Hat zwar ein bisschen gedauert, aber hier ist endlich das nächste Kapitel
Chicago; 1901:
Schon seit 12 Stunden lag Elizabeth Masen in den Wehen; ihr Mann, Edward Masen Senior, saß die ganze Zeit neben ihr und hielt ihre Hand. Die Hebamme sprach ständig aufmunternde Worte und schon 1 Stunde später war das Baby da.
„Herzlichen Glückwunsch, Mr und Ms Masen,sie haben einen Jungen!",die Worte der Hebamme rissen die junge Elizabeth aus ihrer Trance und schon im nächsten Moment streckte sie ihre Arme nach ihrem Sohn aus. Vorsichtig wurde er ,eingewickelt in eine warme Decke, in ihre noch schwachen Arme gelegt. Sofort hörte er auf zu schreien und öffnete seine winzigen Äuglein für einen kurzen Moment. Strahlend grün waren sie, genau wie die ihren und auch seine wenigen, noch nassen Haare, glänzten in genau demselben Bronzeton wie ihre.
Edward Senior saß direkt neben ihr und betrachtete mit stolzen Augen seinen Sohn und Stammhalter.
Die Hebamme stand fröhlich lächelnd daneben und fragte: „Wie soll denn ihr Sohn heißen , Mr Masen?". Edward Senior schaute auf seine Frau, die ihm glücklich, aber erschöpft zunickte und wandte sich dann erst an die Hebamme: „Sein Name ist Edward Anthony Masen Jr.!"
10 Jahre später…..
Fröhlich lachend lief ich mit den anderen Kindern durch die Straße ,nachdem wir uns endlich geeinigt hatten was wir spielen sollten. Diesmal musste ich fangen und die anderen liefen hektisch vor mir weg. Sofort setzte ich ihnen nach, aber sie hätten es wirklich besser wissen müssen. Ich war der schnellste Junge in der ganzen Straße und hatte alle immer schon nach ein paar Minuten gefangen.
Ich rannte gerade hinter John her, ein Junge aus der Nachbarschaft, der wirklich sehr nett war, aber auch sehr langsam. Ich schlug ihm auf die Schulter und rief: „Ich hab dich John!" und schon im nächsten Moment war ich weiter gesprintet. Wie ich mir schon gedacht hatte, fing ich sie alle in fast 10 Minuten.
Wir wollten gerade weiter spielen, als die Stimmen unserer Mütter uns zum Mittagessen riefen und sofort rannten alle in verschiedene Richtungen davon. Ich ließ mir etwas Zeit, ich war noch müde vom fangen spielen und beobachtete das alltägliche Treiben auf der Straße. Pferdekutschen fuhren hin und her , Händler boten Waren aus einer der brandneuen Fabriken an, die man weiter weg gut an ihren riesigen und rauchenden Schornsteinen erkennen konnte.
Ich lebte mit meiner Familie in der Caldwell Avenue, weit entfernt von den Slums. Meine Eltern waren zwar nicht sonderlich reich, aber wir hatten trotzdem mehr Geld zu Verfügung als die meisten anderen der Durchschnittsbevölkerung und so konnten sie mich auch in die Schule schicken.
Ich flüchtete von der Straße, als eine Kutsche auf mich zu gedonnert kam und gleichzeitig ein große Ansammlung von Leuten sich auf den Weg zu den Kaufleuten machten, doch ich hatte mein zu Hause inzwischen erreicht und klopfte laut an die Tür. Mit einem Ruck wurde diese geöffnet und ich blickte hoch in das verärgerte Gesicht meiner Mutter: „Warum hast du dir so lange Zeit gelassen, Edward!.
Ich ließ meinen Kopf reumütig hängen und murmelte: „Tut mir leid ,Mutter!.Ich hörte sie seufzen und blickte auf, um sie schief anzugrinsen. Sie fing an zu lachen: „Ach, mein kleiner Edward, wie kann ich dir denn böse sein, wenn du mich immer mit so großen Augen anschaust! Aber nun gut, schnell, komm herein, sonst wird das Essen noch kalt!". Fröhlich kichernd lief ich in unser kleines Esszimmer, wo schon mein Vater mit einer Zeitung vor der Nase saß und mir über ihren Rand hinweg einen tadelnden Blick zu warf: „Hast du dir wenigstens die Hände gewaschen?". Schnell sprang ich auf und wusch mir die Hände, dann setzte ich mich wieder zu meinen Eltern an den Tisch. Heute gab es einen leckeren Rinderbraten mit Kartoffeln und feiner Soße, ein Highlight, denn Fleisch gab es nicht jeden Tag. Schnell hatte ich alles verputzt und meine Mutter schaute mir belustigt zu, bis mein Vater mit seiner tiefen Stimme die Stille durchbrach: „Elizabeth, Liebste, hast du schon gehört, dass die Stadt die Eisenbahnstrecken weiter ausbauen will? Vielleicht könnten wir ja mal, in ein paar Jahren, ein wenig verreisen,ich würde Edward gerne New York und die Freiheitsstatue zeigen!".
„Wirklich?",rief ich total begeistert und bekleckerte mich sogleich mit Soße,die ich aber wegwischte bevor meine Eltern etwas merkten. Ich sah, dass meine Mutter zögerte, sie machte sich wieder Gedanken um die Finanzen. „Ich weiß nicht so recht, Edward, haben wir überhaupt das Geld für eine Unterkunft?",fragte sie mit leicht gerunzelter Stirn, doch ihr Gatte schnaubte nur: „ Elizabeth, du weißt doch,dass es mit unseren Finanzen gar nicht so schlecht aussieht, aber wenn es dich beruhigt, kann ich ja extra etwas Geld für irgendwelche Reisen zusammensparen". Meine Mutter so zwar noch nicht ganz überzeugt aus, aber ich wusste, dass sie meinem Vater bedingungslos vertraute. Sie war in etwas ärmlicheren Verhältnissen groß geworden und war es somit gewöhnt sehr streng auf das eigene Geld zu achten, da es genauso schnell verschwinden konnte wie es gekommen war.
„Nun gut, dann tu das, aber denke daran, dass wir noch Geld für Edwards Ausbildung beiseite legen müssen!", die Stimme meiner Mutter unterband jeden weiteren Kommentar zu dem Thema. Sie stand auf und begann den Tisch abzuräumen,während mein Vater sich zu mir umwandte. „Wie war die Schule mein Sohn?", fragte er mich, während er die Zeitung zusammenfaltete und sich dann seine Pfeife ansteckte.
Ich fuhr mir durch mein verwuscheltes Haar und erzählte aufgeregt von meinem Schultag. Heute hatten wir über die Geschichte der Vereinigten Staaten gesprochen und über die Kriege gegen andere Länder. Ich war sofort begeistert gewesen, ich hatte mir für später fest vorgenommen ein Soldat zu werden, aber davon erzählte ich noch nichts, denn meine Eltern würden sofort versuchen mir das auszureden.
Mein Vater hörte mir die ganze Zeit über interessiert zu und an einigen Stellen warf er kluge Kommentare ein. Mein Vater war ein sehr geistreicher Mensch, aber er zeigte es viel zu selten, nur gelegentlich bekam ich tiefere Einblicke in seine Persönlichkeit und durfte seine Meinung zu verschiedenen Dingen erfahren. Ich denke mein Vater hätte sich gut als Schriftsteller oder Politiker gemacht, aber über letztere beschwerte er sich immer. Meine Mutter war da ganz anders, sie war von einem stillen Naturell und war musisch sehr begabt, in ihrer Kindheit hatte sie ganz oft bei Freunden Klavier gespielt und hatte sich mit philosophischen Fragen beschäftigt.
Es dämmerte schon, als mein Vater unser Gespräch unterbrach und mich darum bat unser Pferd zu striegeln. Ich ließ mir nicht anmerken,dass ich darauf absolut keine Lust hatte und lief schweigend in den kleinen Stall hinter dem Haus.
Dort wartete schon aufgeregt mit den Hufen scharrend unsere Stute Maya, diesen Namen hatte meine Mutter ihr gegeben, da die alte Stute ihrer Familie denselben Namen getragen hatte. Ich ging zu ihr und streichelte ihr glänzendes schwarzes Fell, während sie mich mit ihrer weichen Schnauze anstieß. Ich holte alles was ich brauchte aus einer Ecke des Stalles und fing an Maya zu bürsten, was ihr sichtlich gefiel, da sie absolut still hielt. Ohne es überhaupt bewusst wahr zu nehmen unterhielt ich mich mit ihr und erzählte ihr von meinem Wunsch Soldat zu werden.
Als ich gerade fertig wurde, war die Nacht schon hereingebrochen und ich musste mich darauf konzentrieren im Dunkeln den Weg zum Haus zu finden. Doch ich war zu schnell und stolperte über einen Stein, wobei ich mir beide Knie aufschlug. Zuerst war ich viel zu geschockt um Schmerz zu empfinden, ich betrachtete meine Knie, die anfingen zu bluten, aber zum Glück war die Haut nur leicht abgeschürft.
Humpelnd setzte ich meinen Weg fort, die kleinen Tränen auf meinem Gesicht bemerkte ich nicht. Langsam ging ich in die Küche und schluchzte leise auf, was meiner Mutter natürlich nicht entging.
„Was hast du denn gemacht, Edward?Komm her, lass mich einen Blick darauf werfen!", rief sie, leichte Besorgnis in den Augen. Sie kam mir entgegen und half mir mich auf einen Stuhl zu setzen. Einige ihrer bronzefarbenen Strähnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und fielen ihr wirr ins Gesicht, als sie ihren Kopf senkte um sich meine Knie näher anschauen zu können. Sie seufzte leise, schaute mir wieder ins Gesicht und wischte die Tränen von meinen Wangen: „Kein Grund zu weinen ,Edward, deine Knie werden in ein paar Tagen wieder ganz die Alten sein!". Als ich in ihre smaragdgrünen Augen schaute,die den meinen so verblüffend ähnlich waren, beruhigte ich mich auf der Stelle. Schnell hatte sie meine Knie verarztet und wusch mir das Gesicht mit einem nassen Lappen ab.
„Jetzt ist es aber Zeit fürs Bett, iss noch schnell dein Abendbrot und mach dich dann fertig, okay?", ihre Stimme war sanft, aber auch streng und ich stand schnell auf um mein Brot zu essen. Danach putzte ich mir die Zähne,gab meinen Eltern einen Gute Nacht-Kuss und sank dann erschöpft in mein Bett. Der Schlaf kam beinahe sofort und bescherte mir bunte Träume voller Musik.
7 Jahre später…
Vor wenigen Tagen hatte ich meinen 17. Geburtstag gefeiert und heute waren wir eingeladen mit einer befreundeten Familie zu speisen. Vor dem Spiegel richtete ich meinen schwarzen Abendanzug und kämmte mir die Haare, dann betrachtete ich das Ergebnis und nickte zufrieden. Ich wusste genau, was dieses Abendessen bezwecken sollte, meine Eltern wollten unbedingt, dass ich mir eine Ehefrau erwählte, doch um ehrlich zu sein hatte ich kein Interesse daran mich zu verlieben und zu heiraten. Ich wollte nach wie vor in den Krieg ziehen und bald würde es soweit sein, aber vorher musste ich noch all die Annährungsversuche der jungen Mädchen in der Stadt über mich ergehen lassen. An meinem Geburtstag hatte ich meinen Eltern endlich von meinem Wunsch erzählt und wie ich es erwartet hatte waren sie mehr als nur empört.
Ich seufzte, denn mir war, ebenso wie ihnen klar, dass ich meinen Weg gehen würde, doch noch immer gaben sie die Hoffnung nicht auf, dass ich mich vielleicht für eine Familie entscheiden würde.
Ich erschrak etwas, als die Stimme meines Vaters zu mir herauf dröhnte: „Edward, komm jetzt, wir müssen los, sonst kommen wir noch zu spät zum Essen bei den Hudsons!". Statt zu antworten ging ich einfach die Treppe hinunter und stellte mich an die Tür. Prüfend musterten mich meine Eltern und meine Mutter blickte mich so stolz an, dass es mir das Herz erwärmte. Wie ein Gentlemen öffnete ich ihr die Tür und geleitete sie nach draußen, mein Vater lief glucksend hinter uns her.
Schon vor einer halben Stunde hatte mein Vater Maya vor die alte Kutsche gespannt und ich setzte mich wie selbstverständlich auf den Platz des Kutschers. Mein Vater schüttelte lachend den Kopf und meine Mutter strich mir dankbar übers Haar und setzte sich dann in die Kutsche, die zwar ohne Dach, aber genauso gemütlich war. Mein Vater setzte sich neben meine Mutter und nahm ihre Hand, während ich mit der Zunge schnalzte und die Zügel fest in die Hand nahm. Maya schritt gemächlich die Straße entlang und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Ich atmete tief durch und betrachtete die nahende Dämmerung.
Nach 20 Minuten hatten wir das Haus der Hudsons erreicht, ich half meiner Mutter auszusteigen und folgte dann meinem Vater,der schon an der Tür geklopft hatte. Ein junges Mädchen von vielleicht 14 oder 15 Jahren öffnete die Tür und als sie mich erkannte warf sie mir begehrliche Blicke zu. Sie wurde rot, als ihr die Regeln der Höflichkeit wieder einfielen und sie uns hastig begrüßte und herein bat. In strammer und vornehmer Haltung betraten wir Männer das Haus, meine Mutter hob ihr Kleid etwas an und schritt elegant am Arm meines Vaters die Treppe hinauf.
Drinnen wurden wir von den Hudsons begrüßt und mir fiel auf, dass das junge Mädchen mich immer noch anstarrte, doch ich schaute erst gar nicht richtig hin, sie konnte noch so schön sein, ich wollte aber unter allen Umständen ein Soldat werden und kein Ehemann.
„Ah, dieser hübsche Bursche muss Edward sein!", die Stimme von Mr Hudson riss mich aus meinen Gedanken und ich reichte ihm meine Hand. „Hallo Sir, es freut mich Sie zu sehen!", ich sprach deutlich und sehr respektvoll und Ms Hudson warf mir anerkennende Blicke zu. Mit einem schiefen Lächeln wandte ich mich ihr zu und verbeugte mich: „Ms Hudson, es ist mir eine Ehre!".
Nach dieser formalen Begrüßung wurde das Essen serviert und meine Eltern sorgten dafür, dass ich neben dem Mädchen, Ingrid, saß. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit ihr zu unterhalten. Ich fand sie sogar sehr nett, aber in mir regte sich nichts, sie berührte mein Herz einfach nicht, was meinen Eltern dann auch auffiel. Ihre Blicke waren traurig und ich versuchte mich so angeregt wie möglich mit Ingrid zu unterhalten, damit sie vielleicht nicht ganz so enttäuscht waren.
Nach 2 Stunden verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Heimweg. Ich spürte, dass meine Mutter etwas sagen wollte und erleichterte ihr den Anfang, indem ich flüsterte: „Es tut mir ehrlich leid, aber sie hat mein Herz einfach nicht berühren können!". Meine Mutter berührte meine Schulter: „Das ist doch nicht schlimm Edward, irgendwann wirst du dein Glück finden, auch wenn es mich traurig macht, dass du weggehen willst!". Ich erklärte ihr, dass das alles nicht so schlimm wäre und ich eines Tages zurückkehren würde, aber da wusste ich noch nicht, dass meine Tage als Edward Anthony Masen schon längst gezählt waren.
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