A/N: Hallöchen! Dies ist meine erste Resi-Fanfic. Ich habe Teil 5 gespielt und war hin und weg. Wesker ist ein heißes Stück Fleisch! ;) Dies ist mein - hoffentlich nicht kläglicher - Versuch, ihm eine Partnerin zur Seite zu stellen. Es wird schnell hoch her gehen, von daher werde ich das Rating wohl raufsetzen müssen. Aber bis es so weit ist, würd ich mich über erste Reaktionen freuen. Ich bin kein Experte auf dem Resi-Gebiet, hoffe aber, dass es euren Ansprüchen genügt! ;) Bis dahin! Ach ja, mir gehört natürlich nix von Resident Evil!
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Die kraftvolle Musik von "Oh Fortuna" schallte dröhnend durch das im Halbdunkeln liegende Tricell-Labor. Die dunklen Stimmen des Chors vibrierten durch den am Schreibtisch sitzenden Körper. In einen weißen Kittel gehüllt, beugte sich eine junge Frau über das Mikroskop. Konzentriert schaute sie durch die kleine Linse, während sie mit den Fingern die Schärfe einstellte. Vor ihren Augen wurde das Leben auf der Petrischale sichtbar. Ein einzelner Virus zuckte in der Flüssigkeit. Für einen kurzen Moment wandte die junge Frau ihren Blick ab, um die Probe mit menschlicher DNA zu greifen. Dadurch war der Name auf dem kleinen Schildchen, das an ihrem Kittel befestigt war, lesbar: Joanna Corr.
Joanna beugte sich wieder über das Mikroskop und vergewisserte sich, dass der Virus immer noch da war. Vorsichtig spritzte sie die Probe in die Schale. Ihr grünes Auge betrachtete die Chromosomen und den Virus, der in einiger Entfernung zuckte. Ohne es zu merken, hielt sie den Atem an. Die Musik steigerte sich immer weiter zu ihrem drönenden Finale. Plötzlich erwachte der kleine rote Einzeller zum Leben und stürzte sich auf die Chromsomen. In weniger als 3 Sekunden hatte er sie alle verspeist. Gerade als sein Körper anfing, sich zu verformen und auszubeulen, gab Joanna einen weiteren Virus hinzu. Die Flüssigkeit in der Petrischale verfärbte sich rosa, als er vorsichtig aufgespritzt wurde. Ohne jede Verzögerung befiel der blaue Virus den roten und umschlang ihn. Dieser war immer noch dabei, zu transformieren und zog so seinen Angreifer in Mitleidenschaft. Fasziniert betrachte Joanna den Kampf der beiden Kreaturen. Sie schienen zum Rhythmus der Musik zu tanzen. Sie verschmolzen zu einem Wesen, ehe die Zellteilung begann und der Virus sich vervielfältigte. Dies gab Joanna Zeit, die restlichen Vorbereitungen zu treffen. Sie holte den Ständer mit den kleinen Glasröhrchen aus dem luftversiegelten Schrank und stellte ihn neben das Miskrosop. Nach einem letzten prüfenden Blick durch die Linse nahm sie die mechanische Pipette und sog die Flüssigkeit aus der Schale auf. Nun ging alles ganz schnell. Mit jedem Druck auf den Knopf wurde ein Virus in das halb mit klarer Flüssigkeit gefüllte Röhrchen gegeben. Ihr Kopf wippte zur Melodie der Oper mit, als sie die befüllten Röhrchen versiegelte. Der Chor schmetterte die letzten Zeilen, als die Tür zum Labor aufglitt. Excella Gionne verzog genervt das Gesicht und ging geradewegs zur Stereoanlage, um sie auszuschalten. Die junge Frau am Schreibtisch drehte sich nicht einmal um, als die Musik plötzlich verstummte. Joanna rollte lediglich mit den Augen. Sie hörte Schritte auf sich zu kommen und hielt das soeben letzte versiegelte Röhrchen in die Höhe.
"Gerade fertig."
Das Röhrchen wurde ihr aus der Hand genommen. Doch Excellas Stimme erklang von der anderen Seite des Raumes.
"Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich diese Musik nicht ausstehen kann. Du arbeitest mit hoch sensiblen Viren. Wir können es uns nicht leisten, wegen deiner Durchlässigkeit Viren zu verlieren."
Es heißt Nachlässigkeit, du blöde Kuh, dachte Joana genervt, sagte jedoch nichts. Sie war auf die Präsenz neben sich konzentriert, die ihr den Virus abgenommen hatte. Es war einige Monate her, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Nun war es wohl mal wieder soweit. Innerlich wappnete sie sich gegen die Dinge, die da kommen mochten. Denn Albert Wesker war wohl kaum wegen eines Höflichkeitsbesuchs hier.
"Haben Sie Beschwerden, Wesker?", fragte sie kalt, als sie sich zu ihm umdrehte und zu ihm aufschaute.
Albert Wesker drehte prüfend das kleine Fläschchen in seiner behandschuhten Hand und betrachtete die Flüssigkeit. Sein Lebenselixir. Er ließ sie einen Moment zappeln, ehe er sich dazu herab ließ, sie anzusehen. Zumindest nahm sie an, dass er es tat, denn wie immer trug er die schwarze Sonnenbrille. Er sagte nichts, was sie zornig machte. Glaubst du etwa, dein erkaltetes Gesicht macht mir Angst?
"Ein eingewachsener Zehennagel vielleicht?", fragte sie mit der Absicht, ihn zu provozieren.
"Wie kannst du es wagen?", fuhr Excella sie an und trat einen Schritt vor. Wesker hob die Hand und brachte sie somit zum Schweigen.
"Ich habe einen neuen Patienten für dich, da du mit den Aufgaben hier nicht ausgelastet scheinst."
Ohne auf sie zu warten drehte er sich um und verließ den Raum. Er warf Excella einen kurzen Blick zu. Diese verstand sofort und kam zum Schreibtisch, um das erstellte PG67 A/W einzusammeln.
Ihr aufdringlich süßlich riechendes Parfum stieg Joanna in die Nase und sie erhob sich, um Wesker zu folgen. Auf die Spitzen dieser überheblichen Zicke hatte sie nun wirklich keine Lust.
Sie ging durch die Tür und schaute nach rechts. Sie sah Wesker gerade um die Ecke biegen und beeilte sich, zu ihm aufzuschließen. Obwohl sie ihre Bereiche der Einrichtung nach jahrelanger Dienstzeit in- und auswendig kannte, war sie nicht sicher, wohin Wesker wollte. Zur Krankenstation ging es in die andere Richtung.
Sie lief ein Stück hinter ihm. Zum einen aus Sicherheitsgründen. Auch wenn ihr im Moment keine Gefahr drohte, war er immer noch ein unberechenbarer Mann, dem es die größte Freude bereitete, Menschen zu quälen. Zum anderen wollte sie nicht mit ihm reden. Sie verabscheute ihn und seine größenwahnsinnigen Pläne. Und sich selbst, weil sie daran beteiligt war, wenn auch nur indirekt. Joanna war früher Weskers Leibärztin gewesen, bis ihre Hilfe nicht mehr von Nöten gewesen war, da der Virus in ihm ihm übermenschliche Kräfte verlieh. Zuletzt hatte sie ihn behandelt, als er mit einigen Knochenbrüchen von einer Mission zurückgekommen war. Selbst diese heilten so schnell, dass sie kaum etwas hatte tun müssen. Warum er sie immer noch gefangen hielt, wusste sie nicht. Es konnte kaum die Sorge um seine Mitarbeiter sein. Wesker interessierte sich nur für sich selbst und sie durfte die anderen nicht behandeln.
Sie hatte öfter darum gekämpft, freigelassen zu werden. Sie hatte es mit Logik versucht, doch er hatte nie eine Begründung geliefert. Er hatte nur gesagt: "Wozu? Wohin würdest du gehen?"
Das ärgerliche war, dass er Recht hatte. Sie hatte keinen Ort, zu dem sie gehen konnte. Sie war auf der Flucht gewesen, als Wesker sie geschnappt hatte. Das war vielleicht ein Wiedersehen gewesen. Sie hätte sich nicht träumen lassen, dass er noch lebte. Laut S.T.A.R.S.-Bericht war er im Spencer-Anwesen gestorben...
S.T.A.R.S.
Ihr einstiges Zuhause. Sie hatte dort eine Stelle als Ärztin bekommen und durfte die tapferen Frauen und Männer betreuen. Sie war so stolz gewesen, ein Teil vom Team zu sein...
"Warum so ein grimmiges Gesicht?", fragte Wesker sie über die Schulter. Er sah sie nicht einmal an, doch sie konnte die Belustigung in seiner Stimme hören.
Sie zog es vor, nicht zu antworten. Üblicherweise reagierte Wesker nicht auf ihr Schweigen, doch dieses Mal blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. Abrupt blieb Joanna ebenfalls stehen und sah zu ihm hoch. Er war eineinhalb Köpfe größer als sie. Wie immer blickte sie auf die dunklen Gläser, in denen sich ihr Gesicht spiegelte. Sie sollte verdammt sein, wenn sie sich von ihm einschüchtern ließe. Sekundenlang starrten sie sich schweigend an. Weskers Unterkiefer spannten sich an und für eine Sekunde tauchte ein Bild vor Joannas Augen auf, das schon einige Jahre alt war.
Es war ein Bild von dem jungen Wesker in seiner blauen S.T.A.R.S.-Uniform. Damals trug er auch schon die Sonnenbrille, doch seine Haut war gebräunt und nicht so blass wie heute. Damals war er noch ein Mensch...
Joannas Herz schlug unregelmäßig und sie musste zwinkern, um das Bild aus ihrem Kopf zu kriegen. Der Captain...
"Wenn wir einen Starr-Wettbewerb austragen, fände ich es fairer, wenn du die Brille abnimmst, sonst seh ich nicht, ob du zwinkerst", sagte Joanna und ging erhobenen Hauptes an ihm vorbei. Ihr war nicht aufgefallen, dass sie vergessen hatte, ihn zu siezen, worauf sie sonst so achtete. Doch Wesker war es nicht entgangen. Fragend hob er die Augenbraue, doch Joanna wandte ihm den Rücken zu. Ihr schottisches rotes Haar glänzte im klinischen Licht der Neonröhren und für einen Moment tauchte ein Bild in seinem Kopf auf, ein Moment aus seinem früheren Leben:
Joanna stand wie jetzt mit dem Rücken zu ihm. Ihr flammenrotes Haar fiel ihr damals nur bis auf die Schultern. Dann drehte sie sich um, den Mund und die Nase mit einem Mundschutz bedeckt und mit Nadel und Faden in der Hand. Sie schaute hoch und in ihren Augen blitzte es kurz auf, genauso wie gerade.
Wesker blinzelte kurz, um das Bild aus seinem Kopf zu vertreiben. Er hatte keine Ahnung, woher diese Erinnerung gekommen war und hatte auch kein Interesse, sich eingehender damit zu beschäftigen. Stattdessen freute er sich auf das bevorstehende Wiedersehen und die Reaktion seiner Gefangenen.
Die Tür zum Versuchslabor glitt zur Seite und Wesker trat ein. Joanna folgte ihm in den Raum, deren Zutritt ihr bis zum heutigen Tag verwehrt gewesen war. Sie wünschte, es wäre so geblieben...
In der Mitte des Raumes stand ein metallener Tisch, auf dem ein Körper lag. Im ersten Moment dachte Joanna an einen Majini. Doch beim Näherkommen erkannte sie die Person. Ihr blieb fast das Herz stehen.
"Nein", keuchte sie und rannte die letzten paar Meter zum Tisch. Sie packte die bewusstlose Frau an den Schultern.
"Jill! Jill!", rief sie und versuchte sie zu wecken. Sie fühlte ihren Puls. Er war da, gleichmäßig und stabil.
Das Blut rauschte durch ihre Adern und Joanna fühlte eine Wut in sich hochkochen, die sie die ganzen Jahre hatte unterdrücken können. Das war einfach zuviel. Jill in Weskers Gewalt...das war mehr, als sie ertragen konnte. Ihr Blick fiel auf das Tablett mit den Instrumenten neben dem Tisch. Einem Impuls folgend griff sie nach dem Skalpell und wirbelte herum. Sie sah Weskers überhebliches, schadenfrohes Grinsen und wünschte sich nichts sehnlicher, als es ihm aus dem Gesicht zu schneiden. Mit einem Schrei stürzte sie sich auf ihn. Wesker machte sich nicht einmal die Mühe, auszuweichen. Er packte ihre Hände und schleuderte sie gegen die linke Wand. Joanna prallte hart mit dem Rücken und dem Kopf dagegen und sank benommen zu Boden. Sie stöhnte und hielt sich den Kopf, das Skalpell lag vergessen neben ihr. Es drehte sich alles und Joanna kniff die Augen zusammen. Das Geräusch von Schritten ließ sie aufblicken. Die Sicht war verschwommen und erst im letzten Moment sah sie, wie Wesker sie erreichte und sich zu ihr hinunter beugte. Ihre Hand konnte gerade noch das Skalpell umschließen, als Wesker ihren Schopf packte und sie an den Haaren über den Boden zurück zum Tisch schleifte. Joanna schrie auf vor Schmerz und griff nach oben. Ihre freie Hand krallte sich in seinen Unterarm, während sie mit den Beinen strampelte. Ihre Kopfhaut brannte wie Feuer. Es trieb ihr Tränen in die Augen und machte sie rasend. Entschlossen hob sie die bewaffnete Hand und mit einer kräftigen Bewegung fuhr sie mit der Klinge durch seine Finger. Wesker schrie auf und ließ sie los. Geistesgegenwärtig kroch Joanna von ihm weg und drehte sich zu ihm um. Ihr Haar war zersaust, als sie sich vom Boden erhob. Das Skalpell drohend vor sich ausgestreckt, stand sie da und betrachtete Wesker, wie er sich die Hand hielt. Blut spritzte aus den Verletzungen und der Mittel- und Ringfinger hingen daneben. Sie hatte die Sehnen und den Knochen durchtrennt. Ihre Hände begannen zu zittern, als Joanna sah, was sie getan hatte.
"Lass sie gehen!", rief sie wütend und ängstlich zugleich.
Als Wesker seinen Blick auf sie richtete, wäre ihr fast das Herz stehen geblieben. Er war wirklich wütend!
Sie sah ihn nicht mal kommen. Mit einer blitzschnellen Bewegung war er bei ihr, schlug ihr das Skalpell aus der Hand und presste sie wieder gegen die Wand. Er hatte seinen freien Unterarm gegen ihren Hals gedrückt, so dass sie kaum Luft bekam.
Atemlos zerrte Joanna an seinem Arm. In einem verzweifelten Versuch, sich los zu machen, zog sie ihr Knie an und rammte es in seinen Bauch. Wesker verzog nicht einmal die Miene, sondern kam noch näher, um ihre Beine zwischen sich und der Wand festzuklemmen.
"Für heute haben wir genug gespielt, Doktor."
Er drückte noch etwas fester und Joanna keuchte auf. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen und sie drohte, das Bewusstsein zu verlieren. Da ließ Wesker sie plötzlich los und sie landete unsanft zu seinen Füßen auf dem Boden. Sie griff sich an die pochende Kehle und sog gierig die Luft in die Lungen. Hustend richtete sie sich halb auf und sah zu ihm auf. Wesker wusste, dass er gewonnen hatte. Ihr Gesicht und ihre Augen waren gerötet. Die Unterversorgung mit Sauerstoff hatte sie genug geschwächt.
"Miss Valentine ist noch für ein paar Stunden ruhig gestellt. Dies wird dir genug Zeit geben, den Schaden zu beheben, den du angerichtet hast. Danach wirst du hierher zurückkehren und damit beginnen, ein Gerät zu entwickeln, dass regelmäßig Injektionen P30 absondert."
Joanna riss die Augen auf. P30! Sie wollte etwas erwidern, doch ihre Stimme gehorchte ihr nicht. Wesker konnte sich schon denken, was sie zu sagen hatte und knurrte nur:
"Es wird geschehen, Corr. Wenn du es tust, wird sie keine Schmerzen haben. Wenn ich es tue...nun, dann hat sie nicht soviel Glück. Deine Entscheidung."
Mit einem bösen Grinsen drehte er sich um und verließ den Raum.
Erschöpft lehnte Joanna den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Das war ein einziger Alptraum. Drei lange Jahre hatte sie gebraucht, ihre Gefühle niederzukämpfen, jegliches Schuldgefühl und die Gewissensbisse auszumerzen. Sie hatte die restlichen Jahre in emotionaler Taubheit verbracht. Doch mit Jill's Ankunft wurden all die unterdrückten Emotionen wieder hochgespült. Und die Erinnerungen an ihr altes Leben draußen in der Welt kamen wieder hoch. Sie war so jung gewesen, voller Ambitionen...Sie hatte die Welt verbessern wollen, bis ihr eiskalt vor Augen geführt worden war, dass die Welt keine Verbesserung wollte. Damals war sie so tief enttäuscht gewesen, dass es ihr fast das Herz gebrochen hatte. Doch sie hatte beschlossen, daran nicht zu zerbrechen und das beste aus den ihr verbleibenden Jahren zu machen...tja, das war wohl nichts..., dachte sie finster.
Das Atmen viel ihr wieder leichter und die schwarzen Punkte vor ihren Augen waren auch verschwunden, also rappelte sie sich wieder auf. Wesker wartete sicher auf sie, also blieb ihr keine Zeit, sich Jill genauer anzusehen. Wenn sie ehrlich war, war sie auch gar nicht wild darauf, hatte sie es doch ihr zu verdanken, dass ihre bittere Vergangenheit sie wieder einholte.
Seufzend schleppte sie sich aus dem Versuchslabor und machte sich auf den Weg in die Krankenstation. Wie in einer richtigen Klinik gab es vor dem eigentlichen Operationssaal einen Vorraum, in dem sie sich waschen konnte. Joanna griff nach dem Desinfektionsmittel und wusch gründlich ihre Hände und die Unterarme. Dann trocknete sie sie kurz ab und zog sich die Gummihandschuhe über. Aus den Augenwinkeln sah sie die schwarz gekleidete Gestalt im Operationssaal warten, doch sie hatte nicht vor, sie eher anzusehen als unbedingt notwendig. Als sie vor der Tür stand, außerhalb seines Blickwinkels, atmete sie noch einmal tief durch und versuchte, die Gewissensbisse zurückzukämpfen.
Joanna war Pazifistin. Sie war Ärztin geworden um zu helfen, nicht um andere zu verletzen...
Sie versuchte sich einzureden, dass es "nur" Wesker war, der noch viel schlimmeres verdient hatte, als sie ihm je würde antun können. Trotzdem nagte es an ihr, dass sie sich hatte hinreißen lassen. Sie wollte nicht so sein wie er...
Sie stellte sich in den Sensorbereich der Türe und sofort glitt sie stumm zur Seite. Wesker saß anscheinend entspannt auf dem Operationstisch und sein durch die Sonnenbrille verdeckter Blick lag auf ihr. Noch ehe sie anders konnte, senkte sie schuldbewusst den Blick und trat neben ihn, um sich seine Hand anzusehen.
Der Handschuh war mittlerweile blutgetränkt und klebte an seiner Haut. Ihn auszuziehen hätte weitere Schmerzen nach sich gezogen, aber Joanna war nicht danach, noch mehr böses Blut zu vergießen, auch wenn sie kurz darüber nachdachte. Sie nahm die Schere vom Tablett und streckte Weskers Arm aus. Dann drehte sie ihm den Rücken zu und klemmte seinen Arm zwischen ihren und ihrer Seite ein, um den Handschuh von unten aufschneiden zu können. Während die Schere das Leder spaltete, spürte Joanna, wie das Blut durch Weskers Arm gepumpt wurde, kräftig und gleichmäßig. Obwohl er schon viel Blut verloren hatte, behielt er seine Stärke, ein weiterer Vorteil des Virus.
Ein weiteres Bild machte sich in ihrem Kopf breit: Der schwer angeschossene Wesker auf ihrem OP-Tisch. Er war ihr erster Praxis-Fall gewesen und sie konnte sich noch gut an die Angst erinnern. Angst, zu versagen. Angst, etwas falsch zu machen. Angst, ihn zu verlieren...
Verdammt, warum schossen ihr nur immer wieder solche Gedanken durch den Kopf? Die Vergangenheit war tot, ja sogar der Wesker von damals war tot! Was nutzte es, über eine verlorene Sache nachzudenken?!
Joanna räusperte sich und streifte Wesker den Handschuh von Hand und Fingern. Jetzt sah sie erst das ganze Ausmaß der Verletzung. Sie hatte tatsächlich die Knochen durchtrennt und das Blut schoss nur so aus den zerschnittenen Adern.
"Ich werde die Hand betäuben, ehe ich sie säubere."
"Das wird nicht nötig sein", sagte Wesker tonlos, worauf Joanna genervt mit den Augen rollte.
"Ja, ich weiß, du bist groß und stark. Indianer kennt keinen Schmerz, bla bla bla. Ich mache meine Arbeit so, wie ich es gelernt habe. Akzeptier einfach, dass dich ein Menschendoktor behandelt, ok?"
Ihre Stimme klang etwas schrill, als sie sich von ihm abwandte, um die Spritze mit dem Betäubungsmittel aufzuziehen.
Wesker ließ laut die Luft aus seinen Lungen, ein eindeutiges Zeichen, dass sie ihn nervte. Sie hörte es nicht zum ersten Mal. Doch sie tat es ab und griff nach seinem Unterarm, um die Spritze zu setzen. Nachdem das erledigt war, reinigte sie kurz die Wunde, fädelte den Faden in die Nadel und drückte den herab hängenden Mittelfinger wieder in seine ursprüngliche Position.
"Ich werde die Finger nur grob annähen. Ihr Körper macht den Rest. Spätestens morgen sollte alles wieder verheilt sein."
"Jetzt schwenken wir also wieder zum 'Sie' um, wie?", fragte Wesker spöttisch.
Ihr war vorhin auch aufgefallen, dass Sie ihn informell angesprochen hatte. Sie schnaubte und warf ihm einen bösen Blick zu. Es war nicht nett, dass er sie auf ihren Fehler hinwies. Aber wann war Wesker schon mal nett?
Es hatte da eine Zeit gegeben...nachdem Wesker nach seiner schweren Verletzung vollständig genesen war, war er mit einem Strauß Blumen bei ihr vorbeigekommen, um sich zu bedanken...Mit seiner engen Uniform und dem leicht aufgeknöpften Hemd hatte er höllisch gut ausgesehen...sein jungenhaftes Lächeln hatte ihre Knie weich werden lassen...
"Verdammt nochmal", stieß Joanna flüsternd hervor, als sein lächelndes Gesicht vor ihren Augen auftauchte.
"Was?", fragte Wesker und sah wieder auf seine Hand. Er hatte abwesend ihr Gesicht betrachtet.
Joanna war so wütend auf sich selbst, dass sie sich nicht zurückhalten konnte.
"Es war ein Fehler, Jill hierher zu bringen...die Vergangenheit sollte man ruhen lassen..."
"Schwelgst du in Erinnerungen?", fragte Wesker belustigt.
"Schwelgen ist wohl kaum das richtige Wort. Ich bin hier, weil mich die Vergangenheit hier nicht einholen sollte...und dann bringst du mir Jill Valentine, unsere ehemalige Kollegin...und eine Freundin..."
Wesker sah sie an. Sie hatte den Blick immer noch auf seine Hand gerichtet, machte sich soeben daran, den Ringfinger anzunähen.
Joanna Corr war in seinen Plänen immer nur eine Randperson gewesen. Sie war nie wichtig genug gewesen, um ihm zu helfen oder zu schaden. Sie war einfach da, eine junge Ärztin, engagiert und vor allem talentiert. Sie hatte ihn selbst einmal zusammengeflickt, das heißt den alten, menschlichen Wesker. Er konnte sich noch an ihr fröhliches Lächeln erinnern, viel besser als ihm lieb war, ihre frohes Gemüt und ihren Humor, mit dem sie alle unterhalten konnte. Nach Raccoon City geriet sie ins Wanken und vertraute den falschen Leuten. Sie wurde verraten und stand seitdem auf der Liste der flüchtigen Personen. Obwohl es S.T.A.R.S. nicht mehr gab, waren die Leute immer noch hinter ihr her.
Er war damals zufällig über ihren Namen gestolpert. Sie gefangen zu nehmen war eine spontane Entscheidung gewesen, sehr untypisch für ihn. Ohne seine Hilfe hätte sie nicht lange durchgehalten. Sie hatte keine Ahnung, wie man untertaucht und hatte es dementsprechend schlecht gemacht. Er wartete heute noch auf das Dankeschön, das sie ihm schuldete...
"Ich habe gehört, dass es Eifersüchteleien gab."
Sie schaute auf und zog die Augenbrauen zusammen.
"Wieso denn das?"
"Hattest du nicht was mit dem guten alten Chris?", fragte er amüsiert und dachte sich zugleich, dass dies eine unwirkliche Unterhaltung war.
"Wie bitte?!", rief Joanna aus und sog scharf die Luft ein. "Wer hat dir denn diesen Unsinn erzählt?", fragte sie. Wieder mal entging ihr, dass sie zum 'Du' übergewechselt war.
"Chris natürlich."
"Was?!", schrie Joanna und ließ vor Schreck beinahe die Nadel fallen. Wütend vor sich hingrummelnd schnitt sie den Faden ab und warf die blutverschmierte Nadel auf das Tablett.
"So eine Unverschämtheit...das hätte ich ihm nie zugetraut..."
Mit einem Mal waren die beiden wie ausgewechselt. Für diesen einen Moment waren die vergangenen Jahre wie ausgelöscht und es waren Albert und Jo - wie sie damals unter den Kollegen genannt wurde -, die sich unterhielten.
Jo zog sich die Handschuhe aus und warf sie ebenfalls auf das Tablett. Ihr Blick streifte Alberts Gesicht und blieb daran hängen. Da war es, dieses schelmische Grinsen. Sie wusste es zu deuten: Er hatte sie reingelegt.
"Du Lügner!", rief sie aus und, so gelöst wie sie war, schlug mit der Faust gegen seine Schulter.
Alberts weiße Zähne wurden sichtbar, als sein Grinsen noch weiter wurde. Jo spürte, wie sie ebenfalls zu lächeln begann. Es war ein perfekter Moment, alle Sorgen schienen vergessen und es gab nur noch die beiden. Früher hatten sie öfter solche Momente gehabt und es tat beiden unheimlich gut, auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollten.
"Albert!", erschallte es urplötzlich aus der Sprechanlage und Joanna und Wesker zuckten zusammen. Sofort brach die Gegenwart über ihnen zusammen und das Lächeln, das Joannas Augen wieder zum Strahlen hätte bringen können, erstarb auf ihren Lippen.
"Warum bist du auf der Krankenstation?"
Excellas akzentbehaftete Stimme ließ Joanna mit den Augen rollen. Sie wandte sich von Wesker ab, nahm das Tablett mit dem Besteck und verließ das Zimmer. Im Waschraum legte sie das Tablett ins Becken und begann mit der Reinigung. Einmal schoss ihr Blick nach oben durchs Fenster. Wesker stand mit dem Rücken zu ihr und sprach durch das kleine Mikrofon an der Wand. Joanna seufzte und wandte ihren Blick ab. Sie wollte es sich nicht eingestehen, doch Bedauern machte sich in ihr breit. So viel hätte anders laufen können, wenn Wesker auf der richtigen Seite gestanden hätte...
Nachdem das Besteck desinfiziert und gereinigt war, massierte Joanna sich die Schläfen. Sie hatte Kopfschmerzen. Wesker hatte sie beauftragt, sich direkt im Anschluss um Jill zu kümmern, doch sie hatte jetzt einfach nicht den Nerv dazu. Sie musste an die frische Luft, raus aus dem stickigen Labor...Wesker würde sich bestimmt vorerst nicht sehen lassen. Dass er einfach gegangen war, war für sie ein Hinweis, dass das Passierte auch an ihm nicht spurlos vorüber gegangen war.
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A/N2: Hm, hab gerade festgestellt, ein Skalpell kann keine Knochen durchtrennen. EGAAAAAAAL! *ggg*
