Kreaturen im Krieg

„Ich habe keine Lust auf diesen Mist!" Harry warf die Briefe von seinen Freunden zur Seite. Er wusste, dass er unfair war. Die anderen waren von Dumbledores Tod genauso betroffen wie er und wollten ihm auch bei seinem Kampf helfen. Aber sie hatten noch ihre Familien um die sie sich jetzt Sorgen machen mussten. Er wollte, dass sie die beschützten und vielleicht auch nach Hogwarts zurückkehrten, wenn die Schule wieder öffnete.

Mit dem Tod des mächtigsten Magiers, den ihre Seite hatte, waren die Angriffe der Death Eater ins Zahllose gestiegen. Das Ministerium wurde mit ihnen bei weitem nicht fertig.

Harry setzte jetzt alles daran, die Horcruxes zu finden, die Voldemort irgendwo versteckt hatte. Aber er musste auch herausfinden, was für ein Gift Dumbledore getrunken hatte. Er wusste nicht, warum, aber das nagte an ihm. Er wusste nur nicht, wie er etwas darüber herausfinden sollte. Wo er jetzt war, im Grimault Place, waren zwar ein paar Bücher zu dem Thema, aber er hatte den Trank nicht gefunden. Er konnte Snape nicht mehr fragen, nicht bevor er wusste, was da los war.

Er war sich nicht mehr sicher, ob Snape sie verraten hatte, da dieser ihm im Zweikampf ja fast noch weiter Unterricht gegeben hatte. Auf jeden Fall war sein Verhalten seltsam gewesen. Auch Malfoy konnte er nicht mehr einschätzen. Er war sich mittlerweile sicher, dass der Slytherin verführt wurde und es auch bereute. Er konnte sich an den Gesichtsausdruck des Blonden erinnern. Er vermutete, dass es dem Anderen davor nicht klar gewesen war, wie die Realität aussah, was er hätte unternehmen können. Die Frage war nur, wo stand er jetzt? Harry hätte gern mal mit dem Slytherin über das, was geschehen war, gesprochen. Wenn er nur wüsste, wie er mit ihm Kontakt aufnehmen könnte.

‚Ich bin immer noch von ihm besessen. Warum denke ich ständig an ihn? Letztes Schuljahr habe ich mich darauf gestürzt, ihn zu verdächtigen, jetzt will ich wissen wie es ihm geht, was er denkt… Schon Seltsam.'

Er beschloss, etwas draußen spazieren zu gehen. Im Haus war es ihm plötzlich zu still. Der Orden hatte sich ein anderes Hauptquartier gesucht, sie hatten sich mit den Auroren des Ministeriums zusammengetan, jetzt nahmen sie auch Befehle des Ministers an. Und dem Minister hatte das Haus, das Harry von seinem Paten geerbt hatte, nicht gepasst.

Auch im Muggelteil von London war das Klima gereizter als früher, aber nicht so extrem wie in der Zaubererwelt. Im Zaubererteil von London wollte Harry sich jetzt um keinen Preis sehen lassen, er konnte sich vorstellen, wie man dort auf ihn reagierte.

Er ging sich etwas Schokolade kaufen und wollte sich damit in einen Park in der Nähe setzen. Als er diesen betrat, fiel ihm seine Schokolade beinahe aus der Hand. Auf einem der Bänke saß Lucius Malfoy, mit geschlossenen Augen und in den Nacken gelegten Kopf. Als er den älteren Malfoy genauer ansah, nachdem er sich umgesehen hatte, ob noch mehr Death Eater hier herumliefen, und seinen Zauberstab unauffällig griffbereit gemacht hatte, fiel ihm auf, wie müde und besorgt dieser aussah.

‚Wer weiß, vielleicht gefällt es ihm ja gar nicht, dass sein Sohn zum Death Eater gemacht wird.' Plötzlich kam ihm ein Gedanke: ‚Ich könnte einfach mal hingehen und ihn ansprechen. Wahrscheinlich wird er nur seine Death Eater –Freunde rufen, wenn das Ganze nicht sowieso eine Falle ist, aber wenn ich vorsichtig bin... und wenn sie kommen kämpfe ich halt mit ihnen, wenn ich nicht mit seinen Sklaven fertig werde, kann ich Voldemort selber erst recht nie besiegen!'

Er hatte sich schon fast entschlossen, das Risiko einzugehen, als seine Pläne durch einen Neuankömmling unterbrochen wurden; Narcissa Malfoy tauchte auf und steuerte auf ihren Ehemann zu. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sehr wütend war und sich nur schwer unter Kontrolle hielt. Schnell drapierte Harry einen Unsichtbarkeitszauber um sich und kam auf Hörweite heran.

Narcissa ließ sich neben ihren Mann nieder, der sich aufgesetzt hatte und sie ansah. „Schön, Lucius, jetzt sind wir weit weg. Hier wird uns kein Death Eater belauschen. Jetzt kannst du mir ja hoffentlich erklären, warum du uns in diesen Schlamassel gebracht hast! Und ob du irgendwelche Intentionen hast, mir bei der Suche nach unserem Sohn zu helfen, wüsste ich auch mal gerne!" „Ich hatte nie die Absicht, euch beide da hineinzuziehen", setzte Lucius an, nur um direkt von seiner Frau unterbrochen zu werden. „Hast du etwa geglaubt, er lässt uns in Ruhe?" Sie lachte spöttisch.

Lucius zuckte zusammen, erklärte aber weiter: „Ich hatte einen Ehrenhandel mit ihm geschlossen. Ich dachte, als Erbe von Slytherin hätte er Ehre." Er presste die Lippen zusammen und fügte bitter hinzu: „Ich habe mich geirrt." Narcissa lachte nicht mehr. „Er hat einen Ehrenhandel gebrochen?" „Ja" „Was war Gegenstand dieses Vertrages?" Lucius rutschte unruhig auf der Bank herum. War er etwa verlegen? Er antwortete: „Das er von dir und Draco wegbleibt und ich im dafür diene.", erklärte er. Als Narcissa die Augen aufriss und „Darum also..." flüsterte, warf er seiner Frau einen gekränkten Blick zu. „Hast du etwa geglaubt, dass ich mich ohne einen guten Grund vor jemanden verbeuge?" „Verzeih mir, Lucius. Ich konnte es nie verstehen. Warum hast du mir nie etwas gesagt?" „Weil Stillschweigen teil des Handels war."

„Ich verstehe... und was ist jetzt mit Draco?" „Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo er steckt, aber er ist bisher nicht gefunden worden und ich werde ihn nicht suchen. Das würde nur die Gefahr, dass Voldemort ihn in die Finger bekommt, erhöhen. Um genau zu sein, da er es geschafft hat spurlos zu verschwinden, wollte ich dich fragen, ob wir nicht offiziell die Seiten wechseln. Voldemort hat den Handel gebrochen, also bin ich nicht mehr daran gebunden, und das würde ihn vielleicht von der Suche nach unserem Sohn ablenken." „Sie werden uns nicht glauben." „Du hast das Mark noch nicht, für dich ist es also kein allzu großes Problem.

Und was mich angeht, sie brauchen mich nur unter Veritaserum zu stellen. Aber es würde dich in noch mehr in Gefahr bringen, daher kann ich einen solchen Schritt nicht ohne deine Zustimmung machen." Narcissa lächelte. „Nach allem, was er dir und Draco angetan hat, kehre ich Voldemort gerne offiziell den Rücken." Die beiden sahen sich einen Moment an, als würden sie sich küssen.

Da entschied Harry, sich einzumischen. Er war sich sowieso nicht sicher ob die beiden ihn nicht fürs lauschen töten würden, sie küssen zu sehen war vermutlich Selbstmord. Also befreite er sich schnell von seinem Zauber und erschreckte das Ehepaar fast zu Tode. Als sie ihn erkannt hatten, verwandelte sich Lucius´ Schreck in Wut. Narcissa beruhigte sich und begann, sich wachsam umzusehen. Zu ihr sagte Harry: „Ich glaube nicht, dass sich hier noch jemand versteckt. Darauf passe ich normalerweise auf. Ich hatte ja nicht geplant, euch zu belauschen."

Lucius presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Was sollte das überhaupt? Und wie viel hast du gehört?" Harry antwortete: „Ich kam her, als ihre Ehefrau kam. Und warum ich gelauscht habe, muss ich einem ehemaligen Slytherin wohl kaum erklären, oder?" Narcissa musste grinsen und Lucius entspannte sich etwas. „So, dann hast du jetzt herausgefunden, was los ist. Was machst du mit diesem Wissen?" „Wenn sie es wollen, werde ich dem Ministerium erzählen, was hier geschehen ist. Aber vor allem wollte ich sie um Hilfe bitten." Damit hatte er die Malfoys überrascht.

„Du willst uns um Hilfe bitten?" „Ja. Ich brauche Informationen die die wenigen Bücher, zu denen ich Zugang habe, nicht enthalten, und ich gehe mal davon aus, dass sie mehr Bücher haben. Außerdem muss ich etwas suchen." Er grinste. „Ihr Sohn hat mich freundschaftlicherweise mal darüber aufgeklärt, dass man mit Geld fast alles erreichen kann." Harry wurde wieder ernst. „Ich habe Geld, auch wenn ich keine genaue Vorstellung davon habe, wie viel es eigentlich ist. Aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen muss. Sie wissen das." Lucius sah ihn nachdenklich an. „Als Erbe des Pottervermögens hast du sehr viel. Kann ich davon ausgehen, dass du auch das Blackvermögen hast?" Harry nickte, woraufhin der andere das Gesicht verzog. „Ja, damit findest du wahrscheinlich wirklich alles. Vorausgesetzt, du hast wenigstens eine ungefähre Ahnung, wo du suchen musst." „Nicht wirklich, aber ich habe ein paar entfernte Anhaltspunkte. Heißt das, wir sind im Geschäft?" „Unter einer Bedingung." „Welche?" Lucius sah sich nach seiner Frau um. „Du hast es offensichtlich geschafft, dich irgendwo einzuquartieren, ohne dass Voldemort dich findet. Wir brauchen auch so einen Platz…" Harry lächelte. „Das ist prinzipiell kein Problem, aber woher weiß ich, ob das ganze hier nicht eine groß angelegte Falle ist?" Narcissa lächelte wieder. Ihr Mann grinste. „Ich dachte schon, du wärst wirklich leichtgläubig." Er wurde wieder ernst.

„Wenn du aber kein Veritaserum bei der Hand hast, weiß ich nicht, was ich tun kann. Du wirst meinem Ehrenwort kaum glauben, und mehr kann ich dir nicht bieten."

Harry war aber schon während dieses Satzes eine Idee gekommen. Als Lucius ihm jetzt nach seiner Aussage direkt in die Augen sah, setzte er sie in die Tat um. Er dachte: ‚Legilimens!', ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass man für diesen Zauberspruch eigentlich einen Zauberstab brauchte und er auch nicht zu der Gruppe Sprüche gehörte, die man ausführen konnte ohne sie laut auszusprechen. Lucius merkte erst was los war, als Harry schon in seinem Kopf war. Er ignorierte aber die Gedanken seines neuen Vertragspartners, sondern konzentrierte sich auf die Gefühle, um herauszufinden ob Lucius ein schwarzer Magier war. Als er dessen Gefühlswelt zwar aufgefühlt, aber intakt vorfand, zog er sich wieder in seinen eigenen Kopf zurück. (A/N: Schwarze Magier sind je nach Stärke mehr oder weniger kalt und gefühllos. Wenn jemand also intakte Gefühle ohne Kälte in ihnen hat, ist er kein schwarzer Magier.)

Narcissa stützte besorgt ihren Ehemann und zum ersten Mal sah sie ihn böse an, während Lucius eher fassungslos aussah. „Wenn du meinem Mann etwas getan hast, dann..." fing sie leise an, wurde aber unterbrochen. „Er hat mir nichts getan, Narcissa. Ich glaube, er hat Legilimens angewendet, aber nicht meine Gedanken gelesen, sondern nur meine Gefühle. Richtig?" Jetzt sah er fragend zu Harry.

Dieser nickte zustimmend. „Ich konnte über ihre Gefühle herausfinden, dass sie kein schwarzer Magier sind, was mich davor bewahrt hat, in ihre Gedanken zu spionieren. Das hätte ich nämlich nur sehr ungern getan. Ich entschuldige mich für dieses Eindringen, aber ich denke, sie verstehen meine Gründe. Ich traue aus gegebenen Anlass keinen Ehrenworten von schwarzen Magiern..." „Ja ich verstehe es. Aber aus Narcissas Kopf bleibst du bitte raus!"

„Ja, klar. Bei ihr habe ich keinerlei Zweifel."

„Aber sag mal... wie zum Teufel hast du das gemacht?" Harry blinzelte verblüfft. „Was gemacht?" „Einen Legilimens ohne Zauberspruch und Stab." „So wie alle anderen Sprüche auch. Ich habe mich konzentriert und den Spruch gedacht." Narcissa sah ihn groß an und Lucius brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um ihrem Beispiel nicht zu folgen. „Das ist eigentlich so nicht möglich..." merkte er an. „Aber lassen wir das. Bist du dir jetzt sicher genug, so dass du den Handel mit uns abschließt?" „Ja, bin ich. Ich wohne im Haus meines Patens."

Narcissa sah auf. „Was, im Haus der Blacks?" „Ja. Das scheint noch keiner gefunden zu haben und ich habe auch noch ein paar zusätzliche Schutzzauber gewirkt." Lucius nickte. „Das Haus der Blacks war schon immer das am besten geschützte." Er schien sich von seiner Überraschung erholt zu haben. „Übrigens, was suchst du denn?" Harry sah sich um. „Nicht hier. Das ist zu wichtig."

Jetzt viel den Männern auf, dass Narcissa selig lächelte. „Narcissa?" fragte Lucius vorsichtig. „Freust du dich etwa dorthin zurückzukehren?" In dieser Frage schwang ein sehr ungläubiger Unterton mit, den Harry mit einem fragenden Blick quittierte. Narcissa lachte.

„Natürlich. Ich möchte das Gesicht meiner Tante sehen. Dass jetzt ein Potter die Black-Familie geerbt hat... das muss sie ja noch weiter in den Wahnsinn treiben!" Sie sah Harry neugierig an. „Klebt dieses Portrait von ihr noch immer im Eingang?" „Ja." Harry nickte. „Ich habe noch keine Möglichkeit gefunden, es zu entfernen." Bei diesen Worten verzog das Ehepaar vor ihm die Gesichter. „Ja, Ahnenportraits sind eine Plage."

Damit machte sich das seltsame Trio auf den Weg. Harry spürte dabei, dass er tatsächlich ein wenig auf Draco eifersüchtig war. Wenn dessen Eltern nicht gerade Streit suchten, waren sie doch recht nett. Draco... er musste ihn irgendwie finden. Natürlich nur, weil er sich jetzt mit den Malfoys verbündet hatte. Es gab keinen anderen Grund. ‚Was ist nur los mit mir? Ich denke immer noch die ganze Zeit an ihn. Als wäre ich verliebt... was war das? Ich bin nicht in ihn verliebt!'

Harry schüttelte den Kopf um diese dummen Gedanken zu vertreiben. Sie waren inzwischen am Haus angekommen. Harry erzählte den beiden, was er über Voldemort und seine Horcruxes wusste. Ihm war klar, dass diese Informationen bei ihnen sicher waren. Sie waren jetzt auf Harrys Seite, mit allen Konsequenzen. Trotzdem fühlte er sich nicht ganz wohl, Dumbledores Anweisung, niemandem etwas zu erzählen, zu ignorieren. Aber er brauchte sie. Es stellte sich heraus, dass er den beiden zumindest nicht erklären musste, was Horcruxes waren. Diese Informationen, inklusive den Schwächen der Horcruxes, wurden offenbar in den alten Familien den Kindern an ihrem 20. Geburtstag gelehrt. „Dann gibt es Schwächen, die ich ausnutzen kann?" fragte Harry begierig. „Es gibt Schwächen, aber ob du sie als Waffe einsetzen kannst, weiß ich nicht", war Malfoys Antwort.

Den Rest des Tages sprachen sie über den Umgang mit Geld und wie sie die Suche starten konnten. Als sie anfingen, ans Abendessen zu denken, fiel Harry etwas ein. „Sagen sie, Herr Malfoy, schulde ich ihnen nicht einen Hauselfen?" fragte er unschuldig. Malfoy, der das offenbar für Gryffindor-Ehrlichkeit hielt, verdrehte die Augen. Bevor er etwas sagen konnte, mischte sich aber seine Frau ein. „Netter Versuch, aber wir nehmen Kreacher (A/N: wie heißt der auf Deutsch?) nicht. Du wirst mit ihm leben müssen, ich will diesen verrückten Hauself nicht." Harry seufzte. „Zu schade. Dabei wäre er so glücklich, ihnen dienen zu dürfen."

Nach dem Essen, als Harry in seinem Zimmer saß, fiel ihm etwas ein. ‚Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass das so einfach ist, aber ich versuche es einfach mal.' Damit setzte er sich hin und schrieb einen Brief an Draco Malfoy. Dann band er diesen an Hedwigs Bein und zauberte die Eule unsichtbar. „Bring diesen Brief Draco, okay?" sagte er leise. „Aber bring ihn nicht in Gefahr, wenn er nicht alleine ist. Und warte, ob er antwortet." Die Eule schuhuhte leise als Antwort und flog in die Nacht. Harry lächelte und legte sich schlafen. Er hoffte, dass Hedwig Draco fand. Und dass dieser antwortete. ‚Meine Güte!' dachte Harry leicht verwirrt. ‚Wenn ich jetzt noch von ihm träume, erkläre ich mich wirklich für verliebt!'

Eigentlich hätte er es besser wissen müssen, als so etwas zu denken. Selbstverständlich träumte er danach von dem blonden Slytherin.