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Kapitel 1

Es war ein seltsamer Moment für Mycroft Holmes als seine Mutter ihm erklärte, das er bald ein kleines Geschwisterchen haben würde. Er war sieben Jahre lang alleine vollkommen zufrieden mit seinem Leben gewesen. Warum wollten seine Eltern ihm dann ein kleines Geschwisterchen für ihn haben? Das verstand er einfach nicht. Es war doch alles gut so, wie es im Moment war. Seine Eltern jedoch schienen da eine andere Meinung zu haben. Sie konnten über nichts anderes als das baldige neue Geschwisterchen reden.

Ein klein kleines Geschwisterchen bedeutete doch nicht Stress. Egal ob für ihn oder seine Eltern. Doch was sollte er gegen ihre Entscheidung tun? Grundsätzlich konnte er nichts tun, denn wie würde es aussehen wenn er seinen Eltern so etwas auszureden versuchte? Also blieb er einfach stumm und wartete darauf dass sie die ganze Sache noch einmal bedenken würden.

Doch leider war das nicht der Fall.

Nur ein paar Monate später war seine Mutter um fast das doppelte breiter geworden. Das hieß für ihn, und das wusste er schon als erst sieben jähriger Junge, dass er wirklich ein kleines Geschwisterchen bekommen würde.

Jedoch sagte Mycroft noch immer nichts dazu. Alleine die Freude die er in den Augen seiner Mutter sah, immer wenn sie von dem Baby sprach, lies es nicht zu. Sie freute sich auf das Kind und er wollte nicht daran schuld sein diese Freude kaputt gemacht zu haben. Das würden seine Eltern und auch er sich selbst, nie verzeihen.

In den Monaten die diesmal vergingen, musste er zusehen wie seine Mutter immer dicker wurde und so auch die Geburt des neuen Holmes Spross immer näher rückte. Während dieser Zeit fiel es Mycroft immer schwerer den Mund zu halten und sich nicht darüber zu beklagen, dass sie bald nicht mehr zu dritt sondern zu viert sein würde. Denn er musste zusehen wie seine Mutter sich durchs Haus mühte mit ihrem großen schweren Bauch. Wenn sie kein Kind bekommen würde, dann hätte sie nicht das Problem.

Als er dies jedoch bemerkte, erklärte seine Mutter ihm, dass diese Probleme ganz normal sein und sie diese schon gehabt hatte, als sie mit ihm schwanger gewesen sein. Doch das konnte der kleine Junge so gar nicht glauben. Er hätte seiner Mommy nie solche Umstände bereitet. Dafür liebte er sie einfach viel zu sehr. Das sagte sie bestimmt nur, weil sie seinem baldigen kleinen Bruder in Schutz nehmen wollte. Das war die einzige Erklärung dafür.

Es dauerte nicht lang, bis das große Ereignis bevor stand. Bald musste seine Mutter ins Krankenhaus und kam nach wenigen Tagen mit einem kleinen Bündel wieder nach Hause. Sie hatte einen zweiten Sohn bekommen. So ganz wusste, der nun älteste Holmes Sohn, nicht was er mit diesem kleinem Baby anfangen sollte. Er war eben nur ein Kind und wusste selbst nicht mit diesem kleinem Menschenleben umzugehen.

Seine Mutter versuchte ihr bestes um ihn dazu zu bekommen, endlich etwas Kontakt mit dem kleinen Jungen zu schließen. Sie wollte nicht, dass die beiden Brüder ohne sich für einander zu interessieren aufwuchsen. Das war nicht der Sinn des Bruderseins.

„Na komm, Mycroft. Nehm ihn doch mal auf den Arm!" forderte ihn seine Mutter mit ihrem typischen breitem Lächeln auf. Sie saß mit ihren beiden Söhnen im Wohnzimmer. Ihr Ehemann war wiedermal auf Geschäftsreise. Es war ein Wunder das er es überhaupt zu der Geburt seines zweiten Sohnes geschafft hatte. Doch sie beschwerte sich nicht darüber. Sie liebte ihn und daher akzeptierte sie das ganze einfach still. Sowie bisher Mycroft die Anwesenheit seines Bruder akzeptiert hatte. Doch diese Akzeptanz wurde langsam zur Eifersucht, das spürte die junge Mutter.

„Ich mag ihm nicht weh tun…" versuchte sich der Junge raus zu reden und blickte verstohlen zur Seite, ganz so wie er dreinschaute, wenn er etwas ausgefressen hatte. „Er ist noch so klein und winzig. Wenn ich ihn falsch nehme passiert ihm nur was." Jedoch wollte seine Mutter nicht locker lassen. Wenn er seinen kleinen Bruder auf den Arm haben würde, so war sie sich sicher, würde er seine Meinung über ihn sicher schnell ändern. „Ich passe schon auf, dass ihm nichts passiert!" beschwichtigte ihn seine Mutter weiterhin lächelnd. Nun konnte sich der arme Mycroft nicht mehr raus reden.

Mit einem recht unsicheren Ausdruck im Gesicht, tapste er zu seiner Mutter. Gegen sie hatte er noch nie eine Chance gehabt, besonders wenn sie ihn so anlächelte. Da konnte Niemand nein zu ihr sagen.

So setzt er sich neben ihr auf die Couch, seinen unsicheren Blick auf seinen kleinen Bruder gerichtet. Vorsichtig legte Mrs Holmes ihrem Sohn das kleine Bündel in den Arm und beobachtete wie Mycroft das Baby betrachtete. Wenn Mycroft genau hinsah, erkannte er die Nase seine Mutter, die auch er geerbt hatte. Und er hatte die großen Augen seines Vaters, die jedoch noch nicht dieselbe Farbe angenommen hatten. Noch waren sie leuchtend blau.

Ein seltsames Gefühl dieses kleine Menschlein in den Armen zu halten, das musste er zugeben. Das Baby in seinem Armen lachte, schien sich zu freuen. Streckte seine kleinen Ärmchen nach seinem großen Bruder aus und tastete vorsichtig über das Gesicht des Älteren. Diese kleinen Finger fühlten sich so zerbrechlich an.

Mycroft wusste, dass wenn er sich ungeschickt anstellen würde, mit seinem kleinen Bruder, ihm einfach diese kleinen Finger brechen konnte. Daher ließ er den kleinen Jungen einfach machen. Besser er tat nur ihm weh, wobei er dazu nicht die Kraft hatte, als das Mycroft ihn verletzte.

„Dein Vater beschlossen ihn Sherlock zu nennen." Erklärte seine Mutter ihm und beobachtete dabei weiterhin sein Verhalten. Freundete er sich gerade mit dem Gedanken an großer Bruder zu sein? „Vater denkt sich gerne seltsame Namen aus oder?" erwiderte Mycroft darauf hin und seine Mutter musste anfangen zu lachen. So ganz Unrecht hatte ihr Sohn natürlich nicht, schließlich war Mycroft als Name, auch nicht gerade der geläufigste. „Du kennst ihn doch, zudem hätte es schlimmer kommen können. Sherlock klingt doch nicht so schlecht und dein Name hätte auch schlimmer ausfallen können" erinnerte sie ihren Sohn und strich ihm kurz, durch sein dichtes braunes Haare, das ganz wie das seines Vaters war.

Kurz blickte Mycroft zu seiner Mutter auf und wandte dann wieder seinen Blick, dem kleinem Jungen in seinen Armen zu. Wenn er genau hinsah, erkannte er noch so viel mehr, was sein kleiner Bruder von seiner Mutter hatte. „Er hat deine Locken!" bemerkte er und seine Mutter lache wieder. Mycroft mochte ihr Lachen. Es war so warm und voller liebe. „Ja, er wird hoffentlich nicht solch einen Lockenkopf wie ich bekommen. Sie sind kaum zu bändigen. Aber nun komm, so langsam muss dein kleiner Bruder ins Bett. Es wird Zeit für ihn!" Der Junge schaute nun wieder hoch zu seiner Mutter. Sein Blick war nicht mehr unsicher, wie vorher, sondern entschlossen. „Kann ich ihn ins Bett bringen Mommy?" Mrs Holmes musste anfangen zu lächeln. Scheinbar waren ihre Bemühungen, die beiden Jungen sich näher zu bringen, nicht umsonst gewesen.