Prolog
Sulpicia POV
Ich war aufgeregt. Furchtbar aufgeregt sogar. Denn heute endlich war der Tag gekommen. Jener Tag, welchen so viele von uns schon ihr gesamtes Leben lang herbeisehnten. Andere jedoch blickten voller Angst darauf. Den heute war der Tag gekommen, an welchem ich meinen Meistern gegenüber treten würde.
Das aller erste Mal, denn noch niemals zuvor war es jemandem meines Standes vergönnt gewesen, ihnen gegenüber zu treten. Nie zuvor hatte ich sie gesehen. Einzig erzählt wurde mir von ihnen. Und dies nicht einzig nur positiv. Oh nein!
Ich blickte mit gemischten Gefühlen auf den heutigen Tag, denn jeder von uns wusste nur allzu gut: Ein falsches Wort, ein falscher Blick … und man würde uns töten. Schon viel zu oft hatte ich Angst gehabt … Angst davor, zu sterben. Denn einige der Menschen, welche ihnen gegenüber traten, kamen nicht wieder zurück … wurden getötet.
Einige – doch es waren wirklich außerordentlich wenige, wie ich wusste – wurden jedoch für ein neues Leben ausgewählt. Für ein Leben unter ihnen. Ein unsterbliches Leben. Ein Leben als Vampir. Doch dieses Glück wurde nur den wenigsten zuteil. Ich konnte von Glück reden, wenn ich das Ende des heutigen Tages noch erleben durfte.
Eine furchtbare Angst überkam mich nun. Was, wenn sie mich nun doch töten würden? Hatte ich wirklich noch nie zuvor über diese Möglichkeit nachgedacht? Was, wenn ihnen mein Anliegen als Zuwider vorkommen würde und sie mich aus Gründen meiner Bitte töten würden? Wenn das Anliegen in ihren Augen als töricht galt? … Nun dann war ich schlichtweg verloren.
Doch unsere Aufseherin hatte mir befohlen, dass zu tun und dem konnte und durfte ich mich nicht widersetzen. Sie würde zwar dabei sein, jedoch sagen würde sie letztendlich nichts, dessen war ich mir absolut sicher. Immerhin war ich auf diese Weise nicht allein.
Plötzlich wich die Angst der Panik. Noch niemals zuvor hatte ich so empfunden, denn jene – gerade erwähnte Frau – kam nun auf mich zu.
„Sulpicia, nun beeile dich doch. Ich will nicht länger warten müssen und ebenfalls will ich sie nicht warten lassen. Du weißt selbst: Ihre Zeit ist kostbar!" Ja … wir alle wussten, dass es in ihrer Absicht lag, eine von ihnen zu werden. Oft genug hatte sie uns vorgeschwärmt, dass sie sich sicher war, ein Talent zu besitzen. Sie sagte, sie müsse lediglich einmal die Chance dazu erhalten und Er würde sie erwählen.
Umso verständlicher war es also, dass sie nun alles daran setzte, pünktlich zu sein. Viele von uns sehnten sich danach. Nach dem unsterblichen Leben. Ich wusste jedoch nicht, ob ich mich dafür entscheiden würde, käme ich jemals vor diese Wahl. Dies jedoch, würde niemals geschehen, soviel stand fest, denn ich hatte weder ein besonderes Talent, noch war ich sonderlich schön, was Hanna hingegen – so war ihr Name – durchaus war. Meine Chancen standen also äußerst schlecht … Was also sollte ich tun?
Nichts … denn mich zu widersetzen, war mir nicht gestattet und dies würde ich gewiss niemals wagen. Es stand mir schlichtweg nicht zu.
„Natürlich, bitte entschuldigen sie vielmals. Ich war nur … versunken in meinen Gedanken." Ich senkte beschämend den Kopf. Wollte ihren Zorn nicht spüren müssen. Und, ich hatte Glück. Nur genervt verdrehte sie die Augen und zog mich sogleich hinter sich her.
„Wir werden erwartet … oder willst du etwa, dass sie uns allein wegen Unpünktlichkeit töten?" Sie zischte die Worte an mein Ohr und ich zuckte kaum merklich zusammen. Als wir nun vor der schweren Holztür zum Stehen kamen, hörte ich einen schmerzerfüllten Schrei von innen ertönen und mit einem Mal spürte ich wie sich meine Füße an dem Boden festzukleben schienen und ich mich nicht bewegen konnte. Ich stand dort, wie angewurzelt … wie versteinert.
Hanna klopfte ein einziges Mal zaghaft an, öffnete daraufhin jedoch schwungvoll die Tür und ich konnte von der Seite sehen, wie sich ein Lächeln auf ihr Gesicht schlich. Jedoch … ängstigte auch sie sich ein wenig. Das wusste ich.
