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Du bist da
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Manchmal, wenn ich abends vor dem Fernseher sitze und das aktuelle Programm auf mich einrieseln lasse, erinnere ich mich an dich.
An meine Kindheit, meine Jugend, meine erste Freundschaft, meinen ersten Kuss, meine erste Liebschaft. An dich.
Es ist so lange her seit wir diese Menschen waren, ich dieser Mensch war. Ich sehe Bilder vor meinem geistigen Auge, verschwommene, vergilbte Bilder. Eindrücke, die wie im lauwarmen, trüben Wasser gespiegelt, mich an damals denken lassen. Gefühle, die nicht meine zu sein scheinen, die aber doch meine sind.
Töricht war ich, töricht und so jung.
Ich habe einen Fehler nach dem anderen gemacht. Ich habe Schlachten gewonnen, die ich nie hätte kämpfen dürfen, ich habe Kriege aufgegeben, die ich unerbitterlich hätte weiterführen müssen.
Und doch, ich bereue nichts, denn albern der, der Phantomgestalten nachjagt.
Illusionen. Hoffnungen. Träume.
Alles hatte ich, alles habe ich am Altar des Lebens geopfert. Geopfert, um weiterleben zu dürfen. Um weiterleben zu können.
Schwankende Gestallten sind es, die ich in Erinnerungen wieder finde.
Freunde. Feinde. Geliebte.
Alle sind sie zu Schatten ohne Gesicht und Leben verschmolzen.
Tot und kalt, gepfercht in den Käfig meiner Phantasie.
Alle da, um bis in die Nichtexistenz hinein, bei mir zu bleiben- mich zu umschließen.
Und ich treffe dich wieder.
Dich, einen Hauch aus Nebel und Duft. Eine Wolke, die nicht hätte göttlicher sein können.
Die Zeit hat dir nicht geschadet. Nein, ganz im Gegenteil hat, du bist noch schöner geworden. Noch reiner.
Die Wogen meiner Erinnerungen, Gedanken und Gefühle haben dich über die Jahre hinweg gefertigt und geschliffen, alles Gewöhnliche weggespült und dich selbst zu einem Windhauch gemacht.
Ich kann an dir keine Einzelheiten, keine vertrauten Züge erkennen und weiß doch unbestreitbar, dass du es bist. Du und niemand anderer.
Wenn mir die Augen zufallen, denke ich daran, wie merkwürdig es doch ist, an was man sich letztendlich wirklich erinnert.
Es sind nicht das Gesicht und der Körper, nicht der Gang und das Lachen, nein.
Ich erinnere mich an Piniengeruch und geröstete Kastanien, an ein rotes Meer aus Stoff, an Kindertränen und unzählige Neins, an leichte Magenschmerzen.
Ja, das bist du. Genau das und nichts anderes. Nicht das, was ich als Kind fand. Nicht das, was ich begehrte. Nicht das, was ich opferte und was mich im Gegenzug vergaß.
Und dich, dich wie du wirklich bist, wage ich nicht zu opfern, nicht zu begehren, ja, auch nicht zu finden.
Du bist göttlich. Göttlich, weil du echt bist. Unbedeckt, unverkleidet, nackt.
Der Kommentator lacht und ich wache auf.
Die Fernsehseendung läuft weiter, mein Kopf ist schwer, ich habe Gänsehaut bekommen und ich fühle mich betrunken.
Und doch, ich spüre dich, weiß, dass du immer da bist. Nicht im Raum, nirgends in der Nähe, ja, nicht einmal auf dieser Erde, aber du bist doch hier.
In mir. In meinem Kopf und Herzen. Vielleicht auch in meiner Seele, wenn ich denn welche habe.
Du bist da und ich werde dich nicht wieder sehen.
Du bist da und ich werde niemals ein Teil von dir.
Du bist da und ich werde irgendwann nicht mehr da sein.
Aber… du bist da!
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Ich habe an Snape und Lily gedacht, als ich die FF geschrieben habe, aber eigentlich funktionieren da alle möglichen Paarings.
Reviewt bitte.
