Hallo ihr Lieben und herzlich willkommen zu meinem neuen Projekt. Ich freue mich schon darauf! Wie gewohnt steht die komplette Fanfic schon als Rohbau. Ich werde mich immer am Wochenende hinsetzen und den nächsten Teil auf Rechtschreibung, Ungereimtheiten und Unsinn gegenlesen. Dann kann ich auch Hinweise von euch eingehen. Im Vergleich zu Bettgeflüster geht es in Zeitverschwendung wesentlich düsterer zur Sache. Über Reviews freue ich mich sehr! Alles Liebe Mary
You don't know me
Don't you think that I get lonely?
It gets dark inside my head
Check my pulse, and if I'm dead, you owe me
If you're lonely
Don't you think you're on your own?
When it gets dark inside your head
Check my pulse, and if I'm there, you owe me
The Chainsmokers
1. Zeitverschwendung
Noch bevor Marcus Hogwarts erreicht hatte, wusste er, dass ihm das schlimmste Schuljahr seines Lebens bevorstand, denn schon im Hogwarts-Express hatten ihn alle seine Hauskameraden geschnitten. Dass er außerhalb seines Jahrgangs keine Freunde hatte, kam erschwerend hinzu. Ex-Jahrgangs, korrigierte er sich selbst verdrossen und betonte das ‚Ex' überdeutlich, damit es endlich in seinen Dickschädel ging. Wie sein Vater es nicht müde wurde, zu bemerken, war er der erste Slytherin seit bestimmt fünfhundert Jahren, der ein Schuljahr wiederholen musste. Er war eine Schande für die Familie, beschmutzte den Namen Flint und war nicht besser als ein Squib. Seinetwegen hätte man auf jeden Fall nicht beim ersten Krieg als Todesser sein Leben riskiert. Die liebenswürdige Art seines Vaters ergoss sich die ganzen Sommerferien über in nicht enden wollenden Lobesreden erbarmungslos auf ihn nieder. Besonders betonte er hierbei die mangelnde Intelligenz seines Sohnes, dessen fehlende Fortschritte in beinahe allen Schulfächern und seine Persönlichkeit als Ganzes.
Als ob Marcus das alles nicht selbst schon wusste. Er war weder besonders begabt beim Verfassen seiner Aufsätze, noch hatte er überragende magische Talente in der Praxis entwickelt. Dazu kam, dass er tatsächlich ein wenig wie ein Troll aussah mit seiner breiten Stirn und den schiefen Zähnen. Das einzige, was er einigermaßen hinbekam, war Quidditch und das war zu nichts nütze, wie sein Vater mindestens einmal pro Tag betonte. Nicht dass Marcus ihm in dieser oder irgendeiner anderen Hinsicht widersprach. Er stand nicht so auf Hasstiraden oder im schlimmsten Fall Prügel, wenn er derjenige war, der sie bekam. Außerdem hatte sein Vater ja auch irgendwie recht. Er musste das Schuljahr wiederholen, also war er ein Verlierer auf ganzer Linie. Diese Tatsache konnte noch nicht einmal er mit seinem Dickschädel wegignorieren.
Selbst seine Mutter hatte aufgehört, Marcus in Schutz zu nehmen. Im Grunde hatte ihn das am meisten getroffen, denn sie hatte sich bis zum Sommer wenigstens noch hin und wieder auf seine Seite gestellt. „Lass den Jungen doch, das wird schon", hatte sie immer gesagt und Marcus hatte so darauf gehofft, dass es wirklich besser würde. Er brauchte einfach nur etwas länger als seine Mitschüler für den Schulstoff. Als sein Vater ihn eine Zeitverschwendung genannt hatte, hatte sie nicht widersprochen. Sie hatte ihren Blick abgewendet, als Marcus sie hilfesuchend angesehen hatte, und seinem Vater freie Bahn gelassen.
Gequält knirschte Marcus mit den Zähnen und unterdrückte einen Seufzer. Er musste leise sein, sonst weckte er seine neuen Mitbewohner auf, die im Gegensatz zu ihm einen gesunden Schlaf hatten. Seinem Muffliato traute er noch nicht, schließlich hatte er in den Sommerferien nicht üben können. Manchmal passierte es, dass ihm die Sprüche nicht mehr gelangen, wenn er sie länger nicht mehr ausprobiert hatte. Dann fühlte er sich immer wie ein Totalversager. Er war eben ein Verlierer. Eine Zeitverschwendung. Dass sein Vater mit seinen Anschuldigungen ins Schwarze traf, machte seine Wort schließlich auch glaubhaft. Er war nichts anderes als verschwendete Zeit.
Wie hatte er bloß so versagen können? Ein letztes Mal wälzte sich Marcus hin und her, dann zwang er sich, still liegen zu bleiben. Er atmete bewusst ein und aus, während er anfing, in Gedanken zu zählen. Ein Quaffel... zwei Quaffel... drei Quaffel... Das Bild seines Vaters schlich sich immer wieder vor sein inneres Auge, doch er zwang sich, nur an die Quaffel zu denken und schob das Bild ganz weit von sich. Dreihundertfünfundsiebzig Quaffel... Morgen stand ihm ein unangenehmes Gespräch mit Professor Snape bevor, der ihn hundertprozentig für seine unterirdisch schlechten akademischen Leistungen aus dem Quidditchteam werfen wollte. Er musste jetzt endlich einschlafen. Siebentausenddreihundertachtundzwanzig Quaffle. Anscheinend war er selbst zum Einschlafen zu blöd. Sein Vater wäre sicherlich kein bisschen verwundert. Irgendwann kam er durcheinander und fing wieder von vorne an. Das letzte, an das er sich erinnerte war ein Quaffel mit einer dreistelligen Nummer.
Am nächsten Morgen schreckte Marcus aus irgendeinem wirren Traum mit klopfendem Herzen hoch und schwang seine Beine ruckartig aus dem Bett. Er war in einen Abgrund gefallen und sein Vater hatte ihn mit voller Absicht hineingestoßen. Sein Gesicht war zwar hinter einer Todessermaske verborgen gewesen, aber Marcus hatte ihn trotzdem erkannt. Mühsam wischte er die Bettvorhänge zur Seite und streckte sich. „Zeitverschwendung", murmelte er vor sich hin und erinnerte sich vage daran, dass das die Worte seines Vaters waren, bevor er ihn in den Abgrund gestoßen hatte. Was für eine Nacht, er fühlte sich durch und durch schlecht. Die Krönung war diese unterschwellige Übelkeit, die ihn immer beschlich, wenn er sich nicht richtig wohl fühlte.
Ein Blick auf die Uhr zeigte Marcus, dass ihm noch genügend Zeit zum Duschen und Frühstücken blieb, auch wenn er seinen Wecker nicht gehört hatte. Miles schien schon in der Dusche zu sein. Seine anderen Mitbewohner Adrian und Terrence saßen auf einem Bett zusammen und hörten sofort auf zu tuscheln, als sie seinen Blick sahen. Marcus hasste es, wenn offensichtlich über ihn getratscht wurde, dabei sollte er es inzwischen gewöhnt sein. Dass hinter seinem Rücken gemunkelt wurde, er hätte Trollblut in den Adern, wusste er schon seit der ersten Klasse. Er war eben kein Schönling wie Cedric Diggory von den Hufflepuffs. Na und? Es kostete ihm sämtliche Überwindung, den beiden nicht ein aggressives „Was?" vor den Kopf zu knallen. Stattdessen setzte er eine unbewegte Miene auf und versuchte, die beiden nicht mit seinen Blicken zu erdolchen.
Terrence dagegen hatte andere Vorstellungen davon, wie Marcus' Morgen aussehen sollte, und stand grinsend auf. „Sieh' an, der Sonnenschein ist aufgewacht. Bereit für dein siebtes... ach nee, achtes Schuljahr?", fragte er mit vor Spott triefendem Unterton und verschränkte die Arme. Anscheinend wollte er ihn einschüchtern.
Das sollte bedrohlich wirken? Marcus runzelte die Stirn und baute sich direkt vor Terrence auf. Er überragte seinen Mitbewohner um einen halben Kopf und das war gut so. Mit finsterer Miene ließ er seinen Nacken knacken und starrte düster auf Terrence hinab. „Wenn du mir blöd kommst, hau' ich dir auf die Fresse", drohte er unverhohlen. Er hasste diese Art von Machtkämpfen, aber er dachte trotzdem nicht daran, vor Terrence Schwäche zu zeigen. Wenn er jetzt nachgab, hatte er vermutlich bis zum Ende seiner Karriere in Hogwarts keine Ruhe.
Terrence hob die Hände und trat einen Schritt zurück. „Wow, Flint, alles cool. Sorry, Kumpel, es war nicht so gemeint." Er ging noch einen Schritt rückwärts, bevor er sich umdrehte und sich zu Adrian auf das Bett verzog.
Doch, das war genauso gemeint, wie er es gesagt hatte, dachte Marcus resigniert. Er hasste seine Mitbewohner jetzt schon. „Ich bin nicht dein Kumpel", knurrte er noch, dann suchte er nach seinem Handtuch mitsamt frischer Kleidung, bevor er mit seinen morgendlichen Sit-ups und Liegestützen begann. Marcus kannte diese Art von Provokation schon seit der ersten Klasse. Er musste seinen Platz im sozialen Gefüge erst finden, aber seine Chancen standen dieses Jahr schlecht. Wer wollte schon mit einem Versager befreundet sein? Von Terrence und Adrian konnte er anscheinend keine Hilfe erwarten. Dennoch war er fest entschlossen, sich nichts gefallen zu lassen. Dann würde er eben sein letztes Jahr ohne Freunde verbringen, das würde er auch überleben. Es war ja nicht so, als hätte er in seinem eigenen Jahrgang etwas Anderes als ein paar Bekannte gehabt. Er ignorierte das komische Gefühl in seinem Bauch, während er einen halbherzigen Gruß grummelnd in die Dusche stürmte, sobald Miles fertig war. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie Adrian und Terrence erneut die Köpfe zusammensteckend. „Arschloch", was das einzige, was er verstand, bevor er die Tür hinter sich zuschlug. Was für ein wunderschöner erster Tag.
Dasselbe dachte Marcus nur wenig später erneut, als er völlig allein am Ende des Slytherin-Tischs frühstückte. Finster starrte er sein Rührei an und stocherte hin und wieder lustlos darin herum. Er musste um seiner selbst willen versuchen, wenigstens ein bisschen Essen herunterzubekommen, bevor er zu Professor Snape ging. Endlich würde ihm wieder einmal ein Erwachsener mitteilen, wie unfähig und blöd er eigentlich war. Das hatte er schon seit gestern nicht mehr gehört, als er sich von seinem Vater verabschiedet hatte. Mühsam kontrolliert atmete er durch und lockerte seinen Griff um die Gabel, bevor er noch eine Ladung Ei herunterwürgte. Es war einfach wieder an der Zeit, sich so richtig fertig machen zu lassen. Das half doch immer dabei, die Konzentration im Unterricht zu steigern. Kurz schloss er die Augen und drängte all die unschönen Gedanken bewusst beiseite. Dann aß er noch eine Gabel voll Rührei, ohne sich über den Teller übergeben zu müssen. Es ging doch alles ganz wunderbar, wenn man seine Probleme verdrängte. Sofort kam die Übelkeit zurück und Marcus schob seinen Teller von sich. Schluss mit den guten Vorsätzen, dann würde er eben morgen wieder vernünftig essen. So schnell ging seine Fitness schon nicht verloren.
Marcus bemühte sich um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck und stand auf. Er war zwar noch etwas früh dran, aber vielleicht würde das ja einen guten Eindruck bei Professor Snape hinterlassen. Ohne auf seine Umgebung zu achten, griff er nach seiner Tasche, drehte sich um und stieß schwungvoll jemanden um. Rote Krawatte, oh wie toll. Gryffindors bedeuteten immer angenehme Gespräche. „Pass' auf, wo du hinläufst", knurrte er nicht ganz bei der Sache.
Wütend funkelte ihn ein Mädchen mit wirren blonden Haaren an. Sie ging ihm gerade so bis zur Brust und trotzdem war er von ihrer Körperhaltung mehr beeindruckt als von Terrence' ganzer Erscheinung. „Geh' doch zu deiner Mama und heul' bei der", beleidigte sie ihn wenig kreativ und zog unter dem Riemen ihrer Tasche ihre Uniform zurecht. Irgendetwas Merkwürdiges lag in ihrem Blick.
Marcus runzelte die Stirn. Für Gryffindors kamen Deine-Mutter-Witze wohl nie aus der Mode. Wie hieß sie gleich noch? Buzz? Bole? Nein, falsch. Bing? Es war ihm eh egal. „Ich habe keine Zeit für kleine Mädchen. Verpiss dich, Bolt", erwiderte er und schenkte ihr einen finsteren Blick. Sie funkelte ihn weiterhin wütend an, ohne sich zu bewegen, deshalb stieß er sie ein bisschen kräftiger, als unbedingt notwendig gewesen wäre, zur Seite. Als er sich an ihr vorbeidrängte und die Große Halle verließ, sah er aus dem Augenwinkel, wie sie mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre Rippen rieb. Ihr seltsamer Blick verfolgte ihn bis zur Tür. Er musste alle Willenskraft aufwenden, um sich nicht nach ihr umzudrehen. Was war das bloß für ein merkwürdiges Mädchen?
Marcus genoss für einen kurzen Moment das Gefühl der Überlegenheit, aber sein kleiner Triumph wich den negativen Gedanken, je näher er Professor Snapes Bürotür kam. Professor Snape würde ihm seinen Posten als Kapitän wegnehmen, das stand außer Frage. Missmutig lief er vor der Bürotür auf und ab und bereute es, dass er viel zu früh dran war. Ob sich Professor Snape wohl über ihn lustig machen würde, bevor er ihn entließ? Oder würde er die Mitleidstour bekommen? Armer, dummer Marcus Flint. Er war einfach ein Verlierer. Vielleicht würde Professor Snape ihn auch einfach nur kurz und schmerzlos über seine Entlassung informieren und ihn wegschicken, schließlich verschwendete niemand gern seine Zeit mit einem Troll. Diese Variante war Marcus mit Abstand am liebsten, aber leider hatte er nur selten so viel Glück. Als ihm ein paar Ravenclaws entgegenkamen, blieb er stehen und lehnte sich lässig gegen die kalte Kerkerwand. Er atmete tief durch und bemühte sich um einen unbewegten Gesichtsausdruck. Die Ravenclaws beschleunigten ihre Schritte, als sie an ihm vorbeigingen. Gut so.
Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich endlich die Bürotür und Marcus trat mit indifferenter Miene ein. Sei stark, dachte er, sei ein Stein. Alles würde an ihm abprallen wie immer. Er konnte das überstehen, auch wenn die Übelkeit ihn zu ersticken drohte. Professor Snape deutete auf den Stuhl gegenüber seines Schreibtischs. Marcus setzte sich auf die Stuhlkante, beide Hände legte er auf die Knie, den Blick hielt er starr auf die Fingerspitzen gerichtet. Es roch wie immer ein wenig seltsam im Büro. Diese Mischung aus unbekannten Tränken und fremden Zutaten, die man in Professor Snapes Klassenraum riechen konnte, hatte sich auch hier festgesetzt. „Guten Morgen, Professor", sagte er und war selbst überrascht, wie erfolgreich er seine Stimme farblos halten konnte. Seit den letzten Ferien war er noch besser darin geworden. Mehr konnte er nicht tun. Er war höflich und bot keine Angriffsfläche. Mit ein bisschen Glück würde er den kurzen und schmerzlosen Rauswurf aus dem Team bekommen.
„Mr. Flint", grüßte Professor Snape mit einer ebenso neutralen Stimme. „Wie waren Ihre Ferien?"
Marcus schluckte und seine Fingerspitzen zuckten kurz, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. „Gut, danke", antwortete er ausdruckslos, das Bild seines brüllenden Vaters deutlich vor Augen. Da ging die Möglichkeit, dass das Gespräch kurz und schmerzlos vonstattengehen würde, dahin. Was war er doch für ein Glückspilz. Musste er sich jetzt nach Professor Snapes Ferien erkunden? Er entschied sich dagegen und schwieg.
Professor Snape hielt seine Stimme auch weiterhin neutral. „Mr. Flint, wissen Sie, warum Sie hier sind?"
Natürlich wusste Marcus das. Er musste dieses Gespräch führen, weil er ein verdammter Fast-Squib war, ein Idiot, eine Zeitverschwendung. Danke für die Erinnerung. „Sie wollen mit mir über das neue Schuljahr reden", riet er ins Blaue. Dann biss er die Zähne zusammen, als er das dumpfe Gefühl der Resignation in seinem Bauch fühlte. Gleich kam die Rede über sein Versagen, mit der er schon gerechnet hatte. Vorbereitet fühlte er sich trotzdem nicht.
„Dieses Schuljahr ist ihre einzige Chance, genug UTZs zu erwerben, um einen guten Start ins Berufsleben zu erreichen", mahnte Professor Snape, die Stimme leicht erhoben. Marcus nickte abgehackt und konzentrierte sich darauf, nicht laut zu schreien. „Letztes Schuljahr hat das ja nicht so gut geklappt", fuhr Professor Snape fort. Das war die Untertreibung des Jahres, dachte Marcus sarkastisch und grub seine Fingerspitzen in die Oberschenkel. Der dumpfe Schmerz zügelte das schlechte Gefühl in seinem Bauch etwas. „Ich habe in den Ferien mit den anderen Lehrern gesprochen. Einige sind bereit, Ihnen eine Chance in ihren Klassen zu geben", erklärte Professor Snape, während er eine Liste in Marcus' Sichtfeld schob. „Das ist Ihr Stundenplan. Schauen Sie sich ihn einen Moment an." Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und die Polster knarrten leise.
Marcus schluckte erneut, griff aber gehorsam nach der Liste. Welche Lehrer er wohl dieses Jahr enttäuschen würde? Die Fächer waren alphabetisch sortiert und in Professor Snapes großen ordentlichen Buchstaben geschrieben. Das Pergament hatte keinen einzigen Knick. Marcus lockerte sofort seinen Griff, damit es so blieb. Er wollte nicht noch mehr Unmut auf sich ziehen. Mit gerunzelter Stirn konzentrierte er sich auf die Liste: Geschichte der Zauberei, Kräuterkunde, Verwandlung, Zauberkunst, Zaubertränke. Fünf Fächer, das hieß, er durfte in einem Fach durchfallen. Kräuterkunde und Zaubertränke hatte er im letzten Versuch mit einem Annehmbar bestanden, vielleicht bekam er das noch einmal hin. In Geschichte der Zauberei war er nur knapp am Annehmbar vorbeigeschrappt und hatte sich doch ein Mies eingefangen. Hier sah er eventuell die Möglichkeit, zu bestehen. Aber was hatte Professor Snape sich bei Verwandlung und Zauberkunst gedacht? Das bestand er doch nie und nimmer, dafür war er viel zu dumm und untalentiert. Professor McGonagall hatte ihn letztes Jahr sogar mit einem Troll verabschiedet, er hatte noch nicht einmal ein Schrecklich geschafft wie in Zauberkunst. Nichtdestotrotz musste er jetzt in einem der beiden Fächer ein Annehmbar erreichen, doch das grenzte an Selbstmord bei seinem Talent.
Für einen kurzen Moment schloss Marcus die Augen, dann gab er die Liste zögernd zurück. Resigniert legte er die Hände wieder auf seine Beine. Er war eine Niete und würde wieder versagen. Sein Vater würde ihn in der Luft zerfetzen. Im Grunde konnte er sich doch direkt von der nächsten Klippe stürzen. Verwandlungen und Zauberkunst - er würde sowas von versagen. Also alles war wie immer, dachte Marcus sarkastisch. „Vielen Dank für Ihre Mühe, Professor", antwortete er möglichst neutral und hoffte, dass das kleine Zittern in seiner Stimme ihn nicht verriet.
Professor Snape stützte die Ellenbogen auf den Tisch, dann lehnte er sich ein kleines Stück vor. „Ich weiß, dass Ihnen Verwandlung immer Probleme bereitet hat, aber ich glaube fest daran, dass Sie sich dieses Schuljahr verbessern werden, wenn Sie sich genug konzentrieren", sagte er leise.
Damit stehst du allein da, alte Nebelkrähe, dachte Marcus zynisch. Er kam nicht umhin, an das enttäuschte Gesicht seiner Mutter zu denken, als sie sein Zeugnis gelesen hatte. Er war eine Zeitverschwendung, daran konnte auch sein achtes Schuljahr nichts ändern. Natürlich würde er es nicht schaffen. „Ich werde mich bemühen", antwortete er indifferent. Ob er jetzt gehen durfte?
Professor Snape seufzte. „Darauf vertraue ich", sagte er und der Tonfall ließ Marcus aufhorchen. „Ich habe auch einen kleinen Anreiz für Sie", fügte er hinzu. „Sie behalten Ihren Posten als Kapitän des Quidditch-Teams, solange Sie Ihre Hausaufgaben regelmäßig erledigen und Ihre Noten angemessen ausfallen."
Marcus Blick schnellte hoch. Verwunderung machte sich in ihm breit. Er durfte sogar Kapitän bleiben? Das war... unglaublich... er glaubte es nicht. Es musste eine Falle geben, eine Hintertür, eine kleine Boshaftigkeit... Irgendetwas lief hier doch falsch. Seine Gedanken rasten ungebremst im Kreis und forschten nach dem Fehler im System. Professor Snape erwiderte seinen Blick unverwandt, aber seine schwarzen Augen suchten irgendetwas in seinen, das spürte Marcus sofort. Nervosität machte sich in ihm breit und er rieb seine Hände an seiner Hose, bevor er sich stoppen konnte. „Danke, Professor", antwortete er vorsichtig und schluckte.
Professor Snape nickte. „Ich werde kontrollieren, ob die anderen Lehrer zufrieden mit Ihren Leistungen sind. Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter."
Immer noch war der Blick des Professors suchend und Marcus stand unter seinem Bann, irgendwo zwischen Hoffen und Bangen. Er durfte weiter Quidditch spielen trotz allem, was geschehen war. Das konnte nicht wahr sein. „Ich... ich werde mein Bestes geben, Sir", erwiderte Marcus, dann atmete er tief durch. Er würde jede einzelne Hausaufgabe abgeben und wenn es ihn seinen kompletten Schlaf kostete. Er durfte mit seinem Team auf das Feld. Das war mehr, als er in seinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte. Er war überwältigt.
„Mr. Flint, eins noch, bevor Ihre erste Stunde beginnt", ergänzte Professor Snape und Marcus' Herz machte einen Satz. „Halten Sie sich fern von Ärger und Prügeleien. Lassen Sie sich nicht provozieren - vor allem nicht von Gryffindors wie Mr. Wood oder Miss Bell."
„Nein, Professor", versprach Marcus und fragte sich, woher die alte Nebelkrähe das schon wieder wusste.
Professor Snape erhob sich und Marcus sprang sofort auf. Anscheinend war das Gespräch jetzt beendet. Da war er ja tatsächlich glimpflich davongekommen. „Kommen Sie", forderte der Professor ihn auf. „Ihre erste Stunde haben Sie bei mir, Sie dürfen mich zum Klassenraum begleiten." Zögernd ging Marcus ein paar Schritte vor, dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er erstarrte angespannt unter der ungewohnten Berührung, während er unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballte. Professor Snape musterte ihn mit derselben Intensität wie vorhin, deshalb setzte Marcus sofort eine ausdruckslose Miene auf. „Wenn Sie etwas brauchen, beispielsweise ein Gespräch über das letzte Schuljahr, steht Ihnen meine Tür jederzeit offen", bot Professor Snape an. Marcus nickte mechanisch. Als der Professor ihn losließ, atmete Marcus erleichtert aus und entspannte sich. Das war das merkwürdigste Gespräch, das er jemals mit seinem Hauslehrer geführt hatte. Was sah er bloß in ihm? Hatte Marcus irgendetwas falsch gemacht? Oder wollte der Professor sich seinen dümmsten Schüler noch einmal genauer ansehen? Volltrottel von vorne, sagte er sich in Gedanken, während er die Stelle berührte, auf der Professor Snapes Hand gelegen hatte. Dann beeilte er sich, seinem Hauslehrer zu folgen, der ungerührt schon in den Flur getreten war.
Das war das erste Kapitel. Wie war es für euch? Ich hoffe, ihr seid nicht allzu deprimiert. Über Reviews freue ich mich sehr!
