Kapitel 1, Überlebende?

Ort: Ardossystem,

Executor, Flaggschiff Lord Vaders,

im Orbit um den Trümmerplaneten Varl

Zeit: 6. Imperiales Standardjahr

„Suree-vah, das ist nicht nur der Name dieses Volkes, ihres Planeten. Suree-vah, dieser Begriff beschreibt ihr innerstes Selbst, das Verständnis ihres Seins und somit auch das Ziel ihrer Existenz. Suree-vah werden fünffach geboren, ihrem Glauben folgend, dass alles was existiert, bis hin zum Universum selbst, fünf Zyklen bis zum Äonenwechsel durchwandern muss."

„Ihr Volk ist ein Zerrbild, ihr Glauben eine Beleidigung, ihre Gesellschaft eine Abnormität!" Mit Abscheu spie sie begleitet von einem röchelnden Husten jedes ihrer Worte wie einen Giftpfeil aus.

„Erst wenn ihr Nachwuchs die Rituale und Prüfungen der fünf Zyklen abgelegt hat, oder genauer gesagt, überlebt hat, werden sie Suree-vah und damit ein Teil der Gemeinschaft. In den Jahren davor sind sie nur Sarub, Nebelgeister. Sie gehören nicht zum wahren Volk, sind kein Teil der Clans, kennen ihre Eltern und Familien nicht. Sie sind Nichts und haben nichts, noch nicht einmal einen eigenen Namen."

„Alle sind sie Sarub – oder tot!"

Schweigend beobachteten die beiden Männer die schmale humanoide Frau ihnen gegenüber, doch sie schien nicht gewillt zu sein, ihren abpruppt abgebrochenen Bericht fortzusetzen. Mit entrücktem Blick wand sie ihren Kopf zur Seite und betrachtete dabei von ihrem Bett aus die am Fenster der Krankenstation vorbei ziehenden Sterne. Doch die Bilder, die vor ihren Augen vorbei zogen, lagen Lichtjahre entfernt von diesem Ort. Nur der Schmerz war hier, in ihr, und bohrte sich von Sekunde zu Sekunde tiefer in ihr Innerstes. Sie wusste, er würde sie ihr Leben lang begleiten, genauso wie die Narben der Suree-vah Rituale auf ihrem Körper und ihrer Seele.

Mit einem in ihren Ohren unangenehm klingenden metallischen Surren kam einer der Medidroiden an ihr Krankenbett gerollt und überprüfte emotionslos die Anzeigen der Diagnosegeräte. Für seine Patientin selber, die hohlwangig und mit fiebrigglänzender Haut mit ihrer ausgemergelten Gestalt scheinbar im Krankenbett verschwand, zeigte die Maschine kein Interesse. Nach einigen Minuten ratterte der Droide für die beiden anwesenden Männer seinen medizinischen Statusbericht herunter. Erschöpft schloss derweil die bleiche Frau ihre Augen, sie verstand nur einzelne Bruchstücke des gesagten, „Vitalzeichen instabil ... Mangelerscheinungen ... vielfältige Anzeichen für Folter ... unzureichend verheiltes Narbengewebe und Brüche ..." Während sie weiter versuchte der monotonen Stimme des Medidroiden zu folgen, glitt ihr Bewusstsein langsam in Dunkelheit ab und sie fiel in einen düsteren und unruhigen Dämmerschlaf.

Als der Medidroide seinen Bericht beendet hatte und sich wieder entfernte, befahl der ältere der beiden Männer seinem Begleiter mit einem kurzen Kopfnicken ihm aus der Krankenstation zu folgen. Bevor sich die automatischen Schiebetüren mit einem leisen Zischen hinter ihnen schlossen, warf Commander Jalreck jedoch noch einen letzten nachdenklichen Blick zurück auf die Überlebende.

Überlebende – Welche Übertreibung doch in diesem Begriff lag, wenn man ihn auf diese zerschlagenen Überreste eines Humanoiden in diesem Krankenbett bezog, schoss es ihm zynisch durch den Kopf. Auch wenn sie bisher nur wenige nicht unzusammenhängende Informationen über diese seltsame Frau und die Ereignisse, die sie letztendlich an Bord dieses Schiffes geführt hatten, besaßen, so war er sich nach diesem ersten persönlichen Treffen mit ihr nicht sicher, ob sie tatsächlich – überlebt – hatte. Was auch immer ihr widerfahren war, Commander Jalreck, hochdekorierter Kriegsveteran und Käpt'n der Executor, war sich absolut sicher, noch nie in seinem Leben so deutlich den Tod in den Augen seines Gegenübers gesehen zu haben.

Und er hatte in den Einsätzen und Schlachten in den letzten Jahren der Klonkriege sicherlich tausende Soldaten sterben sehen.

Ein Frösteln lief dem großen Mann über sein breites Kreuz als er sich noch einmal den Ausdruck in den Augen der mysteriösen Frau in der Krankenstation in Erinnerung rief.

Nachdenklich strich sich Commander Jalreck über seinen eisgrauen Bart, während er gedankenversunken vor den Türen der Krankenstation stehen blieb. Lord Vader, Kommandant der imperialen Flotte, erwartete in seinen Gemächern seinen Bericht über die Befragung. Doch was sollte er ihm berichten? Eine wirre Geschichte über ein dem Imperium unbekanntes Volk, das bizzarre und gewalttätige – nun sagen wir mal – Verhaltensweisen pflegte? Unbestätigte Aussagen einer Todgeweihten im Fieberwahn?

Lord Vader war nicht bekannt für seine Geduld Untergebenen gegenüber, dass konnten allein schon seine Vorgänger auf der Brücke der Executor bestätigen, welche allesamt durch die Hand Darth Vaders umgekommen waren. Er selber war sicherlich nicht bereit ihrem Weg zu folgen – also was tun? Die vage Möglichkeit einer Bedrohung für das Imperium verschweigen? Wieder glitt unbewußt die Hand des erfahrenen Käpt'ns über seinen Bart, während er schmerzlich seine Augen zusammen kniff.

Nach einem weiteren kurzen Moment traf Commander Jalreck seine Entscheidung und wandte sich mit entschlossenen Schritten den Turboliften am Ende des Ganges zu. Mit einem kurzen Stirnrunzeln quittierte er dabei wie sein junger Adjutant überrascht von der plötzlichen Kehrtwende seines Vorgesetzten dabei über seine eigenen Füße stolperte.