Ich stelle nun nach und nach meine alten Stories hier online. Diese FF ist aus dem Jahr 2003.

Disclaimer: Ich hab mir die Charaktere nur geliehen und gebe sie unbeschädigt wieder an DPB & Co zurück.

Für Rechtschreib- und Grammatikfehler verbrennen Sie meinen Duden oder erschlagen Sie meinen Deutschlehrer!


Kissenschlachten & Geiselnahmen

17. Mai 2002
19.25 Uhr EST
Flughafen von Washington, D.C.

„Mist!", fluchte Mac laut, sodass sich einige der Leute, die an ihr vorbeigingen, verwundert nach ihr umblickten. Lieutenant Colonel Sarah MacKenzie, Offizier des US Marine Corps und Top-Anwältin bei J.A.G., fuhr sich aufgebracht mit einer Hand durch ihr kurzes, dunkelbraunes Haar.

„Mac, beruhigen Sie sich! So schlimm wird's bestimmt nicht", versuchte Harm, ihr Partner und Navy-Offizier, sie zu beruhigen.

„Klar", entgegnete Mac, wie Sarah von den meisten ihrer Kollegen und Freunde genannt wurde. „Nach einem Tag wie heute! Erst verliere ich den Prozess vor Gericht, und dann erfahre ich, dass die Festplatte meines Laptops, den ich vor ein paar Tagen in Reparatur gegeben habe, nur noch Schrott ist! Nachdem ich vorhin endlich nach Hause konnte, rief mich Chegwidden an und sagte mir, dass ich meine Sachen packen sollte, weil wir einen dringenden Fall bearbeiten müssen! Und das in Florida! Aus war's mit den gemütlichen Wochenende! Da kann's ja nur noch besser werden", entgegnete sie zynisch.

Harm legte ihr eine Hand auf die Schulter, woraufhin sie ihn aus ihren müden Augen anblickte.

„Und dann auch noch die Touristenklasse", seufzte sie. „War denn sonst überhaupt nichts mehr frei?"

Er schüttete den Kopf. „Leider nein, Mac. Da war nichts mehr zu machen!"

Sie seufzte erneut und wollte noch etwas erwidern, als ihr Flug ausgerufen wurde und die beiden Anwälte zum Einchecken gingen.


22.17 Uhr EST
Flughafen von Tampa, Florida

Als Harm und Mac nach einem langweiligen Flug endlich in Tampa angekommen waren, wurden sie schon von einem Navy-Offizier am Flughafen erwartet. Nachdem sie ihr Gepäck abgeholt hatten, stiegen sie in ein Dienstfahrzeug und machten sich auf den Weg in das knapp eine Stunde entfernte St. Petersburg.

Es war ihrem Vorgesetzten, Admiral Chegwidden, unmöglich gewesen, in der kurzen Zeit einen Flug von Washington direkt nach St. Petersburg zu bekommen, also hatte er einen Fahrer engagiert, der seine beiden Anwälte zu ihrem Einsatzort bringen sollte.

Unterwegs herrschte eisiges Schweigen. Der Navy-Offizier, der sich ihnen als Lieutenant Conroy vorgestellt hatte, sagte ihnen nur, dass er sie in ein Hotel bringen und am nächsten Morgen pünktlich um acht Uhr wieder abholen würden.

Während der Fahrt bemerkte Harm plötzlich, dass Mac, die neben ihm hinten im Wagen saß, mit der Müdigkeit kämpfte und immer wieder aufschreckte, wenn sie für kurze Zeit eingeschlafen war. Als sie wieder einmal einnickte, sank ihr Kopf gegen Harms Schulter.

Sie schreckte auf und blickte Harm ein wenig irritiert an, der sie warm anlächelte, ihr vorsichtig seinen Arm um die Schulter legte und sie an sich zog.

„Machen Sie es sich bequem", bot er ihr an und sie war ihm dankbar, denn sie war wirklich ziemlich müde und der Wagen war nicht unbedingt ein angenehmer Schlafplatz.

„Bilden Sie sich aber nichts darauf ein, Harm", scherzte sie, während sie sich an ihren Partner kuschelte und schon kurz darauf einschlief.

Harm blickte auf seine schlafende Partnerin in seinen Armen hinab und verfolgte, wie die Straßenlampen Schatten in der Dunkelheit der Nacht bildeten und auf Macs Gesicht fielen. Als sie endlich vor dem Hotel hielten, schlief Mac tief und fest.

Harm stieß sie sachte an, damit sie aufwachte und gemeinsam gingen sie ins Foyer, nachdem sie sich von Lieutenant Conroy verabschiedet hatten.

Harm hatte das Gepäck von ihnen beiden genommen und folgte seiner Partnerin, die trotz ihrer Müdigkeit zielstrebig zum Empfang ging.

„Guten Abend. Ich bin Colonel MacKenzie und das ist", Mac deutete auf Harm, „mein Partner Commander Rabb. Admiral Chegwidden hat für uns zwei Zimmer gebucht."

„Einen Moment bitte", sagte die Dame am Empfang und tippte etwas in den Computer. Dann runzelte sie die Stirn. „Sagten Sie zwei Zimmer", fragte sie die beiden.

Mac nickte. „Ja, zwei Einzelzimmer!"

„Tut mir Leid, hier muss etwas schief gegangen sein", teilte ihnen die Dame mit. „Es ist nur ein Doppelzimmer von ihnen gebucht worden. Der Buchungsauftrag ist zwar vorhanden, aber wurde anscheinend falsch bearbeitet."

„Na toll", stöhnte Mac, warf Harm einen vielsagenden Blick zu und wandte sich dann wieder an die Empfangsdame.

„Können Sie uns dann nicht einfach umbuchen?", wollte sie wissen, aber die Dame schüttelte den Kopf.

„Nein, tut mir leid. Das ist das einzige Zimmer, welches noch frei ist, und das wird sich in der kommenden Woche nicht ändern. Alle anderen Buchungen gehen bis mindestens Ende nächster Woche, da zur Zeit eine große Messeveranstaltung in der Stadt stattfindet. So weit ich weiß, sind alle Hotels bis obenhin ausgebucht."

„Na schön", Mac wandte sich an Harm, „Sie haben die Wahl, Flyboy: Entweder wir nehmen das Doppelzimmer oder wir suchen uns eine schöne bequeme Parkbank!"

Harm verzog das Gesicht. „Na dann würde ich sagen, nehmen wir das Zimmer!"

Sie ließ sich von der Empfangsdame den Schlüssel aushändigen und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in ihr Zimmer.


22.31 Uhr EST
Hotel West-Harbor
Zimmer Nr. 42

Müde ließ sich Mac auf das breite Doppelbett sinken und wäre am liebsten sofort eingeschlafen, aber Harm hinderte sie daran, indem er sie ins Bad scheuchte. Sie zog ihren Pyjama aus ihrer Reisetasche und verschwand damit im Bad.

Während sie sich im Badezimmer umzog, streifte sich Harm ebenfalls schnell seinen Pyjama über und packte dann noch schnell seine Uniform aus seiner Reisetasche, damit sie am nächsten Morgen nicht allzu zerknittert sein würde. Kaum war er damit fertig, ging die Badezimmertür auf und Mac schlürfte ins Zimmer.

„Das Bad ist frei, Harm", sagte sie und gähnte. Zielstrebig steuerte sie das Bett an und verkroch sich unter der Bettdecke.

Nur wenige Minuten später kam Harm wieder, blieb jedoch zögernd vor dem Bett stehen. „Ähm, Mac,...", er suchte nach den richtigen Worten. „Also, wenn Sie wollen kann ich mir auch zwei Sessel zusammenschieben..."

Sie richtete sich auf. „Harm! Halten Sie die Klappe und kommen Sie ins Bett! Das ist doch groß genug für zwei!"

Er nickte und kroch auf der anderen Seite unter die Decke.

„Außerdem", fügte Mac hinzu, „sind wir zwei erwachsene Menschen und werden wohl kaum wie wild übereinander herfallen, oder?" Sie lächelte ihn schelmisch an.

„Warnstufe Rot, Mac", warnte Harm scherzend, woraufhin sie ihm einen leichten Klaps auf den Arm verpasste.

„Hey!"

„Es besteht kein Anlass für Warnstufe Rot, Harm", erwiderte sie und tat beleidigt. „Das eben war lediglich eine Feststellung und keine Aufforderung!"

„Dann ist ja gut!", entgegnete Harm und ließ sich in die Kissen sinken. „Schlafen Sie gut, Mac."

Sie knipste die Nachttischlampe aus und zog die Decke wieder nach oben. „Danke, gleichfalls. Und träumen Sie was Schönes."

In der Dunkelheit konnte sie nicht sehen, dass sich ein breites Grinsen auf Harms Gesicht stahl. „Das werde ich..."


6.47 Uhr EST
Hotel West-Habor
Zimmer Nr. 42

Als Harm aufwachte, war es schon hell draußen und einzelne Sonnenstrahlen fielen durch die Jalousie ins Zimmer. Er wollte sich umdrehen, bemerkte aber dann, dass Macs warmer Körper ganz dicht neben ihm lag. Sie hatte einen Arm um ihn geschlungen und den Kopf an seine Schulter gelegt.

Ein angenehmes Gefühl durchflutete ihn bei den Anblick seiner friedlich schlummernden Partnerin. Sie schien sich wohl zu fühlen, denn ein zartes Lächeln zauberte sich auf ihr Gesicht.

Harm konnte nicht sagen, wann er das letzte mal aufgewacht war und sich so geborgen gefühlt hatte. Macs Nähe beruhigte ihn. Sanft strich er ihr eine Strähne ihres braunen Haares aus dem Gesicht, als sie leise seufzte und langsam die Augen öffnete.

„Guten Morgen, Mac", flüsterte Harm und lächelte.

„Guten Morgen, Harm", antwortete sie. Sie registrierte, dass sie dicht an Harm gekuschelt lag und ein rötlicher Schimmer überzog ihr Gesicht. „Sorry, ich wollte Sie heute Nacht nicht zerquetschen", entschuldigte sie sich und wollte sich wieder auf ihre Seite zurückdrehen, aber Harm, der ebenfalls während der Nacht einen Arm um sie geschlungen hatte, hielt sie fest.

„Das haben Sie nicht. Außerdem können Sie ruhig noch etwas liegen bleiben, das ist bequem", gab er zu.

„Wenn Sie unbedingt wollen", murmelte Mac und schloss noch einmal die Augen.

Es stimmte, Harm fühlte sich wohl und ihr ging es nicht wesentlich anders.

'So könnte es immer sein', dachte sie plötzlich und ohrfeigte sich innerlich für diesen Gedanken. 'Hör damit auf, Marine, er ist dein Kollege und mehr nicht!'

„Leider...", seufzte sie.

„Was haben Sie gesagt, Mac?"

Sie riss die Augen auf. Hatte sie etwa... anscheinend hatte sie ihren letzten Gedanken laut ausgesprochen und natürlich hatte Harm es mitbekommen.

„Ähh, ... nichts...", stammelte sie und merkte, wie sie rot wurde - zum zweiten Mal an diesem Tag. Wie schaffte es dieser Mann bloß immer wieder, sie in Verlegenheit zu bringen, sie - den Marine!

Mit knallrotem Kopf gab Mac ihren gemütlichen Platz an Harms Seite auf und sprang aus dem Bett. „So, aufstehen, Harm!", befahl sie. „Wir haben einen langen Tag vor uns!"

Harm murrte. „Mac, es ist doch erst...", suchend blickte er sich nach einer Uhr um, aber da verkündete ihm seine Partnerin schon „Sieben Minuten vor sieben", ohne auf die Uhr zu sehen.

Harm bewunderte ihr Talent, immer die genaue Uhrzeit sagen zu können, ohne dass auch nur eine Uhr oder etwas ähnliches in der Nähe war. Und das, wie Mac von sich behauptete, mit einer Abweichung von höchstens dreißig Sekunden!

Als sich Mac umdrehte und in ihrer Tasche wühlte, traf sie plötzlich ein Kissen am Hinterkopf. Empört drehte sie sich zu ihrem, Partner um, der jedoch ein unschuldiges Gesicht machte und sie fröhlich anblickte.

„Harm!", rief sie und schleuderte das Kissen zurück in seine Richtung.

Das war der Beginn einer ausgelassenen Kissenschlacht. Währenddessen sprang Mac übermütig aufs Bett, warf sich auf Harm und begrub ihn unter einem großen Kopfkissen. Er versuchte mehrmals, sie von sich herunter zu werfen, aber sie war ziemlich hartnäckig. Schließlich gelang es ihm doch irgendwie.

Er drehte sie auf den Rücken, drückte sie auf die weiche Matratze und hielt ihre Handgelenke fest. Sie strampelte mit den Beinen, aber er setzte sich schließlich auf ihre Oberschenkel, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte.

„Na, geben Sie auf?", neckte er sie.

„Pah", sie lächelte ihn frech an. „Ein Marine gibt niemals auf!" Sie versuchte sich zu befreien, aber vergeblich.
Er hatte sie so fest im Griff, dass sie keine Chance hatte zu entkommen.

„Das werden wir ja sehen", entgegnete Harm und begann, seine Partnerin zu kitzeln. Da Mac ziemlich kitzelig war, war sie schon nach kurzer Zeit vor lauter Lachen völlig außer Atem.

„Harm, bitte", japste sie und versuchte Harm mit letzter Kraft von sich weg zu drücken, aber er war stärker als sie und hörte nicht auf. Irgendwann, als sie schon vollkommen erschöpft vor Lachen war, schaffte es Mac dennoch irgendwie, Harm von sich herunter zu werfen.

Sie drückte ihn mit den Beinen von sich weg - leider ein wenig zu heftig, denn er fiel mit Schwung aus dem Doppelbett und landete krachend auf dem Boden, gefolgt von einem schmerzvollen „Aua!"

Sofort hörte Mac auf zu lachen und erschrocken krabbelte sie auf dem Bett zur Seite, wo Harm heruntergefallen war, oder besser gesagt, wo sie ihn hingeworfen hatte.

„Harm, ist Ihnen etwas passiert?", fragte sie besorgt und blickte auf ihn herab, der mit dem Rücken auf dem Bettvorleger lag und sich mit einer Hand die Stirn festhielt.

„Sagen wir's mal so", stöhnte er, „ich lebe noch!" Er richtete sich auf und wollte wieder aufs Bett klettern, als Mac bemerkte etwas bemerkte.

„Harm, Sie bluten!"

„Was? Wo?"

Sanft nahm sie seine Hand von der Stirn und besah sich die kleine Wunde an der Stirn, die leicht blutete.

„Sie haben Glück gehabt, es ist nicht so schlimm" sagte sie. „Oh, Harm, es tut mir so Leid!" Sie sprang auf und rannte ins Badezimmer. Nach wenigen Augenblicken kam sie mit ein paar Dingen wieder ins Zimmer und kniete sich neben Harm, der sich inzwischen aufs Bett gesetzt hatte.

Rasch desinfizierte sie die kleine Wunde, wobei er das Gesicht verzog und dann klebte sie ihm ein kleines unauffälliges Pflaster auf die Wunde. Sie entschuldigte sich nochmals bei ihm, brachte das Desinfektionsmittel wieder ins Badezimmer und dann machten sich beide fertig, um pünktlich zu sein, wenn Lieutenant Conroy sie wieder vor dem Hotel abholen würde.

Sie zogen sich die am Abend zuvor bereitgelegten Uniformen an und gingen dann in den Speisesaal des Hotels, um vorher noch etwas zu frühstücken.

Pünktlich um acht Uhr holte Lieutenant Conroy Harm und Mac ab und brachte sie in den knapp zehn Minuten entfernten Hafen. Dort wurden sie schon erwartet.


08.12 Uhr EST
Pier 28
St. Petersburg - Harbor

„Commander Rabb, wie ich vermute", wurden sie sofort am Pier von einem Mann in Navy-Uniform begrüßt, der ungefähr in Harms Alter war und ebenfalls den Rang eines Commanders bekleidete.

Die beiden salutierten und der Commander erwiderte den Gruß.

Harm nickte und sagte: „Commander Rabb und das ist meine Kollegin..."

„Hallo, Sarah", wurde er vom Commander unterbrochen, der Mac erblickt und sich an sie gewandt hatte.

„Hallo, Jonas", entgegnete Mac und lächelte, doch es wirkte irgendwie künstlich.

„Sie beide kennen sich?", fragte Harm irritiert und sah von einem zum anderen.

„Ja, wir,...", sie wusste nicht, wie sie es sagen sollte. „Wir waren sehr gut befreundet."

Harm musterte sein Gegenüber aufmerksam. Jonas war ein Stück kleiner, aber stämmiger als er, hatte kurzes, fast schwarzes Haar und sonnengebräunte Haut.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du es immer noch bei JAG aushälst", wandte sich Jonas wieder an Mac, woraufhin sie ihm fest in die Augen sah und meinte: „Tja, so ist das Leben."

Sie blickte zu ihrem Kollegen. „Harm, das ist Jonas Cullingham."

Die beiden Männer nickten sich knapp zu, dann begann Jonas: „Ich denke, Sie sind gekommen, um den Fall zu lösen! Also,..."

Während sie in Richtung Pier 37 gingen, erzählte ihnen Jonas, was vorgefallen war.

„Vor ein paar Tagen sind wir mit dem Flugzeugträger USS Constellation in den Hafen eingelaufen. Nach knapp einem halben Jahr auf See waren wir froh, endlich wieder frei zu haben und dementsprechend war am ersten Abend kaum noch jemand an Bord. Am nächsten Morgen ist dann Commander Sleter nicht zum Dienst erschienen. Er wurde später erschossen in seiner Kabine gefunden."

„Gibt es irgendwelche Verdächtigen?", schaltete sich Mac sofort ein, aber Jonas schüttelte den Kopf.

„Nein, außerdem gibt es kein Motiv für den Mord. Commander Sleter ist nie irgendwie auffällig geworden oder hat sich durch was auch immer Feinde gemacht, jedenfalls nicht, dass es irgendwo aufgefallen wäre."

Gemeinsam gingen sie an Bord des Flugzeugträgers und nahmen die Ermittlungen auf. Sie befragten Kameraden des Ermordeten, redeten mit allem möglichen Offizieren an Bord, aber als sie sich am Abend beratschlagten, waren sie noch kein bisschen schlauer als vorher.


13.29 Uhr EST
Pier 37
An Bord der USS Constellation

Harm saß in dem Raum, in dem er die letzten Stunden etliche Soldaten zum Mordfall befragt hatte, und stützte den Kopf auf die Hände, als die Tür aufging und seine Kollegin Mac herein stürmte.

„Na, sind Sie schon irgendwie weiter gekommen?", fragte sie ihn, aber er schüttelte resigniert den Kopf. „Nichts! Man könnte meinen, niemand hätte je von Commander Sleter gehört!"

Sie setzte sich ihm gegenüber und fiel sofort mit der Tür ins Haus. „Aber ich hab etwas!"

Interessiert blickte er sie an.

„Ich habe herausgefunden, dass Commander Sleter eine Affäre mit einem weiblichen Lieutenant hatte. Und zwar mit einer gewissen", sie dachte kurz nach, „Christine Alberts. Ich war eben bei ihr und habe mit ihr geredet. Und dabei habe ich etwas interessantes herausgefunden!"

Sie lächelte triumphierend. „Ein Lieutenant, der mit ihr in der gleichen Abteilung arbeitet, schmeißt sich permanent an Lieutenant Alberts heran und sie könnte sich vorstellen, dass dieser Lieutenant Bruce Trivino etwas mit dem Mord zu tun hat."

„Das ist allerdings sehr interessant", entfuhr es Harm und sogleich stand er auf. „Kommen Sie, Mac. Ich denke, wir sollten diesem Bruce mal einen Besuch abstatten.


13.43 Uhr EST
'Pete's Harbor'
St. Petersburg - Harbor

„Sind Sie Lieutenant Bruce Trivino?"

Der Angesprochene drehte sich auf dem Hocker, auf dem er saß, um.

„Ja, und wer sind Sie?", fragte er barsch.

„Commander Rabb und Colonel MacKenzie, wir ermitteln in dem Mordfall, der an Bord der Constellation geschehen ist", antwortete Harm und blickte sich in den heruntergekommenen Laden um. Hier war nicht sonderlich viel los, vereinzelt saßen einige Offiziere an den Tischen oder am Tresen, wie Trivino.

Sobald sich Harm und Mac vorgestellt hatten, spannte sich Trivionos ganzer Körper an und er rutschte von dem Hocker herunter.

„Lieutenant, wir würden Ihnen gerne einige Fragen stellen", sagte Mac. „Wo waren Sie an ihrem ersten Abend hier im Hafen?"

„Wieso wollen Sie das wissen?" Trivino bedachte sie mit einem argwöhnischen Blick, der Harm überhaupt nicht gefiel.

„Weil Sie in Verdacht stehen, Commander Sleter getötet zu haben", antwortete er auf seine Frage.

Plötzlich kam Panik in Trivino auf. Er zog ein Messer aus seiner Hosentasche, ließ es aufschnappen. In Sekundenbruchteilen packte er Mac grob am Arm, zog die unsanft zu sich und hielt ihr das Messer an den Hals.

„Gehen Sie weg!!" schrie Trivino.

Mac konnte sich vor Schreck kaum bewegen und war wie gelähmt. Mühelos hätte sie sich befreien können, aber in diesem Augenblick schien ihr Körper ihr nicht zu gehorchen.

Sofort reagierte Harm, indem er seine Waffe zog und sie auf Trivion richtete. Schießen konnte er nicht, er würde unweigerlich seine Partnerin treffen, die Trivino wie ein Schutzschild vor sich hielt.

Auch die anderen Offiziere waren aufgesprungen, aber keiner von ihnen konnte etwas tun, denn Trivino ging, das Messer an Macs Hals haltend, langsam rückwärts in Richtung Treppe. Harm versuchte ihm gut zuzureden, aber vergeblich - Trivino verschwand mit Mac im oberen Stockwerk.

„Holen Sie Hilfe", forderte Harm die Soldaten auf und sogleich sprangen mehrere auf und verließen eilig das Gebäude. Nur wenige Minuten später wimmelte es von Soldaten nur so und schnell war das ganze Gebäude umzingelt.

Das obere Stockwerk des Ladens war ein kleines Appartement, in welchem Trivino Mac die Hände hinter den Rücken band und sie in einer Ecke zu Boden drückte. Dann zog er seine Waffe und trat an Fenster. Vorsichtig lugte er durch einen Spalt der Jalousie und fluchte.

„Was erhoffen Sie sich aus dieser Sache hier?", fragte Mac plötzlich, aber statt einer Antwort bekam sie einen Tritt in den Magen, sodass sie schmerzverkrümmt auf dem Boden lag. Sie biss die Zähne zusammen und schloss kurz die Augen, als könne sie dadurch den Schmerz lindern.

Dann verriegelte Trivino die Tür und hockte sich auf einen Sessel. Er ließ Mac nicht aus den Augen, als er zu erzählen begann: „Dieser verdammte Hurensohn hat es verdient zu sterben. Er hat sich an Christine rangemacht - ich wollte sie haben, ich habe es ihm mehrmals gesagt, aber er wollte nicht auf mich hören. Tja, das hat er nun davon."

Trivino sprach so, als würde er über einen Film sprechen, den er mal gesehen hatte, und nicht, als ginge es um einen Mord, den er begangen hatte. Dabei bemerkte Mac keinerlei Reaktionen in seinem Gesicht. Seine Augen waren kalt und starr, als er sie anblickte. Ihr wurde klar, dass dieser Mann kein Gewissen haben musste und ihm alles egal zu sein schien.

Zum ersten Mal in ihrem Leben bekam Mac Todesangst, richtige Todesangst.

Trivino erzählte Mac in allen Einzelheiten, wie er den Plan gefasst hatte, Sleter umzubringen und mit jeder Minute wurde die Situation unerträglicher für Mac. Sie wünschte sich, Harm wäre jetzt bei ihr.

Sie versuchte nicht mehr auf das zu hören, was Trivino von sich gab, sondern entsann sich auf angenehme Momente in ihrem Leben, wobei sie sich hauptsächlich auf die Zeit, die sie mit Harm verbracht hatte, beschränkten. Sie erinnerte sich an ihre erste Begegnung im Rosengarten, an den Abend damals in Russland und an den gestrigen Morgen.

Nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, hörte sie auf einmal, wie jemand an die Tür klopfte. „Machen Sie auf, Trivino, Sie haben keine Chance", rief eine Stimme und Mac erkannte sie als die von Jonas.

Erleichterung überkam sie. Es würde alles gut werden. Sie wusste es einfach. Sie hatte Jonas und sie hatte Harm. Die beiden würden sie schon hier herausholen. Denn sie vertraute ihnen.

Sie kannte Jonas schon lange. Sie hatten sich damals auf der Militärakademie kennen gelernt. Auf Anhieb hatten sie sich gut verstanden, wenn es nach Jonas gegangen wäre, dann wären sie sogar ein Liebespaar geworden. Er hatte sich so oft versucht ihr zu nähern. Aber Mac hatte abgeblockt, immer wieder.

Und als sie dann mit ihrem Jura Studium begonnen und ihn gewissermaßen verlassen hatte, so hatte sie in diesem Moment nicht nur einen Freund verloren, sondern diesem Freund auch noch das Herz gebrochen.

Trivino reagierte nicht auf den Befehl von Jonas, sondern rannte zum Fenster, riss es auf und brüllte: „Haut ab ihr Arschlöcher, oder eure kleine Anwältin stirbt!"

Dann ging alles so schnell, dass Mac es kaum richtig begreifen konnte. Jonas trat die Tür ein und noch bevor er seine Waffe auf Trivino richten und abfeuern konnte, traf ihn ein gezielter Schuss von Trivino ein die Brust und er ging zu Boden.

„Nein, Jonas", schrie Mac verzweifelt. Sie robbte auf den Boden zu Jonas hin, der schwer verletzt auf dem Boden lag und sich die Hand auf die stark blutende Wunde in der Brust hielt.

„Jonas", flüsterte Mac und er sah sie schwach an.

„Sarah, ich..."

„Shh, nicht sprechen, es wird alles wieder gut", beruhigte sie ihn, obwohl sie selbst nicht so recht daran glaubte.

Jonas schüttelte kraftlos seinen Kopf. „Sarah, ich wollte dir nur sagen", er hustete und spuckte dabei Blut, „dass ich,... dich liebe..."

„Jonas..."

„Ich wollte es dir schon lange gesagt haben, aber ich habe nie den Mut gefunden ... und jetzt ist es ... zu spät ..." Er schloss die Augen. „Mach nie ... den gleichen Fehler wie ich ... rede über deine wahren Gefühle ... bevor es zu spät ist..."

Sein Kopf sank leblos zur Seite und Mac wusste, dass er tot war.

Eine unermessliche Wut stieg in ihr hoch und sie blickte den Jonas' Mörder wutentbrannt und mit Tränen in den Augen an.

„Du mieses Schwein", stieß sie hervor. Mit letzter Kraft kam sie auf die Beine und rannte auf Trivino zu, der nahe bei dem Fenster stand. Er war so überrascht über diesen plötzlichen Angriff, dass er keine Zeit mehr zum reagieren hatte.

Mit einem Aufschrei warf sich Mac gegen ihn. Er stolperte nach hinten, wurde gegen den niedrigen Fenstersims gedrückt und verlor das Gleichgewicht. Wild ruderte er mit den Armen und hielt sich an Mac fest, als er sie beide in die Tiefe riss.

Harm, der die ganze Zeit vor dem Gebäude gestanden hatte, sah nun, dass etwas aus einem Seitenfenster fiel und erkannte, dass es zwei Personen waren. Er rannte dorthin, wo sie aufgeschlagen waren und sein Herz blieb fast stehen, als er eine der Personen als seine Kollegin identifizierte.

„Nein!" Mit einem Satz war er bei ihr und kniete sich neben die Verletzte. „Mac, nein", flüsterte er, als er in ihr Gesicht war.

Ihre Augenlider flatterten, als sie die Augen öffnete. 'Jonas hatte Recht, machmal kann es zu spät sein, jemandem seine Gefühle zu offenbaren', dachte sie verzweifelt, und eine tiefe, unendliche Dunkelheit hüllte sie ein.

'Ich liebe dich Harm...'

Dann schlossen sich ihre Augen und ihr Kopf sank leblos zur Seite...


Fortsetzung folgt!