Prolog

Um ihn herum tobten die Kämpfe, das Schreien sterbender Männer, welches sich kaum vom wahnsinnigen Brüllen der Bestien unterschied, das mechanische Stampfen der MI und das entfernte Donnern der Zauber und Raketen, das langsam immer näher Rückte. Alles war zu einem Gewitter aus Geräuschen vereint, das gegen seinen Verstand brandete. Er spürte den rauen Stein der bröckelnden Säule in seinem Rücken, die beißende Luft und ihren ekelerregenden Gestank in seinen Lungen mit einer adrenalingeladenen Intensität. Magische Sprüche aus Feuer, Eis und Blitzen krachten unstet gegen den übermächtigen Feind, andere barsten mit dem Geräusch splitternden Glases. Sein Herz pochte ein heftiges Stakkato in seiner Brust, ließ seinen Atem schneller werden und Schweiß aus sämtlichen Poren treten.

Er hatte mit seiner Einheit Deckung in einem von den andauernden Kämpfen gezeichneten Villenkomplex gesucht. Die Bewohner waren bereits vor Jahren geflohen und nun waren von den einst stolzen Gebäuden nur noch Mauern und Säulen und zersplittertes Mobiliar übrig. Die Säule hinter der er stand befand sich nahe am Eingang, dessen reich geschnitzte Flügeltüren schief in den Angeln hingen. Wem dieses Gebäude wohl einst gehört hatte?

Der Hof vor ihm wurde von Explosionen erschüttert, die ihm die Zähne klappern ließen, als eine Reihe magischer Feuerbälle auf die heranrückenden Feinde niederregneten. Er wagte einem Blick nach oben und erblickte eine Gleve aus dem Magiertrupp seiner Einheit, die auf einem gezackten Mauerrest über ihm hockte, lodernde Flammen in den geballten Fäusten, konnte jedoch nicht erkennen wer es war, da Schweiß und Dreck seine Sicht behinderten. Das Kreischen berstenden Metalls und das Brüllen eines Behemoths klingelten in seinen Ohren, während ihm der süßliche Geruch gebratenen Fleisches in die Nase stieg. Ihm wurde übel.

Bald war es soweit. Sie mussten nur noch ein Stückchen näher kommen, nur noch etwas weiter in die Falle gelockt werden. Angespannt packte er den Langdolch in seiner Rechten fester während er auf das Signal zum Angriff wartete. Unter dem fingerlosen Handschuh war seine Handfläche schweißgetränkt. Vor ihm auf der anderen Seite des Hauses krachte eine Wand in einem Hagel aus Eis und riesigen Säbelkrallen in sich zusammen. Nur noch wenige Augenblicke.

Er sah zu seiner Linken, wo sein Truppenführer hinter einer ähnlichen Säule stand und langsam einen Arm hob. Sämtliche seiner Muskeln spannten sich an, als er einen Blitzzauber in seine linke Hand schickte, der dort angriffslustig zwischen seinen Fingern hin und her zuckte. Es regnete Mörtel und kleine Steine auf ihn hinab, als sich die Gleven über ihm zum Angriff bereit machten. Für einen Moment schien die Welt vollkommen stillzustehen. Gleißende Funken schossen aus der Hand seines Truppenführers und das splitternde Klirren mehrerer Warp-Sprünge zuckte durch die Luft.

Mit zwei langen Schritten ließ er seine Deckung hinter sich und schickte seinen Zauber in eine Meute Saphyrschwänze, wo er krachend einschlug und nichts übrig ließ als verkohlte Leichen und schwarze Erde. Von oben regnete es scharfe Eissplitter, die sich durch Metall und Fleisch bohrten. Behände zog er seinen zweiten Langdolch und warf ihn auf eines der Rieseninsekten, die gerade über die letzten Reste der Grundstücksmauer kletterten.

Einen Warp-Sprung später bohrte er die Klinge in das weiche Gewebe eines Auges. Noch mit dem Schwung seines Sprunges riss er den Dolch wieder heraus, drehte sich um die eigene Achse und hackte dem nächsten Insekt ein mit Widerhaken besetztes Bein ab. Es war länger als er groß war. Er ignorierte das hohe Kreischen, das ihm beinahe das Trommelfell bersten ließ, und schlitzte dem Biest den Bauch auf. Blut und Eingeweide quollen aus der Wunde und mit einem Mal war er zutiefst dankbar für die Kapuze seiner Uniform.

Dann war er über die Mauerreste hinweg und fand sich inmitten einer Gruppe MI wieder. Er trieb dem MI links von ihm einen der Dolche zwischen die Augen, musste ihn jedoch loslassen um einem Hieb auszuweichen. In der Rolle packte er mit der freigewordenen Hand die Lanze des gefallenen MI und parierte mit ihr die auf ihn niederprasselnden Angriffe. Hastig musste er zur Seite hechten, als ein weiterer Behemoth durch die Wand hinter ihm krachte und die Gruppe MI niedertrampelte. Er schleuderte den Speer in dessen Flanke und wurde daraufhin von einer Säbelkralle zu Boden geworfen. Sichelgleiche Krallen gruben sich in seinen Oberschenkel. Für einen unbarmherzigen Moment konnte er noch nicht einmal schreien. Beinahe wäre ihm sein zweiter Langdolch aus den tauben Fingern geglitten als er den gleißenden Schmerz registrierte. Mit unendlicher Anstrengung jagte er ihn der Säbelkralle in den Hals, die leblos über ihm zusammensackte.

Heißes Blut floss ihm über die Finger und das Bein hinunter, als er den Kadaver mühselig von sich schob und dabei beinahe das Bewusstsein verlor. Hastig fischte er nach einem Potion, den er in einer Gürteltasche trug. Er seufzte erleichtert, als der Schmerz zu einem fernen Pochen abklang, doch die Blutung ließ sich nicht ganz stillen. Dazu war der eine Potion zu schwach und er musste sich seine mageren Reserven gut einteilen. Grimmig nahm riss er etwas Extrastoff von seiner Uniform und wickelte des Steifen eng um die Wunde. Sein Atem zischte stoßweise zwischen seinen Zähnen.

Im hinteren Teil seines Verstandes fragte eine leise Stimme warum er das Ganze hier überhaupt tat. Er hatte jede Gelegenheit gehabt dieser Scharade ein Ende zu setzten, doch das hatte er nicht. Wieder und wieder hatte er den Entschluss gefasst, doch jedes Mal waren ihm die entscheidenden Worte ihm Hals stecken geblieben.

Leise stöhnend rappelte er sich auf. Vorsichtig belastete er sein verletztes Bein und wäre trotz des Potions und des Verbandes beinahe wieder zusammengebrochen. Fluchend errichtete er einen Schild um einen Kugelhagel abzuwehren und biss die Zähne zusammen. Er konnte jetzt nicht aufhören. Nein, er durfte jetzt nicht aufhören. Das hier war kein Training in den Übungssälen der Zitadelle oder eine Gefechtsübung der Gleve. Es wäre sein sicherer Tod und das konnte er den Menschen, die er in Insomnia zurückgelassen hatte, nicht antun. Seiner Familie.

Immer weiter kämpfte er, bis er die Stimme seines Truppenführers in seinem Ohr vernahm, der eine Konzentration des Angriffs auf zwei Häuser weiter befehligte. So schnell er konnte tötete er die beiden letzten MI und machte sich auf den Weg zum Sammelpunkt. Auf dem Weg dorthin schoss ihm zum wiederholten Male seit der Angriff begonnen hatte diese eine Frage durch den Kopf: Wie zur Hölle war er nur in diese Scheiße hineingeraten?