Nimmerland 01

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Disclaimer: Die Lost Boys gehören leider nicht mir. Alle Rechte verbleiben bei ihren Inhabern.

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AN: Ich habe die ersten drei Kapitel überarbeitet - nun sind sie für mich stimmiger -, und endlich Inspiration gefunden, um die Geschichte fertig zu schreiben. Es sind insgesamt acht Kapitel geworden. Viel Spaß beim Lesen!

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Obwohl er schlief, spürte David, dass etwas nicht stimmte. Es war dieses Gefühl, das einen manchmal im Traum überkommt, kurz bevor einem der Boden unter den Füßen wegbricht und man fällt, fällt … um mit wild klopfendem Herzen orientierungslos zu erwachen. Er glaubte, Stimmen zu hören, „Nein! Tu's nicht …! Nein!", und dann kam der Fall.

Nein, kein Fall, es war ein Schlag, ein Stich, der ihm das Herz durchbohrte, und vor Schreck riss er die Augen auf, brüllte … Neben ihm stürzten Paul und Dwayne zu Boden, schreiend, und Marko – Marko schlug kreischend in einem Regen von Blut auf, seinem Blut; David konnte riechen, dass es seines war.

Da waren drei Jungen, der eine war Michaels kleiner Bruder, dann diese lächerlichen Burschen aus dem Comicladen, und sie hatten Pflöcke, und sie waren gebadet in Markos Blut …

David brauchte nur Sekundenbruchteile, um zu erfassen, was geschehen war. Er ließ sich fallen, genau auf die drei kleinen Ratten.

„Ihr seid totes Fleisch!", brüllte er, während ihn der Schmerz in seiner Brust, Markos Schmerz, fast zerriss, und die Ratten flüchtend auseinanderstoben.

„Paul! Bleib bei Marko!", kommandierte er. „Dwayne, mit mir!"

Die Jungen stolperten und krabbelten schreiend durch das Gerümpel in dem Gang, der die Schlafkammer mit der großen Höhle verband. Sie waren so langsam, dass David sich nicht hätte anstrengen müssen, um sie zu packen. Doch er ließ sie bis fast zum Ausgang flüchten, und hielt auch Dwayne mit einem stummen Befehl zurück. Sollten sie glauben, eine Chance zu haben – das Erwachen würde um so bitterer sein.

Als sie nur noch wenige Meter von der äußeren Welt, von Sonne und Freiheit trennten, griff er sich Michaels Bruder. Der Junge schrie, strampelte, versuchte wild, sich zu retten, doch er war viel zu schwach, nur ein sterbliches Kind. Wie konnte dieser Zwerg es wagen, mit den Comicladen-Brüdern, diesen widerlichen, arroganten Fröschen, gemeinsame Sache zu machen, sie zu verraten, wo Michael doch einer der ihren war?!

Michael … War es möglich, dass Michael in die Sache eingeweiht war, den kleinen Ratten geholfen hatte? Wo war Star? Wo Laddie …? Sie waren nicht in der großen Höhle, und auch sonst konnte David sie nirgends wittern oder spüren.

Noch während er sich diese Fragen stellte, hatte David Sam mit eisenhartem Griff am Fußknöchel zu sich gezogen. Der Junge brüllte sich vor Angst die Seele aus dem Leib. Sollte er doch … David war schwer in Versuchung, seinen Griff so zu verstärkten, dass er unter seinen Fingern Knochen brechen fühlte.

Dwayne hatte derweil die beiden Frösche erwischt. Er hielt sie im Schwitzkasten, einen unter jedem Arm. Die Sonne hatte ihn sekundenlang gestreift, so dass die Haut auf seinem Gesicht und seinen Händen nun Blasen warf, was seine Stimmung nicht gerade verbesserte. Dwayne fauchte und spuckte, und seine Augen glühten goldrot.

David konnte es den Jungen nicht verdenken, dass ihr Heldenmut bei diesem Anblick auf die Größe einer Murmel zusammenzuschrumpfen schien. Er witterte und stellte halb angewidert, halb befriedigt fest, dass sich einer der beiden vor Angst in die Hose gepinkelt hatte.

„Ist es das, was ihr wolltet?", zischte er. „Habt ihr es euch so vorgestellt, ja?! Vampirkiller zu sein? Helden?"

Es kostete ihn seine ganze Kraft, sich so weit zu beherrschen, dass er sie nicht an Ort und Stelle in Stücke riss. Er brauchte sie noch …

In seinem Geist und seinem Körper spürte David Markos Schmerz. Eine Träne löste sich aus einem seiner Augen und rann ihm kalt die Wange hinab.

Marko

Er musste sofort zurück zu seinem Bruder!

„Heute Nacht", knurrte David grimmig in Richtung der Frösche, „werdet ihr mehr über Vampire erfahren, als ihr je wissen wolltet. Und aus wesentlich größerer Nähe, als ihr vermutlich geplant hattet."

Zur Untermalung der Worte seines Anführers packte Dwayne fester zu. Die Jungen schnappten nach Luft. Einer von ihnen stieß einen nur halb unterdrückten Schmerzlaut aus. Der andere versuchte, etwas wie "Dreckiger, stinkender Blutsauger!" hervorzuwürgen, aber da ihm Dwaynes Griff die Luft abdrückte, konnte David die Worte nur erahnen.

Ohne den Frosch einer Antwort zu würdigen, warf er sich den strampelnden, schluchzenden Sam über die Schulter. Dwayne, völlig unbeeindruckt von ihrem infernalischen Geheul und ihren teils recht erfolgreichen Versuchen, ihn zu kratzen und zu treten, zerrte die Frog-Brüder hinter sich her.

In kürzester Zeit waren sie wieder in ihrer Schlafstätte. Von der Attacke auf Marko bis zu ihrer Rückkehr waren höchstens fünf Minuten vergangen.

Davids Herz krampfte sich zusammen, als er seinen Bruder am Boden liegen sah. Der Pflock steckte immer noch in seiner Brust; Paul hatte nicht gewagt, ihn herauszuziehen.

David warf Sam direkt neben Marko zu Boden und hielt ihn nieder, indem er sich mit einem Bein auf seine Brust kniete, während er sich über seinen verwundeten Bruder beugte.

Marko war bei Bewusstsein und sah ihn an. Der Schmerz hatte seine Züge so verzerrt, dass sie wie die in Stein gemeißelte Fratze eines Wasserspeiers wirkten. Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.

„Du kommst wieder in Ordnung", sagte David leise und legte seinen Handrücken kurz an Markos Wange. Marko schloss die Augen und drehte den Kopf zur Seite, geschüttelt von seinem Schmerz.

David drehte sich zu den Frog-Brüdern um, die von Dwayne am Genick festgehalten wurden, offensichtlich so fest, dass sie kaum zu atmen wagten, aus Furcht, er könnte ihnen die Wirbelsäulen brechen – eine Furcht, die durchaus nicht unbegründet war.

„Das müssen miese Comics gewesen sein, die ihr über Vampire gelesen habt!", fauchte David.

Die Jungen zuckten vor dem wütenden Donner seiner Stimme zurück. Nach ihren Blicken zu urteilen, musste er einen wahrhaft Furcht erregenden Anblick bieten. Ihr Geist spiegelte ihm das Bild eines tobenden Dämons zurück.

„Ein Pflock durchs Herz allein genügt nicht", sagte David, jetzt gedämpfter, aber nicht weniger wütend. „Mit dem entsprechenden Heilmittel …" Sein gemeines Grinsen und die Art und Weise, wie er sie ansah, sagten den Jungen alles, was sie wissen mussten. Wie um Davids Worte zu betonen, drückte Dwayne kurz fester zu, und einem der Frösche stiegen Tränen in die Augen.

David drehte sich zurück zu Marko, ohne die Reaktion der sich ihrer Sterblichkeit nunmehr sehr bewussten Brüder abzuwarten, und nahm das Knie von Sams Hals. „Pack dich zu den andern. Wenn du versuchst, abzuhauen, reiß' ich dir die Eier ab."

Sam krabbelte eilig zu den Fröschen hinüber.

„Das wird weh tun", warnte David Marko leise. „Halt' ihn gut fest, Paul." Er wartete, bis Paul Marko sicher an den Schultern gepackt hatte, dann griff er das Ende des Holzpflocks und riss ihn mit einem Ruck aus Markos Fleisch. Das widerlich schmatzende Geräusch ertrank in Markos gellendem Schrei. „Schhhh …", machte David und drückte den sich aufbäumenden Körper auf den Boden zurück. „Jetzt kann es heilen … Schhh …"

Obwohl Marko schon so viel Blut verloren hatte, dass er in einer Pfütze davon lag, nicht zu vergessen die erkleckliche Menge, die sich über die kleinen Ratten verteilt hatte, quoll ein neuer Schwall aus der Wunde. Marko stöhnte und krümmte sich zusammen.

David öffnete mit seinen scharfen Zähnen eine Ader an seinem eigenen Handgelenk und drückte es an Markos bleiche Lippen. „Komm, trink … Hol die Flasche, Paul."

Während Paul in den anderen Teil der Höhle verschwand, um die Flasche mit Davids Blut zu holen, und Marko gierig an ihm sog, drehte David sich wieder zu den drei Möchtegern-Vampirkillern um.

Sam war nicht ganz zu Dwayne und den Fröschen gekrochen, sondern auf der Mitte der Strecke zwischen ihnen und David kauern geblieben, wohl um den größtmöglichen Abstand zu beiden Vampiren zu wahren. Eine Hand hatte er an seinem Hals, vielleicht, weil Davids Knie ihn dort gequetscht hatte, vielleicht in einer unbewussten Geste des Schutzes und der Abwehr.

Die Frog-Brüder hingen schlaff in Dwaynes Griff und hatten jede Gegenwehr aufgegeben. David wusste nicht, wer von den beiden Edgar und wer Alan war, und es war ihm auch egal. Der mit dem Barett auf dem Kopf hatte nicht mehr nur Tränen in den Augen, inzwischen liefen sie ihm die Wangen hinab. Der andere sah ein bisschen grün im Gesicht aus, vielleicht aus Angst, vielleicht, weil er den Anblick von all dem Blut und dem großen Loch in Markos Brust nur schwer ertrug. Der Pflock hatte nicht nur das Herz zerfetzt, sondern auch noch eine Rippe gebrochen, deren Bruchstücke in der Wunde zu erkennen waren. Trotz der schweren Verletzung pumpte das Herz regelmäßig.

David sah prüfend in Markos bleiches und eingefallenes Gesicht. Viel mehr konnte er ihm nicht geben, ohne sich zu sehr zu schwächen. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten und war jetzt mit einem schleimigen Film überzogen, aber noch weit davon entfernt, zuzuheilen.

Vorsichtig zog David sein Handgelenk zurück. Marko wimmerte und versuchte, es festzuhalten, aber er war zu schwach dazu. „Gleich", murmelte David beruhigend. „Gleich bekommst du mehr."

Paul brachte die Flasche mit dem Blut. Sie war nur noch halb voll, und Marko leerte sie in wenigen Zügen. Danach ließ Paul ihn trinken, und zuletzt Dwayne, nachdem David die Wache über ihre Gefangenen übernommen hatte.

Die schreckliche Wunde in Markos Herzen hatte sich endlich geschlossen, doch da war immer noch ein Loch in seiner Brust, durch das man den pulsierenden Muskel sah. Zudem hatte Marko offensichtlich nach wie vor Schmerzen; er stöhnte bei jeder noch so kleinen Bewegung.

„Mehr Blut", entschied David knapp und stieß einen der Frösche in Markos Richtung. Der Junge stolperte und brach in die Knie, rappelte sich rasch wieder hoch und versuchte, zurückzuweichen, doch da hatte Dwayne ihn schon am Genick und zwang ihn zu Marko hinunter.

„Pass auf, dass er ihn nicht leer trinkt", befahl David grimmig. „Das wäre ein zu billiges Ende für die kleine Ratte …"

Der Frosch – es war der heulende Frosch, wie David jetzt registrierte – gab einen zischenden Laut von sich, als Markos Zähne seine Halsschlagader aufrissen. Dwaynes stählerner Griff verhinderte, dass er allzu viel herumzappelte.

Dafür begann sein Bruder nun, David das Leben schwer zu machen. Er grunzte, versuchte, David gegen das Schienbein zu treten und sich aus seinen Armen zu winden, und rief dabei immer wieder: „Alan!"

Aha, dann war der heulende Frosch, der gerade mehr Blut verlor, als gut für ihn war, also Alan, und der in Davids Griff strampelnde, nervende Frosch folglich Edgar. David zögerte keine Sekunde, ehe er Edgar mit einer beiläufigen Bewegung das Handgelenk brach. Der Junge quiekte – jetzt klang er tatsächlich wie eine Ratte –, ging in die Knie und kotzte David vor die Füße. Angewidert ließ David ihn fallen und beförderte ihn mit einem gut gezielten Tritt in die Rippen weiter von sich weg.

In diesem Augenblick stieß Marko ein tiefes Seufzen aus. „Jetzt ist es besser", brummte er erleichtert, indem er sich die Lippen leckte. Neben ihm saß zusammengesunken der kraftlose, blasse Alan-Frosch, den Dwayne nun nicht mehr festhalten musste – er hätte kaum ohne Hilfe aufstehen, geschweige denn weglaufen können. Das Loch in Markos Brust hatte sich mit Hilfe seines Blutes komplett geschlossen.

Paul kniete an der Seite seines Bruders und weinte vor Erleichterung, während Dwayne nur stumm auf Marko hinabsah. Michaels kleiner Bruder hockte zwei Meter von ihnen entfernt, starrte benommen auf die Szene und wirkte, als hätte sich sein Gehirn sicherheitshalber abgeschaltet. Er schien kaum noch zu begreifen, was um ihn her vor sich ging. Der Edgar-Frosch dagegen war immer noch mit Kotzen, Keuchen und Winseln beschäftigt.

„Mehr?" David raffte den würgenden Frosch unbarmherzig vom Boden hoch und schwenkte ihn fragend vor Marko hin und her.

Marko zögerte kurz, doch dann schüttelte er den Kopf. „Ich glaube, ich sollte schlafen. Ich bin sehr müde …" Er klang immer noch benommen.

„Ja, schlaf", sagte David sanft, beugte sich zu ihm hinab und strich ihm flüchtig übers Haar. „Die Sonne geht erst in vier Stunden unter."

Marko spähte zweifelnd nach oben ins Gebälk, wo sie normalerweise mit den Köpfen nach unten hängend den Tag verbrachten. „Ich weiß nicht" –

„Wir gehen nach vorne", unterbrach David ihn. „Du kannst dich in Stars oder Laddies Bett legen."

Flüchtig fragte er sich, wohin Michael die beiden wohl gebracht hatte. So weit, wie die drei, besonders Star und Laddie, mittlerweile in ihrer Wandlung fortgeschritten waren, dürfte es ihnen äußerst schwer fallen, tagsüber länger wach zu bleiben. Wahrscheinlich hatten sie sich irgendwo in der Nähe im Schatten verkrochen und lagen längst wieder in tiefem Schlaf.

Nach Sonnenuntergang allerdings würde wohl zumindest Michael in der Höhle auftauchen, um nach dem Verbleib seines Bruders zu forschen. Nun, sie würden ihn gebührend empfangen … Die Zeit für Spielchen war abgelaufen.

„Wir wachen über dich", sagte David zu Marko, während er ihm vorsichtig auf die Füße half. „Über dich … und über die dreckigen kleinen Ratten, bis du wieder wach bist und mit uns entscheiden kannst, wie wir sie am besten auseinandernehmen." Zur Verdeutlichung schüttelte David den Edgar-Kotz-Frosch, der schlapp und blass in seinem Griff hing und nur noch leise wimmerte.

Paul griff sich Michaels Bruder und Dwayne schleifte mit der einen Hand den halb ausgesaugten Alan-Frosch hinter sich her, während er mit der anderen Marko auf dem Weg in den vorderen Teil des Höhlensystems zu stützen half. Dort angekommen, sank Marko auf Stars Bett, rollte sich auf die Seite und war eingeschlafen, kaum dass sein Kopf das Kissen berührte.

Die drei Ratten warfen sie vor den Brunnen im Zentrum der Höhle. Der Alan-Frosch war durch den Blutverlust so geschwächt, dass er kaum die Augen offen halten konnte. Sein Bruder kroch neben ihn, legte ihm halb beschützend, halb hilflos einen Arm um die Schultern und presste dabei sein gebrochenes Handgelenk an die Brust. Ihr nutzloses Anhängsel kauerte sich neben sie auf den schmutzigen Boden und wagte nicht, den Blick von den drei wachen Vampiren abzuwenden.

„Und jetzt … ?", traute Sam sich endlich, flüsternd zu fragen, nachdem die Stille Minuten angedauert hatte. Seine Stimme zitterte. Er sah David an, aus großen, verschreckten Augen.

„Und jetzt … warten wir", verkündete David, während er sich in seinen Rollstuhl-Thron sinken ließ. „Bis zum Sonnenuntergang … Dann seid ihr, und, ich hoffe, auch Michael, Star und Laddie unsere Gäste … beim Abendessen."

Er lachte und sah seine Gedanken an Blut, Schmerz, Zerstörung und Tod in den wilden, furchtsamen Augen des Jungen widergespiegelt. Es erregte ihn. Er konnte den Einbruch der Nacht kaum erwarten …