, blinzelte vermehrt.
„ICH will wissen, seit wann sie keinen Herzschlag mehr haben…", tobte er.
„Seit der letzten Vision…!", kam es kleinlaut zurück.
„Vision? Das wird ja immer interessanter Granger…nur weiter…!"
„Ich habe…habe es niemanden erzählt, weil…", druckste sie herum.
„WEIL? Ich bin gespannt. WISSEN sie eigentlich was sie anrichten können, wenn sie solcherlei Dinge verheimlichen?"
Hermine zuckte zusammen, als seine Hände ihre Schultern umfassten, und sie anfingen etwas zu schütteln.
„Ich habe gedacht, dass sie wenigstens etwas Verstand besitzen…Granger! Aber ich muss gestehen", seufzte er, „ dass ich da wohl zu hoch gegriffen hätte, wenn es so wäre, stimmts? Waren sie schon beim Schulleiter, Miss Granger?"
„N-Nein…ich…bin sofort zu ihnen", sprudelte es über ihre trockenen Lippen. Obwohl dies gelogen war, sie hatte um ehrlich zu sein, nicht darüber nachgedacht zum Direktor zu gehen…
„Ein wenig spät, finden sie nicht?", kommt es unverhohlen zurück.
„Bitte Sir, versuchen sie mir nun keine Predigt zu halten…!", ihre bernsteinfarbenen Augen begannen zu glitzern, doch sie gestattete den drückenden Tränenperlen nicht die Freiheit.
„Was für eine Vision bekamen sie?"
„Das kann ich…kann ich nicht sagen"; schoss es sofort aus ihrem Mund. Ihre Pupillen weiteten sich und ihr Körper schien auf einmal wie versteinert in seinen Handflächen, die noch immer grob ihre Arme umfassten.
Verblüfft hob er wieder seine Augenbrauen.
„Warum nicht? Wenn sie um diese späte Stunde noch meine Zeit verschwenden wollen, dann glauben Sie mir, ein weiterer Punkte-Abzug ist dann ihr geringstes Problem, Granger!"
„Die Vision war…von…", zögerlich hob sie ihr Kinn an und betrachtete sein blasses Gesicht, eingerahmt von schwarzen, kinnlangen Haaren. Eine Weile betrachteten sie sich im Schweigen, bis Snape die Stirn runzelte.
„…deute ich ihr Schweigen nun richtig? Miss Granger? Handelte die Vision von…", fragte er mimiklos und seine Stimme blieb plötzlich stumm. Snape neigte sein Gesicht zur Seite, musterte ihre Augen genauer, die ihn unverhohlen und direkt mit purer Panik abmusterten.
Sie schluckte fest. Nur sein rechter Mundwinkel zitterte plötzlich minimal los ohne dass er es zu bemerken schien. Fest hielt er ihren angstvollen Blick stand und hatte für eine Weile das Gefühl, als würde er alles in ihren tellergroßen Pupillen sehen können…zumindest das letzte WORT, was sie nicht auszusprechen wagte.
„Ja Sir! Die Vision war von ih--…"
„Sie müssen mir schon verraten, was geschehen ist! NUN REDEN SIE ENDLICH!", wieder schüttelte er sie leicht durch. Ihre braunen Locken flogen zu allen Richtungen. Und das wässrige Glitzern in ihren Augenlidern schimmerte so stark wie Spiegelglas. Sie getraute sich nicht…traute sich nicht ihm zu vertrauen, ihm zu sagen, was sie gesehen hatte…
Ihr Mund wurde so trocken, auf einmal… Tiefer spähte sie in seinen nahen, verschlossenen schwarzen Pupillen hinein, die mit seiner dunklen Iris kaum mehr einen Gegensatz aufwies.
„Sie…Sie sind gestorben in meinen Armen, Professor!", ihre Stimme zitterte wie Espenlaub, stammelte die Buchstaben nur so hervor. Sie wusste, dass normalerweise ihr Herz bis zu ihren Ohren gedröhnt hätte. DOCH ihr Puls war nicht zu bemerken, nicht mal das Schlagen ihres Muskels in ihrem Brustkorb…und doch…
„Aber…aber sie atmen…sie…sie stehen vor mir…ich verstehe nicht, wie…", er sprach aus, was sie dachte, schüttelte den Kopf und reagierte zuerst nicht auf ihre Offenbarung der Vision. Hermine zwinkerte vorsichtig. Hatte Snape ihr zugehört?
Erst jetzt…eine winzige Sekunde später, griff er fester um ihre Arme. Einige Minuten lang verharrte er vollkommen regungslos. Als würden ihn erst jetzt ihre Worte erreichen…
Snape ließ sofort ihre Oberarme los und trat einen Schritt zurück, rammte mit dem Rücken gegen seine eigene Tür und starrte sie entgeistert an.
„Seitdem hat mein Herz aufgehört zu schlagen und trotzdem kann ich noch hier stehen und mit ihnen reden…Bitte Sir…was passiert mit mir? Wieso kann ich noch atmen, wieso fließt noch mein Blut? Wieso lebe ich noch?"
Ihre Stimme drang zu ihm durch, doch seine Gedanken schienen ihre Worte kaum aufzunehmen, zu sehr wirbelten sie wie in einem Schneegestöber. Seine dunklen Augen fixierten sie länger als gewollt, seine Mimik war noch immer ausdruckslos, zulange hatte er bereits gelernt seine Emotionen vor dem dunklen Lord zu verbergen. Doch zu diesem Moment schlugen alle auf ihn ein und er konnte nicht damit umgehen.
Sein Rücken rammte fester gegen seine eigene Tür.
„Ich weiß es nicht", hörte er seine eigene Stimme antworten. Hermine Granger stand noch immer vor ihm, wollte eine Antwort – aber er konnte sie ihr einfach nicht geben, „…Ich weiß es wirklich nicht, Miss Granger!"
„Professor? Professor? Ist alles in Ordnung?"
Er wusste nicht wie lange er einfach so paralysiert dagestanden hatte, wusste nicht mal ob er irgendwelche Emotionen preisgegeben hatte. Er blinzelte schnell und straffte sich. Zog seine schwarze Robe enger um sich und ging aus seinem Büro…Flucht in den Kerkerflur.
Mit noch angespannten Zügen versuchte er schnell Herr der Lage zu werden, bevor er sich wieder zu seiner jüngeren Schülerin umwandte.
„Begleiten sie mich. DAS duldet nun keinen Aufschub…!" Er ging einfach vorwärts. Snape wusste, dass sie hinter ihm war, sogar Schritt hielt…er hörte ihren schnellen Atem.
Seine Robe wallte hinter ihm mit jedem schnellen Fußauftritt.
Wieso konnte sie noch laufen, gehen, stehen, leben? Ihr Herz schlug nicht mehr…DAS machte doch alles keinen Sinn…
WAS passierte mit diesem Mädchen? Er verstand es nicht…
„Wohin gehen wir?"
„WOHIN wohl, Miss Granger…Außer ihrem Herzen scheint wohl auch ihr Verstand abgeschaltet zu sein…WIR sind auf dem WEG zum Schulleiter."
„Mein Verstand arbeitet noch hervorragend, Sir!", gab sie schnippisch und atemlos zurück.
„Zügeln sie sich in ihrem Ton, Granger. Sie können sich glücklich schätzen, dass ich ihnen jetzt keine Punkte mehr abziehe…!"
„Ja wie komme ich überhaupt zu dieser Ehre?", sie atmete heftig. Snape konnte es hören…Es war ihm normalerweise egal, ob die Schüler hinter ihm herhechteten, aber schließlich verlangsamte er etwas seine Schritte und blieb schließlich stehen, schaute zurück zu ihr.
Sofort runzelte er die Stirn als Hermine dicht vor ihm stehen blieb und versuchte ihren Atem zu beruhigen…sodass es ihm nicht auffiel.
„Sie sind nass geschwitzt…", fiel es ihm sofort auf.
„Was sie für eine tolle Auffassungsgabe besitzen…Wahnsinn", murrte Hermine und verschluckte sich fast an ihrem eigenen Speichel. Es war ihr unangenehm…sehr sogar. Sie wollte nicht so mit ihm sprechen. ER war trotz allem noch eine Respektperson, obwohl sie ihn nicht mochte…aber er war nun der einzige Mensch, der von ihrem Problem wusste…Wieso zur Hölle war sie nur zu ihm gegangen, warum nicht zu Dumbledore? Oder Harry? Harry hätte es sicher verstanden, er hatte auch ständig Visionen…er hätte ihr vielleicht auch helfen können…
Seine dunklen Pupillen verengten sich, während er sie abschätzig musterte und mit ansah, wie sie in Gedanken festsaß.
„Normalerweise – und davon können sie ausgehen – interessiert es mich nicht wie es irgendeinem Schüler geht…aber…geht es ihnen gut?"
Seine persönliche Frage ließ sie erschaudern und ihre Gedanken ebbten ab. Ihre glasigen Augen starrten ihn verblüfft an.
„Es geht, ich…glaube es geht wieder. Gehen wir weiter…aber…etwas langsamer…wenn es ihnen nichts ausmacht!", fügte sie die letzte Bitte leise hinzu und schaute ihn zerstreut entgegen.
Snape nickte kaum merklich.
„Professor…haben sie eine mögliche Erklärung für meinen Zustand?", hörte er ihr Flüstern, dieser Wunsch enthaltend, es ihr zu erklären. Ihm war das alles auch nicht geheuer.
„Sie meinen den Zustand…dass sie noch leben, sprechen und atmen können?" Er durchschritt die große Vorhalle, darauf bedacht dass sie dicht hinter ihm ging.
„Jaaa…", krächzte sie plötzlich und Severus Snape blieb unvermittelt stehen, drehte sich mit einer Wucht und Angespanntheit herum und starrte sie wieder an, sie hatte noch nicht wirklich zu ihm aufgeschlossen, fixierte den Boden und keuchte nach Luft.
„Ich weiß es nicht…Granger ist alles in Ordnung?", wollte er wissen, als sie schlauchend vor ihm stehen blieb.
„JA verdammt", versuchte sie trotzig und versuchte zur Seite zu sehen, versuchte nicht seinen Blick zu sehen, zu registrieren…sie wollte sich so niemanden zeigen und vor ihm war es Hermine besonders unangenehm. Snape würde sich lustig machen, er würde nun dieses zynische Lächeln aufsetzen und sich daran ergötzen, wie schlecht es einem Schüler gehen konnte…ihr war so übel auf einmal, so schwindelig und sie konnte kaum noch richtig atmen…
Sie spürte ihren eigenen Puls nicht, ihr eigenes Leben nicht mehr…ihr Mund war soo trocken…
„Ich glaube NICHT", schnarrte er wissend zurück.
Ungewollt seines normalen Verhaltens gegenüber unterbelichteten Schülern und Schülerinnen, die er alle nicht ausstehen konnte, beugte er sich etwas vor und legte seine Handfläche auf ihre verschwitzte Stirn. Seine Fingerstränge zuckten…HITZE….soviel Hitze strömte auf einmal ihre Haut aus.
Hermines Panik ergriff ihren schmalen Körper. Zum ersten Mal fühlte sie seine Hand auf ihrer Stirn, fühlte eine Wärme…Merkwürdigerweise hatte sie immer geglaubt – irreführend – dass Professor Snape keine Wärme besaß…Sie wusste, dass es Schwachsinn war, aber durch sein Verhalten Schülern gegenüber hatte sie irgendwann Ron und Harry geglaubt, als sie scheinbar ihre Meinung darüber äußerten, dass die dunkle Kerkerfledermaus überhaupt keine Wärme in sich bergen konnte. Sie schluckte einen bitteren Kloß herunter und steuerte seine schwarzen Augen an, die eine Weile regungslos ihre Stirn mustern. Seine Fingerstränge lagen regungslos, nur ein paar ihrer Ponysträhnen schienen nun aus eigenem Willen über seine Handfläche zu fallen.
„Was ist, Sir?", wollte sie wissen, als ihr Lehrer nicht mehr reagierte. Seine Hand ruhte noch immer auf ihrer Stirn. Ihre Pupillen weiteten sich. Seine schwarzen Augen musterten die ihrigen.
„Sie spüren es nicht…habe ich Recht?"
Ihr Hals schnürte sich schon fast zu, wollte verhindern dass sie ihm die Wahrheit sagte. Was genau sollte sie denn fühlen?
„Sie verbrennen innerlich…", kamen weitere Worte, doch das war es nicht was sie noch mehr ängstigte, denn plötzlich verschwand die Wärme aus seiner Hand...alles verschwand…als würde…
„Ich….ich fühle ihre Berührung nicht…mehr…ich…" Sie stieß einen gewaltigen Schritt nach hinten zurück... Fluchtgedanke…Doch sie kam nicht weit, denn ihr Lehrer ergriff ihren Oberarm. Erschüttert musterte Hermine seine Hand, aber plötzlich spürte sie auch diese Berührung nicht. Funkelnd um Hilfe schreiend musterte sie ihren Zaubertränkelehrer, der mit dem ganzen auch überfordert wirkte. „Aber das kann DOCH nicht…Beruhigen sie sich wieder verdammt noch mal..."
Ihre Pupillen suchten unruhig den Boden unter ihren Füßen ab, sie wollte weg von hier…OH Gott…sie spürte seinen Griff nicht mal mehr…was zur Hölle??
„GRANGER…es wird sich alles klären….KOMMEN sie endlich!"
Doch sie reagierte nicht, starrte auf seine Hand auf ihrem Oberarm, doch sie spürte sie nicht…Ihre schwarzen, tellergroßen Pupillen hoben sich zu seinem Blick empor.
„Können sie weiter gehen?"
Hermine überlegte, horchte in sich hinein. Wollte sich keine weitere Blöße geben. NEIN, sie war stark…egal was mit ihr los war…sie konnte ja wohl noch die Schritte zu Dumbledores Büro gehen…der Direktor konnte ihr sicherlich helfen….er hätte für alles eine einfache Erklärung… DOCH als hätte ihr Körper nur auf ihr Nicken gewartet, schwankten bei ihrem nächsten Schrittversuch ihre Beine, knickten ein und hätte ihr Lehrer nicht noch ihren Oberarm festgehalten…dann wäre sie gefallen…
Sie stieß erschrocken einen Schrei aus, der in der Vorhalle von allen Wänden widerhallte.
Snape packte sie noch fester und hielt sie auf ihren wackeligen Füßen aufrecht.
„Ich denke, das beantwortet meine Frage", murmelte er entschieden und musterte sie mit tiefem Blick aus dem sie sich nicht befreien konnte.
Peinlich berührt schielte sie zur Seite.
„Miss Granger, sie werden hier bleiben…ich werde den Direktor holen…"
Er wollte sie loslassen, sie zu Boden drücken, doch Hermine schüttelte ängstlich den Kopf. Eine goldbraune Locke fiel ihr dabei vor die Augen.
„NEEEIN", schrie sie plötzlich los, „bitte…gehen sie nicht weg!"
Snape schaute verdutzt zu der jungen Schülerin.
„Ich komme ja wieder", sagte er und ließ sie wirklich los. Aber nicht weil er gehen wollte, sondern weil Tränen über ihre blassen Wangen liefen.
Entnervt ließ er seine Augen über ihr Gesicht schweifen. „Reißen sie sich zusammen", fuhr er sie an und musterte sie streng.
„Bitte kommen sie zurück…", murmelte sie beschwörend und saß auf dem kalten Marmorboden, kauerte sich zusammen und röchelte wieder nach Luft.
Snape atmete tief durch. Seine Gedanken schwirrten in seinem Kopf, als er seine Schülerin musterte, die voller Furcht zu ihm hochsah.
„Ich verspreche es!" Er hörte seiner eigenen Stimme zu, die plötzlich so etwas äußerte, was er überhaupt nicht von sich kannte.
Hermine blinzelte und schaute schnell zu ihren Beinen, die sie sich an den Körper zog, als Severus Snape ihr noch einen schnellen, zerstreuten Blick zuwarf, sich dann mit einem Ruck umdrehte und die Treppenstufen hinaufeilte.
Nur leblosen, kalten Wind ließ er zurück.
